Ferienkurs Experimentalphysik 1 Vorlesung 1 Klassische Mechanik des Massenpunktes und Bezugssysteme Steen Maurus, Diana Beyerlein, Markus Perner 5.03.2012 Inhaltsverzeichnis 1 Klassische Mechanik des Massenpuntes 1.1 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kraftgesetz . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Arbeit, Energie, Leistung . . . . . . . 1.4 Drehmoment und Drehimpuls . . . . 1.5 Gravitation und Planetenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 4 6 8 9 2 Bezugssysteme 9 2.1 Galilei-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2 Beschleunigte Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1 Klassische Mechanik des Massenpuntes 1.1 Kinematik Oft werden Objekte in der klassischen Mechanik als Massenpunkte idealisiert, da dies die Beschreibung stark vereinfacht. Konkret heiÿt das, die Gesamtmasse vereinigt sich im Schwerpunkt und jegliche Ausdehnungen werden vernachlässigt. Diese Näherung gilt, wenn die Ausdehnung des Objektes viel kleiner ist, als dessen Bewegung ist. In kartesischen Koordinaten lautet die Position des Massenpunktes durch den Ortsvektor x(t) ~r(t) = y(t) z(t) (1) beschrieben. Bietet die Problemstellung eine besondere Symmetrie, bieten sich andere Koordinatensysteme an, wie zum Beispiel Kugelkoordinaten oder Zylinderkoordinaten. Bei kugelsymmetrischen Problemen, wie Satellitenugbahnen, bieten sich Kugelkoordinaten an, da sich der Radius nicht Ãndert und so eine einfachere Beschreibung möglich ist. Nun denieren wir den Begri der Geschwindigkeit. Sie ist durch die Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit deniert: ẋ(t) d~r(t) ~v (t) = = ~r˙ (t) = ẏ(t) dt ż(t) (2) Die Änderung der Geschwindigkeit wird als Beschleunigung bezeichnet und ist deniert als: 1 ẍ(t) d~v ÿ(t) ~a(t) = = dt z̈(t) (3) Um aus der Beschleunigung die Geschwindigkeit bzw. den Ort zu erhalten, muss integriert werden. ˆt ~v (t) − ~v (0) = ~a(t0 )dt0 (4) ~v (t0 )dt0 (5) 0 Analog gilt für den Ort: ˆt ~r(t) − ~r(0) = 0 Hierbei ist zu beachten das Komponentenweise integriert wird. Für den speziellen Fall einer konstanten Beschleunigung folgt in x-Richtung: ˆt ax dt0 = vx (0) + ax t vx (t) = vx (0) + (6) 0 ˆt x(t) = x(0) + 1 (vx (0) + ax t0 )dt0 = x(0) + vx (0)t + ax t2 2 (7) 0 Die anderen Koordinaten werden analog ermittelt. Daraus ergibt sich die allgemeine Bewegungsgleichung: 1 ~r(t) = ~r(0) + ~v0 t + ~at2 2 (8) ~v (t) = ~v0 + ~at (9) Mit diesen beiden Gleichungen kann noch ein sehr hilfreicher Zusammenhang hergeleitet werden: ~v 2 = ~v02 + 2~a(~r − ~r0 ) → v = p 2a(r − r0 ) (10) Dies kann sehr hilfreich, sein wenn keine Zeitangabe gegeben ist. Zu beachten ist, dass 2 der letzte Ausdruck nur für eine Richtung gilt, also keine vektorielle Gröÿe darstellt und v0 = 0 gesetzt wurde. Kreisbewegung Nun wollen wir die Bewegung eines Massenpunktes auf einer Kreisbahn beschreiben. Dies geschieht üblicherweise in Polarkoordinaten: x(t) y(t) → r · cos(Φ(t)) r · sin(Φ(t)) (11) Hierbei ist r der konstant angenommene Radius und Φ(t) der zeitabhängige Winkel zwischen der x-Achse und dem Ortsvektor. Die Winkelgeschwindigkeit oder Kreisfrequenz ω ist hierbei als zeitliche Ableitung des Winkels deniert: ω= dΦ(t) v = 2πf = dt r (12) f ist hierbei die Frequenz und über f = T1 deniert. T wiederum ist die Zeit, die der Massenpunkt benötigt, um einmal den Kreis abzufahren. v wird als Tangential oder Bahngeschwindigkeit bezeichnet. Sie ändert ihre Richtung, doch