Mittwoch 21.12.2016

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Riemannsche Flächen, WS 2016/2017
Mittwoch 21.12
$Id: quotient.tex,v 1.6 2016/12/21 19:19:17 hk Exp $
§3
Überlagerungen und Quotienten
3.2
Lokale Homöomorphismen und Isomorphismen
Wir sind gerade mit dem Beweis eines Satzes über die ersten Eigenschaften von Überlagerungen beschäftigt.
Satz 3.22 (Grundeigenschaften von Überlagerungen)
Seien E, B zusammenhängende und lokal wegzusammenhängende topologische Räume
und p : E → B eine Überlagerung.
(a) Die Abbildung p : E → B ist ein lokaler Homöomorphismus.
(b) Sei U ⊆ B eine für p elementare offene Menge. Ist dann V ⊆ U offen in U ,
so ist auch V eine für p elementare offene Menge. Ist U wegzusammenhängend
und ist (US
i )i∈I eine Familie paarweise disjunkter offener Teilmengen von E mit
−1
p (U ) = i∈I Ui so, dass p|Ui : Ui → U für jedes i ∈ I ein Homöomorphismus
ist, so ist {Ui |i ∈ I} die Menge der Wegzusammenhangskomponenten von p−1 (U )
und für jede Wegzusammenhangskomponente C von p−1 (U ) ist p|C : C → U
damit ein Homöomorphismus. Weiter hat jeder Punkt b ∈ B eine bezüglich p
elementare, wegzusammenhängende offene Umgebung.
(c) Sind γ : [0, 1] → B eine stetige Kurve und e ∈ E mit p(e) = γ(0) so existiert
genau eine stetige Kurve γ
e : [0, 1] → E mit p ◦ γ
e = γ und γ
e(0) = e.
(d) Ist B 6= ∅ so gibt genau eine Kardinalzahl κ mit |p−1 (b)| = κ für jedes b ∈ B. Man
nennt p dann auch eine κ-blättrige Überlagerung.
Beweis: (a,b) Dies wurde bereits gezeigt.
(c) Die Existenz eines Liftings von γ hatten wir bereits bewiesen. Hierzu hatten wir die
Kurve γ durch endlich viele elementare, offene, wegzusammenhängende Teilmengen von
B überdeckt, d.h. wir haben 0 = t0 < t1 < . . . < tn = 1 und U1 , . . . , Un ⊆ B der eben
beschriebenen Art mit γ([tj−1 , tj ]) ⊆ Uj für alle 1 ≤ j ≤ n. Dann wurde γ
e stückweise
definiert, für jedes 1 ≤ j ≤ n haben wir eine Wegzusammenhangskomponente Cj von
p−1 (Uj ) mit γ
e|[tj−1 , tj ] = (p|Cj )−1 ◦ (γ|[tj−1 , tj ]). Wir kommen nun zur Eindeutigkeit,
sei also δ : [0, 1] → E stetig p ◦ δ = γ und δ(0) = e. Insbesondere ist dann δ|[0, t0 ] =
γ
e|[0, t0 ]. Nun sei 1 ≤ j ≤ n und nehme an das δ|[0, tj−1 ] = γ
e|[0, tj−1 ] gilt. Dann ist
δ(tj−1 ) = γ
e(tj−1 ) ∈ Cj und wegen p(δ([tj−1 , tj ])) = γ([tj−1 , tj ]) ⊆ Uj ist δ([tj−1 , tj ]) ⊆
−1
p (Uj ) in einer Wegzusammenhangskomponente von p−1 (Uj ) enthalten, d.h. es ist
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δ([tj−1 , tj ]) ⊆ Cj und somit auch δ|[tj−1 , tj ] = (p|Cj )−1 ◦ (γ|[tj−1 , tj ]) = γ
e|[tj−1 , tj ].
Damit gilt auch δ|[0, tj ] = γ
e|[0, tj ] und induktiv so fortfahrend haben wir schließlich
δ=γ
e.
(d) Es ist zu zeigen das je zwei Fasern von p gleichmächtig sind. Seien also x1 , x2 ∈ B
gegeben. Da B wegzusammenhängend ist existiert eine stetige Kurve γ : [0, 1] → B
mit γ(0) = x1 und γ(1) = x2 . Für jedes e ∈ p−1 (x1 ) gibt es nach (c) genau eine stetige
Kurve γe : [0, 1] → E mit p◦γe = γ und γe (0)e, also insbesondere p(γe (1)) = γ(1) = x2 .
