Herausforderung Klimawandel

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Nr: 81 11/2009
Schwerpunkt
Herausforderung Klimawandel
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Weitere Themen:
Rundfunk
Bildungsprogramm „Learning by
Ear“
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Jubiläum
Am 7. Dezember beginnen in Kopenhagen die Verhandlungen für
ein neues internationales Abkommen zum Klimaschutz. Nur wenn
es gelingt, schnell und einschneidend die Ursachen des
Klimawandels zu bekämpfen, wird der weltweite
Temperaturanstieg beherrschbar bleiben. Dazu gilt es, die
Emissionen von Treibhausgasen international drastisch zu
reduzieren. Die Erwärmung der Erde soll möglichst auf zwei Grad
Celsius begrenzt werden. Aber was wissen wir über das Klima?
Was ist zu tun, um die negativen Folgen für den Menschen und
seinen Planeten zu reduzieren? Was kann die Politik leisten? Wie
kann den armen Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel
geholfen werden?
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50 Jahre "Brot für die Welt"
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Namibia
Lesen Sie dazu in diesem Magazin:
Klimagipfel Kopenhagen: Globale Verantwortung
übernehmen
Ist unser Klima noch zu retten?
Gefährlicher Klimawandel als Zivilisationskrise
Namibia: Lehmhausprojekt in
Otjiwarongo
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Entwicklungsprojekt
"Wir werden uns anpassen müssen"
Was wissen wir vom Klima?
Klimawandel - eine Tatsache mit Folgen für unsere Zukunft
Osttimor: Klimawandel bedroht Inselstaat
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Impressum
© 2009 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Foto: Meteosat
Hurricans über dem Atlantic
Herausforderung Klimawandel
Globale Herausforderungen nur gemeinsam lösbar
Der Klimawandel wird unsere Welt verändern. Das Ausmaß und die Folgen hängen nicht
unwesentlich vom Menschen und seiner Lebensweise ab.
Am 7. Dezember beginnen in Kopenhagen die Verhandlungen für ein neues internationales
Abkommen zum Klimaschutz. Die Weltgemeinschaft befindet sich in Verhandlungen für ein
Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls, das 2012 ausläuft. Die Einigung über einen neuen
Vertrag soll bei der Kopenhagener Klimakonferenz erreicht werden. Diese UN-Weltklimakonferenz
(COP 15) soll Antworten und Vorgaben für die Reduzierung der Treibhausemissionen liefern.
Klima-Fachleute sind sich einig: Nur wenn es gelingt, schnell und einschneidend die Ursachen des
Klimawandels zu bekämpfen, wird der weltweite Temperaturanstieg beherrschbar bleiben. Dazu gilt
es, die Emissionen von Treibhausgasen international drastisch zu reduzieren. Politik und
Wissenschaft mahnen: Es muss alles getan werden, um die Erwärmung der Erde auf zwei Grad
Celsius zu begrenzen. Andernfalls sind riesige Flüchtlingsströme zu befürchten.
Konkrete Entscheidungen und verbindliche Ziele
"Ein Misserfolg der Weltklimakonferenz in Kopenhagen im Dezember würde die internationale
Klimapolitik um Jahre zurückwerfen. Das können wir uns nicht leisten", mahnte auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel am 10. November in ihrer Regierungserklärung.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen unterstreicht deshalb: "Wir müssen alles tun, um die
Erwärmung der Erde auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Wir brauchen ganz konkrete
Entscheidungen und verbindliche Ziele, auch für die USA und China."
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel will sich in Kopenhagen dafür einsetzen, dass
wirtschaftliche Fortschritte in den Entwicklungsländern nicht durch den Klimawandel zunichte
gemacht werden.
Foto: GFZ Potsdam
Nachhaltig handeln: Verantwortung für künftige Generationen auch beim Klimaschutz
Deutschland nimmt weiterhin seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz wahr. Die Bundesregierung
setzt alles daran, Kopenhagen zu einem Erfolg zu führen. Bereits im Dezember 2008 hatte das
Bundeskabinett die "Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel" beschlossen. Damit hat
sie einen Rahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland geschaffen.
Aber was wissen wir über das Klima? Inwieweit ist der Klimawandel ein Sicherheitsrisiko? Was ist
zu tun, um die negativen Folgen für den Menschen und seinen Planeten zu reduzieren? Was kann
die Politik leisten? Wie kann den armen Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel geholfen
werden?
Die Magazinbeiträge aus Politik und Wissenschaft zeigen, worum es geht. Bundesumweltminister
Röttgen, Bundesentwicklungsminister Niebel und renommierte Klimawissenschaftler nehmen in
dieser Ausgabe aus ihrer Sicht Stellung.
Kontext
Milliarden für den Klimaschutz
Dialog-Nachhaltigkeit
UN-Klimagipfel Kopenhagen (COP 15)
Katastrophenvorsorge
Klimawandel und Katastrophenvorsorge
Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Die EU und der Klimawandel
Foto: REGIERUNGonline /G. Graichen
Erneuerbare Energien helfen beim Klimaschutz
Herausforderung Klimawandel
Klimagipfel Kopenhagen: Globale Verantwortung übernehmen
Von Bundesminister Norbert Röttgen
Zum Erfolg des Klimagipfels in Kopenhagen im Dezember gibt es keine Alternative. Es geht beim
Gipfel darum, dass die Staatengemeinschaft es schafft, in einer einmaligen gemeinsamen
Kraftanstrengung das Ruder herumzureißen und den Klimawandel zu stoppen. Es geht um die
Rettung von Millionen von Menschen, um die Verhinderung von Naturkatastrophen und von
Flüchtlingsdramen.
Europa und Deutschland sind dazu bereit, ihren Anteil an der globalen Verantwortung zu
übernehmen. Wir sagen: In Kopenhagen müssen die Würfel fallen. Es muss eine ambitionierte,
verbindliche politische Entscheidung über die Kernpunkte Minderung, Finanzierung sowie die
Architektur des Abkommens getroffen werden. Details müssen im ersten Halbjahr 2010
ausgearbeitet und in einem rechtlichen globalen Abkommen festgehalten werden.
Klimawandel als Frage globaler Gerechtigkeit
Der Klimawandel ist eine der großen globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Fatalerweise sind die Länder am stärksten vom Klimawandel betroffen, die am wenigsten zu ihm
beigetragen haben: die so genannten Entwicklungsländer. Besonders verwundbar sind dabei
afrikanische Länder, aber auch kleine Inselstaaten. Sie sind zum Teil existenzbedrohend von den
Folgen der Klimaveränderungen betroffen:
Foto: REGIERUNGonline / Bergmann
Bundesminister Röttgen: Gemeinsam das Ruder herumreißen.
Mit einer stärkeren Erwärmung würde es in Asien, aber insbesondere auch in Afrika, zu einer
dramatischen Ausweitung der Wüsten kommen. Schmelzen durch steigende Temperaturen die
Gletscher des Himalaya, ist im Sommer für die Menschen in China und in Indien die
Wasserversorgung gefährdet. Vor allem besteht jenseits von zwei Grad Erwärmung die Gefahr,
dass sich der Klimawandel noch beschleunigt, etwa durch das Abschmelzen des grönländischen
Eisschildes.
Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden wir nach einer Prognose der Internationalen
Energieagentur bis zum Ende dieses Jahrhunderts sogar einen Temperaturanstieg um sechs Grad
Celsius erleben. Damit wäre ein Leben auf der Erde, wie wir es bisher kennen, nicht mehr möglich.
Gleichzeitig ist eines der Hauptziele der Länder des Südens, sich wirtschaftlich und sozial zu
entwickeln. Die Menschen in Mali, Indonesien und Ecuador möchten genauso in Wohlstand leben
wie die Menschen in den Industrieländern.
Wie kann dies gelingen, ohne, dass Entwicklungsländer auf ähnliche klimaschädliche
Entwicklungen setzen und sich zum Beispiel bei der Energieversorgung vor allem von fossilen
klimaschädlichen Brennstoffen wie Kohle und Öl abhängig machen? So, wie wir dies einst in
Industrieländern auch getan haben?
Klimawandel als globale Weltinnenpolitik
Der Klimawandel wird in Zukunft das Verhältnis zwischen den Staaten des Nordens und des
Südens sowie die globale Ordnung wesentlich verändern, wenn wir nicht rechtzeitig und
entschlossen genug handeln:
Schon zu Zeiten des US-Präsidenten Georg W. Bush kamen die Generäle der US-Army in einer
nationalen Sicherheitsstudie zu dem Ergebnis, dass der Klimawandel zu erheblichen
Sicherheitsrisiken führt. Diese Erkenntnis hat sich seitdem verfestigt.
Der Klimawandel wirkt als klassischer Konfliktverstärker. Das lässt sich in einer Reihe von Staaten
beobachten, zum Beispiel im Sudan. Steigender Wassermangel und Wüstenbildung führen hier
zum Anheizen von ohnehin schon vorhandenen Konflikten.
Auch die Überflutung der - oft bevölkerungsreichen - tief liegenden Küstenregionen wird als
Sicherheitsrisiko genannt. Davon wäre beispielsweise ein bevölkerungsreiches Land wie
Bangladesch betroffen.
Foto: Europäische Kommission
Erosion mit intelligenten Bewässerungssystemen vorbeugen
Bei einer wachsenden Weltbevölkerung wird der Klimawandel auch negative Auswirkungen auf die
Ernährungssicherheit haben. Bei einer Erwärmung von über zwei Grad wird die landwirtschaftliche
Produktivität voraussichtlich weltweit zurückgehen. Fallen diese Länder als Exporteure für Getreide
aus, steigt der Preis und können arme Länder weniger Nahrungsmittel importieren.
Aus dieser Ausgangslage ergeben sich die fundamentalen ethischen Dimensionen des
Klimaschutzes. Vordergründig geht es beim Kopenhagener Klimagipfel um das Verhandeln von
Zahlen: Wer mindert wie viel Prozent seiner Klimagase und wie viel Geld wird für
Entwicklungsländer für deren Klimaschutz zur Verfügung gestellt?
Tatsächlich aber stehen grundsätzlichere Fragen im Raum: Wie sieht eine weltweit "gerechte"
Verteilung von Lasten und Pflichten bei der Umwandlung hin zu einer klimaverträglichen
Gesellschaft aus? Wie können Hilfe zur Selbsthilfe, Entwicklung und Klimaschutz vereinbart
werden? Wie sehen ein fairer Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und eine
friedliche Weltinnenpolitik aus?
Kopenhagen-Abkommen als ein Beitrag zu globaler Klimagerechtigkeit
Die Antwort, die ein Kopenhagen-Abkommen auf diese Fragen geben muss, ist:
Wir wollen eine Entscheidung, bei der alle an Bord sind. Keiner darf sich entziehen. Übergreifendes
Klimaschutzziel muss es sein, den globalen Temperaturanstieg langfristig auf unter zwei Grad zu
begrenzen.
Wir stehen aber dazu, dass die Industrieländer den Hauptanteil der Emissionsminderung und der
finanziellen Hilfen schultern müssen. Denn sie tragen auch die Hauptverantwortung. Das heißt,
dass wir weiter vorneweg gehen müssen. Wir müssen jetzt den notwendigen Strukturwandel
einleiten und als Gruppe unsere Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990
reduzieren.
Die EU und Deutschland sind dazu bereit: die EU hat eine Minderung um 30 Prozent der
Treibhausgase bis 2020 angeboten, wenn andere Staaten in einem globalen Abkommen mitziehen.
Deutschland hat sich festgelegt, 40 Prozent seiner Treibhausgase bis 2020 auf jeden Fall zu
reduzieren, unabhängig davon, ob ein internationales Abkommen zustande kommt oder nicht.
Viele andere Industrieländer haben ebenfalls Angebote gemacht, darunter Japan und Australien.
Die USA arbeiten noch an einem Maßnahmenkatalog und an Minderungszielen. Präsident Obama
hat eine neue Ära in der US-Klimapolitik angekündigt und setzt sich dafür ein, dass die USA in
Kopenhagen mit im Boot sind. Dennoch müssen sich die USA schneller bewegen und mehr
anbieten als zurzeit absehbar ist. Das ist für den Gipfel in Kopenhagen unabdingbar.
