STIMMEN ZUR LOGIK

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PS Einführung in die formale Logik (Wintersemester 2007/2008)
Handout zur Sitzung vom 14. Januar 2008
Prädikatenlogik der ersten Stufe: Die formalisierte Sprache  (nach B. MATES 21978, 65ff.)
1. Was ist Prädikatenlogik der ersten Stufe?
Die Aussagenlogik betrachtet die formalen Zusammenhänge zwischen ganzen Aussagen. Die
Prädikatenlogik beschäftigt sich dagegen auch mit den formalen Zusammenhängen innerhalb von
Aussagen. Diese Zusammenhänge bestehen zwischen Prädikaten und den Subjekten, von denen
diese Prädikate ausgesagt werden. Die Prädikatenlogik der ersten Stufe befasst sich lediglich mit
solchen Aussagen, in denen es sich bei den Subjekten lediglich um Individuen handelt und nicht
um Prädikate. Die Prädikatenlogik der zweiten Stufe beschäftigt sich auch mit Aussagen, deren
Subjekte auch wiederum Prädikate sein können.
2. Was ist die Sprache  ?
Die Sprache  ist eine von B. MATES geschaffene künstliche Sprache. Sie besteht aus
verschiedenen Zeichen, unter denen nur die logischen Operatoren und Quantoren (siehe unten)
bereits eine festgelegte Bedeutung haben. Der Zweck dieser Sprache besteht darin, die
prädikatenlogische Form von Aussagen klar darzustellen. Dies dient wiederum dazu, die logische
Struktur von alltagssprachlichen Aussagen herauszuarbeiten. Zunächst ist die Sprache  also eine
Sprache (Objektsprache), über die gesprochen wird, nach ihrer Einführung aber eine Sprache, in
der über die Alltagssprache gesprochen werden kann (Metasprache).
„Das sieht so aus, als wollten wir versuchen, uns am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen, aber
vielleicht paßt ein anderer Vergleich doch besser: wir verwenden eine schadhafte Maschine, um
eine bessere zu bauen, die wir dann dazu benutzen können, die alte zu überholen.“ (B. MATES
2
1978, 60)
3. Zeichen der Sprache 
Zur Konstruktion der Sprache  werden folgende Zeichen benötigt: die schon aus der
Aussagenlogik bekannten Operatoren; Prädikate; Individuenkonstanten; Variable; Quantoren. Mit
Ausnahme der Operatoren und Quantoren werden alle Zeichen bei Bedarf jeweils im Einzelfall mit
Bedeutungen belegt.
Individuenkonstanten sind kleine, kursiv gedruckte Buchstaben von a bis t, eventuell mit Ziffern
als unteren Indizes. Sie stehen für Namen und andere Subjektkennzeichnungen der natürlichen
Sprache.
Beispiel: ‚g’ = ‚Garri Kasparow’, ‚b’ = ‚Uwe Voigt’, ‚k’ = ‚Wladimir Kramnik’ usw.
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Prädikate sind große kursiv gedruckte Buchstaben: F, G, H …, die obere und untere Indizes
haben können. Prädikate der Sprache  stehen für Prädikate der Alltagssprache und stellen daher
unvollständige Aussagen dar.
Beispiel: ‚G’ = ‚… hat 2006 die Bamberger Kreis-Einzelmeisterschaft im Schach gewonnen’.
Die Individuenkonstanten, die für die Individuen stehen, über welche das Prädikat ausgesagt wird,
folgen hinter dem Prädikat.
Beispiel: ‚G b’ = ‚Uwe Voigt hat 2006 die Bamberger Kreis-Einzelmeisterschaft im Schach
gewonnen.’
Durch untere Indizes werden verschiedene Prädikate voneinander unterschieden.
Beispiele: ‚G1’ = ‚… ist eine Graugans’, ‚G9127995399’ = ‚… ist glücklich’ usw.
Obere Indizes geben die Anzahl der Individuen an, über die das Prädikat in je verschiedener
Hinsicht ausgesagt wird. Ein Prädikat, das eine Ziffer für die positive ganze Zahl n als oberen
Index hat, ist ein n-stelliges Prädikat, das sich auf eine n-stellige Relation bezieht.
Beispiel: ‚S 2 k g’ = ‚Wladimir Kramnik besiegt Garry Kasparow.’
Individuenvariablen (kleine kursiv gedruckte Buchstaben: u, v , w, x, y, z, gegebenenfalls mit
arabischen Ziffern als unteren Indices) stehen für beliebige, nicht näher bestimmte Individuen.
Beispiele:
‚S 2 a x’ = ‚Garry Kasparow besiegt irgendjemanden.’
‚S
2
a x  F666 a’ = ‚Wenn Garry Kasparow irgendjemanden besiegt, dann freut sich Garry
Kasparow.’
Variablen der Metasprache:  hat eine eigene Metasprache 1. Diese Metasprache enthält
Variablen, die jeweils bestimmte Zeichentypen von  bezeichnen, also für die entsprechenden
Mengen von Zeichen stehen. (1 ist also eine Sprache, mit der die Prädikatenlogik der zweiten
Stufe ausgedrückt werden kann. Wir benutzen 1 aber nur dazu, die aussagenlogische Struktur von
 darzustellen.) Die Variablen der Metasprache bestehen aus den Buchstaben des griechischen
Alphabets (, , ,  …).
Beispiel: ‚S 2 a x  F666 a’ kann in 1 kürzer ausgedrückt werden: ‚  ’ bzw. ‚’.
Quantoren sind Zeichen, durch welche die Quantität einer Aussage bestimmt wird. Quantoren
beziehen sich jeweils auf eine Variable und die Verbindung, in der diese Variable vorkommt.
Komplexe Verbindungen, die mindestens einen Operator enthalten, werden in Klammern gesetzt.
Der Existenzquantor ‚’ bedeutet: ‚Es gibt mindestens ein … derart, dass …’ bzw. ‚Es gibt …’
Beispiel: ‚ x G1 x’ = ‚Es gibt mindestens ein beliebiges Individuum, von dem gilt: Das beliebige
Individuum ist eine Graugans.’ bzw. ‚Es gibt mindestens eine Graugans.’
Der Allquantor ‚’ bedeutet: ‚Für alle … gilt, dass …’
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Beispiel: ‚ x (G1 x  G9127995399 x)’ = ‚Für alle beliebigen Individuen gilt: Wenn ein beliebiges
Individuum eine Graugans ist, dann ist es glücklich.’
Beachte: Allquantoren als solche führen nicht zu Existenzaussagen!
Existenz- und Allquantoren lassen sich kombinieren, zum Beispiel:
‚ x  y (S x  F666 y)’ = ‚Für jedes beliebige Individuum gilt: Es gibt mindestens ein anderes
beliebiges Individuum, für das gilt: Wenn x gewinnt, freut sich y.’ bzw. ‚Für jedes x gibt es ein y,
das sich freut, wenn x gewinnt.’
‚ x  y (G9127995399 x G1 y’ = ‚Für jedes beliebige Individuum x und für jedes beliebige
Individuum y gilt: Wenn x sich freut, dann ist y eine Graugans.’
‚ ’ bedeutet die Generalisierung von  bezüglich ;
‚ ’ bedeutet die Partikularisierung von  bezüglich .
4. Formeln in der Sprache 
Formeln sind Zeichen oder Zeichenkombinationen, die alltagssprachliche Aussagen über
bestimmte Subjekte darstellen können oder die so ergänzt werden können, dass sie derartige
alltagssprachliche Aussagen darstellen können.
Atomare (also möglichst kleine) Formeln sind Prädikate ohne oberen Index oder n-stellige
Prädikate, auf die eine Reihe von n Individuensymbolen (Individuenkonstanten oder
Individuenvariablen) folgt.
Beispiele: F, G9127995399, F1 u, G3 a b x
Alle weiteren Formeln entstehen ausschließlich auf einem oder mehreren der folgenden Wege:

