Predigt über Psalm 37,5 anlässlich der Goldenen, Diamantenen, Eisernen und Gnadenen Konfirmation am Sonntag, den 02.03.2014 in der reformierten Kirche Hohenlimburg von Pfarrerin Dr. Tabea Esch Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen Liebe Festgemeinde, liebe Jubilarinnen und Jubilare, 50, 60, 65 und 70 Jahre ist es her, dass Sie als Konfirmandinnen und Konfirmanden in den Kirchenbänken unserer Kirche gesessen haben. Gerne hätte ich Sie dabei beobachtet. Sicherlich waren Sie gespannt, aufgeregt, und auch ein wenig unsicher. Vielleicht trugen Sie einen geliehenen Anzug oder ein geerbtes Kleid. Vorne stand Pastor Burkhardt, der Ihnen zuvor noch die Prüfung abgenommen hatte. Vieles mussten Sie damals im Unterricht auswendig lernen, und ich kann mir vorstellen, dass Sie alle froh waren, als Sie dann endlich im Konfirmationsgottesdienst saßen – einem Gottesdienst, in dem Sie im Mittelpunkt standen – so wie heute. Und sicherlich war am Tag der Konfirmation anderes genauso wichtig wie der Gottesdienst: Die erste lange Hose für die Jungen bzw. Männer, das erste Glas Wein, oder auch die Aussicht für die Mädchen bzw. Frauen, endlich die langen Zöpfe abschneiden zu können. All dies waren Zeichen für den Eintritt ins Erwachsenenalter, das mit der Konfirmation begann. 50, 60, 65, ja 70 Jahre ist all das her. Die Erinnerungen an diesen großen Tag sind gerade heute bestimmt noch ganz intensiv. Und doch ist so viel passiert seit dem. Dies zeigt schon der Blick in die Zeitgeschichte Ihrer Konfirmationsjahre. Lassen Sie uns ein wenig zurückblicken: Diejenigen, die heute Goldene Konfirmation feiern, sind 1964 konfirmiert worden. Ein Olympisches Jahr war es: Erst die Winterspiele in Innsbruck und dann die Sommerspiele in Tokio. In Amerika unterzeichnet Präsident Johnson das wichtigste Dokument zur Beendigung der Rassentrennung, während in Südafrika Nelson Mandela in eine fast dreißig Jahre andauernde Haft gesetzt wird. In der Weltraumforschung und Raumfahrt werden bedeutende Fortschritte gemacht, und das Dritte Fernsehprogramm erhält Einzug in deutsche Wohnzimmer. Alfred Hitchcocks Thriller Marnie kommt in die deutschen Kinos, und die Nummer 1 Hits der deutschen Hitparade „Rote Lippen soll man küssen“ und „Das kannst du mir nicht verbieten“ werden verdrängt durch die Songs der Beatles, deren Musik eine neue Ära einleitet. Zehn Jahre zuvor, 1954, wird Theodor Heuss als Bundespräsident wiedergewählt, und im Öffentlichen Dienst gibt es erstmals Weihnachtsgeld. In Bern wird der Nationalspieler Helmuth Rahn zum Helden und der Reporter Herbert Zimmermann heiser, als Deutschland mit dem überraschenden 3:2 Sieg gegen Ungarn Fußballweltmeister wird. Zugleich nimmt die ganze Welt mit Entsetzen zur Kenntnis, dass Amerika im Pazifik eine Wasserstoffbombe gezündet hatte, deren Stärke die Hiroshima-Bombe um das 600-fache übertraf. Mit dem deutschen Spielfilm Rosen-Resli wird die neunjährige Christine Kaufmann zum Kinderstar, und das Lied „Heideröslein“ von Friedel Hensch und die Cyprys wird der Sommerschlager des Jahres. Vier Jahre nach Kriegsende sind Sie, die eisernen Jubilarinnen und Jubilare konfirmiert worden. Wie mag es 1949 hier in Hohenlimburg ausgesehen haben? Sie wissen es sicher noch. Was die politischen Ereignisse angeht, so stehen in diesem Jahr vor allem die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik im Mittelpunkt. Bonn wird statt Frankfurt am Main provisorische Hauptstadt, das deutsche Grundgesetz tritt in Kraft und erstmals finden Wahlen zum deutschen Bundestag statt. Der Turnschuh, das Haarspray und die Currywurst werden in diesem Jahr erfunden, und zu Recht fragt Jupp Schmitz in seinem Karnevalshit „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinke-pinke, wer hat so viel Geld?