Mittel bereitstellen
Wir Industrieländer müssen außerdem für die Entwicklungsländer langfristig und verlässlich
Finanzmittel bereitstellen, um die Minderungsmaßnahmen durchzuführen und ihnen bei der
Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Die Europäische Kommission schätzt, dass der
Gesamtbedarf bis 2020 auf 100 Milliarden Euro jährlich ansteigen wird.
Dieses Geld muss aus unterschiedlichen Quellen kommen: vom Handel mit
Verschmutzungsrechten, aus öffentlichen Mitteln der Industrieländer und auch von
Entwicklungsländern selbst. Die EU hat klar gesagt, dass sie ihren Anteil an der Bereitstellung von
öffentlichen Mitteln – insgesamt circa 22 bis 50 Milliarden Euro – übernehmen wird. Insbesondere
die verletzlichen und armen Länder wie die kleinen Inselstaaten sind dabei auf unsere
Unterstützung angewiesen, um sich zum Beispiel gegen den steigenden Meeresspiegel zu
wappnen.
Foto: GeoForschungs- Zentrum Potsdam
Satellitenbau: Das Klimasystem besser verstehen lernen
Und wir wollen Geld in die Hand nehmen, damit Entwicklungsländer die Entwaldung – eine der
Hauptquellen von Klimagas-Emissionen in Ländern des Südens wie Brasilien oder Indonesien besser bekämpfen können. Deutschland hat hier übrigens schon vorgelegt: Seit 2008 investieren
wir mit der Internationalen Klimaschutzinitiative 120 Millionen Euro jährlich aus dem Handel mit
Verschmutzungszertifikaten in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern. Dies erfolgt zusätzlich
zur bestehenden Entwicklungszusammenarbeit, aus der bereits eine Milliarde Euro jährlich in den
Klimaschutz fließt.
Auch die Entwicklungsländer selbst werden Beiträge leisten müssen: Um auf einem Zwei-GradPfad zu bleiben, müssen sie als Gruppe gegenüber der bisher vorhergesagten Entwicklung eines
"weiter so wie bisher" ihre Klimagas-Emissionen um 15 bis 30 Prozent mindern. Klar ist aber, dass
auch hier das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung gilt:
Minderungsbeiträge von den – ohnehin wenig Treibhausgase ausstoßenden - ärmsten Staaten
wäre überzogen.
Es ist an der Zeit für Entscheidungen
Von Staaten mit einer bereits fortgeschrittenen Wirtschaftsentwicklung und einem inzwischen
erheblichen Beitrag zu den globalen Emissionen erwarten wir jedoch auch eigene Beiträge zum
Klimaschutz. Hierzu zählen die großen Schwellenländer wie China, Brasilien und Indien. Einige
Staaten, deren Entwicklungsstand und Einkommen mit dem von Industrieländern vergleichbar ist,
wie etwa Süd-Korea oder Mexiko, sollten jedoch bereits Ziele übernehmen.
Es stimmt mich optimistisch, dass einige aufstrebende Schwellenländer bereits Angebote für
eigene Klimaschutzziele auf den Tisch gelegt haben: Brasilien und Indonesien haben zugesagt,
ihre Emissionen im Vergleich zu den vorhergesagten Steigerungen in der Größenordnung von 40
Prozent zu senken. China hat angekündigt, die Emissionen pro Einheit des Bruttosozialprodukts bis
2020 um 40 bis 45 Prozent zu mindern. Süd-Korea, OECD-Mitglied, hat ein übergreifendes
wirtschaftsweites Minderungsziel bis 2020 von vier Prozent gegenüber 2005 angeboten.
Die meisten Angebote liegen damit auf dem Tisch, die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Es ist
an der Zeit, in Kopenhagen Entscheidungen zu treffen: für Klimaschutzziele, für finanzielle
Unterstützung von Entwicklungsländern, für ein robustes, transparentes System zur Umsetzung
und Überprüfung der geschlossenen Vereinbarungen. Dies alles muss dann umgehend in ein
globales Rechtsabkommen gegossen werden. Mit diesem Ergebnis leisten wir einen
entscheidenden Beitrag zur globalen Klima- und Entwicklungsgerechtigkeit.
(Autor: Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit)
Kontext
Unser Lebensstil muss sich ändern: Bundesminister Röttgen in der "Welt"
BMU-Staatssekretärin Katherina Reiche: Rasch die Umkehr schaffen
Kopenhagen darf nicht scheitern
Der Weg nach Kopenhagen
Hintergrund zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen
Broschüre: Experten erklären den Klimawandel
BMU-Broschüre: Dem Klimawandel begegnen
BMU-Magazin: Klimawandel in Deutschland
Kostenlose Info-Materialien des Bundesumweltministeriums
Beschäftigungsmotor Klimaschutz
Foto: Philipp Ziser
Trockene Heimat: Die Armen leiden am meisten unter Klimakatastrophen
Herausforderung Klimawandel
Ist unser Klima noch zu retten?
Von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel
Das fragen sich kurz vor der Klimakonferenz in Kopenhagen die Menschen weltweit. Besonders
betroffen sind die Entwicklungsländer. Dürren, Überschwemmungen und Krankheiten wirken sich
dort am verheerendsten aus – und treffen vor allem die Schwächsten der Gesellschaft, die am
wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben: Alte und Kranke, Kinder und Arme.
Wir haben nur noch wenige Jahre Zeit, um im Norden wie im Süden einen klimaverträglichen
Entwicklungspfad einzuschlagen. Wenn uns das gelingt, eröffnet der Klimaschutz auch
wirtschaftlich große Chancen.
Wir müssen jetzt handeln
Wenn es misslingt, drohen unermessliches menschliches Leid und Schäden in Milliardenhöhe. Der
Bericht des Wissenschaftlers Lord Stern hat die Welt 2006 endgültig aufgerüttelt: Wir müssen jetzt
handeln. Die Menschen in den Entwicklungsländern genauso wie in den Industrieländern werden
ansonsten durch die Folgen des Klimawandels mehr verlieren, als wir jetzt aufwenden müssen, um
das Klima zu retten.
Foto: BMZ
Bundesminister Niebel: Klimawandel trifft Entwicklungsländer besonders
Die Bundesregierung setzt alles daran, dass Kopenhagen ein Erfolg wird. Wir wollen den
politischen Rahmen beschließen, damit nächstes Jahr ein anspruchsvolles völkerrechtlich
verbindliches Abkommen abgeschlossen werden kann.
Als Entwicklungsminister setze ich mich besonders dafür ein, dass die beiden Herausforderungen Minderung von Treibhausgasen und Anpassung an den Klimawandel - auch in den
Entwicklungsländern wirksam bewältigt werden. Die Entwicklungspolitik muss hier helfen.
Eine Milliarde für Klimaprojekte
Unser Ministerium finanziert bereits jetzt mit gut einer Milliarde Euro pro Jahr Klimaprojekte in
Entwicklungsländern. So erhalten zum Beispiel in Bangladesch 160.000 Haushalte kleine
Solarstromanlagen, die mit Mikrokrediten finanziert werden.
In Nepal erzeugen rund 190.000 Bauern mit deutscher Unterstützung ihren eigenen Strom aus
Biogasanlagen. Das Bundesentwicklungsministerium wird sein Engagement im Bereich Klima- und
Umwelt weiter ausbauen.
Dabei müssen wir für einen wirksamen Mitteleinsatz sorgen und die Eigeninitiative in den
Entwicklungsländern stärken. Zum Beispiel berät Deutschland Entwicklungsländer bei der
Einführung von Fördergesetzen für erneuerbare Energien oder bei der Modernisierung der
Stromerzeugung.
Und sie fördert auch Investitionen in diesen Bereichen mit mehr als 400 Millionen Euro pro Jahr.
Dennoch werden private Unternehmen den größeren Teil der Investitionen tätigen müssen. Das
internationale Klimaabkommen schafft hier über den Emissionshandel zusätzliche Anreize.
Die Folgen für die armen Länder abmildern
Foto: Mali-Nord/Rocksloh-Papendieck
Der Klimawandel beeinflusst auch die Welternährung
Selbst wenn es uns gelingt, die globale Temperaturerhöhung auf maximal zwei Grad zu begrenzen,
werden die Entwicklungsländer mit erheblichen Folgen in der Landwirtschaft, bei der
Wasserversorgung und im Gesundheitssektor konfrontiert sein. Die Industrieländer werden für die
Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern mittelfristig 10 bis 24 Milliarden Euro pro
Jahr bereitstellen müssen, so die EU-Kommission.
Die neue Bundesregierung hat dafür Vorsorge getroffen: Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass
der größere Teil der Erlöse aus dem Emissionshandel zukünftig für internationale Klimaprojekte
verwendet wird. Mit ihren langjährigen Erfahrungen in Entwicklungsländern können die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit und das Bundesentwicklungsministerium sicherstellen, dass diese
Mittel zielgerichtet eingesetzt werden.
Klimaschutz und Entwicklung untrennbar verbunden
Für Kopenhagen leitet uns das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung,
das in der Klimakonvention festgelegt ist. Auch wenn die Industriestaaten den Großteil der
klimaschädlichen Gase im 19. und 20. Jahrhundert in der Atmosphäre verursacht haben, stammt
heute gut die Hälfte des jährlichen Ausstoßes aus Schwellen- und Entwicklungsländern.
Wir können das Problem also nur gemeinsam lösen. Wenn andere Länder mitziehen, ist die EU
bereit, mit einem ehrgeizigen Ziel zur Emissionsminderung um 30 Prozent bis 2020 voranzugehen,
die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag sogar um 40 Prozent. Jetzt sind die anderen
Industriestaaten - allen voran die USA - und die Schwellenländer am Zug.
Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und Entwicklung sind untrennbar miteinander
verbunden. Deshalb werde ich mich in Kopenhagen persönlich dafür einsetzen, dass wirtschaftliche
Fortschritte in Entwicklungsländern nicht durch den Klimawandel zunichte gemacht werden.
(Autor: Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ)
Kontext
Der Klimawandel – Energie und Klimaschutz
Klimaschutz für Entwicklungsländer
Erneuerbare Energien fördern – Klima schützen
Katastrophenvorsorge
Anpassung Klimawandel
Klimawandel: Kampf ums Überleben in Uganda
Bundeskanzlerin nimmt am Klimakonferenz teil
UN-Klimagipfel Kopenhagen (COP 15)
Foto: Philipp Ziser
Meeeresspiegel steigen - Gefahr für Wohngebiete am Wasser
Herausforderung Klimawandel
Gefährlicher Klimawandel als Zivilisationskrise
Dirk Messner berät die Bundesregierung in Umwelt- und entwicklungspolitischen Fragen. Er ist
Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), Professor für Politikwissenschaften
sowie stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen
der Bundesregierung (WBGU). In seinem Beitrag für das Entwicklungsmagazin beschreibt er
Szenarien, die ein ungebremster Klimawandel mit sich bringen würde:
Spätestens mit dem IPCC–Bericht des UN-Umweltbeirats (Intergovernmental Panel on Climate
Change) von 2007 wird es deutlich: Ein gefährlicher Klimawandel, jenseits einer globalen
Erwärmung von zwei Grad Celsius, könnte im Vergleich zur vorindustriellen Zeit eine globale
Zivilisationskrise auslösen. Die Klimaforschung zeigt, worum es geht.
Ohne eine wirksame Klimapolitik könnte es am Ende dieses Jahrhunderts weltweit drei bis sechs
Grad Celsius wärmer sein als zu Beginn der industriellen Revolution.
Ein Erwärmungsschub in dieser Größenordnung kommt einem Erdsystemwandel gleich. Während
der letzten Eiszeit, vor 20.000 Jahren, war es etwa vier Grad Celsius kälter als heute und die
globalen Ökosysteme sahen völlig anders aus. Teile Nordeuropas und Nordamerikas lagen unter
dem Eis des Nordpols. Eine Temperaturverschiebung von vier Grad Celsius ist also keine
Kleinigkeit, sondern würde eine Zeitenwende einleiten.