Negation einer atomaren Formel, z.B. ‚¬ F’

Verbindung von atomaren Formeln durch logische Operatoren, z.B. ‚F  G’

Quantifizierung einer atomaren Formel, z.B.  x F1 x
Formeln, die in anderen Formeln stehen, sind deren Teilformeln.
Eine Formel, die keine atomare Formel ist, heißt allgemein, wenn sie mit einem All- oder
Existenzquantor anfängt; ansonsten heißt sie molekular.
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5. Gebundene und freie Variablen und Teilformeln; Aussagen
‚Gebunden’ oder ‚frei’ zu sein ist eine Eigenschaft von Variablen und Teilformeln, die davon
abhängt, ob vor der Formel, in der die Variable oder Teilformel vorkommt, ein Quantor steht oder
nicht: Eine Variable oder Teilformel ist gebunden, wenn vor ihrer Formel ein Quantor steht; sie ist
frei, wenn vor ihrer Formel kein Quantor steht. Aussagen der Sprache  sind Formeln, die keine
freien Variablen enthalten. Diese Formeln entsprechen Aussagen der Alltagssprache.
Gegeben sei beispielsweise folgende Formel:
‚’ =
( x (F2xa → y (F2xy  G2zy))  F2xa)
In dieser Formel kommt die Variable ‚x’ viermal vor, nämlich zunächst dreimal gebunden, weil ‚x’
in  innerhalb der Teilformel  vorkommt:
‚’ =
 x (F2xa → y (F2xy  G2zy))
 besitzt die Form  . Alle Variablen in ihr sind also gebunden.
Beim vierten Mal kommt ‚x’ frei vor, weil es nicht im Innern einer Formel steht, die mit dem
Existenz- oder Allquantor beginnt, sondern in
‚’ =
F2xa
Da in  also mindestens eine Variable frei vorkommt, handelt es sich hier nicht um eine Aussage.
‚z’ kommt nur einmal, und zwar frei vor, da es zwar in einer Partikularisierung steht, aber nicht in
einer Partikularisierung bezüglich ‚z’.
6. Beispiele für verschiedene Formen von Aussagen der Sprache 
Beispiele für atomare Aussagen:
F1a
G3abc
Beispiele für allgemeine Aussagen: x Fx
x y (F2xy  G3xyz)
Beispiele für molekulare Aussagen: (F  G)
(x Fx → y Gy)
Beachte: Die letztgenannte Aussage ist keine allgemeine Aussage! („Wenn allen x die Eigenschaft
F zukommt, so gibt es mindestens ein y, dem die Eigenschaft G zukommt“ ist keine Aussage von
der Art „Für alle x gilt …“.)
7. Interpretationen der Sprache 
Gegeben sei eine Aussage  von  , z.B. ‚Ds’ oder ‚G3abc’.
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Eine Interpretation ordnet jeder Individuenkonstanten und jedem Prädikat innerhalb von  eine
Bedeutung zu, d.h.:

