FacharbeitII - Geschichtsforum

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3. Die Ausrüstung und Bewaffnung
Der im Reglement beschriebene Ausrüstungsbestand hatte sich seit dem Ancien Régime
ebenfalls wenig verändert.
3.1 Die Ausrüstung
Bei der Ausrüstung der französischen Linieninfanterie verhielt es sich ähnlich wie bei der
Uniformierung.
Der Großteil war überall gleich.
Zunächst gab es die an einem langen Riemen (Bandolier) aus geweißtem Sämischleder
(buffle; benannt nach einer bestimmten Art und Weise des Gerbens) befestigte
Patronentasche.
Sie bestand aus geschwärztem und gewachstem Leder, enthielt einen Holzeinsatz mit Fächern
für jeweils 15 Patronen, eine kleine Ölflasche und einen Lappen zum Reinigen des Gewehres.
Weiterhin wurde darin das Waffenwerkzeug zum Zerlegen der Muskete, zwei
Ersatzfeuersteine und ein Holzflint (hölzerner „Feuerstein“ zum Exerzieren) getragen.
Die Patronentasche konnte mit einem weißleinenen Schutzbezug versehen sein, den die
Soldaten mit Bienenwachs imprägnierten.
Diese Patronentasche wurde über die linke Schulter gehängt getragen.
Zudem trugen die Grenadiere, sowie die Caporäle und Unteroffiziere der Füsiliere, ein
ebenfalls aus Sämischleder gefertigtes Säbelbandolier.
Dieses wurde über die rechte Schulter gehängt getragen.
Das wichtigste Ausrüstungsstück der damaligen Soldaten war der Tornister genannte
Rucksack (havresac), der aus Kalbfell hergestellt wurde.
In ihm wurden persönliche Dinge, sowie Ersatzkleidung und Nahrungsmittel verwahrt und
transportiert.
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Die Ersatzkleidungsstücke wurden bereits in Punkt 2.3 beschrieben. Die persönlichen Dinge
konnten beispielsweise ein wenig Geld, Feder, Tinte und Papier zum Briefeschreiben (soweit
der jeweilige Soldat das Schreiben beherrschte oder sich Post schreiben lassen konnte/wollte),
Briefe und vielleicht ein Buch (soweit der jeweilige Soldat solches besaß und lesen konnte
oder sie sich vorlesen lassen konnte/wollte), Rasierzeug, ein Löffel aus Blech, Holz oder Zinn
(soweit dieser nicht am Hut getragen wurde), ein Kamm (meist aus Holz oder Knochen), ein
Messer (mit Holz oder Knochengriff) und/oder eine Tonpfeife sein.
Außerdem führten einige Infanteristen Schlagstahl, Feuerstein und Zunder zum Feuermachen,
sowie jeder einen Knopfhaken für die Gamaschen im Tornister.
Viele Unteroffiziere und Caporäle besaßen weiterhin ein, in einem kleinen Buch abgefasstes,
Reglement. Dieses mussten sie sich selbst kaufen, es war nicht Vorschrift es zu besitzen.
Jeder Unteroffizier besaß weiterhin ein kleines Heftchen für Notizen über die
Diensteinteilung, Abrechnungen o.Ä.
Außerdem sollte jeder Soldat eine Trinkflasche besitzen. Diese war, laut Vorschrift, im
Konsulat aus Metall gefertigt und wurde an Lederbändern befestigt um den Körper gehängt.
Sie wurde im Kaiserreich durch den billigeren Flaschenkürbis ersetzt (dieser war ausgehöhlt
und getrocknet).
Zuletzt gab es auch noch den Feldkessel (Marmite), wovon es einen für mehrere Soldaten
gab. Dieser wurde dann jeweils von einem Soldaten, der ihn benutzenden Gruppe auf den
Tornister geschnallt getragen.
3.2 Die Bewaffnung
3.2.1 Allgemein
Die Hauptbewaffnung der europäischen Linieninfanterien war seit dem Ende des 17.
Jahrhunderts das Steinschlossgewehr/die Muskete (fusil), das zum Nahkampf mit einem, aus
Stahl gefertigtem, Bajonett versehen werden konnte (auch: Steinschlossbajonettgewehr).
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In Frankreich existierten in der Zeit von 1777 bis 1815 drei Gewehrtypen, die alle noch vor
der Jahrhundertwende entwickelt und somit in der republikanischen Armee verwendet
wurden.
