Johannes-Mathesius-Gesellschaft

Werbung
GLAUBE UND HEIMAT
Mitteilungsblatt der
Johannes-Mathesius-Gesellschaft
Evangelische Sudetendeutsche e.V.
Weihnachten 2 0 0 8
Das ist das Wunder der Heiligen Nacht,
dass ein hilfloses Kind
unser aller Helfer wird.
Das ist das Wunder der Heiligen Nacht,
dass in die Dunkelheit der Erde
die helle Sonne scheint.
Das ist das Wunder der Heiligen Nacht,
dass traurige Leute ganz fröhlich
werden können.
Das ist das Wunder der Heiligen Nach:
Das Kind nimmt unser Leben in seine Hände,
um es niemals wieder loszulassen.
Friedrich von Bodelschwingh
Lucas Cranach d. J. Anbetung der Hirten
1564, Stadtkirche St. Marien in Wittenberg
2
Liebe Mitglieder und Freunde unserer Gesellschaft,
liebe Schwestern und Brüder!
Mit unauffälliger Schnelligkeit ist das Jahr 2008 an uns vorbeigeeilt und wir können Gott
dankbar sein, diese jetzige Zeit in aller ihrer Vielfalt im privaten und auch
gesellschaftlichen Sinne erleben zu dürfen.
Auch in unserer kleinen, aber regen Johannes-Mathesius-Gesellschaft Evangelische
Sudetendeutsche e.V. – es sind aktuell 74 aktive Mitglieder registriert – haben sich neue
Erkenntnisse und Aufgaben aufgetan, über die wir Sie, liebe Mitglieder, in unseren
Mitteilungen informieren. Es soll Sie anregen, sich mit Ihren Gedanken und Vorstellungen
mit einzubringen in unser Werk für die evangelischen Sudetendeutschen und die mit uns
verbundenen evangelischen Christen.
Ein großer Schatz in unserer Tätigkeit ist dabei das Schriftwesen unserer Gesellschaft, in
dem in langjährigem Wirken unzählige kompetente und zeitnahe Autoren die historischen
kirchlichen Situationen im Sudetenland dargelegt haben. Sie haben für die Nachwelt
Verständnis und Aufklärung dokumentiert. Dieses Erbe sollten wir, so lange es möglich ist,
fortführen, vertreten und zukunftweisend erhalten.
Durch unsere guten Verbindungen zur Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in
der Tschechischen Republik soll eine gemeinsame Sichtung der vorhandenen
Archivunterlagen vorgenommen werden. Denn der größte Teil des Nachlasses unseres
verehrten Herrn Kirchenpräsidenten D. Erich Wehrenfennig wurde von Fresach nach
München zur zukünftigen Aufarbeitung überführt. Die Übernahme dieser Unterlagen nach
München erfolgte fast zeitgleich mit den Feierlichkeiten der Evangelische Kirche der
Böhmischen Brüder im Herbst 2008 in Prag zur Gründung ihrer Kirche vor 90 Jahren.
Wir bereiten gegenwärtig eine Feier zum Jubiläum der Deutschen Evangelischen Kirche in
Böhmen, Mähren und Schlesien im Jahr 2009 vor. Die ganze Sachlage der Nachfolge und
des Vermächtnisses der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und
Schlesien, die durch Gesetz vom 6. Mai 1948 rückwirkend zum 4. Mai 1945 liquidiert
wurde, soll auf unserer Jahrestagung 2009 vom 1. – 3. Mai 2009 in Herrnhut/Sachsen
erörtert werden. Dazu laden wir schon heute sehr herzlich ein.
In Anbetracht der Tätigkeit unserer Gesellschaft freut es mich besonders, dass bekannte
Persönlichkeiten aus Tschechien, Österreich sowie Deutschland sich uns zur aktiven
Unterstützung zugewandt haben. Herzlich Willkommen bei uns!!
In diesem hoffnungsvollen Sinne wünschen wir Ihnen allen:
in Österreich, Deutschland, Tschechien, der Slowakei und der Schweiz
ein gesegnetes Weihnachtsfest sowie
Gesundheit und Gottes Segen für das neue Jahr 2009.
Mit besten Grüßen
Ihr
Karlheinz Eichler
Vorsitzender
3
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit,
eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater,
voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1, 14
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde
bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
Lukas 2, 8
Das Beste, was uns in diesem Jahr – und vielleicht überhaupt in den letzten Jahren –
gelungen war, war eine Aufführung der Kinderoper "Brundibár" von Hans Krása, die die
jüdischen Kinder im Ghetto Theresienstadt in Nordböhmen in den Jahren 1943 und 1944
etwa fünfzig- oder sogar sechszigmal unter der Leitung des Komponisten aufgeführt
hatten. Unsere Aufführung fand am 28. September 2008 in der evangelischen Kirche in
Nassengrub bei Asch statt. Es waren auch zwei Frauen aus Prag dabei, die die Oper als
Mädchen in Theresienstadt oft gehört und alles überlebt hatten.
