- Katholische Sozialakademie Österreichs

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Dokumentation Verschränkungsforum Grundeinkommen
4.Juni 2004 im Rahmen des ASF in Linz
Wir waren zu dreißig am Dach des Offenen Kulturhauses. Ein guter Platz, um über die Idee
und das Potenzial von Grundeinkommen zu diskutieren. Nicht weil die Idee so abgehoben ist,
dass man / frau sie am besten knapp unter den Wolken bespricht, sondern weil Menschen, die
sich für Idee des Grundeinkommens interessieren oft die sind, die mit viel Weitblick
gesellschaftliche Vorgänge wahrnehmen und dazu Position beziehen.
Was verändert Grundeinkommen?
Eingestiegen sind wir mit Basisinformationen über Grundeinkommen. Dazu gab es einen Text
für alle, der in den wichtigen Punkten dargestellt wurde (siehe Anhang). Einige aus der
Gruppe der VeranstalterInnen haben dann sehr persönlich Position bezogen, warum sie sich
für Grundeinkommen einsetzen und was für sie das wesentliche Veränderungspotenzial von
Grundeinkommen ist:
-
Verbesserung der Verhandlungsmacht von Frauen: am Arbeitsmarkt, aber auch im
Bereich privater Beziehungen
Erster Schritt zur Veränderung der kapitalistischen Vergesellschaftung.
Sprengung des herrschenden Arbeitsbegriffs, wichtig v.a. im Hinblick auf
Wissensarbeit
Evolutive Gesellschaftsveränderung, weil Grundeinkommen politisches Handeln
absichert
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes verliert an Schrecken, selbstbestimmte
Flexibilisierung von Lebens- und Arbeitszeit nimmt zu
Überwindung des herkömmlichen Wohlfahrtsmodells, das Menschen nicht mehr die
Chance sichert, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft zu verbessern
Freiheit von Kontrolle (Arbeitswilligkeit, Lebensform) und frei zu vielfältigen
Tätigkeiten
Stärkung des sozialen Zusammenhaltes
Veränderung des Leistungsbegriffs
In einer ersten Runde von Diskussionsbeiträgen und Nachfragen wurden die kritischen
Anfragen an die Grundeinkommensidee und der Bedarf, die konkrete Machbarkeit zu
hinterfragen, besonders deutlich. Es ging viel um technisch – organisatorische und auch
rechtliche Aspekte, wie zum Beispiel: Geht das im Alleingang oder braucht es dazu nicht
mindestens die EU? Ist Grundeinkommen nicht ein Eingriff in bestehende Besitzverhältnisse?
Grundeinkommen für ErbInnen? Wie ist die Relation zwischen Finanzierungsbedarf für ein
Grundeinkommen und den Budgetmitteln für Infrastruktur im Bereich Bildung,
Gesundheit,…? Was genau ist die Unterscheidung zwischen Grundsicherung und
Grundeinkommen? Wer verwaltet letztlich das Grundeinkommen?
Es ging aber auch um grundsätzliche Aspekte, wie: Grundeinkommen ist eine Maßnahme,
die Geld als Mittel von Wertausdruck verhaftet bleibt. Der Sozialstaat sichert die wirklich
Bedürftigen nicht mehr ab; er diszipliniert sie. Arbeit ist – gerade auch für viele
SozialdemokratInnen – ein Fetisch; mit welcher Strategie lässt sich hier eine Allianz für
Grundeinkommen erreichen? Die Bedeutung des Arbeitsethos würde mit Einführung eines
Grundeinkommens zurückgedrängt. In marktwirtschaftlichen Systemen lebt
Grundeinkommen von Einkommensunterschieden. GrundeinkommensbezieherIn zu sein,
stellt eine positive Identität zur Verfügung.
Großes Interesse galt jenen Ländern, wo die Diskussionen über die Einführung eines
Grundeinkommens schon weiter fortgeschritten sind: Brasilien und Irland beispielsweise, aber
auch dem Modell der Sozialdividende in Alaska oder den Negative Income TaxExperimenten die schwerpunktmäßig in den 70iger Jahre in den USA stattfanden.
Was verändert Grundeinkommen für mich?
In kleineren und größeren Gruppen, Zweiergesprächen und „bei sich sein“ ging es dann um
die Frage, was Grundeinkommen für jede / jeden persönlich ändern würde. Ich war Teil einer
recht großen Gesprächsrunde. Viele erzählten von ihren Tätigkeiten in Studentenvertretungen,
Jugendarbeit, Arbeitsloseninitiativen, Pflegearbeit, als KleinunternehmerInnen, als Teil- oder
Vollzeiterwerbstätige. Grundeinkommen, so wurde klar, wäre sowohl eine materielle
Sicherung, sich diese vielfältigen Aktivitäten auch leisten zu können, gleichzeitig aber auch
eine soziale Anerkennung für einen Lebensentwurf, der mehr vorsieht als Gelderwerb zur
individuellen Einkommenserzielung.
VeranstalterInnengemeinschaft
Ich habe unsere VeranstalterInnengemeinschaft für das Verschränkungsforum sehr genossen:
Den Zugang von der Seite der marxistischen Philosophie (Karl Reitter für die Redaktion
Grundrisse); den Zugang von der Seite des Grundrechtsgedankens in Anlehnung an Thomas
Jefferson „Life, liberty and the pursuit of happiness“ (Wolfgang Willner für visionattac), den
Zugang von der Seite der Sozialethik und der christlichen Soziallehre (Severin Renoldner
für das Sozialreferat d. Diözese Linz und Lieselotte Wohlgenannt, Markus Blümel und ich für
die Katholische Sozialakademie Österreichs – ksoe).
Naheliegend, dass diese denkerische Breite auch unterschiedliche Zugänge zu in der
Grundeinkommens-Debatte zentralen Begriffen bedeutet: Gesellschaft, Staat, Arbeit, Geld,
Strategie. Und natürlich „Geschlecht“. Aber dabei sind die Unterschiede weniger dominant,
als die Gemeinsamkeit, in jeder „Ideologie“ der Nebenwiderspruch zu sein. Umso
beachtlicher, dass Grundeinkommen für uns gemeinsam ein Instrument ist, dass sich als
Hebel für Gesellschaftsveränderung eignet. Einer Gesellschaftsveränderung, die, und auch
darüber besteht Einigkeit, mehr Sicherheit und mehr Freiheit für jene bringen soll, die jetzt
sozial ausgegrenzt werden, von Armut betroffen und für die politische Mitgestaltung nicht
erwünscht sind.
Margit Appel
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