Das erste Gewehr, das „M 1777“ (offizielle Bezeichnung war „Modèle de 1776 numéroté
1777“) wurde von einer Kommission unter Leitung des Generals Gribeauval in der zweiten
Hälfte des 18.Jahrhunderts entwickelt und in den Manufakturen von Maubeuge, Saint-Etienne
und Charleville hergestellt, wo derzeit strenge Normvorschriften eingeführt wurden, sodass
ein Austausch von Waffenteilen untereinander möglich war.
Das „M 1777“ war damals das Gewehr mit den besten ballistischen Eigenschaften, was auch
nichtfranzösische Quellen aus Preußen und Russland belegen und es wurde mit nur geringen
Veränderungen bis ins Jahr 1815 hergestellt.
Das zweite Gewehr war das „Gewehr No.1“ oder „Modèle républican“. Diese Muskete
wurde ausschließlich in der Republik hergestellt, um die französischen Revolutionsarmeen zu
bewaffnen. Es war im Grunde genommen kein eigenes Modell, sondern nur eine
Zusammensetzung aus Teilen des „M 1777“ und verschiedener vorhandener Einzelteile von
Gewehrmodellen der Jahre 1763, 1774 oder sogar 1754.
Um die schnelle Versorgung der republikanischen Heere zu gewährleisten, reichten die
vorhandenen Manufakturen jedoch bald nicht mehr aus und so versuchte man sich auf andere
Art zu behelfen.
Hans-Karl Weiss schrieb dazu in seiner Abhandlung über die Französischen Musketen 17771815:
„Da die drei bisherigen Manufakturen insgesamt nur 12 000 Musketen im Monat herstellten und der
Bedarf diese Kapazität weit überstieg, wurden in ganz Frankreich neue Manufakturen eingerichtet und
alle
verfügbaren
Waffenschmiede
zur
Herstellung
der
Bewaffnung
der
französischen
Revolutionsarmeen eingespannt. Allein die Werkstätten von Paris hatten das ehrgeizige Ziel, 1000
Gewehre pro Tag zu produzieren.“ (Weiss 1994, S.2)
Das letzte Modell war „M 1777, corrigé an IX“. Es wurde gegen Ende des Jahres 1799
entwickelt und laut Erlass vom 23.April 1801 in der französischen Armee eingeführt. Es ging
allerdings erst 1802/1803 in die Produktion.
Dieses Gewehr war laut Vorschrift bis 1815 die Standardbewaffnung der napoleonischen
Infanterie.
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Hergestellt in den Manufakturen von Roanne, Culembourg, Lüttich, Versailles, Turin, SaintEtienne, Tulle, Maubeuge, Charleville und Mutzig (im Jahre 1808) wurden zwischen
1802/1803 und 1815 insgesamt 1.650.475 Musketen dieses Typs produziert.
Da sich Frankreich von 1789 bis 1815 fast durchgängig im Kriegszustand befand, wäre es
jedoch nicht korrekt anzunehmen, dass alle Soldaten mit dem gleichen Gewehr ausgerüstet
waren, denn während der gesamten napoleonischen Ära griff man bei der Ausrüstung der
Infanteristen häufig auf die alten, noch in den Depots vorhandenen Modelle des Ancien
Régime oder später im Empire, auf die der Revolution zurück.
So schrieb auch Weiss, es wäre falsch, wenn man sich vorstelle, die französische Infanterie
sei ab 1804 einheitlich mit dem „corrigé an IX“ bewaffnet gewesen, da alte, noch
funktionstüchtige Waffen immer noch an Rekruten ausgegeben worden seien.
3.2.2 Die Füsiliere
Die Füsiliere waren alle mit der im vorhergehenden Thema behandelten Muskete (fusil) und
einem dazugehörigen Bajonett bewaffnet.
Caporäle und Unteroffiziere waren zudem auch noch mit einem kurzen Infanteriesäbel (sabre
briquet) ausgestattet, der allerdings mehr der Zierde, denn dem Kampf diente.
3.2.3 Die Grenadiere
Die Grenadiere trugen ebenfalls eine Muskete und ein Bajonett.
Im Gegensatz zu den Füsilieren trugen hier auch die Mannschaften einen Säbel, der mit
einem meist roten Portepee, einer an den Griff geknotete Wollquaste, verziert war.
3.2.4 Die Offiziere
Die Offiziere trugen kein Gewehr, dafür aber einen langen gebogenen und einschneidigen
Säbel oder einen Degen, der ebenfalls ein Portepee besaß.