Nun könnte die Welt in den kommenden Dekaden einen Wärmeschub erleben, den sie in so kurzer
Zeit seit mindestens drei Millionen Jahren nicht durchlaufen hat.
Die Menschheit dreht also an den ganz großen Schrauben des Erdsystems, mit irreversiblen und
unübersehbaren Folgen. Die Klimaforschung warnt vor dieser Dynamik und beschreibt "KippPunkte" im Erdsystem, ökologische Großunfälle, die durch den globalen Klimawandel ausgelöst
werden könnten:
die arktischen Eismassen könnten vollständig abschmelzen,
der Amazonas-Regenwald kollabieren,
der asiatische Monsun ausfallen, mit jeweils großskaligen, verheerenden, aber vor allem
langfristigen und unumkehrbaren Auswirkungen auf die globalen Ökosysteme sowie die
Menschheit.
Hierin liegt der große Unterschied zur aktuellen Weltwirtschaftskrise. Diese ist tief, einschneidend
und verursacht enorme soziale Kosten. Doch sie wird in wenigen Jahren überwunden sein.
Globale Erwärmung verschärft die weltweite Armut
Ein gefährlicher Klimawandel, der mit einer globalen Erwärmung über zwei Grad zu erwarten ist,
verändert jedoch die Erde und die Lebensbedingungen für die Menschen dauerhaft. Er unterminiert
menschliche Entwicklung und verstärkt die weltweite Armut.
In Afrika werden schon bis 2020 75 bis 220 Millionen Menschen zusätzlich unter Wasserknappheit
zu leiden haben. Die Nahrungsmittelproduktion wird in einigen Gegenden um bis zu 50 Prozent
zurückgehen und insbesondere die Existenz von Kleinbauern gefährden.
Und ein Meeresspiegelanstieg von nur 50 Zentimetern würde den Lebensraum von etwa sieben
Millionen Menschen im Nildelta zerstören. In Asien würde das Abschmelzen der Gletscher des
Himalayas ab 2050 die Trinkwasserversorgung von etwa einer Milliarde Menschen bedrohen.
Indien, Pakistan, Bangladesch und die Philippinen würden zu Opfern von Extremwetterereignissen
und von Überflutungen, ausgelöst durch starke Stürme und sintflutartige Regenfälle.
Migrationsströme zu erwarten
Foto: EUMETSAT
Gaballte Zerstörungskraft: Tropischer Zyclon Bondo über Madagaskar
Der Meeresspiegelanstieg und zunehmend starke Tropenstürme stellt die Ostküste Chinas vor
große Herausforderungen. Im dicht besiedelten Gangesdelta könnten zwischen 30 und 100
Millionen Menschen ihre Heimat verlieren, wenn der Meeresspiegel um einen Meter anstiege.
Dürren würden im Norden Indiens und Chinas die Landwirtschaft gefährden. In Lateinamerika
drohen Wasserknappheiten in Regionen, die von den Trinkwasserreservoirs der Andengletscher
abhängen.
Die Sieben Millionen-Stadt Lima bezieht zum Beispiel an die 90 Prozent ihres Trinkwassers von
den benachbarten Gletschern. Diese haben bereits in den vergangenen Jahren etwa 35 Prozent
ihres Volumens verloren.
Weil die Existenzgrundlagen vieler Menschen zerstört würden, sind entsprechende
Migrationsbewegungen zu erwarten. Wirkungsvolle Armutsbekämpfung wird unter den
Bedingungen ungebremsten Klimawandels zu einem aussichtlosen Vorhaben.
Klimawandel als Sicherheitsrisiko
Ein ungebremster Klimawandel untergräbt jedoch nicht nur die menschliche Entwicklung. Er
begünstigt zugleich weltweit Unsicherheit und Destabilisierung. Eine Stufenleiter wird sichtbar:
Klimawandel gefährdet die menschliche Sicherheit in vielen Ländern und Weltregionen und
verstärkt Migrationsprozesse.
In Entwicklungsländern, in denen viele Menschen von den Folgen der globalen Erwärmung
betroffen sind, drohen subnationale oder auch nationale Zerfalls- und
Destabilisierungsprozesse. Sie treten infolge politischer und ökonomischer Überforderung
von Staaten auf, insbesondere in Ländern, die bereits heute durch schwache oder
scheiternde Institutionen geprägt sind.
Weil Umweltstress nicht an territorialen Grenzen halt macht und Konfliktdynamiken oft auf
Nachbarländer überschwappen, können Klimakrisenregionen entstehen.
Foto: DIE
Professor Dirk Messner: Klimawandel begünstigt Destabilisierung und Unsicherheit
Die Erosion sozialer Ordnungen würde den seit den 1990er Jahren zu beobachtenden Trend zu
"neuen Konflikten" jenseits zwischenstaatlicher Kriege verstärken. So wären beispielsweise
gewalttätige Auseinandersetzungen in Gesellschaften um den Zugang zu sich verknappenden
Ressourcen zu erwarten. Oder auch der Kollaps von Staaten und Rechtlosigkeit sowie
grenzüberschreitende Konflikte als Begleiterscheinung zunehmender Migrationsbewegungen.
Die vier Existenzgrundlagen gefährdet
Nimmt man all diese Trends zusammen, wird deutlich, dass die Menschheit dabei ist, die vier
wichtigsten Grundlagen jedweder menschlichen Zivilisation im globalen Maßstab zu destabilisieren:
1. Wasser
2. Landwirtschaftliche Flächen (Nahrung)
3. Atmosphäre: Sie könnte im Verlauf der nächsten Dekaden zu einem knappen Gut
werden. Die Versorgung von neun Milliarden Menschen im Jahre 2050 mit den
existentiellen Grundgütern wären unter den Bedingungen eines beschleunigten
Klimawandels gefährdet.
4. Energie: Aufgrund der Klimakrise muss die weltweite Energieproduktion in den
kommenden Dekaden vollständig umgebaut werden - von einem fossilen zu
einem auf erneuerbaren Energieträgern basierten System.
Die Menschheit muss also große Anstrengungen zur Stabilisierung dieser vier Existenzgrundlagen
der Weltgesellschaft unternehmen: Wasser, Ernährung, Atomsphäre, Energie. Die
Herausforderung besteht darin, dass die Weltgesellschaft lernen muss, Weltwirtschaft und -politik
innerhalb der Grenzen des Erdsystems zu gestalten.
(Autor: Professor Dr. Dirk Messner, Politikwissenschaftler und Ökonom, Direktor des Deutsches
Institut für Entwicklungspolitik, DIE, Bonn, stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen
Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung)
Kontext
Messner: Entwicklungspolitik der Zukunft
Finanzkrise: Hunger und Armut nehmen zu
Klimawandel kann zu Kriegen führen
ZDF-Video: Die Folgen des Klimawandels
Interaktiv: Szenarien zum Klimawandel
Wir werden mehr Hunger und Armut sehen
Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
Foto: Alfred-Wegener-Institut
Wenn das Eis dünner wird: Warnzeichen nicht nur für Eisbären
Herausforderung Klimawandel
"Wir werden uns anpassen müssen"
Die Polkappen schmelzen und unsere Gletscher gehen zurück. Welche Rolle spielt die von
Menschen beschleunigte Klimaerwärmung dabei und was können wir tun. Hans Grotelüschen hat
dazu mit Professor Peter Lemke, einem der führenden deutschen Experten der Klimaforschung
gesprochen: Der international renommierte Wissenschaftler hat auch führend am Klimabericht des
UN-Umweltbeirats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) mitgearbeitet.
Interview mit Prof. Dr. Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft
Frage: Wenn es tatsächlich gelingt, die Treibhausgas-Emissionen massiv zu senken: Wie
stark dürfte sich die globale Temperatur bis zum Ende das Jahrhunderts erhöhen?
Lemke: In diesem Fall schaffen wir es vielleicht, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu
begrenzen. Das hat sich Europa zum Ziel genommen hat, und das wäre mit großen Anstrengungen
auch erreichbar. Doch selbst dieser relativ moderate Temperaturanstieg bedeutet, dass ein Teil des
Eises auf Grönland schmilzt und nahezu alle Gebirgsgletscher verschwinden, etwa die in den
Alpen. Hinzu kommt, dass sich das Meerwasser durch die Erwärmung ausdehnen wird.
All diese Faktoren zusammen dürften einen Meeresspiegelanstieg zwischen 20 und 50 Zentimetern
verursachen. Dass man es nicht genauer sagen kann, hat vor allem einen Grund: Wir wissen noch
nicht genau genug, wie sich die gewaltigen Gletschermassen auf Grönland bei steigenden
Temperaturen verhalten werden.
Frage: Und was passiert, wenn der globale Treibhausgas-Ausstoß in den kommenden
Jahrzehnten nicht sinkt, sondern sogar noch steigt?
Lemke: In den vergangenen beiden Jahren sind die weltweiten CO2-Emissionen bereits stärker
gestiegen, als es der jüngste Bericht des UNO-Weltklimarats in seinen schlimmsten Szenarien
angenommen hatte. Wenn es so weitergeht, dürfte sich das
Foto: Alfred-Wegener-Institut
Die Polargebiete liefern wichtige Daten für die Klimaforschung
Klima bis zum Ende des Jahrhunderts nicht um zwei, sondern um vier Grad erwärmen. Damit
dürfte das Eis auf Grönland auf lange Sicht vollständig schmelzen. Im Jahre 2100 müssten wir
wahrscheinlich mit einem Meeresspiegelanstieg von einem Meter rechnen. Nach einigen
Jahrhunderten könnte der Meeresspiegel sogar um bis zu sieben Meter steigen. Küstenstädte wie
Bremerhaven, Mumbai oder New York müsste man dann aufgeben oder verlagern. Bereits vorher
müssen wir uns auf Hitzewellen gefasst machen. Wenn unsere Modelle richtig sind, wird ein
außergewöhnlich heißer Sommer wie der im Jahre 2003 in drei Jahrzehnten normal sein und in 60
Jahren sogar kühl – wenn wir denn mit dem CO2-Ausstoß so weitermachen.
Frage: Wird sich der Klimawandel in bestimmten Regionen stärker auswirken als in
anderen?
Lemke: Alle Bereiche, in denen es heute schon trocken ist, werden unseren Szenarien zufolge
noch trockener werden. Dagegen werden die Regionen, die bereits heute feucht sind, noch
feuchter werden. Und: Wir beobachten bereits heute, dass die Klimaänderungen in den nördlichen
Breiten stärker ausfallen als in den niederen Breiten.
Das hängt damit zusammen, dass die Schnee- und Eisbedeckung in den nördlichen Breiten in den
vergangenen Jahrzehnten tendenziell abgenommen hat. Der Hintergrund: Schnee und Eis sind
bekanntlich weiß und haben die positive Eigenschaft, das Sonnenlicht zurück in den Weltraum zu
reflektieren.
Wenn sie schmelzen, kommen dunkle Flächen zum Vorschein, die die Sonnenenergie viel besser
absorbieren. Dadurch erwärmt sich die Region stärker, und es schmilzt weiteres Eis. Diese
Rückkopplungseffekt scheint dafür verantwortlich zu sein, dass der Temperaturanstieg in der Arktis
in den letzten 50 Jahren doppelt so stark ausgefallen ist wie im globalen Mittel.
Frage: In der Vergangenheit dominierten natürliche Klimaschwankungen, zum Beispiel
Wechsel zwischen Warm- und Eiszeiten. Welche Rolle könnten diese natürlichen
Schwankungen in absehbarer Zeit spielen?
Lemke: Das natürliche Klimasystem hat unter anderem Eiszeiten produziert, die dann besonders in
der nördlichen Hemisphäre einen gewaltigen Wandel hervorgerufen haben. Aber wenn wir die
letzten acht Eiszeiten analysieren, lag der CO2-Gehalt stets bei etwa 180 CO2-Teilchen pro einer
Million Luftmolekülen. In den Warmzeiten stieg dieser Wert dann auf 280 CO2-Teilchen.