Damit haben wir eine Abbildung
ϕ : p−1 (x1 ) → p−1 (x2 ); e 7→ γe (1)
und wir behaupten das ϕ bijektiv ist. Hierzu betrachten wir die stetige Kurve γ − :
[0, 1] → B; t 7→ γ(1 − t) mit γ − (0) = x2 und γ − (1) = x1 und diese definiert uns analog
eine Abbildung ψ : p−1 (x2 ) → p−1 (x1 ). Ist e ∈ p−1 (x1 ) so ist γe− : [0, 1] → E; t 7→
γe (1 − t) wieder eine stetige Kurve mit p ◦ γe−1 = γ − und γe− (0) = γe (1) = ϕ(e), also ist
ψ(ϕ(e)) = γe− (1) = γe (0) = e.
Dies zeigt ψ ◦ ϕ = idp−1 (x1 ) und wegen γ −− = γ ist analog ϕ ◦ ψ = idp−1 (x2 ) , d.h. ϕ ist
bijektiv mit ϕ−1 = ψ.
Wir schauen uns nun zwei für uns wichtige Beispiele von Überlagerungen an und
beginnen mit der Abbildung
p : R → S 1 ; t 7→ e2πit .
Dabei steht S 1 := {z ∈ C : |z| = 1} für den Einheitskreis in der Ebene. Die Abbildung p
ist stetig und auch offen. Um letzteres einzusehen betrachten wir die Polarkoordinaten
ϕ : R>0 × R; (r, φ) 7→ reiφ
und wir wissen das ϕ|R>0 × (a, b) für alle a, b ∈ R mit a < b < a + 2π ein Homöomorphismus auf sein in C offenes Bild ist. Sind also a, b ∈ R mit a < b < a + 1 so ist
U := ϕ(R>0 × (2πa, 2πb)) offen in C mit p((a, b)) = S 1 ∩ U , d.h. p((a, b)) ist offen in S 1 .
Da sich jede offene Teilmenge von R als Vereinigung derartiger Intervalle schreiben läßt
ist p : R → S 1 damit eine offene Abbildung. Für t, s ∈ R ist genau dann p(t) = p(s)
wenn t − s ∈ Z ist, sind also a, b ∈ R mit a < b < a + 1 so ist p|(a, b) : (a, b) → p((a, b))
eine stetige, offene und bijektive Abbildung auf eine offene Teilmenge von S 1 also
insbesondere ein Homöomorphismus. Damit können wir nun zeigen das p eine Überlagerung ist. Sei b ∈ S 1 gegeben und schreibe b = p(t0 ) mit einem t0 ∈ R. Dann ist
V := (t0 − 1/2, t0 + 1/2) offen in R also ist U := p(V ) eine offene Umgebung von b in
S 1 . Das Urbild von U unter p ist die disjunkte Vereingung
[
1
1
−1
p (U ) = V + Z =
t0 + n − , t : 0 + n +
2
2
n∈Z
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und für jedes n ∈ Z ist p|(t0 + n − 1/2, t0 + n + 1/2) : (t0 + n − 1/2, t0 + n + 1/2) → U
ein Homöomorphismus, d.h. U ist eine elementare offene Umgebung von b in S 1 . Damit
ist p tatsächlich eine Überlagerung.
Für unser zweites Beispiel sei Λ ≤ C ein Gitter in C und betrachte den Torus
T := C/Λ. Wir wissen das die Projektion p : C → T eine offene Abbildung ist. Sei
nun b ∈ T und schreibe b = z0 + Λ für ein z0 ∈ C. Da Λ diskret und abgeschlossen in
C ist gibt es ein > 0 mit B2 (0) ∩ Λ = {0} und wir erhalten die offene Umgebung
U := p(B (z0 )) von b in T . Dabei gilt
[
[
p−1 (U ) = p−1 (p(B (z0 ))) = B (z0 ) + Λ =
(B (z0 ) + λ) =
B (z0 + λ)
λ∈Λ
λ∈Λ
und sind λ, µ ∈ Λ mit B (z0 +λ)∩B (z0 +µ) 6= ∅, so gibt es ein z ∈ C mit |z −z0 −λ| < und |z − z0 − µ| < also ist λ − µ = (z − z0 − µ) − (z − z0 − λ) ∈ B2 (0) ∩ Λ = {0} und
somit λ = µ. Dabei haben wir p−1 (U ) als eine Vereinigung paaweise disjunkter offener
Teilmengen von C geschrieben. Ist λ ∈ Λ, so ist p|B (z0 + λ) : B (z0 + λ) → U bijektiv,
denn sind z, w ∈ B (z0 + λ) mit p(z) = p(w) so haben wir z − w ∈ B2 (0) ∩ Λ = {0}
also z = w. Damit ist p|B (z0 + λ) : B (z0 + λ) → U bijektiv, stetig und offen also ein
Homöomorphismus. Damit ist p : C → T eine Überlagerung.