Berittene Offiziere hatten zudem meist auch noch ein bis zwei Pistolen, die in einer Halterung
am vorderen Teil des Sattels transportiert wurden.
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3.2.5 Die Tambours/Trommler
Die Trommler waren lediglich mit einem Infanteriesäbel bewaffnet, der auch ein Portepee
haben konnte.
4. Die Organisation innerhalb der Demi-Brigade
In der französischen Republik war die größte Einheit innerhalb einer Waffengattung der
Infanterie die Halbbrigade (Demi-Brigade).Sie wurde vor und nach der Revolution als
Regiment (Régiment) bezeichnet und bestand im Ancien Régime aus nur 2 Bataillonen.
Dieses Kapitel soll einen Überblick über den Aufbau einer Demi-Brigade der französischen
Linieninfanterie und die darin vorkommenden Dienstgrade geben.
4.1 Aufbau und Truppenstärken einer Demi-Brigade
Ab 1792 wurde die französische Linieninfanterie in so genannte Demi-Brigades gegliedert,
die man aus jeweils einem Bataillon eines der ehemaligen Regimenter und zwei
Freiwilligenbataillonen zusammensetzte.
Eine Demi-Brigade hatte 2304 Füsiliere, 192 Grenadiere, 324 Caporäle und Unteroffiziere
und 81 Offiziere, insgesamt 2901 Mann.
Ein Bataillon bestand aus 9 Kompanien, davon 8 Füsilierkompanien mit 96 Mann und 1
Grenadierkompanie mit 64 Mann, insgesamt 832 Mann.
Dabei kamen auf das 1.Bataillon die 1.Grenadierkompanie sowie die 1., 4., 7., 10., 13., 16.,
19. und 22.Füsilierkompanie; auf das 2.Bataillon die 2.Grenadierkompanie sowie die 2., 5., 8.,
11., 14., 17., 20. und 23.Füsilierkompanie und auf das 3.Bataillon die 3.Grenadierkompanie
sowie die 3., 6., 9., 12., 15., 18., 21. und 24.Füsilierkompanie.
Die Kompanien, befehligt durch einen Hauptmann (Capitaine), waren in zwei Sectionen
gegliedert, die wiederum aus zwei Subdivisionen zu je zwei Escouaden bestanden.
Zur 1.Section, befehligt vom Hauptmann, unterstützt durch einen Leutnant (Lieutenant),
gehörten die 1. und 3.Subdivision der Kompanie, jede davon von einem Unteroffizier
(Sergent) kommandiert.
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In der 1.Subdivision wurden die 1. und 2.Escouade vereinigt, die jeweils von einem Caporal
geführt wurden und bei den Grenadieren 8 und bei den Füsilieren 12 Mann umfassten.
So kamen in gleicher Weise auf die 3.Subdivision die 2. und 6.Escouade.
Die 2.Section, kommandiert von einem Unterleutnant (Sous-Lieutenant), bestand aus der 2.
und 4.Subdivision, wobei auf die 2.Subdivision die 3. und 7. und auf die 4.Subdivision die 4.
und 8.Escouade kamen.
4.2 Die Dienstgrade in der Demi-Brigade
In einer Demi-Brigade gab es 11 verschiedene Dienstgrade, die je nach Rang in drei Stufen
unterteilt waren.
Die oberste Stufe waren die 5 Offiziersdienstgrade. Der höchste war der Kommandeur der
Demi-Brigade, der Chef de Brigade. Darunter kamen die drei Bataillonskommandeure, die
den Rang eines Chef de Bataillon bekleideten.
Außerdem pro Bataillon jeweils 9 Hauptmänner, die Capitaines; 9 Leutnants, die Lieutenants
und 9 Unterleutnants, die Sous-Lieutenants.
Darunter kamen die Unteroffiziere.
Es waren in jeder Demi-Brigade 27 Feldwebel, die Sergent-Majors; 108 Unteroffiziere, die
Sergents und 27 Caporal-Fourriers, für die es keine direkte Übersetzung ins Deutsche gibt.
Die unterste Stufe waren die Soldaten- oder Mannschaftsdienstgrade.
Hier zu nennen ist der Gefreite, der Caporal, der in einer Stärke von 192 in der Demi-Brigade
vertreten ist.
Letztlich
der Großteil, nämlich die Grenadiere, die Grenadiers und die Füsiliere, die
Fusiliers.