Dazwischen lagen rund 20.000 Jahre – solange dauert der Übergang von einer Eis- zu einer
Warmzeit.
Zurzeit leben wir ja in einer Warmzeit, aber wir haben nicht 280, sondern 385 CO2-Teilchen pro
einer Million Luftmolekülen, verursacht durch die vom Menschen gemachten TreibhausgasEmissionen. Das heißt: Wir haben der Atmosphäre genauso viel CO2 zugeführt wie beim Übergang
von Eiszeit zu Warmzeit zu verzeichnen waren.
Doch was normalerweise 20.000 Jahre dauert, haben wir in 200 Jahren geschafft! Das macht das
eigentliche Klimaproblem aus: Die Geschwindigkeit, mit der wir CO2 in die Atmosphäre entlassen,
kann unserer Klimasystem nicht verdauen.
Frage: Wie wichtig ist es, sich bereits jetzt an den bevorstehenden Klimawandel
anzupassen?
Foto: Alfred-Wegener-Institut
Trockene Gebiete werden noch trockener: Professor Lemke in der Arktis
Lemke: Seit Beginn der Industrialisierung haben wir bereits einen Temperaturanstieg von 0,7 Grad
verursacht. Und selbst, wenn wir von heute auf morgen kein CO2 mehr ausstoßen würden, würde
sich die globale Temperatur in den kommenden Jahrzehnten noch einmal um denselben Betrag
erhöhen – dann wären wir bei einem Anstieg von 1,4 Grad.
Das bedeutet: Wir werden uns auf jeden Fall anpassen müssen, werden Deiche erhöhen und uns
gegen Hitzewellen und stärkere Niederschläge wappnen müssen. Außerdem müssen wir
Vermeidungsmaßnahmen ergreifen und unsere Energieproduktion umstellen, von den fossilen zu
den regenerativen Energieträgern.
Frage: Was erwarten Sie vom Klimagipfel in Kopenhagen?
Lemke: Ich hoffe, dass Länder wie die USA, aber auch die europäischen Staaten, sich zu starken
Reduktionen der Treibhausgas-Emissionen bereit erklären. Experten schätzen, dass es ein bis
zwei Prozent des Bruttosozialprodukts kosten würde, um Vorbeugungs- und
Anpassungsmaßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Für Deutschland wären das jährlich
20 Milliarden Euro. Das klingt nach viel Geld. Aber eine ähnlich Summe geben die Deutschen jedes
Jahr für die Müll- und Abwasserbeseitigung aus. Soviel sollte uns doch auch der Klimaschutz wert
sein.
(Das Interview mit Professor Peter Lemke führte der Hamburger Wissenschaftsjournalist und
Diplomphysiker Frank Grotelüschen.)
Kontext
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Die Helmholtz-Gemeinschaft startet Klimainitiative
Audio: Interview mit Professor Lemke zur Klima- und Polarforschung
Das große Schmelzen
Gletscher drohen zu verschwinden
Unterrichtsmaterialien zu G8 und Klimawandel
Foto: GFZ Potsdam
Beobachter aus dem All: Grace-Satelliten
Herausforderung Klimawandel
Was wissen wir vom Klima?
Professor Reinhard Hüttl ist neben seiner Tätigkeit als Leiter des Deutschen
GeoForschungsZentrums in Potsdam auch Wissenschaftlicher Berater der Hightechstrategie
Klimaschutz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. In seinem Beitrag wird der
enorme Forschungsbedarf der Wissenschaft erkennbar, die immer wieder vor neuen
Überraschungen bei der Erforschung des Teilsystems Klima steht.
Über 450 Wissenschaftler und Entscheidungsträger aus Politik und Gesellschaft trafen sich am 2.
und 3. November 2009 in Berlin zur Konferenz "Klima im System Erde". Sie fassten im Vorfeld des
Weltklimagipfels COP15 in Kopenhagen den derzeitigen Wissensstand zusammen, formulierten
den aktuellen Forschungsbedarf und identifizierten die notwendigen Fragestellungen.
Veranstalter dieser Arbeitskonferenz waren die jeweils führende Einrichtung auf ihren
Forschungsgebieten:
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI),
die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) und
das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ.
Wozu noch so eine Konferenz, wenn doch dringliche Entscheidungen anstehen? Es steht außer
Zweifel, dass der Mensch zur Klimaänderung beiträgt. Maßnahmen zur Reduktion der
Treibhausgasemissionen sind unumgänglich. Daher untersuchen die Forschungszentren AWI,
SGN und das GFZ schon lange mögliche Strategien zur Minderung der Effekte des Klimawandels
auf uns und unsere Umwelt. Dabei geht es auch um regionalspezifische Anpassungskonzepte.
Zur zentralen Forderung in Kopenhagen, auf die sich alles zuspitzt, wurde das so genannte ZweiGrad-Ziel erhoben. Durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen soll der globale
Temperaturanstieg auf zwei Grad eingegrenzt werden. Aber ist dieser definierte Grenzwert eine
Garantie dafür, dass dann mehr oder weniger alles so bleibt, wie es jetzt ist?
Foto: REGIERUNGonline/Bergmann
Ein eigenes Bild vom Klimawandel machen: Bundeskanzlerin in Grönland 2007
Wer das zukünftige Klima steuern will, muss erst einmal seinen heutigen Zustand genau verstehen.
Dies ist kompliziert, denn das Klima ist kein abgeschlossener Mechanismus, dessen Ursachen und
Wirkungen man problemlos vollständig verstehen kann. Vielmehr ist es ein Teilsystem im
hochkomplexen, nichtlinearen Wirkungsmechanismus namens Planet Erde. Und auf diesem
Planeten wirken Prozesse in Atmosphäre, Hydrosphäre, Geosphäre, Biosphäre und
Anthroposphäre (um nur die wichtigsten zu nennen) ein.
Unsere Forschungen geben uns ständig neue und überraschende Einsichten in diese Prozesse
und die verzweigten Wechselwirkungen zwischen diesen Teilsystemen. Hinzu kommt, dass sie sich
obendrein ständig selbst ändern und zudem extraterrestrischen Einflüssen (Solarstrahlung,
Umlaufbahn) unterliegen.
Unvollständiges Wissen darf uns nicht am Handeln hindern. Es darf uns aber auch nicht daran
hindern, den Forschungsbedarf zu benennen, der ebenso notwendig wie unerlässlich ist, um die
notwendigen Zukunftsentscheidungen wissensbasiert fällen zu können. Sowohl zur Anpassung an
den stattfindenden Klimawandel als auch zum Ergreifen von Minderungsmaßnahmen.
Zurück in die Zukunft
Wir wissen heute so viel vom Klimasystem wie nie zuvor. Aber was wissen wir wirklich? Das
wichtigste Werkzeug zur Abschätzung des künftigen Klimawandels sind Modellrechnungen, aus
denen Zukunftsszenarien entwickelt werden. Diese Szenarien können nur so verlässlich sein wie
die Daten und die Prozesse, die in diese Modelle eingehen.
Foto: REGIERUNGonline/Bergmann
Kalte Zeugen des Klimawandels: Eisberge und Gletscher
Die Klimaforscher haben, das muss deutlich hervorgehoben werden, hier eine hervorragende
Arbeit in den letzten beiden Jahrzehnten geleistet. Die Zukunftsszenarien (keine Vorhersagen!)
sind durchaus realistisch. Dennoch muss auch deutlich gesagt werden, dass sie, wie alle
Szenarien, noch erhebliche Unsicherheiten in sich bergen.
Beispielsweise ist nach wie vor der Wasserkreislauf in den Modellen nicht vollständig
reproduzierbar. Zudem sind die Ozeane immer noch Gebiete mit großen Unsicherheiten. Auch das
Verhalten der Meereisbedeckung gibt uns weiterhin viele Fragen auf, ebenso der Kohlenstoffgehalt
der Böden. Fragen wie die Wirkung der Solarstrahlung und der Orbitalparameter bedürfen
genauerer Klärung. Kurz: das Klimasystem, vor allem in seinen Wechselwirkungen mit den anderen
Teilsystemen des Planeten Erde, ist uns durchaus nicht bekannt.
Ein Blick in die Erdgeschichte kann da helfen. Wir sehen zunächst, dass der seit der letzten Eiszeit
vor etwa 11.700 Jahren andauernde Zustand unseres Klimas (geologisch Holozän genannt)
erdhistorisch ein Ausnahmezustand ist. Er ist durch ungewöhnliche Stabilität geprägt. Diese
Stabilität ist relativ, denn in ihr verbergen sich Temperaturschwankungen, die für uns Menschen
sehr erheblich waren. So wie die Kleine Eiszeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert oder das
Römische Klimaoptimum.
Klima im menschlichen Lebensraum
Das weist uns auf einen zweiten Faktor hin: globale Klimaschwankungen über globale Mittelwerte
zu erfassen, nützt uns für unseren Lebensraum nur wenig. Diese relative Stabilität weist auf einen
zweiten Faktor: Modellierte globale Klimaschwankungen geben uns generelle Aussagen zum
Klimaverständnis. Sie nutzen dem Menschen im jeweiligen Lebensraum im konkreten Fall aber nur
wenig. Klimaänderungen wirken für uns immer regional.
Global scheinen die Ozeane als riesige Thermostate zu wirken, welche die Variationen dämpfen.
Regional auf den Kontinenten, unserem Lebensraum, sind die Änderungen viel dramatischer. So
gab es zum Beginn unserer jetzigen Warmzeit vor rund 12.680 Jahren in der Eifel innerhalb von
nur 13 Jahren ein Absinken der durchschnittlichen Wintertemperaturen um vier bis fünf Grad.
Trügerische Sicherheit
Es ist festzuhalten: das Klima ändert sich, auch durch einen menschgemachten Anteil, den es
deshalb unbedingt zu minimieren gilt. Aber wir haben gesehen, wie komplex das Klimageschehen
ist. Angesichts einer derartigen Vielfalt an Prozessen und Wechselwirkungen mit dem Zwei-GradZiel eine Lösung in Aussicht zu stellen, täuscht eine Gewissheit vor, die es nicht gibt.
Sehr wohl ist es politisch wünschenswert, das Zwei-Grad-Ziel über Treibhausgasreduktionen
anzustreben, aber damit ist keine Garantie gegeben, dass das Klimasystem stabil bleibt.
Wie kommen solche Grenzwerte zustande? Das Zwei-Grad-Ziel ist Resultat wissenschaftlicher
Arbeit. Es stammt aus Modellrechnungen, mit denen die Szenarien zukünftiger Klimaentwicklung
simuliert werden. Diese Klimamodelle sind sinnvolle Werkzeuge. Aber, wie bereits angemerkt,
diese Modelle sind immer nur so gut wie die Daten und die Kenntnisse, die in sie hineingeben
werden. Hier gilt es, so meinen wir, neu anzusetzen.
Foto: GFZ Potsdam
Professor Hüttl: Klima als Teilsystem begreifen
Dafür gibt es mehrere Gründe, die sich in zwei Aussagen zusammenfassen lassen:
Erstens wartet das Teilsystem Klima ständig mit neuen Überraschungen auf; neue Erkenntnisse
müssen auch in die Modelle eingebaut werden. Das zu fordern ist an sich fast trivial, weil es der
normale Gang der Wissenschaft ist.
Zweitens scheint uns, dass - bei allem Lob für die gute Arbeit der Modellierer - die derzeitige Art der
Klimamodellierung an ihre Grenzen gestoßen ist.
Man muss das Klima als Teilsystem des Gesamtsystems Erde verstehen und modellieren. Hier
besteht noch enormer Forschungsbedarf. Viele der Fragestellungen, welche die Klimaforschung im
engeren Sinne seit 20 Jahren bewegen, sind bis heute nicht gelöst. Und sie können unserer
Meinung nach auch nur sinnvoll angegangen werden, wenn man sie integriert geowissenschaftlich
betrachtet. Die Geowissenschaften haben hier viel beizutragen, sowohl als Angebot als auch als
Bringschuld.
