ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG ITG - FACHGRUPPE 4.2.1/9.3.2 "AUDIOLOGISCHE AKUSTIK" der Informationstechnischen Gesellschaft (ITG) im VDE in Zusammenarbeit mit: ARBEITSKREIS "AUDIOLOGIE" der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) FACHAUSSCHUSS "HÖRAKUSTIK" der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR AUDIOLOGIE (DGA) ______________________________ Programm AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Wiss. Tagungsleitung: Wolfgang H. Döring, Aachen und Thomas Janssen, München 10.00 10.15 - 12.15 Begrüßung André Lodwig (Fa. Fischer-Zoth, Germering): Automatisierte Auswertung von Hörscreening-Messungen Thomas Janssen (Universität München): Automatische Bestimmung der DPOAE-Schwelle Hans Oswald / Thomas Janssen (Universität München): Expertensysteme in der audiologischen Diagnostik 12.15 – 13.40 Mittagspause 13.40 - 15.00 Volker Hohmann (Universität Oldenburg, angefragt): Algorithmen zur automatischen Auswertung von Hörfeldskalierungen Matthias Latzel (Universität Gießen): Präskriptive Hörgeräteanpassung basierend auf den individuellen Pegel-Lautheitsfunktionen 15.00 - 15.30 Kaffeepause 15.30 - 17.30 Mario Cebulla / Ekkehard Stürzebecher (Universität Frankfurt): Auswertung im Spektralbereich bei der schnellen Click-BERA Roland Mühler (Universität Magdeburg): AMFR - eine Möglichkeit zur objektiven Bestimmung des Hörschwellenverlaufs Ulrich Hoppe (Universität Erlangen): Automatisierte Auswertung von 'Späten akustisch evozierten Potentialen' 17.30 – 18.00 Zusammenfassende Diskussion ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 1 Automatisierte Auswertung von Hörscreening-Messungen Andre Lodwig Fischer-Zoth Diagnosesysteme GmbH, Germering [email protected] Anstelle der visuellen Auswertung von Meßdaten durch erfahrene Untersucher tritt bei Hörscreeninguntersuchungen mittels OAE oder ABR zunehmend eine automatische Auswertung. Die Verfahren sollen auch unter schwierigen Bedingungen zu sicheren Entscheidungen (auffällig / unauffällig) finden. Beim Vergleich von Auswerteverfahren ist daher die Berücksichtigung der Meßbedingungen von entscheidender Bedeutung. Außerdem kann man nicht immer streng zwischen Messung und Auswertung trennen. Vielmehr ist es sinnvoll, die Auswertung schon während der Messung durchzuführen, um den Meßprozess beeinflussen zu können. So können Meßdauer, Reizrate etc. anhand der erkannten OAE bzw. ABR oder anhand erkannter oder vermuteter Artefakte modifiziert werden. Der Vergleich solcher Methoden ist grundsätzlich aber schwieriger, weil nicht mehr beliebige viele verschiedene Algorithmen auf einen gleichen Satz von Rohdaten angewendet werden können. Für solche Verfahren ist es von Vorteil, schnell auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können. Das macht kürzere Meßabschnitte wünschenswert. Wie sich zeigen läßt, ist aber beispielsweise eine kürzere FFT-Länge zur Detektion von DPOAE keineswegs weniger trennscharf, wenn man eine konstante Meßzeit zugrunde legt. Zeitbereichsverfahren für transient evoziete OAE oder ABR, die die Meßparameter nötigenfalls nach jedem Reiz (Click) anpassen können, sind trotzdem meist reaktionsschneller als Frequenzbereichsverfahren, weil die FFT-Länge dort meist aus anderen Gründen nicht beliebig reduziert werden kann. Außerdem ist eine Reizratenmodulation in weiten Grenzen möglich, was die Empfindlichkeit gegen periodische Störsignale (und damit die Wahrscheinlichkeit falsch negativer Ergebnisse) drastisch reduzieren kann. Solche Störsignale kommen in typischen Screeningsituationen weit häufiger vor, als in klinischen Meßräumen. Telefone, Monitore, (Schalt-)Netzteile sind Beispiele hierfür. Verfahren, die für Rauschsignale sehr hohe Sensitivitäten liefern, können in Anwesenheit solcher periodischer Störsignale völlig versagen. ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 2 Automatische Bestimmung der DPOAE-Schwelle Thomas Janssen Labor für experimentelle Audiologie. HNO-Klinik der TU München Die mit zwei Tönen ausgelösten Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen (DPOAE) stellen die beste objektive Methode zur quantitativen und frequenzspezifischen Erfassung der Schallverabeitung in der Cochlea dar. Von Boege und Janssen (JASA 2002) wurde eine Methode auf der Basis extrapolierter DPOAE I/O-Funktionen vorgeschlagen, mit deren Hilfe eine automatisierte Bestimmung der DPOAE-Schwelle und somit eine Schätzung des Hörverlustes möglich ist. Eine Bestätigung der Ergebnisse und Erweiterung der Methode erfolgte kürzlich durch Gorga et al. (JASA 2003). Es konnte an erwachsenen Patienten eine enge Beziehung zwischen dem Hörverlust im Tonschwellenaudiogramm und der geschätzten DPOAE-Schwelle bis zu 50 dB HL mit einem mittleren Fehler von nur 2,9 dB und einer Standardabweichung von 11 dB gefunden werden (Boege und Janssen 2002, (Gorga et al. kommen zu ähnlichen Werten)). Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Güte der Hörschwellenschätzung von der Frequenz und der Hörverlustklasse abhängig ist (Oswald und Janssen, Z Med Physik 2002, nicht veröffentliche Ergebnisse, die gezeigt hier werden). Nach Vorstellung der Methode werden zunächst die verschiedenen Kriterien zur Akzeptanz einer DPOAE-Messung und zur Akzeptanz des Fittings der DPOAE I/O-Funktion diskutiert. Es werden mögliche Ursachen für die Vorhersagefehler bei den kritischen Frequenzen und Hörverlustklassen analysiert. Eine wesentliche Rolle scheint die Kalibrierung des Schalldrucks im Gehörgang zu spielen, die wegen des Auftretens stehender Wellen problematisch ist. Es wird auch über die Korrelation zwischen Hörverlust und Steigung der DPOAE I/O-Funktion an innenohrschwerhörigen Patienten berichtet, und die damit verbundenen Möglichkeiten zur objektiven Bestimmung des Recruitments diskutiert. Abschließend werden die Ergebnisse einer Neugeborenen-Studie (Janssen et al., demnächst in der HNO) und einer tierexperimentellen Studie (Gehr et al., demnächst in Hearing Research) und die daraus resultierenden Möglichkeiten zur automatisierten Erfassung passagerer Schalleitungsfunktionsstörungen bei Neugeborenen vorgestellt. ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 3 Expertensysteme in der audiologischen Diagnostik Hans Oswald1, Thomas Janssen2 Lehrstuhl für Realzeit-Computersysteme der TU München 2 Experimentelle Audiologie der HNO Klinik am Klinikum rechts der Isar der TU München 1 Nach ersten erstaunlichen Forschungsergebnissen im Bereich der Expertensysteme in der Medizintechnik Anfang der 70`er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Euphorie etwas gelegt. Trotz eines Wandels der zugrundeliegenden Ansätze von Flussdiagrammen und algorithmischen Verfahren hin zu wissensbasierten Systemen und Fall-orientierten Ansätzen konnten sich in der medizinischen Diagnostik keine allumfassenden, dauerhaften Erfolge einstellen. Auch im Bereich der audiologischen Diagnostik