Die weitergehenden Aussagen über Überlagerungen beruhen alle auf dem Homotopiebegriff und der sogenannten Fundamentalgruppe. Wir wollen die benötigten topologischen Grundtatsachen in einer Bemerkung zusammenstellen.
Bemerkung 3.23 (Schleifen und die Fundamentalgruppe)
In dieser Bemerkung wollen wir einige topologische Tatsachen im Zusammenhang mit
der sogenannten Fundamentalgruppe eines topologischen Raumes besprechen. Sei eim
folgenden X ein topologischer Raum. Weiter bezeichne
P (X) := X [0,1] := {γ : [0, 1] → X|γ ist stetig}
die Menge aller stetigen Kurven in X. Zwei Elemente α, β ∈ P (X) mit gleichen Startund Endpunkt, also a := α(0) = β(0) und b := α(1) = β(1) nennen wir homotop relativ
{0, 1}, geschrieben als α ' β, wenn es eine stetige Abbildung H : [0, 1]×[0, 1] → X mit
H(s, 0) = α(s) und H(s, 1) = β(s) für alle s ∈ [0, 1] sowie H(0, t) = a und H(1, t) = b
für alle t ∈ [0, 1] gibt. Jede solche Abbildung heißt dann eine Homotopie von α nach
β geschrieben als H : α ' β. Man stellt sich H am besten als eine stetige Familie von
Kurven vor durch die α in β deformiert wird, für jedes t ∈ [0, 1] ist
Ht : [0, 1] → X; s 7→ H(s, t)
diese deformierte Kurve“ zum Zeitpunkt t. Dann sind H0 = α und H1 = β. Beachte
”
das die Kurven Ht für jedes t ∈ [0, 1] den Startpunkt a und den Endpunkt b haben.
In P (X) können wir auch einige weitere Operationen definieren. Ist zunächst γ ∈
P (X) so definieren wir die zu γ inverse Kurve γ − ∈ P (X) als
γ − : [0, 1] → X; t 7→ γ(1 − t)
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und dann ist stets γ −− = γ, wie schon zu Eimgang dieser Sitzung verwendet. Sind weiter
α, β ∈ P (X) mit α(1) = β(0) so definiere zu zusammengesetzte Kurve α ∗ β ∈ P (X)
als die stetige Abbildung
(
α(2t),
0 ≤ t ≤ 12 ,
α ∗ β : [0, 1] → X; t 7→
β(2t − 1), 21 ≤ t ≤ 1
und dann gilt (α ∗ β)− = β − ∗ α− . Für jeden Punkt x ∈ X definieren wir noch die
konstante Kurve x ∈ P (X) durch x : [0, 1] → X; t 7→ x mit −
x = x . Wir stellen nun
einige Eigenschaften dieser Konstruktionen zusammen.
(a) Die Relation ' ist eine Äquivalenzrelation auf P (X).
Für jedes α ∈ P (X) ist zunächst α ◦ pr1 : α ' α die Relation ist also reflexiv.
Sind α, β ∈ P (X) mit α ' β, so wählen wir eine Homotopie H von α nach β und
dann ist
G : [0, 1] × [0, 1] → X; (s, t) 7→ H(s, 1 − t)
eine Homotopie von β nach α, also β ' α und die Symmetrie ist bewiesen.
Schließlich seien α, β, γ ∈ P (X) mit α ' β und β ' γ gegeben. Wählen wir dann
Homotopien H 0 : α ' β und H 00 : β ' γ, so ist
(
H 0 (s, 2t),
0 ≤ t ≤ 12 ,
H : [0, 1] × [0, 1] → X; (s, t) 7→
H 00 (s, 2t − 1), 21 ≤ t ≤ 1
eine Homotopie von α nach γ also ist auch α ' γ.
(b) Sind α, β ∈ P (X) mit α ' β so ist auch α− ' β − .
Ist nämlich H : α ' β eine Homotopie von α nach β so ist G : [0, 1] × [0, 1] →
X; (s, t) 7→ H(1 − s, t) eine von α− nach β − .
(c) Sind α, β ∈ P (X) mit α(1) = β(0) und γ, δ ∈ P (X) mit α ' γ und β ' δ so ist
auch α ∗ β ' γ ∗ δ.