Zudem gab es in jeder Demi-Brigade noch Dienstgrade, die nicht zu der o.g. Befehlspyramide
gehörten, da sie besondere Aufgaben zu verrichten hatten.
Hiervon gab es in jeder Halbbrigade 80, darunter einen Quartier- und Schatzmeister, den
Quartier Maître Trésoisier; 3 Chirurgen, die Chirugien-Majors; 3 Schneider, die Maître
Tailleurs; einen Waffenschmied, den Maître Armurier; einen Schuster, den Maître
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Cordonnier; einen Musikchef, den Tambour-Major; 8 Gefreite der Trommler, die CaporalTambours; 8 Musiker, die Musiciens und 54 Trommler, die Tambours.
5. Das Soldatenleben
Dieses letzte Kapitel soll dem Leser nun das eigentliche Leben des Soldaten, zumindest
ansatzweise, näher bringen.
Dazu ist es in den Teil „5.1 Allgemeines zum Leben des Soldaten“, in dem das tatsächliche
Leben eines französischen Soldaten in der republikanischen Armee aufgezeigt wird, und in
den Teil „5.2 Reenactment“, der einen Einblick in das als Hobby betriebene Nacherleben des
Soldatenlebens geben soll.
5.1 Zum Leben des Soldaten
Das Leben eines Soldaten vor 200 Jahren war sehr hart, denn dieser war so gut wie sämtlichen
negativen Einflüssen ausgeliefert.
Das begann bei den langen Märschen: auf dem Weg vom Lager bei Boulogne nach
Deutschland lag beispielsweise die tägliche Durchschnittsleistung bei 20 km pro Tag mit
ca.30 kg Marschgepäck.
Dazu kamen die oft sehr schlechten hygienischen Bedingungen, denn so gut wie kein Soldat
betrieb, nach heutigen Maßstäben, eine ordentliche Körperpflege.
Außerdem unterlag man allen Witterungsumständen meist schutzlos, da die französische
Armee für die einfachen Soldaten keine Zelte zur Verfügung stellte. Die Männer suchten sich
mit, oft auch gewaltsamen, Einquartierungen oder dem Bau einer Hütte aus Laub und/oder
Stroh zu behelfen, damit sie in der Nacht wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten.
Trotzdem wurden viele Nächte unter freiem Himmel am Lagerfeuer verbracht.
Abgesehen davon war ein ausreichender Schutz, z.B. vor Kälte und Nässe, beim Gros der
Soldaten gar nicht möglich, da, vor allem in Kriegszeiten, die Uniformen stark verschmutzt,
zerrissen und teilweise sogar zerfetzt gewesen waren und der nötige Nachschub, auch mit
Lebensmitteln, äußerst dürftig ausfiel.
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Hans-Peter Pohle schrieb dazu: „...eine den Strapazen des Krieges angemessene und
ausgewogene Ernährung war nicht in annähernd nötigem Maße vorhanden.“ (Pohle 2003,
S.188).
Und August Friedrich Barkow vermerkte in seinem „Tagebuch über den Französischen
Krieg“ für den Durchmarsch des 22.Infanterieregimentes durch Greifswald am 6.März 1807:
„Das Regiment ist fast das allerhäßlichste, was ich gesehen habe, es sieht wie eine wahre
Räuberbande aus. Die Hüte sind ganz zerdrückt und zerrissen, sowie die Caputröcke und Beinkleider;
die Leute selbst sahen abgemagert und ausgehungert und bleich aus.“ (Barkow 1889, S.28).
Zu den physischen Umständen kam auch noch der enorme psychische Druck, vor allem im
Gefecht.
Ist es nicht erstaunlich, wie Menschen es schaffen, ganz gleich in welchem Krieg der
Menschheitsgeschichte es auch sein mag, mit solcher Brutalität aufeinander loszugehen? Die
meisten Soldaten hielten ihren Einsatz auch für berechtigt und gottgewollt. Es gehört
sicherlich eine ziemliche Abgestumpftheit und/oder Opferbereitschaft dazu, damit man, wie
zu eben jener uns beschäftigenden Zeit, in festen Linien langsam aufeinander zumarschiert
oder andersherum eine herannahende gegnerische Einheit bis auf 70 m oder weniger
herankommen zu lässt, um dann eine tödliche Salve abzugeben?