finden häufig nur jeweils separat entwickelte technische Speziallösungen ihre Anwendung, die versuchen vorhandenes Expertenwissen unter technischer Hilfestellung auch für den Laien verwendbar zu machen. Als integrierter Bestandteil für allumfassende Diagnose und Informationssysteme könnten jedoch probabilistische Expertensysteme in Zukunft durchaus unabhängig von Insellösungen ihre Anwendung finden. Neben einen Überblick über Expertensysteme in der medizinischen Diagnostik werden auszugsweise Ansätze und deren Schwächen vorgestellt. Einige beispielhafte Umsetzungen von audiologischen Expertenwissen auf einer - auf maximale Entropie basierter – Expertensystemshell (SPIRIT) werden vorgestellt. Die präsentierten Beispiele sollten mit als Grundlage dienen, um über zukünftige gemeinsame Anstrengungen und Synergien im Bereich der audiologischen Diagnostik diskutieren zu können. Literatur: F. Puppe, U. Gappa, K. Poeck, S. Bamberger: Wissensbasierte Diagnose und Informationssysteme. Springer Verlag, Berlin, 1996. H. Oswald: Der Einsatz probabilistischer Expertensysteme für medizinische Diagnosesysteme – Hördiagnostik mit SPIRIT, Diplomarbeit am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Insbesondere Operations Research, FernUniversität Hagen, 2001. (Mit weiteren Literaturangaben online verfügbar unter: www.rcs.ei.tum.de/~oswald/oswald_bwl_da.pdf) ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 4 Algorithmen zur automatischen Auswertung von Hörfeldskalierungen V. Hohmann; T. Brand; D. Berg, T. Peters Medizinische Physik, Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg Einführung: Mit zunehmender Komplexität der Signalverarbeitung, z.B. zunehmende Anzahl von Frequenzbändern oder hörsituationsabhängige Verstärkungsregelung, sowie zunehmender Signalqualität bei Hörgeräten (‚HIFI’-Hörgerät) werden komplexere und genauere Methoden ihrer Anpassung notwendig. Für die verbesserte Anpassung von Kompressionsalgorithmen bietet sich dazu möglicherweise die Methode der Lautheitsskalierung an. Ziel des weiteren Studiums dieser Methode ist daher die Untersuchung ihrer Anwendbarkeit zur HörgeräteAnpassung. Patienten und Methode: Die Methode der adaptiven Lautheitsskalierung nach Brand wurde in verschiedenen Studien untersucht (siehe Literatur). Im Rahmen des Kompetenzzentrums Hörtech wird die Methode in mehreren audiologischen Zentren benutzt, so dass die Daten eines größeren Patientenkollektivs zeitnah zur Verfügung stehen werden. Die Methode umfasst eine adaptive Steuerung der Darbietungspegel zur automatischen Anpassung des angebotenen Dynamikbereichs an die individuelle Restdynamik sowie eine spezielle ‚gekrümmte’ Modellfunktion zur Beschreibung des Anstiegs der Lautheit mit dem Pegel. Ergebnisse: Die bisher mit der Hörfeldskalierung erzielten Ergebnisse zeigen, dass mit dieser Methode relevante Information über den Hörverlust zusätzlich zu den Daten des Audiogramms gewonnen werden können. Insbesondere lässt sich zeigen, dass die Unannehmlichkeitsschwelle im individuellen Fall nicht aus der Hörschwelle vorhergesagt werden kann und mit der Hörfeldskalierung reliabel gemessen werden kann. Dies belegt den diagnostischen Wert der Hörfeldskalierung und rechtfertigt Anstrengungen zur Standardisierung der Methode für die audiologische Diagnostik. Für den Einsatz der Methode für die Hörgeräte-Anpassung der audiologischen Diagnostik fehlen jedoch noch die Grundlagen. Unklar ist, wie die