Wählen wir nämlich Homotopien H 0 : α ' γ und H 00 : β ' δ, so ist
(
H 0 (2s, t),
0 ≤ s ≤ 21 ,
H : [0, 1] × [0, 1] → X; (s, t) 7→
H 00 (2s − 1, t), 12 ≤ s ≤ 1
eine Homotopie von α ∗ β nach γ ∗ δ also ist auch α ∗ β ' γ ∗ δ.
(d) Sind α, β, γ ∈ P (X) mit α(1) = β(0) und β(1) = γ(0) so ist (α∗β)∗γ ' α∗(β ∗γ).
Für jedes s ∈ [0, 1] sind unsere beiden Kurven gegeben als

(
α(4s),
0 ≤ s ≤ 41 ,
α ∗ β(2s), 0 ≤ s ≤ 21 , 
(α ∗ β) ∗ γ(s) =
= β(4s − 1), 41 ≤ s ≤ 21 ,
1

γ(2s − 1), 2 ≤ s ≤ 1

γ(2s − 1), 12 ≤ s ≤ 1
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und analog


0 ≤ s ≤ 12 ,
α(2s),
α ∗ (β ∗ γ)(s) = β(4s − 2), 12 ≤ s ≤ 43 ,


γ(4s − 3), 34 ≤ s ≤ 1.
Definieren wir also

4s

0 ≤ s ≤ t+1
,
α t+1 ,
4
t+1
t+2
H : [0, 1] × [0, 1] → X; (s, t) 7→ β (4s − t − 1) , 4 ≤ s ≤ 4 ,

 4s−t−2 t+2
γ 2−t ,
≤ s ≤ 1,
4
so ist H stetig mit H(s, 0) = (α ∗ β) ∗ γ(s) und H(s, 1) = α ∗ (β ∗ γ)(s) für
alle s ∈ [0, 1] sowie H(0, t) = α(0) und H(1, t) = γ(1) für alle t ∈ [0, 1], d.h.
H : (α ∗ β) ∗ γ ' α ∗ (β ∗ γ) und (d) ist bewiesen.
(e) Ist α ∈ P (X) und setzen wir x := α(0) und y := α(1) so gelten x ∗ α ' α und
α ∗ y ' α.
Definieren wir
(
x,
H : [0, 1] × [0, 1] → X; (s, t) 7→
α
2s−t
2−t
0 ≤ s ≤ 2t ,
, 2t ≤ s ≤ 1,
so ist H stetig mit H(s, 0) = α(s) und
(
x,
0 ≤ s ≤ 21 ,
H(s, 1) =
= x ∗ α(s)
α(2s − 1), 21 ≤ s ≤ 1
für alle s ∈ [0, 1] sowie H(0, t) = x und H(1, t) = y für alle t ∈ [0, 1], es ist also
H : α ' x ∗ α. Angewandt auf α− ergibt dies α− ' y ∗ α− und nach (b) ist auch
α = α−− ' (y ∗ α− )− = α−− ∗ −
y = α ∗ y .
(f ) Sei wieder α ∈ P (X) und setze x := α(0) und y := α(1). Dann gelten α ∗ α− ' x
und α− ∗ α ' y .
Für jedes s ∈ [0, 1] gilt
(
(
α(2s),
0 ≤ s ≤ 21 ,
α(2s),
0 ≤ s ≤ 21 ,
−
α ∗ α (s) =
=
α− (2s − 1), 21 ≤ s ≤ 1,
α(2(1 − s)), 21 ≤ s ≤ 1.
Definieren wir also die stetige Abbildung


0 ≤ s ≤ 1−t
,
α(2s),
2
1+t
1−t
H : [0, 1] × [0, 1] → X; (s, t) 7→ α(1 − t),
≤s≤ 2 ,
2


α(2(1 − s)), 1+t
≤ s ≤ 1,
2
so gelten H(s, 0) = α ∗ α− (s) und H(s, 1) = x für alle s ∈ [0, 1] sowie H(0, t) =
H(1, t) = x für alle t ∈ [0, 1], also H : α ∗ α− ' x . Wenden wir dies auf α− an so
ist weiter y ' α− ∗ α−− = α− ∗ α.