“; eine in den frühen Nachkriegsjahren oft gestellte Frage. Mit „Bergkristall“ kommt einer der ersten großen Heimatfilme ins Kino, den auch Sie vielleicht gesehen haben? Ja, und 5 Jahre zuvor, 1944, was war das für eine Zeit... . Ein Jahr, das geprägt ist von der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Die Alliierten rücken immer weiter vor, viele Städte werden zerstört. Auch unsere Kirche blieb nicht unversehrt: Bei einem Fliegerangriff in der Nacht zum ersten Advent fällt eine Brandbombe in den Kirchenraum und verursacht ein Feuer im Kirchenschiff. Selbst Kinder und Senioren werden nun gezwungen, in einen sinnlosen Krieg zu ziehen. Das Attentat auf Hitler am 20. Juli scheitert. Möglicherweise kann die Uraufführung der Feuerzangenbowle ein bisschen Ablenkung in den vom Krieg geprägten Alltag bringen. Und Hans Albers besingt in seinem Lied „La paloma“ die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit. 70 Jahre ist das nun her. Ja, liebe Gemeinde, liebe Jubilarinnen und Jubilare, dieser kleine Rückblick zeigt, welche Zeiten Sie bereits erlebt haben, was Sie an Veränderungen und Entwicklungen in ganz unterschiedlichen Bereichen mitbekommen haben. Und diese zeitgeschichtlichen Schlaglichter sind nicht unwichtig, denn sie sind eng verwoben mit unseren ganz persönlichen Lebensgeschichten und Lebenswegen. Auch auf diese blicken wir heute zurück. Und gerne würde ich Sie fragen, wie Ihre Lebenswege bis hierher verlaufen sind. Wie sie sich mit 14 Jahren Ihr Leben erträumt haben und was sich davon im Rückblick verwirklicht hat. Sicherlich waren da viele gute, gerade und geplante Wege: aus der Schule in die Ausbildung und dann den Beruf. Das Kennenlernen des Partners, der Partnerin – die Hochzeit, Kinder und Enkelkinder, der wohlverdiente Ruhestand. So wird es bei vielen von Ihnen abgelaufen sein. Doch sicherlich gab es da auch Wege, die man lieber nicht gegangen wäre. Steinige, unbequeme Wege, die einen stolpern und straucheln ließen, Wege, die man am liebsten umgangen wäre. Im Psalm 37, den wir zu Beginn des Gottesdienstes miteinander gesprochen haben, da heißt es: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es wohl machen.“ Dieser Vers ist vielleicht manchen von Ihnen auch als Konfirmationsspruch mitgegeben worden. Denn damals, vor 50, 60, 65 und 70 Jahren haben Sie sich am Tag Ihrer Konfirmation auch ein Versprechen des Glaubens gegeben. Sie haben sich bewusst für ein Leben mit Gott entschieden, ein Leben, dass sie im Vertrauen auf ihn leben wollen. Der heutige Tag ist auch dazu da, sich noch einmal daran zu erinnern, was es heißt, sich für ein Leben zu entscheiden, das sich von Gott leiten lässt. „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es wohl machen.“ Der Psalmvers beschreibt ein solches Vertrauen in Gott, ein solches Leben mit Gott. Haben wir das immer getan? Gott unsere Wege anbefohlen? Und passt die Aussage, er wird es wohl machen, zu den Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben? Nun, ich glaube, in den Zeiten, wo unsere Wege gut verlaufen, so, wie wir sie uns vorgestellt haben, da fällt es leicht, eine solche Vertrauensaussage zu machen. In diesen Zeiten scheint sich zu bestätigen, dass Gott es wohl und gut mit uns meint. In diesen Zeiten fällt es uns nicht schwer, Gott