„Inzwischen war [...] eine allgemeine Verrohung eingetreten, die Hemmungen zusammenbrechen und
sie [die Soldaten] in solchen Zeiten, in denen der menschliche Gegenpol fast völlig fehlte, zu
egoistischen und blutrünstigen Raubmenschen mutieren ließ. Der Soldat versuchte sich bewusst und
unbewusst ein negatives Feindbild zu schaffen, um sein inneres Gleichgewicht nicht zu verlieren.“,
meint Hans Pohle (Pohle 2003, S.188), hat damit allerdings nur teilweise Recht, da man diese
„Mutierung“ sicher nur bei einem eher geringen Teil der Soldaten beobachten konnte.
Zudem waren die Männer von den langen Märschen meist so ermüdet, dass einige es sogar
vermocht haben, beispielsweise in Reserve stehend, auf ihr Gewehr gestützt zu schlafen oder
wenigstens etwas zu ruhen, während neben ihnen die Schlacht tobte.
Weiterhin ist das Verhalten der Soldaten nach einer Schlacht oder einem Gefecht zu
erwähnen.
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So konnte mancher „unversehrt Gebliebene … ohne Gewissensbisse neben einem verletzten
Mann liegen und ohne ihm zu helfen seinen Restproviant hinterschlingen. Wo wollte er in all
dem Grauen auch ansetzen, dachte er sich.“ (Pohle 2003, S.189).
Der Grund dafür ist wohl ein starkes Gefühl von Hilflosigkeit und Sinnlosigkeit, verstärkt
durch die o.g. Abstumpfung und gesteigert durch das Maß der Verluste an Leben und
Gesundheit, sowie der erlebten Kampfszenen und der körperlichen Erschöpfung.
Dies sei auch heute noch am menschlichen Verhalten bei Katastrophenfällen zu beobachten,
meint Pohle (Pohle 2003, S.189).
Wie schrecklich die Erfahrungen bei den meisten Überlebenden einer napoleonischen
Schlacht gewesen sein muss, beschreiben die Berichte von Augenzeugen.
So veröffentlichte Hans Pohle in seinem Werk über die beteiligten Armeen folgende
Augenzeugenbemerkungen:
Einer sah einen Dragoner „dessen Wange sich öffnete, als ich gerade hinsah, und ich spürte eine Kugel
dicht an meinen Lippen vorbeifliegen“. Und „Männer werden selbstsüchtig und hartherzig … und wir
können nicht ohne Bedauern auf die Säbelwunde zurückblicken, die wir austeilten. Hilflose Männer
wurden in hohlem Triumphgefühl niedergehauen. Ein armer französischer Soldat hielt uns sein
Gesicht entgegen, dessen Wange einem Säbelhieb fast abgeschnitten war … und er versuchte, sie
wieder anzudrücken. Er war verwundet und wurde außerdem noch kampfunfähig gemacht“, berichtet
ein englischer Kavallerist. Begleitet werden diese Schockereignisse von skurrilen Eindrücken wie „sie
stimmten auf 40 m ein Todesgeheul an“ und „zogen bösartige Grimassen“ und sich wegschleppende
gestürzte Kürassiere mit ihren verbeulten „Kaminrüstungen“, um dann wieder von grausamsten
Szenen à la „Dann stießen wir zwischen die Kanonen vor … Eine Schlächterei! Ich höre noch die
Franzosen Diable schreien, wenn ich auf sie losschlug, und ich vernehme noch das langgezogene
Zischen durch die Zähne, wenn mein Schwert traf … Die Zugmannschaft der Artillerie saß heulend
auf ihren Pferden, als wir gegen sie vorgingen; es waren noch halbe Kinder…“ ihre Fortsetzungen zu
finden. Zu allem Überdruss traf einen dann gegen Ende des ganzen noch ein „Stück Schädel eines
Nachbarmannes“ auf der […] Hand und am nächsten Morgen würde sie garantiert stark schmerzen
und schwarz angelaufen sein – eine sehr glückliche Variante dessen, was noch hätte passieren können.
(Pohle 2003, S.189)
Wie den Soldaten nach solchen Erlebnissen zu Mute gewesen sein muss, kann man sich
sicherlich vorstellen.
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Allerdings darf man nicht denken, die Soldaten vor 200 Jahren wären von dem Tod eines
Menschen ebenso tief getroffen, wie wir es heute sind.
Nein, denn der Großteil von ihnen stammte aus dem ländlichen Raum und hatte schon seit
frühester Kindheit dem Schlachten von Tieren beigewohnt und/oder Arbeitsunfälle u.Ä.
erlebt.
Auch tödlichen Krankheiten von Familienmitgliedern oder Freunden beizuwohnen war keine
Seltenheit.