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Definieren wir nun
Π(X) := P (X)/ '
als die Menge aller Homotopieklassen von Kurven in X relativ {0, 1}, so können wir
für jedes α ∈ P (X) den Startpunkt der Äquivalenzklasse [α] ∈ Π(X) als [α](0) := α(0)
definieren und entsprechend den Endpunkt als [α](1) := α(1). Sind dann α, β ∈ P (X)
mit α(1) = β(0) so ist das Produkt
[α] · [β] := [α ∗ β] ∈ Π(X)
nach (c) wohldefiniert. Damit ist für alle α, β ∈ Π(X) mit α(1) = β(0) ein Produkt
α · β ∈ Π(X) definiert. Sind α, β, γ ∈ Π(X) mit α(1) = β(0) und β(1) = γ(0), so ergibt
(d) das Assoziatibgesetz (α · β) · γ = α · (β · γ). Weiter haben wir für jeden Punkt
x ∈ X ein neutrales Element 1x := [x ] ∈ Π(X) und für jedes α ∈ Π(X) mit x := α(0),
y := α(1) besagt (e) dann 1x · α = α = α · 1y . Schließlich können wir für α ∈ P (X)
nach (b) auch
[α]−1 := [α− ] ∈ Π(X)
definieren. Ist dann α ∈ Π(X) mit x := α(0), y := α(1) so besagt (f) auch α · α−1 = 1x
und α−1 · α = 1y . Man nennt Π(X) mit diesen Operationen auch das Fundamentalgruppoid von X.
Für jeden Punkt x ∈ X definieren wir
Ω(X, x) := {α ∈ P (X)|α(0) = α(1) = x}
als die Menge aller Schleifen an x und dann wird
π1 (X, x) := Ω(X, x)/ '= {α ∈ Π(X)|α(0) = α(1) = x}
versehen mit den von Π(X) induzierten Operationen eine Gruppe, die sogenannte Fundamentalgruppe oder erste Homotopiegruppe des punktierten topologischen Raums
(X, x). Dann ist 1x = [x ] das neutrale Element der Fundamentalgruppe. Die Fundamentalgruppe hängt zwar vom Punkt x ab, für Basispunkte innerhalb derselben
Wegzusammenhangskomponente sind Fundamentalgruppe aber immer isomorph.
Seien nämlich x, y ∈ X und γ ∈ Π(X) mit γ(0) = x und γ(1) = y. Dann haben wir
eine Abbildung
Ψγ : π1 (X, x) → π1 (X, y); α 7→ γ −1 · α · γ
und da für alle α, β ∈ π1 (X, x) stets
Ψγ (α · β) = γ −1 · α · β · γ = γ −1 · α · 1x · β · γ = γ −1 · α · γ · γ −1 · β · γ = Ψγ (α) · Ψγ (β)
gilt, ist Ψγ ein Gruppenhomomorphismus. Weiter ist für jedes απ1 (X, x) stets
Ψγ −1 (Ψγ (α)) = γ · γ −1 · α · γ · γ −1 = 1x · α · 1x = α,
d.h. Ψγ −1 ◦ Ψγ = idπ1 (X,x) . Angewandt auf γ −1 ist dann auch Ψγ ◦ Ψγ −1 = idπ1 (X,y) , d.h.
Ψγ ist ein Gruppenisomorphismus mit Ψ−1
γ = Ψγ −1 .
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Als eine letzte Feststellung können wir noch das Verhalten von Fundamentalgruppoid und Fundamentalgruppe unter stetigen Abbildungen untersuchen. Seien hierzu Y
ein weiterer topologischer Raum und f : X → Y eine stetige Abbildung. Für jedes
α ∈ P (X) ist dann
f (α) := f ◦ α ∈ P (Y )
und für alle α, β ∈ P (X) mit α(1) = β(0) sowie alle x ∈ X gelten
f (α ∗ β) = f (α) ∗ f (β), f (α− ) = f (α)− und f (x ) = f (x) .
Sind dann α, β ∈ P (X) mit α ' β, so gibt es eine Homotopie H : α ' β und dann ist
f ◦ H eine Homotopie von f ◦ α nach f ◦ β, also ist f (α) ' f (β). Für jedes α ∈ P (X)
können wir also
f∗ ([α]) := [f (α)] = [f ◦ α] ∈ Π(Y )
definieren und erhalten eine Abbildung f∗ : Π(X) → Π(Y ). Sind α, β ∈ P (X) mit
α(1) = β(0) und x ∈ X so erhalten wir
f∗ ([α] · [beta]) = f∗ ([α ∗ β]) = [f (α ∗ β)] = [f (α) ∗ f (β)] = f∗ ([α]) · f∗ ([β]),
sowie
f∗ ([α]−1 ) = f∗ ([α− ]) = [f (α− )] = [f (α)− ] = [f (α)]−1 = f∗ ([α])−1
und f∗ (1x ) = f∗ ([x ]) = [f (x )] = [f (x) ] = 1f (x) , man sagt auch das f∗ ein Homomorphismus von Gruppoiden ist.