zu loben und zu danken. Wir sollten es vielleicht manchmal etwas häufiger tun. Anders sieht es aus, wenn die Zeiten nicht so rosig sind. Ich habe unser Psalmwort eine Zeit lang unbewusst immer falsch betont. „Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ Aber vielleicht ist die Betonung für manche Lebenssituationen ganz zutreffend. „Er wird’s wohl machen“. Darin steckt angesichts dessen, was wir manchmal erleben müssen, eine gewisse Zurückhaltung im Blick auf Gottes wohlgemeintes Wirken an uns. Er wird’s wohl machen, darin steckt zugleich bei aller Skepsis, die sich vielleicht in bestimmten Lebensphasen breit gemacht hat, immer noch die Hoffnung, dass Gott tatsächlich unsere Wege mitgeht. „Hoffe auf ihn“. Ja und dann gibt es die Lebenswege, da fällt es einem besonders schwer, an dieser vertrauensvolle Aussage festzuhalten. Dann, wenn die Wege des Herrn, wie es heißt, so unergründlich scheinen, wenn wir nicht verstehen können, warum wir gerade diesen Weg gehen sollen: ich denke an Wege der Trauer über den Verlust geliebter Menschen – so sind auch einige Ihrer Mitkonfirmandinnen und -konfirmanden heute nicht mehr unter uns. Ich denke an Wege in Krankheit und Schwäche, die uns so sinnlos erscheinen, ich denke an Wege, die in vermeidliche Sackgassen führen, weil Menschen nach einem Streit nicht mehr zueinander finden. Von „wohl machen“ kann da keine Rede mehr sein. Und dann macht sich die Klage breit. Liebe Jubilarinnen, liebe Jubilare, all diese so unterschiedlichen Wege prägen unser Leben. Und unser Leben und Erleben prägt unseren Weg mit Gott. Jeder von Ihnen hat seine ganz eigenen Erfahrungen mit Gott. Jeder kennt diese Zeiten des Dankes und Zeiten der Klage, jeder von ihnen ist sie gegangen, Wege, die sich von Gott entfernten und Wege, die wieder zu ihm hinführten. Was Menschen in Ihrem Alter jungen Menschen voraushaben, ist die Fähigkeit, auch in dieser Hinsicht auf größere Lebens- und Glaubenszusammenhänge zurückzublicken. Und dann zeigt der Blick sowohl auf die Zeitgeschichte als auch auf die eigene Biographie, dass all unsere Wege, gerade die unbequemen, nie Einbahnstraßen geblieben sind: dort, wo alles in Schutt und Asche lag, ist es doch wieder weitergegangen – wer weiss das besser, als die, die die Kriegszeiten miterlebt haben? Wo eine Hoffnung, eine Liebe, oder ein Traum zerplatzt ist, da ist Neues entstanden. Wo der Weg in eine Sackgasse zu führen schien, da hat sich plötzlich eine neue Tür aufgetan. Und dort, wo ich mich von Gott zutiefst verlassen gefühlt habe, da habe ich doch so etwas wie einen Fingerzeig des Himmels gespürt und erfahren: ich bin nicht allein. „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es wohl machen.“ Wohl heißt eben nicht immer gut. Und der Glaube an Gott, den Sie damals in der Konfirmation bekannt haben, der bewahrt nicht davor, dass wir Unglück und Tod erleiden müssen. Aber er kann sich in Krisen beweisen. Klagen und Danken, beides hört zu unserem Leben mit Gott. Beides geschieht in dem Bewusstsein, dass das Gute nicht selbstverständlich ist, und wir durch das Böse nicht allein hindurchmüssen. Am Ende bleibe ich darauf angewiesen, dass Gott meine Wege mitgeht und mich hält - in diesem Leben und darüber hinaus. Ich wünsche Ihnen, dass dieses Vertrauen immer wieder neu in Ihnen wachsen möge und Sie Gott in Ihrem Leben und auf all Ihren Wegen weiter mitgehen lassen: „Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird es wohl machen.“ Amen Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn, Amen.