(Autor: Professor Dr. Reinhard F J. Hüttl, Wissenschaftlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender
des GFZ GeoforschungsZentrums Potsdam in der Helmholtz Gemeinschaft, Wissenschaftlicher
Berater der Hightechstrategie Klimaschutz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung)
Kontext
GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ)
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zum Klimagipfel in Kopenhagen
Bundeskanzlerin: Im Klimaschutz keine Zeit verlieren
Umweltbundesamt: Daten für die Umwelt
COP 15 Kopenhagen
Millenniumsentwicklungsbericht 2009
Potsdam wird Zentrum für Klima- und Nachhaltigkeitsforschung
Wetter, Klima, Klimawandel
Erdgeschichte im Überblick
Foto: Deutscher Wetterdienst
Unwetterüberwachung des Deutschen Wetterdienstes
Herausforderung Klimawandel
Klimawandel - eine Tatsache mit Folgen für unsere Zukunft
Paul Becker vom Deutschen Wetterdienst Offenbach (DWD) über die globale Erwärmung und
die Arbeit seines Dienstes:
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat die globale Jahresmitteltemperatur um 0,7 Grad Celsius
zugenommen. Dieser Temperaturanstieg erfolgte nicht gleichmäßig. Die stärkste
Temperaturzunahme wurde seit Beginn der 1980er Jahre registriert.
So gehören die Jahre 2001 bis 2008 ausnahmslos zu den zehn wärmsten Jahren bezogen auf die
159-jährige Messreihe von 1850 bis 2008. Von 2001 bis 2008 hatten wir insgesamt ein Verbleiben
auf hohem Temperaturniveau.
Die Konsequenzen der Erwärmung erleben wir zum Beispiel bereits mit dem Anstieg des
Meeresspiegels. Durch das Abschmelzen von Festlandeis und der erwärmungsbedingten Zunahme
des Meerwasservolumens stieg der Meeresspiegel im Laufe des vergangenen Jahrhunderts
weltweit um etwa 17 cm an.
In Deutschland ist es wärmer geworden
Foto: Deutscher Wetterdienst
Das Klimaarchiv des Deutschen Wetterdienstes reicht bis 1781 zurück.
Auch in Deutschland wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Erwärmung beobachtet, die sich
seit 1988 markant beschleunigt hat. Die Jahresdurchschnittstemperatur ist seit 1901 mit 1,0 Grad
Celsius noch etwas deutlicher angestiegen als die weltweite. Auch Menge und die Verteilung des
Niederschlags haben sich verändert. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Niederschlagsmenge
im Sommer um etwa zehn Prozent leicht abgenommen, während die Winter um etwa 10 bis 20
Prozent niederschlagsreicher geworden sind.
Eine weitere Folge des Temperaturanstiegs ist eine verlängerte Vegetationsperiode. Dies führt
dazu, dass Wärme liebende Pflanzen- und Tierarten nach Deutschland einwandern, die hier bisher
nicht heimisch waren.
Beschleunigung ist hausgemacht
Das Klima ist keine beständige Größe. Ähnlich wie das tägliche Wetter unterliegt das Klima
Veränderungen. Sie vollziehen sich allerdings meist in langen Zeiträumen von Jahrhunderten oder
Jahrtausenden. Grund für diese Klimaänderungen ist das Zusammenspiel vieler Einflussfaktoren,
wie zum Beispiel der Sonnenaktivität, der Meeresströme oder der Eis- und Schneebedeckung.
Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, auch als Weltklimarat bezeichnet) kommt
zu dem Schluss: Der seit Beginn der Industrialisierung beobachtete Klimawandel wird wohl
weitestgehend durch menschliche Einflüsse verursacht.
Um Aussagen über die zukünftige Klimaentwicklung zu erhalten, werden Klimamodelle zur
Berechnung von Klimaprojektionen verwendet. Sie berücksichtigen neben der Atmosphäre auch
Meeresströme, die Eisbedeckung oder die Sonnenaktivität.
Klimaprojektionen legen unterschiedlich hohe Freisetzungen von Treibhausgasen zugrunde, die
Emissionsszenarien genannt werden. Die vom IPCC vorgelegten Emissionsszenarien reichen von
einem Einfrieren bis zu einem ungebremsten weiteren Ansteigen der CO2-Freisetzung.
Bis 2100 global um zwei bis vier Grad wärmer
Foto: DWD
Grafik Jahresdurchschnittstemperaturen in Deutschland ( zum Vergrößern anklicken)
Alle Klimaprojektionen zeigen bis zum Ende dieses Jahrhunderts einen weiteren Anstieg der
globalen mittleren Lufttemperatur an. Im günstigsten Fall um knapp ein Grad Celsius, im
schlechtesten Fall sogar um die sechs Grad Celsius. Unter realistischen Annahmen ist mindestens
mit einem Temperaturanstieg zwischen zwei und vier Grad Celsius zu rechnen. Das gilt auch für
Deutschland.
Dabei treten die größten Erwärmungsraten in den subarktischen und arktischen Gebieten der
Nordhalbkugel auf. Sollte diese Entwicklung eintreten, könnte das Meereis in der Arktis bereits ab
Mitte dieses Jahrhunderts in der Sommersaison gänzlich abschmelzen.
Steigender Meeresspiegel und Wirbelstürme
Insbesondere der zu erwartende Meeresspiegelanstieg wird Folgen haben. Selbst unter günstigen
Annahmen (deutliche Verringerung der CO2-Freisetzung) wird von den Klimamodellen bis zum
Ende des Jahrhunderts noch ein Meeresspiegelanstieg um 20 Zentimeter berechnet.
Besonders betroffen werden alle Küstengebiete und Inseln sein, deren Gelände bereits heute auf
Meeresniveau liegt. Hier werden in Zukunft kostspielige Küstenschutzmaßnahmen erforderlich sein,
um die Bewohnbarkeit dieser Gebiete zu sichern.
Mit der globalen Erwärmung werden auch die Wassertemperaturen in den tropischen Ozeanen
ansteigen. Damit besteht die Gefahr, dass sich tropische Wirbelstürme häufiger und intensiver
entwickeln. Gleichzeitig wird die Wirbelsturmsaison länger.
Wachsende Hitzebelastung auch in europäischen Ballungsräumen
Hitze- und Trockenperioden werden vor allem in den subtropischen Gebieten auftreten. Im Sommer
werden sie aber in gemäßigten Breiten häufiger auftreten und länger dauern.
Neben den gesundheitlichen Auswirkungen einer steigenden Wärmebelastung sind aufgrund des
Wassermangels auch negative Effekte zu erwarten. Zum Beispiel für die Land- und
Energiewirtschaft oder die Trinkwasserversorgung. Besonders für die Bewohner städtischer
Ballungsgebiete werden häufigere Hitzeperioden zu einer zunehmenden gesundheitlichen
Belastung.
Mehr internationale Kommunikation und Zusammenarbeit
Das Jahr 2009 ist durch wichtige Konferenzen zum Klimawandel und seinen Folgen geprägt. So
durch die Dritte Weltklimakonferenz (WCC-3) im September in Genf und die UN-Klimakonferenz
vom 7. bis 12. Dezember 2009 in Kopenhagen. Dabei ist zu hoffen, dass im Nachgang der
Kopenhagener UN-Klimakonferenz ein Abkommen mit völkerrechtlich verbindlichen
Reduktionszielen noch im ersten Halbjahr 2010 zustande kommt. Dazu gehört auch die
Verabredung über die finanziellen Lastenverteilungen.
Foto: Deutscher Wetterdienst
Paul Becker: Wärmeres Klima auch in Deutschland
Ein wesentliches Ergebnis der Genfer WCC-3 war der Beschluss zur Einrichtung eines globalen
Netzwerks für Klimainformationen und -dienstleistungen (Global Framework for Climate Services).
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) wird diese Brücke zwischen Anbietern und Anwendern von
Klimadienstleistungen nachdrücklich mitgestalten. Er stellt sowohl meteorologische Aus- und
Fortbildungsaktivitäten als auch technische Unterstützung bereit.
2006 hat der DWD meteorologische Instrumente zur Ausstattung von insgesamt 60
Bodenmessstationen im Irak zur Verfügung gestellt. 2008 wurde in Zusammenarbeit mit dem
meteorologischen Institut Mozambique ein Hochwasserwarnsystem am Rio Save aufgebaut. Auch
mit dem meteorologischen Dienst von Tonga wurde ein Funknetz zwischen drei Inseln zur stabilen
Übertragung von Wetterdaten bereitgestellt. Derzeit befindet sich eine weitere Kooperation mit dem
namibischen Wetterdienst zur personellen Verstärkung und Ausbildung sowie zur Erweiterung der
technischen Ausrüstung in der Planung.
Von diesen Maßnahmen profitieren alle. Sie tragen dazu bei, unser Verständnis des globalen
Klimasystems zu verbessern. Insbesondere erhalten wir so Daten durch mehr und qualitativ
hochwertigere Messungen und Beobachtungen auch aus Gebieten mit noch relativ wenigen
Klimadaten.
(Autor: Dr. Paul Becker, Mitglied des Vorstands des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und Leiter
des Geschäftsbereichs Klima und Umwelt)
Kontext
Der Deutsche Wetterdienst (DWD)
IPCC
Klimadaten und Neuigkeiten des Deutschen Wetterdienstes
Hochwasserwarnsystem Mozambique Rio Save
DWD-Frühwarnsystem für Überschwemmungen
Klimawandel und Gerechtigkeit (Misereor)
Aktion Deutschland und der Deutsche Wetterdienst
Klimakarten von Deutschland
Foto: Philipp Ziser
Verletzliche Idylle
Herausforderung Klimawandel
Osttimor: Klimawandel bedroht Inselstaat
Wer sich in einem Liegestuhl vor einer der Bars in Küstennähe in Dili, der Hauptstadt Osttimors,
räkelt, hat die pure Idylle vor Augen: Strand, Fischerboote und spielende Kinder. Doch der Schein
trügt. Denn was die Touristen auf Anhieb nicht erkennen können, sind die Spuren, die der
Klimawandel hier bereits hinterlassen hat.
"Die Küstenlinie ändert sich, da ist nichts dran zu rütteln", berichtet Demetrio de Carvalho von der
Umweltorganisation "Haburas". "Der Anstieg des Meeresspiegels ist unübersehbar."
Nach Ansicht von Joana de Mesquita Lima ist der Klimawandel auch in anderen Bereichen spürbar.
"Wir haben hier immer wieder mit Wasserknappheit zu kämpfen, Niederschläge bleiben aus,
natürliche Quellen versiegen. Außerdem sorgen ungewöhnliche Wetterschwankungen für
Ernteausfälle", so die Leiterin der Abteilung für Armutsbekämpfung und Umwelt in Osttimor des
Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen.
Niederschläge verändern sich
"Das Wetter ist unberechenbar geworden", meint auch Mario Ximenes, Leiter der Nationalbehörde
für globale Umweltangelegenheiten. "Die Bauern können sich auf die Jahreszeiten nicht mehr
verlassen."
Mit einem Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase von 0,2 Tonnen pro Kopf und Jahr liegt
Osttimor weit unter dem globalen Durchschnitt von 4,22 Tonnen. Dennoch bekommt der
Pazifikstaat die Auswirkungen der Erderwärmung mit voller Wucht zu spüren. So wird es in dem
südostasiatischen Land immer wärmer.
Einer Studie der Universität von Melbourne zufolge steigen die Temperaturen in Osttimor bis 2070
um 0,88 bis 3,68 Grad an. Das bringt die bekannten Niederschlagsmuster durcheinander.
Klimawandel erforschen
Wissenschaftliche Untersuchungen des Klimawandels sind in Osttimor rar. Nur wenige Statistiken
aus der Zeit der indonesischen Besatzung in den Jahren 1975 bis 1990 sind noch erhalten. Das
soll eine Studie, die die Regierung in Auftrag gegeben hat, jetzt ändern.