Haben wir auch einen Basispunkt y ∈ Y und ist f : (X, x) → (Y, y) stetig, ist also
eine stetige Abbildung f : X → Y mit f (x) = y, so erhalten wir durch Einschränkung
von f∗ einen Gruppenhomomorphismus f∗ : π1 (X, x) → π1 (Y, y).
Damit können wir zu einem entscheidenden Lemma über Überlagerungen kommen.
Wir hatten eingesehen das sich längs einer Überlagerung jede stetige Kurve sogar mit
einem vorgegebenen Anfangspunkt liften läßt, dass Überlagerungen also Faserungen
für den trivialen Raum {0} sind. Im nächsten Schritt wollen wir ganze Homotopien
zwischen Kurven liften. In einer Überlagerung ist dies immer möglich, aus technischen
Gründen wollen wir den entsprechenden Satz auch für geeignete lokale Homöomorphismen beweisen. Dies erfordert eine zusätzliche Voraussetzung, dass nämlich der
Totalraum E hausdorffsch ist. Spezialisiert auf Überlagerungen ist dies zwar eine überflüssige Voraussetzung, da wir hauptsächlich an Riemannschen Flächen interessiert sind
ist diese aber nicht weiter störend.
Lemma 3.24 (Lifting von Homotopien)
Seiem B ein topologischer Raum, E ein hausdorffscher topologischer Raum und p :
E → B ein lokaler Homöomorphismus. Weiter seien a, b ∈ B und e ∈ E mit p(e) = a
sowie α, β : [0, 1] → B zwei stetige Kurven mit α(0) = β(0) = a und α(1) = β(1) = b.
e
Es gebe Liftings α
e von α und βe von β mit α
e(0) = β(0)
= e sowie eine Homotopie H
relativ {0, 1} von α nach β. Für jedes t ∈ [0, 1] besitze die Kurve Ht : [0, 1] → B ein
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e t : [0, 1] → E mit H
e t (0) = e. Dann ist H
e : [0, 1] × [0, 1] → E eine Homotopie
Lifting H
e
relativ {0, 1} von α
e nach βe und insbesondere gilt α
e(1) = β(1).
e : [0, 1]×[0, 1] → E
Beweis: Wir zeigen zunächst durch einen Widerspruchsbeweis das H
stetig ist. Angenommen dies wäre nicht der Fall. Dann können wir
e ist in (s, t) nicht stetig} ∈ [0, 1]
s0 := inf{s ∈ [0, 1]|∃(t ∈ [0, 1]) : H
definieren und zeigen zunächst das s0 > 0 ist. Da p ein lokaler Homöomorphismus
ist, gibt es offene Umgebungen V von e in E und U von a = p(e) in B so, dass
p|V : V → U ein Homöomorphismus ist. Da H stetig ist gibt es für jedes t ∈ [0, 1]
wegen H(0, t) = a ein t > 0 mit H([0, 1] × [0, 1] ∩ [0, t ) × (t S
− t , t + t )) ⊆ U . Da
[0, 1] kompakt ist gibt es weiter t1 , . . . , tn ∈ [0, 1] mit [0, 1] ⊆ nk=1 (tk − tk , tk + tk )
und wir erhalten := min{t1 , . . . , tn } > 0. Dann ist H([0, ) × [0, 1]) ⊆ U und Lemma
e t (s) = (p|V )−1 (H(s, t)) für alle s ∈ [0, ), t ∈ [0, 1], d.h. H|[0,
e
21 liefert H
) × [0, 1] =
−1
(p|V ) ◦ (H|[0, ) × [0, 1]) ist stetig. Dies ergibt s0 ≥ > 0 und diese Behauptung ist
bewiesen.