Dynamik-Kennlinien für Hörgeräte aus den Daten abgeleitet werden sollen und wie dies von weiteren Hörgeräte-Parametern, etwa Anzahl Frequenzbänder und AGC-Zeitkonstanten, abhängt. Dazu sind weitere Untersuchungen mit einem umfangreichen Patientenkollektiv zur der Wechselwirkung zwischen Anpassmethode und Kompressionsalgorithmus notwendig. Wünschenswert wäre dazu außerdem eine weitere Beschleunigung der Hörfeld-Messung. Dazu sollte insbesondere eine gemeinsame Anpassung der Lautheitsfunktionen an die Daten aller Frequenzen gleichzeitig sowie eine adaptive Steuerung der Messfrequenzen je nach Hörverlust untersucht werden, um Steilabfälle besser vermessen zu können. Literatur: Brand, T., Hohmann, V.; 2001 Effect of hearing loss, centre frequency, and bandwidth on the shape of loudness functions in categorical loudness scaling. Audiology, 40(2), p. 92-103. Brand, T., Hohmann, V.; 2002. An adaptive procedure for categorical loudness scaling. J.Acoust. Soc. Am., 112(4), p. 1597-1604. ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 5 Präskriptive Hörgeräteanpassung basierend auf den individuellen Pegel-Lautheitsfunktionen M. Latzel * , S. Margolf-Hackl * , V. Hohmann ** , T. Brand ** , J. Kießling * Audiologie, HNO-Universitätsklinik der Justus-Liebig Universität Gießen ** Arbeitsgruppe Medizinische Physik, Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg * Funktionsbereich Einführung: Die meisten Anpassregeln verwenden die individuellen Daten des Patienten nur sehr unzulänglich, da die Vorausberechnung der benötigten Verstärkung nur auf Basis der Hörschwelle und/oder zusätzlich der Unbehaglichkeitsschwelle erfolgt. Da die Unbehaglichkeitsschwelle (UCL) für diese Verfahren nur mi bestimmt wird, was bekanntlich mit einer sehr hohen Unschärfe behaftet ist, spiegelt sich diese Ungenauigkeit dann auch in der Schätzung der Restdynamik und damit auch in der Zielverstärkung wider. Um die Berechnung der Zielverstärkung auf zuverlässigere Daten des Hörgeschädigten zu beziehen wird derzeit im Rahmen des Kompetenzzentrums HörTech ein präskriptives Anpassverfahren entwickelt und erprobt, das aus den individuellen Daten der Lautheitsskalierung die Zielverstärkung mit einer höheren Genauigkeit berechnet. Auf diesem Wege kann der individuelle Restdynamikbereich besser abgeschätzt werden, da die Schätzung auf wesentlich mehr Daten beruht, als die isolierte Bestimmung der Unbehaglichkeitsschwelle mit Tönen. Dieses lautheitsbasierte Anpassverfahren wird im Vortrag zusammen mit den Daten einer ersten Feldstudie mit hörgeschädigten Probanden vorgestellt. Patienten und Methode: An der Studie nehmen 20 Versuchspersonen mit mittel- bis hochgradigen Hörverlusten teil. Die Studie dient einerseits der Erprobung eines im Rahmen von HörTech entwickelten PC-basierten HiFi-Hörgeräts (Master Hearing Aid - MHA) mit einer Übertragungsbandbreite von 0 bis 22 kHz (über Kopfhörer) und zum anderen der Überprüfung der Anpassprozedur auf der Grundlage der individuellen Lautheitsfunktionen (bei den Frequenzen 500 Hz, 1 kHz, 1.5 kHz, 4 kHz und 6 kHz). Die Berechnung der Zielverstärkung erfolgt basierend auf dem Prinzip der vollständigen Lautheitsrestauration durch eine direkte Transformation der gefitteten nicht-linearen Lautheitsfunktionen in die i/o-Kurven des 11-Kanal WDRC-Hörgeräts. Da das HiFi-Hörgerät über eine Bandbreite bis 22 kHz verfügt, werden erstmals auch die Daten der Lautheitsfunktion bei 6 kHz berücksichtigt. Die Evaluation