der Betrag bleibt konstant. Verantwortlich für diese Richtungsänderung ist die Zentripetalbeschleunigung: aZ = ω 2 · r = v2 r (13) Da sich der Betrag von v nicht ändert, steht dieser Vektor tangential darauf und zeigt zum Kreismittelpunkt. Vektoriell werden noch folgende Zusammenhänge deniert: ~v = ω ~ × ~r ω ~ = r12 (~r × ~v ) ~aZ = ω ~ × ~v = ω × (~ω × ~r) (14) Ändert sich die Geschwindigkeit des Körpers, wirkt zusätzlich eine Beschleunigung α auf den Massenpunkt. Unter der Voraussetzung, dass diese Konstant ist, folgt für Φ(t) und ω(t): ω(t) = α · t + ω0 1 Φ(t) = α · t2 + ω0 · t + Φ0 2 3 (15) (16) 1.2 Kraftgesetz Bis jetzt wurde die Bewegung der Körper bzw. Masse punkte beschrieben, ohne auf deren Ursache einzugehen. Dies soll hier nun nachgeholt werden und wir in den 3 newton' schen Axiome zusammengefasst: • Ein Körper verharrt in seinem Bewegungszustand (Ruhe oder gleichförmig-geradlinig) so lange keine Kräfte auf ihn wirken oder diese sich Gegenseitig aufheben. Der Impuls p~ = m · ~v und damit auch seine Geschwindigkeit ~v bleiben hierbei konstant. • Die Beschleunigung der ein Körper ausgesetzt ist, ist proportional zur Kraft die an ihm wirkt und dessen Masse: F~ = m · ~a (17) • Die Kraft die einen Körper auf einen anderen ausübt, ist stets entgegengesetzt zur Kraft welcher der andere Körper auf den einen ausübt (Action=Reaktion): F~12 = F~21 (18) Hierbei ist anzumerken, dass bei Kräften das Superpositionsprinzip gilt. Konkret heiÿt das, Kräfte dürfen zerlegt werden oder durch Vektoraddition zu einer Gesamtkraft zusammen gefasst werden. Streng genommen ist die Gleichung F = ma nur ein Spezialfall. Aus F = dtd p folgt F = dtd m · v + dtd v · m. Für eine zeitlich konstante Masse folgt das bekannte Kraftgesetz. Es folgen einige Beispiele für Kräfte: Gravitationskraft Die Wechselwirkung zwischen bei Massenpunkte der Masse m1 und m2 wird durch das sogenannte Gravitationsgesetz beschrieben: Gm1 m2 F~G = − r̂ r2 (19) G=6.674 · 10−11 kgm· s2 bezeichnet dabei die Gravitationskonstante. r̂ ist der Einheitsvektor in Verbindungsrichtung. Dies bedeutet, dass die Gravitationskraft immer auf der Verbindungslinie der beiden Massen wirkt. Im Schwerefeld der Erde kann wiederum eine Näherung gemacht werden, da sich r im Vergleich zum Erdradius kaum ändert: 3 4 (20) FG = −m · g mit g = G ·r2MErde = 9, 81 sm2 . Dieser Faktor wird Erdbeschleunigung genannt. Erde Coulomb-Wechselwirkung Diesmal wird die Kraft auf 2 Ladungen beschrieben. Dieses Gesetz hat sehr viele Ähnlichkeiten zum Gravitationsgesetz, mit dem Unterschied der Stärke und das sie sowohl abstoÿend, als auch anziehend wirken kann: F~C = 1 q·Q r̂ 4π0 r2 (21) 0 = 8.85 · 10−12 VA··ms ist die Dielektrizitätskonstante. Reibungskraft Wenn ein Körper eine Kraft tangential zu einer Oberäche ausübe, wird die Gegenkraft der Oberäche als Reibungskraft bezeichnet. Dabei wird zwischen Haftreibung und Gleitreibung unterschieden. Dies zeigt sich in den verschiedenen Reibungskoezienten µH bzw. µG . Es gilt: FR,H = µH · FN undFR,G = µG · FN (22) wobei FN die Normalkraft bezeichnet. Die Haftreibung ist dabei immer gröÿer als die Gleitreibung. Zentripetalkraft Um einen Körper auf einer Kreisbahn zu halten, ist eine Kraft nach innen von nöten. Diese wird Zentripetralkraft genannt: FZ = m · ω 2 · r = m · v2 r Sie zeigt, wie oben schon angesprochen immer zum Kreismittelpunkt. 