Doch entfernen wir uns nun einmal von den Schlachterlebnissen und deren Folgen, denn das
Leben des Soldaten bestand zum größten Teil nicht aus Kämpfen.
Der Tag eines französischen Infanteristen begann für gewöhnlich mit dem Wecken am frühen
Morgen. Dies geschah durch das Spielen der Diane. Dafür waren die Tambours und Musiker
zuständig, die auch sonst den gesamten Tagesablauf mit verschiedenen Signalen begleiteten.
Um 9 Uhr wurden die Männer zur Inspektion bzw. zum Appell gesammelt.
Dann wurde der Tag meist zum Marschieren, in Kriegszeiten oder mit Exerzieren, in
Friedenszeiten genutzt.
Exerziert wurde in der Republik und während der gesamten Regierungszeit Napoleons nach
dem Exerzierreglement aus dem Jahre 1791.
Abends fand dann nochmals ein Appell statt und danach war Dienstschluss bzw.
Zapfenstreich.
Zum den üblichen Tätigkeiten kamen hin und wieder auch noch andere Aufgaben, wie das
Graben von Stellungen o.Ä.
Alles in Allem kann man zusammenfassend vermerken, dass das Leben in der französischen
Armee vor 200 Jahren ein für uns heute fast unvorstellbar hartes gewesen sein muss, auch
wenn es für die Menschen der damaligen Zeit sicher eher normal war, da Strapazen wie im
Heer auch Teil des alltäglichen Lebens vieler Menschen waren.
5.2 Reenactment
Um eben dieses schwierige Leben der Menschen aus vergangenen Epochen wenigstens
ansatzweise verstehen zu können, haben sich Geschichtsbegeisterte aus über 250 Nationen ein
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recht ungewöhnliches Hobby gewählt, das Reenactment (Englisch: re-enactment –
nacherleben/wieder erleben).
Hierbei versuchen sie, mit Hilfe von speziell nach historischen Quellen angefertigten
Kleidungstücken, wie z.B. Uniformen aus der napoleonischen Zeit, sowie aller möglicher
Utensilien des, mehr oder weniger, alltäglichen Lebens der dargestellten Epoche, bestimmte
Personen „nachzuspielen“, das kann vom einfachen Bauern oder Soldaten bis zum
einflussreichen Zivilisten oder Adeligen alles sein, um Geschichte am eigenen Körper zu
„spüren“.
Für die napoleonische Ära ist dabei die Darstellung von Militär, die am weitesten verbreitete
Darstellungsvariante.
Die Darstellungsgruppen dieses Zeitraumes kommen u.a. aus Europa, aber zum Beispiel auch
aus den USA oder sogar Australien.
Dargestellt werden verschiedenste Einheiten aus so gut wie allen Nationen, die vor zwei
Jahrhunderten eine mehr oder weniger wichtige Rolle gespielt haben.
So gibt es Franzosen, Österreicher, Preußen, Briten, Russen, Polen, Italiener, Spanier,
Schweden, Sachsen, Bayern, Württemberger, Niederländer, Belgier, Mecklenburger,
Westfalen u.v.a.
Sie alle versuchen auf Veranstaltungen, meist an Wochenenden, die Geschehnisse aus den
Revolutions- und den Napoleonischen Kriegen nach zu erleben.
So zahlreich die dargestellten Nationen sind, umso zahlreicher sind die von den einzelnen
Gruppen verkörperten Militäreinheiten.
Manch ein Leser mag sich vielleicht wundern, warum sich beispielsweise einige Deutsche,
Polen und Italiener zusammenschließen, um eine französische Grenadierkompanie aus dem
Jahre 1803 darzustellen und vielleicht kommt es ihm unverständlich vor, wie man sich ein
ganzes Wochenende lang in eine, dem historischen Vorbild in allen Einzelheiten
entsprechende, Uniform kleidet, um damit so authentisch wie möglich Geschichte zu
„betreiben“.
Nun ja, es gibt die unterschiedlichsten Gründe dafür, warum Menschen verschiedenster
Berufsgruppen freiwillig Strapazen wie lange kalte Nächte unter freiem Himmel am
Lagerfeuer, anstrengende Märsche und manchmal nervenaufreibenden Drill in Kauf nehmen.
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Viele treibt der Wille, soviel wie möglich über die Menschen der damaligen Zeit zu
erfahren, wie sie lebten, wie sie aßen, was sie taten und alles Mögliche in Memoiren, Briefen
und sonstigen historischen Quellen beschriebene nachzuempfinden.