Individuenkonstanten werden Individuen aus einer beliebig gewählten Grundmenge
zugeordnet; z.B.: „‚s’ steht als ein Individuum aus der Grundmenge der Menschen für
Sokrates“.

Einstelligen Prädikaten werden Eigenschaften von Individuen zugeordnet; z.B.: „‚D’ steht
für ‚starb im Jahre 399 v.Chr.’“

Mehrstelligen Prädikaten
werden
mehrstellige
Relationen zwischen Individuen
zugeordnet; z.B.: ‚G abc’ steht für ‚Bilbo gibt Frodo den Ring’“
3

Aussagen werden Wahrheitswerte zugeordnet.
Im Rahmen der Interpretation  wird, mit der Menge aller Menschen als Grundmenge, der
Individuenkonstanten ‚s’ Sokrates zugeordnet und dem Prädikat ‚D’ die Menge aller Menschen,
die im Jahre 399 v.Chr. starben. Dann besagt die Aussage ‚Ds’, dass Sokrates zu der Menge aller
Menschen gehört, die im Jahre 399 v.Chr. starben; dementsprechend ist ‚Ds’ wahr und die
kontradiktorische Aussage ‚¬Ds’ falsch. ‚Ds  ¬Ds’ besagt dann, dass Sokrates im Jahre 399
v.Chr. starb oder dass er nicht im Jahre 399 v.Chr. starb, was wiederum wahr ist.
‚xDx’ besagt, dass irgendjemand im Jahre 399 v.Chr. starb, was wahr ist.
‚ xDx’ besagt, dass alle Menschen im Jahre 399 v.Chr. starben, was falsch ist.
Im Rahmen der Interpretation ’ wird mit der Menge aller Menschen als Grundmenge der
Individuenkonstanten ‚s’ Steven Spielberg zugeordnet und dem Prädikat ‚D’ die Menge aller
Menschen, die ‚Der Herr der Ringe’ geschrieben haben. Bei dieser Interpretation ist ‚Ds’ falsch,
‚¬Ds’ dagegen wahr. Der Wahrheitswert einer Aussage kann sich also beim Übergang von einer
Interpretation zu einer anderen ändern.
Einige Aussagen behalten bei solchen Übergängen ihre Wahrheitswerte jedoch bei; im genannten
Beispiel: ‚Ds  ¬Ds’.
Aussagen, die bei jeder Interpretation wahr sind, heißen gültige Aussagen von .
Eine Interpretation der künstlichen Sprache  zu geben, bedeutet im Allgemeinen:
(1)
eine Menge B als Grundmenge auszuzeichnen
(2)
jeder Individuenkonstanten ein Element von B zuzuordnen
(3)
jedem n-stelligen Prädikat eine n-stellige Relation (Menge von geordneten n-Tupeln von
Elementen aus B) zuzuordnen;
(4)
jeder Aussage einen Wahrheitswert zuzuordnen.
LITERATUR: B. MATES, Elementare Logik. Prädikatenlogik der ersten Stufe. Göttingen 21978
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HAUSAUFGABE (nach B. Mates 21978, S. 74)
1. Geben Sie jeweils ein Beispiel für:
a)
eine Formel, in der ‚x’ und ‚y’ frei vorkommen;
b)
eine Aussage, die mit einem Allquantor beginnt;
c)
eine Aussage, die eine Konjunktion ist; die Komponenten der Konjunktion sollen
Disjunktionen sein, deren Komponenten Aussagebuchstaben oder Negationen von
Aussagebuchstaben sind;
d)
eine Formel, in er keine Individuensymbole vorkommen;
e)
eine Formel, die die Generalisierung der Partikularisierung einer Subjunktion ist;
f)
eine Formel, die keine Aussage ist, aber Aussagen als Teile enthält;
g)
eine Formel, die eine Aussage ist, aber keine anderen Aussagen als Teile enthält.
2. Interpretieren Sie die Aussagen, die Sie für Aufgabe 1 erzeugt haben!
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