des Hörgeräts und der Anpassung erfolgt mit Hilfe der Lautheitsskalierung, sprachaudiometrischen Messungen im Störschall (OLSA) und in Ruhe (Reimtest) sowie der Klangbeurteilung in verschiedenen virtuellen Hörsituationen. Ergebnisse: Es werden die Ergebnisse der Studie vorgestellt und analysiert, ob eine komplette Wiederherstellung der Lautheit bei einer entsprechenden breitbandigen Signalverarbeitung als adäquat gelten kann. Dabei zeigt sich, dass insbesondere im Hinblick auf eine bessere Spontanakzeptanz die durch diese Prozedur berechnete Verstärkung teilweise korrigiert werden muss, insbesondere wenn breitbandige, also mehr realistische Signale verwendet werden. Die Daten werden mit denen der eigenen Hörgeräte der Probanden verglichen, um so einen Praxisbezug herzustellen. ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 6 Auswertung im Spektralbereich bei der schnellen Click-BERA M. Cebulla, E. Stürzebecher Universität Frankfurt/M. Verglichen mit auf OAE-basierenden Screeningverfahren hat ein Hörscreening auf der Grundlage der ABR eine höhere Sensitivität und Spezifität. Deshalb sollten ABR-basierende Verfahren zum Hörscreening bevorzugt werden. Bislang war der Zeitaufwand für Vorbereitung und Registrierung der ABR jedoch deutlich höher als für die OAE. Es wird ein neuer schneller ABR-Screening-Algorithmus vorgestellt. Der Algorithmus wurde mit ABR-Daten von 25 erwachsenen Probanden und 114 Neugeborenen entwickelt. Bei den Erwachsenen wurden die Clickreizraten von 20/s bis 400/s untersucht. Der ABR-Nachweis erfolgte im Frequenzbereich mit einer modifizierten Version des q-sample uniform scores Tests (Mardia 1972). Es werden die Grundfrequenz (äquivalent zur Reizrate) und die Harmonischen bis 800Hz ausgewertet. Mit allen untersuchten Clickreizraten konnte klare Antworten registriert werden. Die optimale Clickreizrate bei den Erwachsenen lag im Bereich 140/s bis 160/s. Die mittlere Zeit zum Nachweis einer Antwort betrug 30s. Um den Algorithmus bei Neugeborenen zu untersuchen, wurde dieser im Screeninggerät MB11 mit BERAphon implementiert. Die Untersuchung erfolgte bei 114 schlafenden Neugeborenen für Clickreizraten von 60/s bis 200/s. Die optimale Clickreizrate lag im Bereich 80/s bis 100/s. Die kürzeste mittlere Nachweiszeit war 19s bei einer Clickreizrate von 90/s. Da mit dem BERAphon das Kleben von Elektroden entfällt, ist auch die Vorbereitungszeit sehr kurz. Die für das BERA-Hörscreening erforderliche Zeit unterscheidet sich damit nur wenig von dem Zeitaufwand für das Hörscreening mit einem OAE-Gerät. Das neue ABR-Screeningverfahren bietet noch einen weiteren Vorteil: Bei weiterhin einkanaliger EEG-Registrierung ist ein simultanes Hörscreening beider Ohren möglich. Dazu muss nur ein zweiter Reiz mit geringfügig veränderter Reizrate auf das andere Ohr gegeben werden. Auf Grund der unterschiedlichen Reizraten für das rechte und linke Ohr überlappen sich die Antworten im Zeitbereich. Im Frequenzbereich können sie jedoch leicht separiert und statistisch ausgewertet werden. ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 7 AMFR – eine Möglichkeit zur objektiven Bestimmung des Hörschwellenverlaufs Roland Mühler und Joachim Pethe Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Abteilung für Experimentelle Audiologie und Medizinische Physik Gegenwärtig stellt die Registrierung von Hirnstammpotentialen die am weitesten verbreitete Methode zur Bestimmung der Hörschwelle im Rahmen der objektiven audiologischen Diagnostik dar. Trotz seiner weiten Verbreitung ist dieses diagnostische Verfahren mit einer Reihe methodischer Probleme verbunden. Dazu zählen insbesondere die mangelnde Frequenzspezifität bei einer breitbandigen Stimulation, die geringe Aussagekraft im tieffrequenten Bereich und die hohe Subjektivität der Auswertung. Einen möglichen Ausweg aus diesen Problemen könnte die Registrierung von Amplitude Modulation Following Responses (AMFR) darstellen. Diese Potentiale besitzen aufgrund ihrer sehr schmalbandigen Stimulation eine hohe Frequenzspezifität und lassen Aussagen bis in den niederfrequenten Bereich des Hörens zu. Einen weiteren Vorteil stellt der objektive Nachweis dieser Potentiale auf Basis etablierter statistischer Verfahren dar. Umfangreiche Untersuchungen zum Einfluss der Stimulationsparameter und der Ableitbedingungen haben gezeigt, dass die Registrierung von AMFR ein erfolgversprechendes audiologisches Werkzeug darstellen. Für den audiologischen Einsatz der AMFR standen bisher besonders Fragen nach der optimalen Modulationsfrequenz, nach dem Einfluss der Vigilanz auf die Potentialausbildung und der Nutzung bei der objektiven Bestimmung der Hörschwelle im Vordergrund. Mit der Einführung erster kommerzieller AMFR-Messplätze rücken Fragen der Standardisierung von Messbedingungen und statistischen Tests verstärkt in den Blickpunkt. Amplituden- und Phasenspektrum einer AMFR (L = 50 dB nHL, fmod = 80 Hz, fTr = 1 kHz, M = 90%) nach Pethe et al., HNO 2002, 50:1045-1052 Dr. rer. nat. Roland Mühler Universitäts-HNO-Klinik Magdeburg, Abteilung für Experimentelle Audiologie u. Medizinische Physik 39120 Magdeburg, Leipziger Str. 44 [email protected] ITG-Fachgruppe 'Audiologische Akustik' – Diskussionssitzung 1. Okt. 2003, Heidelberg AUTOMATISIERTE AUSWERTUNG VON MESSUNGEN IN DER AUDIOLOGIE: VON DER SIGNALANALYSE ZUR BEFUNDERSTELLUNG Referat 8 Automatisierte Auswertung von späten akustisch evozierten Potentialen Ulrich Hoppe Universität Erlangen-Nürnberg Die Ableitung von späten akustisch evozierten Potentialen von der Kopfoberfläche am Menschen ist bekannt seit 1937 und hat in den vergangenen Jahren durch die Beschreibung endogener Potentialkomponenten wie der Mismatch-Negativität und der P300 breite Anwendung in unterschiedlichen Disziplinen erfahren. Eine automatisierte Auswertung ist daher von besonderem Interesse sowohl für die angewandte Forschung als auch für die klinische Routine. Von einer automatisierten Auswertung wird erwartet, dass sie zum einen eine ‚objektive’ Beurteilung der Messungen gibt und zum anderen ein quantitatives Maß für die Güte einer Messung liefert. Im Vergleich zu den Hirnstammpotentialen ist das Signal-Rausch-Verhältnis bei späten Potentialen günstiger: Die Potentialgeneratoren liegen näher an der Kopfoberfläche und die Potentiale sind daher um etwa einen Faktor 10 größer. Auf der anderen Seite ist die Stabilität des Signals über typische Messzeiträume von mehreren Minuten nicht immer gewährleistet. Vigilanzschwankungen können zum Beispiel dazu führen, dass die potentialsynchrone Mittelung zu unzureichenden Ergebnissen führt. Daher wurden eine Reihe von Anstrengungen zur Analyse von einzelnen EEG-Epochen unternommen. Andere Arbeiten zielen darauf ab, Parameter zur Beschreibung der Signalqualität zu bestimmen. In dem Beitrag werden die Prinzipien der unterschiedlichen Verfahren vorgestellt und deren Eigenschaften beschrieben.