Andere wiederum möchten einfach einmal für ein paar Tage dem stressvollen und
aufwändigen Leben des 21.Jahrhunderts entkommen, um sich 200 Jahre zurückzuversetzen in
eine Zeit ohne alles neumodische, ohne elektrische Geräte, ohne Fernseher, Handy etc.
Nebenbei ist auch es auch eine andere Art und Weise, den unzähligen Menschen zu
gedenken, die dem Kampf und den Interessen der Mächtigen jener Zeit zum Opfer fielen,
indem man zu jenen Orten des damaligen Geschehens reist, um auf historischem Boden und
in historischer Kleidung an die Ereignisse zu erinnern.
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Schlusswort
Die Napoleonische Zeit ist ein sehr interessanter und vielseitiger Zeitabschnitt der
Menschheitsgeschichte.
Eine Epoche der Kriege, aber auch des Fortschritts, nicht nur in der Militärtechnik.
Es ist unmöglich, alle Aspekte dieser Zeit, also den 26 Jahren von 1789-1815 in einem
einzigen Werk zu behandeln und jedem Aspekt die ihm gebührende Aufmerksamkeit zuteil
werden zu lassen.
Diese Arbeit, soll einen winzigen Gesichtspunkt dieser gewaltigen Ära etwas näher
beleuchten und selbst dabei mussten noch Einschränkungen gemacht werden.
Ziel dieser Abhandlung ist es deshalb, einen allgemeinen Überblick über die französische
Linieninfanterie während des Konsulats, also um 1800, zu geben, mit dessen Hilfe man sich
einen Einblick in die Welt der Uniformierung, der Ausrüstung und Bewaffnung und der
Organisation, sowie auch des Lebens der einfachen Soldaten verschaffen kann.
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Glossar
Ancien Régime: Zeitspanne bis zu Gründung der Republik 1792
Artillerie: Geschütze/Kanonen und deren Mannschaften
Bärenfellmütze: Kopfbedeckung mancher Grenadierkompanien (siehe Anhang: Kleines
Lexikon der Uniform)
Bataillon: zweitgrößte Einheit innerhalb einer Waffengattung (ca.840 Mann)
Capitaine: Hauptmann
Caporal: Gefreiter
Caporal-Fourrier: Unteroffiziersdienstgrad ohne direkte dt. Übersetzung
Caporal-Tambour: Trommlergefreiter
Carotte: siehe Pompon
Chef de Bataillon: kommandierender Offizier eines ›Bataillons
Chef de Brigade: kommandierender Offizier einer ›Demi-Brigade
Demi-Brigade: dt. Halbbrigade, damals übliche Bezeichnung für die größte Einheit innerhalb
der ›Infanterie
Dragoner: „mittelschwerer“ Kavallerist (von frz. Dragon: Drachen)
Dreispitz: von oben gesehen dreieckiger Hut
Einquartierung: meist erzwungene Unterbringung von Soldaten in den Häusern von Zivilisten
Empire/Kaiserreich: Zeitspanne von 1804-1815, in der Napoleon Kaiser von Frankreich war
Epaulette: besonderes Schulterstück für Grenadiere und Offiziere mit Fransen an den Rändern
Escouade: kleinste Einheit der Infanterie (8-12 Mann)
Exerzierreglement: Vorschriften für das Ausbilden der Soldaten
Füsilier: Einfacher Soldat der ›Linieninfanterie
Gamaschen: Stoffstulpen, die man über die Unterschenkel zog
Grenadier: Elitesoldat der ›Linieninfanterie
Infanterie: Fußtruppen
Kaskett: in der französischen Armee eingeführter Raupenhelm
Kavallerie: Berittene Truppen
Kokarde: an der Kopfbedeckung angebrachtes Abzeichen
Kompanie: drittgrößte Einheit innerhalb einer Waffengattung (ca.50-140 Mann)
Konsulat/Consulat: Zeitspanne von 1799-1804, in der Napoleon der 1.Konsul der
Französischen Republik war
Konterepaulette: ähnlich wie Epaulette, aber ohne Fransen an der Rändern
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Lagermütze/Bonnet de Police: nachtmützenartige Zipfelmütze als Kopfbedeckung im Lager
Lieutenant: Leutnant
Linieninfanterie: Hauptmasse der ›Infanterie
Litze: Stoffstreifen
Maître Armurier: Militärwaffenschmied
Maître Cordonnier: Militärschuster
Maître Tailleur: Militärschneider
Musicien: Musiker