"Anhand der Ergebnisse werden wir im kommenden Jahr einen Aktionsplan zur Anpassung an den
Klimawandel entwickeln", erklärt Lima, die an der Untersuchung beteiligt ist. Es gehe darum, die
wichtigsten Handlungsfelder zu ermitteln und entsprechend zu agieren. "Wenn wir das wissen,
kann die Regierung auch gezielt internationale Geber um finanzielle Unterstützung angehen."
Ernteerträge gehen zurück
Osttimors Insellage macht das Land besonders anfällig für Extremwetterphänomene, die im Zuge
des Klimawandels immer häufiger auftreten. Nach Angaben des Umweltaktivisten Carvalho wurde
Osttimor in den vergangenen zehn Jahren zweimal von dem Ozean-Atmosphären-Phänomen El
Niño heimgesucht, zuletzt 2007. El Niño hat die Wetterverhältnisse auf der Insel so stark verändert,
dass die Getreideernte in der Saison um 30 Prozent zurückging.
Wenige Jahre zuvor war auch der Ertrag der Maisernte um 30 Prozent niedriger als in anderen
Jahren ausgefallen. Das lag zum einen an einer langen Dürreperiode 2001 bis 2002 als auch an
dem ungewöhnlich späten Einsetzen der Regenperiode um die Jahreswende 2002/2003.
Wälder unter Druck - Armut ist mitverantwortlich
Die große Armut in der Bevölkerung trägt dazu bei, dass das südostasiatische Land den
Klimawandel besonders heftig spürt. Bäume werden zu Brennholz oder müssen Agrar- und
Weideflächen weichen. Zwischen 1990 und 2005 verschwanden 17 Prozent der Wälder des
Landes. 40 Prozent der rund eine Million Einwohner des Pazifikstaates leben unterhalb der
Armutsgrenze. Dreiviertel der Bevölkerung sind Kleinbauern, die von ihrer Landwirtschaft leben.
Die Regierung ist sich der Gefahren des Klimawandels bewusst. Staatspräsident José RamosHorta schilderte auf einem Treffen der Vereinten Nationen im September die Auswirkungen der
Erderwärmung. "Die Boden werden ausgewaschen, Erde von Regen weggespült. Die Flüsse füllen
sich mit Schlamm und treten über die Ufer. Straßen werden durch Erdrutsche blockiert. Die
Verwüstungen stellen gerade für die ländliche Bevölkerung ein erhebliches Problem dar."
Der politische Wille ist da
Nach Ansicht des Umweltschützers Carvalho bewegt sich die Regierung in die richtige Richtung.
"Wir haben internationale Umweltabkommen ratifiziert, auch das Kyoto-Protokoll. Die Regierung
zeigt zumindest den politischen Willen, etwas gegen den Klimawandel zu tun", betont er.
Für Abilio Fonseca von der Nationalbehörde für globale Umweltangelegenheiten fehlen der
Regierung die Kapazitäten zum Handeln. "Nach der Unabhängigkeitserklärung 2002 müssen wir
viel Aufbauarbeit leisten", erläutert er. "Klimapolitik steht nicht an erster Stelle, die Prioritäten sind
ganz klar Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gesundheit."
(Autor: Matt Crook, Auslandskorrespondent der internationalen Nachrichtenagentur IPS Inter Press
Service, redaktionelle Beareitung, Johanna Treblin)
Kontext
Entwicklungsprogramm Timor-Leste (Ost-Timor)
Unser Klima im Visier (Radio Bremen)
Klimaschutz im Alltag (Radio Bremen)
Länderinformationen zu Timor-Leste
Klimareferenzstation Fichtelgebirge
Foto: Deutsche Welle/ Schaeffer
Tonstudio: Radionovela-Produktion in Kenia
Rundfunk
Hallo Afrika! Mit Radionovelas Gehör verschaffen
Mit der "Aktion Afrika" verstärkt Deutschland seit vergangenem Jahr seine kulturelle
Zusammenarbeit mit dem Kontinent. Teil der Initiative ist ein Bildungsprogramm der Deutschen
Welle (DW).
Aufregend und voller neuer Erfahrungen, so stellen sich die fünf Jungs aus Mosambik das Leben in
der Stadt vor und ziehen in eine Wohngemeinschaft. Doch die neue Selbstständig hat auch
Schattenseiten. Von Sauberkeit und Hygiene im eigenen Haushalt hält einer von ihnen wenig. Julio
wird krank, bekommt sogar Malaria und muss im Krankenhaus behandelt werden.
Deutscher Auslandsrundfunk für Jugendliche
Die Episode aus dem Leben von Julio und seinen Freunden ist eine der Radionovelas, die die
Deutsche Welle für ihr Mitte des Jahres gestartetes Bildungsprogramm "Learning by Ear" in Afrika
produziert hat. Mit seinem neuen Radio- und Internetprojekt will der deutsche Auslandsrundfunk vor
allem Jugendliche im Alter von zwölf bis 20 Jahren als Hörer gewinnen.
"Learning by Ear" orientiert sich an den Interessen der jungen Generation in Afrika: Gesundheit und
HIV/Aids, Ausbildung und Beruf, Umweltschutz und Globalisierung, politisches und
gesellschaftliches Engagement. Das sind Themen der Radionovelas sowie der
Informationssendungen der Deutschen Welle.
Hörfunk-Projekte wie "Learning by Ear" klären auf, tragen zur Meinungsbildung bei und regen
Diskussionen an. Sie zeigen den jungen Menschen, dass auch sie etwas verändern können und
die demokratische gewaltlose Auseinandersetzung auch mit brisanten Themen möglich ist.
Ausgestrahlt werden die zehn Minuten langen Beiträge in den Sprachen Kisuaheli, Haussa und
Amharisch sowie Englisch, Französisch und Portugiesisch via DW-Radio und die mehr als 200
DW-Partnersender in Afrika.
Finanziert durch das Auswärtige Amt
Das Auswärtige Amt finanziert die DW-Initiative aus Mitteln der "Aktion Afrika". Damit baut
Deutschland seine Kulturarbeit auf dem Kontinent aus. Für das Auswärtige Amt ist Bildung der
Schlüssel für Afrikas Entwicklung – und "Learning by Ear" ein innovatives Projekt. Es schafft die
Möglichkeit, junge Zuhörer zu erreichen.
"Es ist klasse, dass die Deutsche Welle Themen für junge Leute so unterhaltsam rüberbringt",
erzählt Anne. Die junge Schauspielerin aus dem Senegal hat für eine Radionovela die Rolle der 16
Jahre alten Angela übernommen, die ungewollt schwanger wird und sich mit HIV infiziert.
Foto: Deutsche Welle / Ute Schaeffer
Mosambik: Texte lernen für die Radionovela
Authentisch, hörernah und lebendig – von afrikanischen Jugendlichen für afrikanische Jugendliche.
"Learning by Ear geht auf spielerische und erzählende Art ernste Themen an", sagt Ute Schaeffer.
Sie ist die Leiterin von DW-Radio Afrika-Nahost.
Und dass die deutschen und afrikanischen Radio-Macher mit ihrem Programm richtig liegen, zeigt
eine Hörerreaktion auf eine Novela über ein an Aids erkranktes Mädchen: "Solche Dinge passieren
auch hier in Guinea-Bissau. Gute Information ist ein Weg, um Aids zu bekämpfen. Das ist das, was
ihr tut – Danke für Eure Arbeit."
Das Bildungsprogramm der Deutschen Welle erfreut sich in Afrika immer größerer Beliebtheit. Seit
2008 vermittelt es in sechs afrikanischen Sprachen Wissen an junge Afrikaner. Konfrontiert werden
junge Hörerinnen und Hörer auch mit komplexen Themen wie Aids, Menschenrechte oder
Demokratie. In Kenia werden derzeit neue "Learning by Ear"-Folgen produziert.
"Learning by Ear" auch in Afghanistan
Bildung ist auch eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbauprozess in Afghanistan. Nach dem
Erfolg in Afrika startete die Deutsche Welle 2009 deshalb auch ein umfangreiches Radioprogramm
in Afghanistan. Radionovelas für junge Hörerinnen und Hörer werden derzeit für und in Afghanistan
produziert. Gesendet wird in den Sprachen Paschtu und Dari. Schwerpunkte des neuen
interaktiven Angebots "Learning by Ear für Afghanistan" sind Bildung, Demokratisierung und der
Aufbauprozess des Landes.
Für ihr Bildungsradioprogramm "Learning by Ear" hat die Deutsche Welle am 4. November in
London einen Preis der Association for International Broadcasting (AIB) in der Kategorie
"Kreativstes Radio-Format" erhalten. Ute Schaeffer nahm den Preis für die deutsche Welle in
London entgegen.
(Autor: Oliver Sefrin, Magazin Deutschland, FSD Frankfurt/Main)
Kontext
"Learning by Ear" im Slum
"Learning by Ear" Themen (englisch)
Aktion Afrika
Interaktives Jugend- und Themenradio für Afghanistan der DW
Internationaler Preis für "Learning by Ear"
Podcast: Focus Afrika
Afrikas weiter Weg in die Zukunft
Foto: Brot für die Welt
Brot für die Welt: Nahrungsverteilung in Asien
Jubiläum
50 Jahre "Brot für die Welt"
Hilfsorganisationen und christliche Hilfswerke bekämpfen nicht nur die akute Not, sondern auch die
Ursachen der Armut. Ihre Kampagnen fördern in der breiten deutschen Bevölkerung ein
Bewusstsein für die harten Lebensbedingungen, unter denen Menschen in Asien, Afrika und
Lateinamerika um ihr Überleben kämpfen. Eines der bekanntesten Hilfswerke ist "Brot für die Welt",
das 2009 auf ein halbes Jahrhundert seines Wirkens zurückblicken kann.
"Brot für die Welt", 1959 in Berlin gegründet, ist eine Hilfsaktion der evangelischen Landes- und
Freikirchen in Deutschland. Am 12. Dezember 1959 war die Eröffnung der 1. Aktion "Brot für die
Welt" in der Berliner Deutschlandhalle.
Am 1. Advent des selben Jahres riefen die Kirchen zum ersten Mal unter dem Motto "Brot für die
Welt" zu Spenden für Arme und Bedürftige in den Ländern des Südens auf. Anlass für die erste
Spendenaktion war eine aktuelle Hungersnot in Indien, von der etwa zwölf Millionen Menschen
betroffen waren.
Hungerhand - Symbol der Not
Die "Hungerhand" war die erste Bildbotschaft, mit der sich "Brot für die Welt" 1959 an die Mitbürger
und Mitbürgerinnen in Deutschland gewandt hat. Sie symbolisierte den in Hunger und Elend
versinkenden Menschen, der nach Hilfe greift. Seit dieser Zeit wurden alle "Brot für die Welt"Aktionen von solchen Bildern begleitet.
Foto: Brot für die Welt
Plakatmotiv der ersten Aktionen: Die Hungerhand von Brot für die Welt
Bei der ersten Aktion kamen Sammelbüchsen zum Einsatz, auf denen die bis heute bekannte
"Hungerhand" des Berliner Künstlers Rudi Wagner zu sehen war. Dazu eine Botschaft: "Wenn Du
wieder satt geworden bist, gib 5 Pfennig für die Hungernden".
Der heute seltsam fremd anmutende Satz traf das damalige Lebensgefühl der Deutschen. Trotz
des Wirtschaftswunders war ihnen die eigene Hungerzeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
noch lebhaft in Erinnerung.
190.000 Exemplare der Broschüre "Brot für die Welt" wurden in der Bundesrepublik und in der
damaligen DDR verteilt, Faltblätter in Millionenauflage gedruckt und ausgelegt.
Solidarität über Grenzen hinweg
Am Ende der Aktion hatten evangelische Christinnen und Christen die für damalige Verhältnisse
beeindruckende Summe von über 19 Millionen Mark aufgebracht, davon stammten fast 4,8
Millionen Mark aus der DDR. Zu keiner Zeit hatte eine kirchliche Opfersammlung ein besseres
Ergebnis erzielt.