e t0 (s0 ) in E und
Sei t0 ∈ [0, 1] und wähle offene Umgebungen V von H(s0 , t0 ) = H
e 0 , t0 )) = H(s0 , t0 ) in B so, dass p|V : V → U ein Homöomorphismus
U von p(H(s
ist. Da H stetig ist, existiert ein 0 < < s0 mit H([0, 1] × [0, 1] ∩ (s0 − , s0 + ) ×
e t0 in s0 stetig ist, gibt es ein s1 ∈ (s0 − , s0 )
(t0 − , t0 + )) ⊆ U . Da weiter H
e 1 , t0 ) ∈ V und wegen s1 < s0 ist H
e in (s1 , t0 ) stetig, es existiert also ein
mit H(s
e 1 } × ([0, 1] ∩ (t0 − δ(t0 ), t0 + δ(t0 )))) ⊆ V . Dann ist Q :=
0 < δ(t0 ) < mit H({s
[0, 1] × [0, 1] ∩ (s1 , s0 + δ(t0 )) × (t0 − δ(t0 ), t0 + δ(t0 )) eine offene Umgebung von (s0 , t0 )
in [0, 1] × [0, 1] und die Abbildung G := (p|V )−1 ◦ (H|Q) : Q → E ist stetig mit
p ◦ G = H|Q. Sei t ∈ [0, 1] ∩ (t0 − δ(t0 ), t0 + δ(t0 )). Dann sind die beiden Abbildungen
e t) = H
e t (s)
f : [0, 1] ∩ [s1 , s0 + δ(t0 )) → E; s 7→ H(s,
und
g : [0, 1] ∩ [s1 , s0 + δ(t0 )) → E; s 7→ (p|V )−1 (H(s, t))
e 1 , t) ∈ V
stetig mit p ◦ f = Ht |[0, 1] ∩ [s1 , s0 + δ(t0 )) = p ◦ g und wegen f (s1 ) = H(s
−1
ist auch g(s1 ) = (p|V ) (H(s1 , t)) = f (s1 ), nach Lemma 21 ist also f = g. Für jedes
e t), es
s ∈ [0, 1] ∩ (s1 , s0 + δ(t0 )) folgt hieraus auch G(s, t) = g(s) = f (s) = H(s,
e
e ist in jedem Punkt von Q stetig. Da [0, 1] kompakt ist
gilt also G = H|Q
und H
S
gibt es wieder t1 , . . . , tn mit [0, 1] ⊆ nk=1 (tk − δ(tk ), tk + δ(tk )) und setzen wir δ :=
e in jedem Punkt von [0, 1] × [0, 1] ∩ (s1 , s0 + δ) × [0, 1]
min{δ(t1 ), . . . , δ(tn )} so ist H
e
stetig, im Widerspruch zur Definition von s0 . Dies beweist die Stetigkeit von H.
e t) stetig mit p(γ(t)) =
Insbesondere ist die Abbildung γ : [0, 1] → E; t 7→ H(1,
−1
H(1, t) = b für alle t ∈ [0, 1]. Damit ist γ([0, 1]) ⊆ p (b) und da p−1 (b) diskret ist,
e für alle t ∈ [0, 1]. Damit haben
e t) = α
muss γ konstant sein, es gilt also H(1,
e(1) = β(1)
α
e und βe denselben Endpunkt und sind relativ {0, 1} homotop.
17-8
Riemannsche Flächen, WS 2016/2017
Mittwoch 21.12
Als eine erste Anwendung dieses Lemmas können wir jeder Überlagerung eine Untergruppe der Fundamentalgruppe des Basisraums zuordnen, beziehungsweise genauer
eine Konjugiertenklasse solcher. Gleichwertig kann man eine Wirkung dieser Fundamentalgruppe auf den Fasern der Überlagerung definieren. Es wird sich herausstellen
das diese Objekte die Überlagerung in einem gewissen Sinne bereits festlegen. Wie
das Homotopielemma formulieren wir auch diesen Satz etwas allgemeiner für geeignete
lokale Homöomorphismen.
Satz 3.25 (Wirkung lokaler Homöomorphismen auf Fundamentalgruppen)
Seien B, E zusammenhängende und lokal wegzusammenhängende topologische Räume
und E sei hausdorffsch. Weiter sei der lokale Homöomorphismus p : E → B eine
Faserung für {0} und es sei ein Punkt b ∈ B gegeben.
(a) Für jedes e ∈ p−1 (b) ist der Homomorphismus p∗ : π1 (E, e) → π1 (B, b) injektiv
und es gilt
|p−1 (b)| = |π1 (B, b) : p∗ π1 (E, e)|.
(b) Die Menge {p∗ π1 (E, e)|e ∈ p−1 (b)} ist eine Konjugiertenklasse von Untergruppen
von π1 (B, b).
(c) Für e ∈ p−1 (b) und α ∈ Ω(B, b) sei α
e : [0, 1] → E die stetige Kurve mit α
e(0) = e
und p ◦ α
e = α und setze
e[α] := α
e(1) ∈ p−1 (b).
Dies definiert eine transitive Wirkung von π1 (B, b) auf p−1 (b) und für jedes e ∈
p−1 (b) ist p∗ π1 (E, e) die Standgruppe von π1 (B, b) auf e.
(d) Für alle α ∈ π1 (B, b), e ∈ p−1 (b) gilt
p∗ π1 (E, eα ) = α−1 · p∗ π1 (E, e) · α
und insbesondere ist genau dann p∗ π1 (E, eα ) = p∗ π1 (E, e) wenn α im Normalisator von p∗ π1 (E, e) in π1 (B, b) liegt, also α ∈ Nπ1 (B,b) (p∗ π1 (E, e)) ist.