Muskete: damals übliche Bezeichnung für das Infanteriegewehr
Paspel: Naht am Rand verschiedener Uniformteile (meist in anderer Farbe)
Pionier: (frz.: Wegbereiter) Soldat der technischen Truppe
Pompon: Wollkugel zum Aufstecken auf den Hut
Pontonier: Soldat einer Spezialtruppe für den Bau von Kriegsbrücken
Portepee: am Griff des Säbels angebrachte Wollquaste
Quartier Maître Trésoisier: Quartier-/Schatzmeister
Rabatten: breite Stoffleisten an der Vorderseite des Uniformrockes
Rabatten: siehe Anhang (Kleines Lexikon der Uniform)
Reenactment: (engl. Re-enactment: wiedererleben/nacherleben)
Regiment: größte Einheit innerhalb einer Waffengattung (ca.1000-4000 Mann)
Reglement: militärische Vorschriftensammlung (z.B. ›Exerzierreglement)
Republik: 1.Frz. Republik 1792-1804
Sämischleder: Leder, welches mit einem bestimmten Verfahren gegerbt ist
Sappeur: Regimentszimmermann
Section: größte Einheit innerhalb einer Kompanie
Sergent: Unteroffizier
Sergent-Major: Feldwebel
Sous-Lieutenant: Unterleutnant
Stutz: Federbusch
Subdivision: zweitgrößte Einheit innerhalb einer Kompanie
Tambour: Trommler
Tambour-Major: Musikchef
Tarleton-Helm: Raupenhelm der britischen reitenden ›Artillerie
Tornister: Rucksack
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Quellenverzeichnis/Literaturverzeichnis
-
Barkow, August Friedrich und Quistorp, Friedrich: Tagebuch über den Französischen
Krieg. Band 6, Greifswald 1889.
-
Bauer, Frank; Pfeifer, Gert: Erinnern – Bewahren – Nacherleben. Darstellungsgruppen
der napoleonischen und der Befreiungskriegszeit in Deutschland, Kurt VowinckelVerlag KG, Potsdam 1999.
-
Dannbach, Ph. J.: Chants et Chansons Militaires, Strasbourg
-
Décret concernant l’incorporation des citoyens de la première requisition dans les
ancien cadres, 2 frimaire an II.
-
Décret relatif à l’organisation de l’armée, et aux pensions de retraite et de traitements
de tout militaire, de quelque grade qu’il soit, 21.Februar 1793.
-
Dekret vom 31.Juli 1790.
-
Dekret vom 31.Juni 1791.
-
Funcken, Liliane und Fred: Historische Uniformen. Napoleonische Zeit –
18.Jahrhundert und 19.Jahrhundert, Orbis Verlag, München 2000.
-
Knötel, Sieg: Farbiges Handbuch der Uniformkunde, W. Speemann Verlag. Stuttgart,
Sonderausgabe für die F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München 2000.
-
Mayer, Alois: Verführt, gezwungen, verloren. Der Klöppelkrieg 1798 in der Eifel,
Helios Verlag, Aachen 1998.
-
Mode d’amalgame de l’infanterie de la république française, rédigé en conformité de
la loi sur la nouvelle organisation des troupes, du 21 février dernier, suivi du
règlement à observer par les officiers-généraux qui seront chargés de le mettre en
exécution, Convention Nationale, An II de la république, 12. August 1793.
-
Pétard, Michel: 1791 L’infanterie au règlement de 1791. In: Tradition. Armesuniformes-figurines, 1990.
-
Pohle, Hans-Peter: Geschichte in Bildern. Die napoleonischen Kriege. Ausrüstung und
Strukturen beteiligter Armeen. Band I, edition d’histoire verlag hans pohle, Leipzig
2003.
-
Reglement das Exercitium und die Manövres der Französischen Infanterie betreffend,
vom 1.August 1791. Aus dem Französischen für die königlich-westfälischen
Regimenter. 1.Theil. Die Soldaten- und Ploton-Schule.
-
Règlement de formation des regiments d’infanterie, qui ont ordre de se porter au
complet de guerre, 1.April 1791.
16
-
Règlement sur la formation des bataillon d’infantreie destinés à entrer en campagne, et
traitement extraordinaire qui leur est accordé par la loi du 29 février 1792, 15.März
1792.
-
Règlement sur la formation, les appointements et la solde de l’infanterie française,
1.Januar 1791.
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