In den ersten Jahren bestimmte unmittelbare Nothilfe die Arbeit von "Brot für die Welt". Von
Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit war nur ansatzweise die Rede. Not sollte
vorrangig dort gelindert werden, wo sie auftrat.
Der Schwerpunkt der Arbeit lag damals in Indien, wo drei Projekte zur Kinderspeisung und zur
landwirtschaftlichen Entwicklung gefördert wurden. Weitere Projektländer waren Hongkong,
Kamerun, Ägypten, Jordanien und Indonesien. Auch nach Europa flossen Gelder: In Griechenland
zum Beispiel wurde der Bau einer Mütter- und Kinderklinik finanziert.
Eine Erfolgsgeschichte
Foto: Brot für die Welt / Böthling
Aufklären über Hunger: Das Brotmobil auf Tour
Die Spendenaktion, bei der sich auch viele Prominente engagierten, wurde schnell zu einer
dauerhaften Einrichtung gemacht. Sie ist bis heute unter dem Dach des Diakonischen Werkes der
EKD angesiedelt. Durch die regelmäßig eingehenden Spenden konnten die Programme
kontinuierlich erweitert werden.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Hilfsaktion so zu einem wichtigen Zweig der diakonischen
Arbeit – eine Erfolgsgeschichte. Bis zum Jahr 2007 gingen mehr als 1,8 Milliarden Euro an
Spenden ein. Über 20.000 Projekte in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa wurden seit
1959 bewilligt. Derzeit arbeiten von 141 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Ökumenischen
Diakonie, 106 für die Aktion "Brot für die Welt".
Kontext
Brot für die Welt - weltweit aktiv
Plakate aus 50 Jahre "Brot für die Welt"
Das Brot-Mobil auf Deutschlandtour
Stuttgart: Sommerfestival der Kulturen
MenschenRechtWasser - Kampagne von Brot für die Welt
Kirche und Entwicklung
Foto: SODI
Lehmhaus: das neue Zuhause
Namibia
Namibia: Lehmhausprojekt in Otjiwarongo
Selma Mufungu steht, ihre Tochter auf dem Arm, im Vorraum des Clay House Büros, Partner von
SODI im Lehmhausbauprojekt. Sie wartet darauf, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch von Tertu
Shilongo, Büroleiterin des Clay House Projektes, Platz nehmen zu können. Noch sind drei Frauen
vor ihr in der Reihe, die sich ebenfalls in dem Interessentenbuch eintragen möchten. Mit dem
Eintrag in das Buch dokumentiert Selma Mufungu ihre Hoffnung, irgendwann Besitzerin eines
Lehmhauses werden zu können.
Auf der Suche nach Arbeit ist sie vor einigen Jahren nach Otjiwarongo gekommen. Aus
Bauabfällen baute sich Selma ein kleine Hütte, die in der Nacht zu kalt und am Tag zu heiß ist. Die
Temperaturwechsel und unhygienischen Bedingungen will sie ihrer kleinen Tochter nun nicht mehr
zumuten. Viel zu viele Kinder sterben noch bevor sie das 5. Lebensjahr erreicht haben, an
vermeidbaren Infektionskrankheiten.
Als sie endlich an der Reihe ist, werden ihre persönlichen Daten sowie die ihrer Familie in das Buch
aufgenommen und dort zusammen mit der Nummer ihres Personalausweises dokumentiert.
Während der Prozedur erklärt Tertu Shilongo, dass mit der Aufnahme in das Buch keinerlei Rechte
auf ein Lehmhaus abgeleitet werden können. Doch das hat sich in Otjiwarongo längst
herumgesprochen. Die Menschen wissen, dass es darum geht ihren Bedarf an Wohnraum zu
dokumentieren.
Hoffnung auf ein Lehmhaus
Fast alle Menschen, die sich in das Buch eingetragen haben, leben zur Zeit noch in einem
sogenannten "Shack". Einer Behausung, die aus Wellblechteilen und Plastik notdürftig
zusammengezimmert ist. Obwohl sie wissen, dass es nicht um einen Rechtsanspruch geht,
verbinden viele mit dem Buch die Hoffnung bei einem der nächsten Hausbauprojekte begünstigt zu
werden. Aus diesem Grunde haben sich bisher fast 1.500 Familien, Lebensgemeinschaften und
alleinerziehende Frauen in das Buch eingetragen.
Immer wieder kommt es dazu, dass Tertu Shilongo Anzahlungen, die Interessenten bei der
Eintragung gleich leisten wollen, zurückweisen muss. Diese Bereitschaft der Menschen sich durch
eine Anzahlung das Recht auf ein Lehmhaus sichern zu wollen, ist einer der größten Erfolge für
das Projekt. Denn damit zeigt sich, welchen Wert die Menschen mittlerweile einem Lehmhaus
beimessen. Das war noch vor wenigen Jahren ganz anders.
Bereits im derzeit auslaufenden SODI-Lehmhausprojekt mussten die Begünstigten 7.500 Namibia
Dollar (650 Euro) als Barleistung erbringen. Weitere 22.000 Namibia Dollar (1.900 Euro) sind für
das Grundstück und die zum Haus gehörige Toilette als Kredit an die Kommune Otjiwarongo
zurückzuzahlen. Finanziell unterstützt wird das Projekt durch das Bundesentwicklungsministerium
und private Spenden.
Foto: SODI
Kosten sparen durch Eigenleistungen
Trotz der hohen Eigenleistungen standen die Menschen, als es um die Eintragung in die Liste der
Hausbewerber ging, in einer langen Reihe an. Nicht zuletzt diese Eigenleistungen sind es, die dazu
führen, dass die neuen Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer dringend auf eine Erwerbstätigkeit
angewiesen sind. Ohne bezahlten Job ist der Kredit der Stadt kaum zu tilgen. Wer Probleme dabei
hat, die Eigenleistungen aufzubringen, kann jedoch als bezahlte Hilfskraft auf der LehmhausBaustelle Beschäftigung finden.
Vertrauen gewonnen
Wer bereit ist, seine Ersparnisse in ein Lehmhaus zu investieren, zeigt Vertrauen in die
angewandte Technologie. Bis vor einigen Jahren galt die Technologie noch als rückständig und
minderwertig. Für das Clay House Project bedeutet dieses Vertrauen, dass das jahrelange Ringen
um Akzeptanz nun von Erfolg gekrönt ist. Dazu haben auch die SODI-Projekte entscheidend
beigetragen.
Foto: SODI
Auch Dachziegel werden aus Lehm hergestellt
Bereits in den Jahren 2002 bis 2005 hat SODI gemeinsam mit dem Clay House Project und Mitteln
der Europäischen Union die ersten 160 Lehmhäuser gebaut. Mit dem Abschluss des neuen
Projekts sind nun 100 weitere Häuser hinzugekommen. Über 1000 Menschen haben diese Projekte
zu einem menschenwürdigen Leben verholfen.
Trotz einer enormen weltweiten Preissteigerung bei Rohstoffen, die für das Haus nötig sind,
konnten die Häuser mit zusätzlichen Mitteln der Bundesregierung fertig gestellt werden.
(Autoren: Alfred Hensel, Mitarbeiter im Clay House Project, Susanne Laudahn, Projektmanagerin,
SODI)
Kontext
Lehmhausbau
Länderinformation Namibia
Otjiwarongo: Wohin selbst der Kaiser zu Fuß geht
Foto: B. Rocksloh-Papendieck
Wasserkanäle für die Felder Malis
Entwicklungsprojekt
Auf einen langen Atem kommt es an
Die Republik Mali ist ein Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Das
Entwicklungsprogramm "Mali-Nord" der Bundesregierung in dem westafrikanischen Land unter
schwierigen Bedingungen viel in Gang gesetzt und viel erreicht. 1994 bis 2009 - 15 Jahre -, ein
Grund für einen Rückblick.
Der Norden Malis leidet unter schwierigen klimatischen Bedingungen. Durch seine TuaregRebellionen (1989 – 1994) machte er von sich Reden. Forderungen der Tuareg nach
Selbstverwaltung waren Auslöser der Rebellion. Sie blockierte jede Entwicklung im Norden des
westafrikanischen Landes.
Mitte der 1990er Jahre gelang es, den Bürgerkrieg einzudämmen. Daraufhin beauftragte das
Bundesentwicklungsministerium (BMZ) die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
und die KfW-Entwicklungsbank damit, das Programm "Mali-Nord" zu starten.
Den Norden zu befrieden, war ein zentrales Anliegen der ersten 1991 demokratisch gewählten
Regierung Malis. Das Programm "Mali-Nord" leistete den deutschen Beitrag dazu.
Ziel des Programms war es, den sozialen und ökonomischen Stabilisierungsprozess in den vom
Tuareg-Konflikt betroffenen Nordregionen zu unterstützen und zur Befriedung dieser Region
beizutragen. Im Mittelpunkt stand die Region von Timbuktu.
Projektziele
Rückführung und Erstversorgung der zurückgekehrten Flüchtlinge
Instandsetzung und Neubau von Brunnen und öffentlichen Einrichtungen
Wiederaufbauhilfe für Haus und Hof
Existenzgründungszuschüsse und Darlehen für Kleinbetriebe und Einzelhändler
Anlage gemeinschaftlicher dörflicher Bewässerungsflächen
Wiederbelebung von Strukturen dörflicher Verantwortung
Was erreicht wurde
Etwa 100.000 Menschen sind an ihre Herkunftsorte zurückgekehrt, haben sich dort
dauerhaft wieder angesiedelt und bestreiten heute selbständig ihren Lebensunterhalt.
In 45 ländlichen Gemeinden sind über 80 öffentliche Gebäude wie Schulen und Rathäuser
neu entstanden oder wurden vollständig instand gesetzt.
Weiter entstanden sechs Gesundheitsstationen, eine Gendarmerie sowie zwei moderne
Märkte.
Zudem wurden 200 offene Schachtbrunnen und 13 Wasserversorgungsanlagen gebaut.
400 Bewässerungsfelder (200 Hektar) sind entstanden. Rund 48.000 Menschen
bewirtschaften die Flächen und ernähren mit den hierangebauten Reis unter anderem ihre
Familien mit insgesamt rund 240.000 Menschen,die Hälfte der Bevölkerung dieses Raums.
Daneben verkaufen sie einen guten Teil ihrer Produktion an die umliegenden Dörfer und zur
Versorgung der großen Städte Timbuktu, Gao, und Mopti.
Fazit: Durch das Programm "Mali-Nord" und die Arbeit von GTZ und KfW wurde neben dem
Wiederaufbau von Verwaltung und Infrastruktur auch zu einer erheblichen Verringerung des
Konfliktpotenzials und zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen.
Foto: B. Rocksloh-Papendieck
Für die Felder Malis: Wasserpumpen aus Deutschland
Projektleiter Henner Papendieck: "Das Programm 'Mali-Nord' hat bewusst den Menschen von
Anfang an Hilfe zur Selbsthilfe gegeben. Die Menschen sollten den Wiederaufbau ihrer Dörfer, die
Instandsetzung der Brunnen und die ländliche Entwicklung in die eigenen Hände nehmen."
Mittel der Entwicklungszusammenarbeit hatten dazu gedient, lokale Wirtschaftskreisläufe
anzukurbeln und die Grundlage für eine positive mittelfristige Entwicklung zu legen. Viehzucht und
Ackerbau nahmen einen ungeahnten Aufschwung. Der malische Ort Léré beispielsweise wurde
innerhalb weniger Jahre zum größten Viehmarkt des Nordens.
Mit dieser Entwicklung wurden die Grundlagen für die künftige Gemeindeentwicklung gelegt. Die
Bauaufträge zum Wiederaufbau erhielten Unternehmen aus der Region. Das Investitionsprogramm
wurde dadurch zum Motor der regionalen Wirtschaftsentwicklung.