Beweis: (c) Seien e ∈ p−1 (b) und α ∈ Ω(B, b). Da p als eine Faserung für {0} vorausgesetzt ist, gibt es dann eine stetige Kurve α
e : [0, 1] → E mit p ◦ α
e = α und α
e(0) = e
und nach Lemma 21 ist α
e auch eindeutig bestimmt. Wegen p(e
α(1)) = α(1) = b ist
−1
e
α
e(1) ∈ p (b). Sei weiter auch β ∈ Ω(B, b) mit α ' β und sei β : [0, 1] → E die stetige
e = e. Nach Lemma 24 gilt dann α
e
Abbildung mit p ◦ βe = β und β(0)
e(1) = β(1),
also ist
[α]
−1
e ∈ p (b) wohldefiniert und hängt nur von der Homotopieklasse [α] ∈ π1 (B, b) ab.
Damit haben wir eine Abbildung
p−1 (b) × π1 (B, b) → p−1 (b); (e, α) 7→ eα
und zeigen nun das diese eine Wirkung der Gruppe π1 (B, b) auf p−1 (b) ist. Sei e ∈
p−1 (b). Dann gilt p ◦ e = b und damit ist
e1 = e[b ] = e (1) = e.
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Riemannsche Flächen, WS 2016/2017
Mittwoch 21.12
Weiter seien α, β ∈ Ω(B, b) und bezeichne α
e den Lift von α mit α
e(0) = e und βe den
e =α
Lift von β mit β(0)
e(1) = e[α] . Dann können wir die stetige Kurve γ
e := α
e ∗ βe in E
e = α ∗ β. Es folgt
bilden und haben γ
e(0) = α
e(0) = e sowie p ◦ γ
e = (p ◦ α
e) ∗ (p ◦ β)
e = e[α]
e[α]·[β] = e[α∗β] = γ
e(1) = β(1)
[β]
,
und damit haben wir eine Wirkung von π1 (B, b) auf p−1 (b).
Nun wollen wir zeigen das π1 (B, b) transitiv auf p−1 (b) wirkt. Seien also e, f ∈ p−1 (b)
gegeben. Da E wegzusammenhängend ist existiert eine stetige Kurve α
e : [0, 1] → E
e
mit α
e(0) = e und β(1) = f . Wir erhalten die Schleife α := p ◦ α
e ∈ Ω(B, b) deren
Homotopieklasse [α] ∈ π1 (B, b) dann
e[α] = α
e(1) = f
erfüllt. Damit ist auch die Transitivität von π1 (B, b) auf p−1 (b) bewiesen.
Schließlich sei ein Punkt e ∈ p−1 (b) gegeben. Ist α
e ∈ Ω(E, e) so gilt
ep∗ ([eα]) = e[p◦eα] = α
e(1) = e,
und damit fixiert p∗ π1 (E, e) den Punkt e. Nun sei umgekehrt α ∈ π(B, b) mit e[α] = e.
Ist dann α
e das Lifting von α mit α
e(0) = e, so ist auch α
e(1) = e[α] = e, also gilt
α
e ∈ Ω(E, e) und wir haben [e
α] ∈ π1 (E, e) mit p∗ ([e
α]) = [p ◦ α
e] = [α]. Damit stimmt
die Standgruppe von π1 (B, b) mit p∗ π1 (E, e) überein.
(d) Seien e ∈ p−1 (b) und α ∈ Ω(B, b). Sei weiter α
e das Lifting von α mit α
e(0) = e,
also auch α
e(1) = e[α] . In der Notation von Bemerkung 23 ist
π1 (E, e[α] ) = Ψαe (π1 (E, e)) = [e
α]−1 · π1 (E, e) · [e
α]
und damit ist weiter
p∗ π1 (E, e[α] ) = p∗ ([e
α]−1 ·π1 (E, e)·[e
α]) = [p◦e
α]−1 ·p∗ π1 (E, e)·[p◦e
α] = [α]−1 ·p∗ π1 (E, e)·[α].
(b) Klar nach (d). (a) Die zweite Aussage gilt nach (c). Für die erste Aussage seien
e ∈ p−1 (b) und α
e ∈ Ω(E, e) mit p∗ ([e
α]) = 1 in π1 (B, b). Dann ist p ◦ α
e ' b = p ◦ e
und Lemma 24 ergibt α
e ' e , also ist [e
α] = 1 in π1 (E, e). Damit ist der Kern von
p∗ : π1 (E, e) → π1 (B, b) trivial und dieser Homomorphismus ist injektiv.
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