5 (23) 1.3 Arbeit, Energie, Leistung Arbeit Wenn die Kraft F~ (~r) an jedem Ort deniert ist, spricht man von einem Kraftfeld. Wenn ein Körper in diesem Kraftfeld einen innitesimalen Weg d~r zurücklegt, wird an ihn die mechanische Arbeit dW = F~ (~r)d~r verrichtet. Um die gesamte Arbeit zu erhalten, die vom Punkt A zum Punkt B geleistet wird, muss entlang eines Weges γ Integriert werden: ˆ F~ (~r) · d~r W = (24) γ Wenn die Kraft über den Weg konstant ist, folgt folgender spezial Fall: W = F~ · ~r (25) Interessant an diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Kräfte die senkrecht auf ~r stehen keine Arbeit verrichten. Potentielle Energie Allgemein ist ein Potential ein Maÿ für die Arbeit die geleistet werden kann. In einem konservativen Kraftfeld gibt die Dierenz aus 2 Potenzial-punkten an, wie viel Arbeit gewonnen oder eingesetzt werden muss: ˆB F~ · d~r = −∆EP ot = EA,pot − EB,pot ∆Epot = (26) A In konservativen Kraftfelder ist das Integral auch nicht vom Weg abhängig. Lediglich die Anfangs und Endpunkte müssen übereinstimmen. Ist W < 0 wird dem Körper Energie zugeführt. Gründe dafür, dass ein Kraftfeld nicht konservativ ist, können Zeitabhängigkeiten sein oder eine Geschwindigkeitsabhängigkeit sein. Es ist zu beachten, dass es nicht möglich ist eine absolute Angabe der potentielle Energie anzugeben. Es ist immer ein Bezugspunkt von nöten. Als kleines Beispiel ein Stein im Schwerefeld der Erde: 6 ∆EP ot ˆh2 = − (−m · g)dz = mgh2 − mgh1 = mg(h2 − h1 ) (27) h1 Nun bietet es sich an einen Bezugspunkt zu wählen, an dem EP ot = 0 ist. In diesem Fall scheint die Erdoberäche eine günstige Wahl zu sein. Somit folgt: (28) EP ot = m · g · h Kinetische Energie Betrachten wir nochmal eine Körper der mit der Kraft F~ von A nach B beschleunigt wird. Es wird folgende Arbeit verrichtet: ˆB ˆB (m · ~a) · d~r = m W = A d~v · d~r = m dt ˆvB 1 1 ~v · d~r = mvB2 − mvA2 2 2 (29) vA A Wird der Körper aus der ruhe beschleunigt folgt die kinetische Energie: 1 Ekin = mv 2 2 (30) Energieerhaltung Führt man nun diese beide Ausdrücke zusammen, und nimmt die Erhaltung der Gesamtenergie für ein nach auÿen abgeschlossenes System an folgt daraus: EA,kin + EA,pot = EB,kin + EB,pot + ∆E (31) Dabei bezeichnet ∆E Verluste der Energie, die zum Beispiel durch Wärme o.Ä. verursacht werden. Werden diese auÿer acht gelassen, folgt der bekannte Energieerhaltungssatz: EA,kin + EA,pot = EB,kin + EB,pot (32) Kraft und Potential Für konservative Potentiale gibt es noch einen nützlichen Zusammenhang, der direkt 7 die Kraft liefert: (33) ~ F~ = −∇E ~ den Nabla Operator. Hier bezeichnet ∇ Es ist leicht zu erkennen, das F~ = 0 ist, wenn die erste Ableitung des Potentials verschwindet. Dies wird dann als Gleichgewicht bezeichnet. Über die Art des Gleichgewichtes (stabil, labil, indierent) wird aber keine Aussage getroen. Es sei noch anzumerken, dass für jedes konservative Kraftfeld ein Potential existiert. . Man erkennt Ein Beispiel für ein Potential ist das Gravitationspotential: Epot = − GmM r 1 das für groÿe Entfernungen das Potential mit r abfällt, die zugehörige Kraft aber mit 1 . r2 Leistung Nun wird noch der Begri der Leistung deniert. Leistung ist dabei die Ableitung der Arbeit nach der Zeit: P = dW dt (34) Leistung ist also ein Maÿ für die Arbeit die pro Zeitintervall verrichtet wird. 1.4 Drehmoment und Drehimpuls Der Drehimpuls kann als üblich bekannter Impuls angesehen werden, nur das er einen Gewichtungsfaktor r bekommt. Dieser stellt den Abstand dar. Allgemein ist der Drehimpuls L deniert als: (35) ~ = ~r × p~ = m · (~r × ~v ) L Werden Polarkoordinaten verwendet, berechnet sich der Betrag durch: (36) |L| = mr2 Φ̇ = mr2 ω Das Drehmoment ist die Ableitung des Drehimpulses nach der Zeit: ~ ~ = dL = D dt d~r dt × p~ + ~r × 8 d~p dt = ~r × F~ (37) Im letzten Schritt wurde benutzt, dass ~v und p~ in die gleiche Richtung zeigen und ihr Kreuzprodukt somit verschwindet. Wieder kann man es wie eine Kraft betrachten, die mit dem Abstand skaliert ist. Die~ ser Zusammenhang kann sehr hilfreich sein. Verschwindet das Drehmoment, muss L konstant gewesen sein → Drehimpulserhaltung. 1.5 Gravitation und Planetenbewegung Eine Anwendung der oben aufgelisteten Ausdrücke ist die Beschreibung von Planetenbahnen. Dazu gibt es 3 Keplersche Gesetze: • Die Umlaufbahn der Planeten sind Ellipsen. Die Sonne, das Gravitationszentrum, bendet ich in einem Brennpunkt. • In gleichen Zeiten überschreitet der Fahrstrahl gleiche Flächen • Die Quadrate der Umlaufzeiten verhalten sich wie die Kuben der groÿen Halbachsen. T2 = const. a3 2 Bezugssysteme Wie Anfangs schon erwähnt, kann man sich mit dem richtigen Koordinatensystem einiges an Arbeit ersparen. Doch selbst dort muss das richtige Bezugssystem gewählt werden. Beispielsweise bietet sich beim Stoÿ zweier Teilchen das Schwerpunktsystem an. 2.1 Galilei-Transformation Im folgenden werden 2 verschiedene Bezugssysteme behandelt. Um Verwechslungen zu vermeiden, wird das ruhende System ungestrichen und das bewegte gestrichen bezeichnet. Für ein Koordinatensystem das sich mit der Geschwindigkeit ~u bewegt folgt: r~0 (t) = ~r(t) − ~u(t) · t v~0 (t) = ~v (t) − ~u(t) a~0 (t) = ~a(t) (38) Es ist leicht zu erkennen, dass Kräfte, Beschleunigung und Zeiten in beiden Systemen die gleichen sind. Somit gelten dort die gleichen Gesetze. Dies ist aber nur bis ca. 0.1c gültig. Bei schnelleren Geschwindigkeiten ist eine Lorenz-Transformation nötig. 9 Gröÿen die trotz des Wechsel eines Bezugssystems gleich bleiben, werden als invariant bezeichnet. 2.2 Beschleunigte Bezugssysteme Bei beschleunigten Bezugssysteme ändert sich oben aufgeführte Gleichheit. Durch die Beschleunigung wirken nicht in beiden Bezugssysteme dieselben Kräfte. Es müssen Scheinkräfte eingeführt werden und die Konsistenz zu erhalten. Geradlinig beschleunigtes Bezugssystem Wie oben, wird das ungestrichene System als ruhendes System angesehen. Das mit α beschleunigte wird als gestrichenes bezeichnet: a~0 = ~a − α ~ (39) Wieder betrachten wir einen speziellen Fall, nämlich, dass ~a = 0 ist. Dann gibt es dennoch eine resultierende Kraft F~ = −mα, die nur im beschleunigten System auftritt. Diese Scheinkraft wird als Trägheitskraft bezeichnet. Ein Beispiel hierfür ist die Beschleunigung in einem Aufzug. rotierende Bezugssysteme Nun betrachten wir obige Zusammenhänge in einem rotierenden System. Das System soll mit ω rotieren und den selben Koordinatenursprung wie das ruhende System haben. Hieraus folgt dann: v~0 = ~v − ω ~ × ~r (40) Nun brauchen wir noch einen Ausdruck für die Beschleunigung ~a. Dieser ergibt: a~0 = ~a − 2(ω × v~0 ) − ω ~ × (~ω × r~0 ) (41) Dies ist gerade die Kraft, die ein Beobachter im beschleunigten System misst. Es folgt also: F~ = ma~0 = m~a − 2m(~ω × v~0 ) − m{~ω × (~ω × r~0 )} 10 (42) Dies sind die Kräfte die nur in beschleunigtem System existieren. Sie setzten sich aus 2 Teilen zusammen. Zum einen die Zentrifugalkraft F~Zf = −m{~ω × (~ω × r~0 )} = −F~Z und der Corioliskraft F~C = −2m(~ω × v~0 ) 11