Lebensader Niger
Der Fluss Niger, die Lebensader des Landes, durchzieht die Region von Timbuktu. Früher wurden
die Flächen durch Hochwasser einmal im Jahr überschwemmt. Dafür reicht der Wasserstand des
Niger aber nicht mehr aus. Heute wird das Wasser mit Pumpaggregaten auf die Felder gebracht.
Hier setzte das "Programm Mali-Nord" seit 1997 systematisch an. Es konzipierte ein
arbeitsintensives Programm der dörflichen Kleinbewässerung - ohne Einsatz von Maschinen. Dazu
schließen sie sich in Gruppen von 120 bis 160 Kleinbauern und –bäuerinnen zusammen. Die
eigene Parzelle bewirtschaftet jeder individuell.
Frauenrechte stärken
Foto: Mali-Nord/B. Rocksloh-Papendieck
Gemeinsam stark: Benachteiligte Frauen erhalten eine Parzelle
Frauen sind in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung häufig benachteiligt. Deshalb galt
ihnen ein besonderes Augenmerk. Sie sind in sämtlichen Phasen des Reisanbaus, besonders aber
der Reisverarbeitung beteiligt. Auf den ‚normalen‘ Bewässerungsfeldern erhalten in der Regel nur
Witwen oder Alleinstehende eine Parzelle. In fünf Dörfern mit gut organisierten Frauengruppen sind
eigene Bewässerungsfelder nur für sie entstanden. Mittlerweile gibt es rund 800 Nutzerinnen auf
knapp 200 Hektar. Die Erträge sind hoch und die Rücklagen vorbildlich.
"Was, glauben Sie, war der Erfolg des Projektes?", fragten wir die Entwicklungssoziologin Barbara
Rocksloh-Papendieck abschließend:
"Nicht von oben nach unten, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus;
lokales Wissen und lokale Kräfte sind der Schlüssel zum Erfolg;
die Nutzer von Anfang bis Ende einbinden;
und - auf den langen Atem kommt es an!"
Das Programm "Mali-Nord" geht in seiner bisherigen Form zu Ende. Die Kleinbewässerung im
Norden Malis soll allerdings in Zusammenarbeit von GTZ und KfW Entwicklungsbank fortgesetzt
werden.
Kontext
Programm Mali-Nord
Die GTZ in Mali
Die KfW Entwicklungsbank in Mali
Der Deutsche Entwicklungsdienst in Mali
Eine erfolgreiche Kooperation (PDF)
Länderinformationen zu Mali (Auswärtiges Amt)
Bewässerungsprojekt stoppt Abwanderung
An den Ufern des Schwarzen Flusses
Ein Beispiel erfolgreicher Entwicklungshilfe
Foto: KAS/A. Jacobs
Politische Seminarreihe für ägyptische Imame
Ägypten
Ägypten: Politische Bildung für Imame
Vorbeter (Imame) spielen in muslimischen Gesellschaften eine wichtige Rolle. Sie erfüllen nicht nur
seelsorgerische Aufgaben, sondern schlichten in familiären Konflikten. Sie helfen bei persönlichen,
finanziellen und beruflichen Problemen und sind wichtige politische und gesellschaftliche
Meinungsbilder.
Multiplikatoren und Meinungsmacher
Als Meinungsmacher haben sie in Ägypten oft ähnlich viel Autorität wie Universitäten, Medien und
sogar die Familie. Umso erstaunlicher ist es, dass es in Ägypten kaum Angebote der politischen
Erwachsenenbildung gibt, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen von Imamen
zugeschnitten sind.
An einem solchen Angebot besteht erheblicher Bedarf. Ägyptische Imame sind lediglich theologisch
ausgebildet. Mit ihrer gesellschaftlichen Rolle sind sie oft überfordert. Systematisches Wissen über
weltpolitische Probleme, über politische Grundbegriffe und über die Entwicklung politischer
Systeme und Reformprozesse müssen sie sich weitgehend selbst aneignen.
Die Moschee als Bildungsstätte
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und das Cairo Center for Civic Education and Development
(CCCED) - eine von Politikwissenschaftlern der Kairo Universität gegründete unabhängige
Nichtregierungsorganisation - haben deshalb eine Seminarreihe zu Fragen der politischen Bildung
entwickelt . Die Seminarreihe richtet sich speziell an ägyptische Imame.
KAS und CCCED bieten bereits seit 2008 mehrtägige Bildungsveranstaltungen für Imame aus der
ägyptischen Hauptstadt an. Dies geschieht mit Zustimmung und Unterstützung des Ministeriums für
Religiöse Angelegenheiten. Tagungsort ist die bekannte Salah el-Din Moschee im Zentrum Kairos.
Jeweils 30 Teilnehmer, darunter die Imame der größten Kairoer Moscheen, diskutieren im Laufe
der mehrtägigen Seminare mit landesweit bekannten Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und
Fachleuten. Dabei geht es um Fragen der internationalen Politik, aber auch um die innenpolitische
und gesellschaftliche Entwicklung Ägyptens.
Eine Vielzahl von Themen stehen hierbei auf dem Programm: Globalisierung, Menschenrechte,
Reformpolitik, die Rolle der Frau und nicht zuletzt die Idee und Praxis interreligiöser Verständigung.
Darüber hinaus wurden Trainings-Module für Rhetorik, Konfliktlösung, Diskussionsführung und
Medienarbeit angeboten.
Zielgruppe mit gesellschaftlicher Verantwortung
Foto: KAS/A. Jacobs
KAS-Seminare verschaffen Demokratieverständnis und Toleranz
Die Konrad-Adenauer-Stiftung Ägypten erschließt mit diesem Programm eine neue und
keineswegs einfache Zielgruppe. Dementsprechend gründlich wurde das Programm inhaltlich
vorbereitet und abgewogen.
Trotzdem mussten eine Reihe von Vorbehalten bei Teilnehmern und Behörden ausgeräumt
werden. Nachdem aber klar war, dass es lediglich um ein freiwilliges Informations- und
Bildungsangebot geht, war das Interesse groß. "Wir Imame wissen, dass wir gesellschaftliche
Verantwortung tragen", so ein Teilnehmer. "Solche Workshops helfen uns dabei, diese
Verantwortung besser wahrzunehmen."
Die Offenheit, der Kenntnisstand und die Diskussionsbereitschaft der Teilnehmer waren
dementsprechend erfreulich. Viele sind 30 und 40 Jahre alt, gut ausgebildet und waren zum Teil
sogar in Europa tätig. Diese Gruppe weckt Hoffnung auf eine neue Generation weltoffener und
moderater Geistlicher in Ägypten und darüber hinaus.
(Dr. Andreas Jacobs, Kairo, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ägypten)
Kontext
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)
KAS-Auslandsbüro Ägypten
Bundesminister Schäuble in Ägypten
Deutschsprachige Imamschule
Länderinformationen zu Ägypten
Die GTZ in Ägypten
Die KfW Entwicklungsbank in Ägypten
Foto: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
Folgen des Tsunami in Banda Aceh 2004
Tsunami
Wiederaufbau auf Sumatra
Am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2004 flimmerten die ersten unscharfen Bilder einer der
größten Naturkatastrophen der letzten hundert Jahre über Millionen Fernsehbildschirme. Mehrere
Länder Süd- und Südostasiens waren von einem Tsunami erfasst worden, der durch ein Seebeben
vor der indonesischen Insel Sumatra ausgelöst wurde. Diese ersten Bilder, meist aufgenommen
von arglosen Touristinnen und Touristen, erschütterten Jeden. Die Heftigkeit der Katastrophe, die
230.000 Menschenleben kostete, brach in die spätweihnachtliche Gemütlichkeit ein und löste in
Deutschland eine bislang unübertroffene Spendenbereitschaft aus.
Mehr als 500 Millionen Euro spendeten allein die deutschen Privathaushalte. Die Johanniter-UnfallHilfe e.V. erhielt finanzielle Zuwendungen in einer Gesamthöhe von rund 13,8 Millionen Euro. Ein
Anteil von 5,8 Millionen Euro wurde aus privaten Haushalten direkt an die Johanniter gespendet.
Über das Spendenbündnis Aktion Deutschland Hilft e.V. wurden weitere 7,7 Millionen Euro an die
Johanniter gezahlt. Auch das Auswärtige Amt unterstützte die Arbeit der Organisation mit rund
300.000 Euro. Eine solch große Summe erhält eine Hilfsorganisation nicht jedes Jahr.
Langfristige Hilfsprojekte
Für die Johanniter war schnell klar, dass sie nach der akuten Nothilfephase auf ein wohlüberlegtes,
langfristiges Engagement setzen wollen. Die Arbeit der Johanniter konzentrierte sich dabei auf die
Länder Sri Lanka und Indonesien. Die Liste der geförderten Projekte in diesen Ländern ist lang. Der
Wiederaufbau von Gesundheitsstationen und Schulen, sowie Projekte zur Gesundheitsaufklärung
und Stärkung von Frauen durch die Unterstützung von Kleinstgewerben standen auf dem
Programm. Aber auch Kurse zu traditionellen Heil- und Behandlungsmethoden, orthopädische Hilfe
für Tsunami-Opfer und der Bau von Orthopädiewerkstätten wurden umgesetzt.
Foto: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
Auf den Notfall vorbereitet sein
Beim Einsatz in Indonesien stützte sich die Organisation aber auch auf eine ihrer ureigenen
Kernkompetenzen: die Erste-Hilfe Ausbildung. Auf der Insel Sumatra läuft zum Beispiel noch bis
Ende nächsten Jahres ein Projekt. Internationale Expertinnen und Experten bilden dort Menschen
zu Trainerinnen und Trainern in Erster Hilfe aus, die ihr Wissen an die lokale Bevölkerung
weitergeben sollen. Die Fachleute zeigen an Schulen, Universitäten und auf den Dörfern in
kostenlosen Kursen das richtige Verhalten im Notfall.
Comics unterstützen Ausbildung
"Die Trainer haben eine packende Art, das rüber zu bringen", sagt Jutta Meissner,
Fachbereichsleiterin der Auslandshilfe für den Raum Südostasien. Gut 40.000 Personen wurden so
in 2.000 eintägigen Kursen geschult. Dabei wird auch das richtige Verhalten bei Naturkatastrophen
in der häufig von Erdbeben heimgesuchten Region gezeigt. Eigens angefertigtes Lehrmaterial in
Form eines Comics unterstützt dabei das praktische Lernen und motiviert Kinder und Erwachsene
gleichermaßen.
Der Tsunami hat gezeigt, dass das Überleben von Verletzten stark davon abhängt, wie schnell sie
Hilfe erhalten. Der sicherste Weg Hilfe zu garantieren, ist die direkte Ausbildung der Menschen in
den Regionen. Sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit und Regelmäßigkeit von Naturkatastrophen
betroffen sind.
Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen
"Die Arbeit der Johanniter in Indonesien hat sich gut entwickelt, weil stets die lokalen Verhältnisse
berücksichtigt wurden – und ein Großteil der Hilfsprojekte zusammen mit örtlichen Organisationen
gestemmt wird", erklärt Meissner. "Wir fördern diese und können so von deren Beziehungen und
Ortskenntnissen profitieren. Nur so war Hilfe da möglich, wo sie auch benötigt wurde."
Der Druck auf die Organisationen, ihre Gelder schnell einzusetzen und Projekte zu realisieren war
in der Zeit nach dem Tsunami enorm. "Unsere Mitarbeiter in Indonesien haben sich davon aber
nicht beirren lassen. Sie haben ausgesprochen besonnen und gezielt Projekte ausgesucht, die eine
nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen ermöglicht haben", berichtet
Meissner.
Wegen der großen Spendenbereitschaft im Jahr 2004 können die Johanniter bis zum Jahr 2011
nachhaltige Projekte in verschiedenen Regionen Indonesiens unterstützen und den Menschen eine
dauerhafte Lebensgrundlage schaffen.
(Autorin: Evamaria Haupt, Öffentlichkeitsarbeit Auslandshilfe, Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Berlin)
Kontext
Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.
Länderinformation Indonesien
Länderinformation Sri Lanka
Tsunami-Frühwarnsystem geht in Betrieb
Schutz vor Naturkatstrophen
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