Es war für uns alle in Nassengrub sehr bewegend und auch sehr segensreich.
Zweierlei war für mich bedeutsam.
Zum einen:
Es waren deutsche Kinder, deutsche Mitwirkende und eine deutsche Lehrerin und
Pfarrfrau, Frau Claudia Sörgel, die das alles vorbereiteten und einstudierten.
Und:
Es waren trotz aller Einladungen, Reklame und Werbungen an der Aufführung keine
Medien, keine Kreis- oder Ortszeitung, auch kein Rundfunk oder Fernsehen und auch
keine Repräsentanten des öffentlichen Lebens vor Ort vertreten. Wir erwarteten das auch
nicht, denn wir sind gewöhnt, dass die Kirche, wenn sie etwas veranstaltet, von der
Öffentlichkeit missachtet wird.
Erwartete unseren lieben Herr Gott, als er seinen eingeborenen Sohn auf diese Welt
schickte, etwas anderes?
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.
Mitte der menschlichen Geschichte, Mitte der Geschichte der Welt und des Alls war und ist
Jesu Christi Kommen. Seit dem teilt man die Zeit ein in v o r Christus und n a c h
Christus. Und er steht in der Mitte. Keine Könige und Kaiser, keine Herrscher dieser Welt,
keine Politiker. Kein Mensch, sondern der, der gleichzeitig Mensch und Gott war, Fleisch
gewordenes Wort Gottes.
Wer suchte ihn, als er damals kam? – Ja, die Weisen vom Osten. Und vor Ort? Die Hirten,
die auf dem Felde bei den Hürden waren; die Engel zeigten ihnen den Weg. Und sonst –
niemand. Keine religiösen Leiter, keine Politiker, keine Presse, Radio oder Fernsehen. Ich
garantiere, heute wäre das ebenso wie damals. Daher habe ich das Unvergleichliche zu
vergleichen gewagt: unsere Kinderoper und das Kommen Jesu Christi in diese Welt.
Die Hirten sind als die ersten und für lange Zeit als die einzigen gekommen. Sie können
nicht schreiben und können nicht in den Tempel nach Jerusalem kommen. Sie hüten ihre
Herde. Sie haben keine Literatur, keine Achtung und keine Macht. Aber: sie haben den
Heiland der Welt nicht verpasst!
In keinen Büchern der zeitgenössischen Historiker finden wir ein Wort über Jesus Christus,
nur in der Bibel. Denn der Heiland der Welt hat sich nicht denen gezeigt, die fachliche und
wissenschaftliche Bücher schreiben, sondern denen, die Gott vertrauen.
4
Über Gottes Fleischwerden schweigen auch Leute, unter denen wir Christen hier in
Tschechien leben. So bleibt die Mitte der menschlichen Geschichte und Mitte der
Geschichte der Welt und des Alls auch für unsere Zeitgenossen hier unbekannt und
verdeckt, ausgelacht.
Die alte tschechische Kralicer Bibelübersetzung schildert unsere Hirtengeschichte in einer
bescheidenen und gleichzeitig herrlichen sprachlichen Pracht, mit der sich kaum eine
andere alte, aber dauerhaft aktualisierte Bibelübersetzung vergleichen kann. Die schlichte
und gleichzeitig archaische Art und Weise der Kralicer Übersetzung zeigt uns deutlich,
dass, worüber geschrieben wird, tatsächlich und wirklich geschah und ganz
außerordentlich und merkwürdig war:
"A byli pastýŕi v krajinè tè – Und es waren Hirten in derselben Gegend ....."
Für uns Christen gilt beides unverrückbar:
Es war s e h r m e r k w ü r d i g u n d a u ß e r o r d e n t l i c h
u n d e s g e s c h a h w I r k l i c h.
(Pavel Kuçera, Pfarrer in Asch)
5
Jahresversammlung
der Johannes – Mathesius – Gesellschaft
Evangelische Sudetenddeutsche e.V.
vom 2. – 4. Mai 2008 in Heilsbronn
Rückblick
In dem kleinen, aber historischen bayerisch-fränkischen Städtchen Heilsbronn fand unsere
Jahreshauptversammlung 2008 statt.
Im gastlichen Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn verbrachten neun Mitglieder
und zeitweise drei Dozenten drei Tage intensiver Gespräche sowie geistlicher Erbauung
bei den interessanten Vorträgen.
Beim Besuch des evangelischen Münsters wurde unter Führung des Kirchenhistorikers
Professor Machilek aus Bamberg auf die große Bedeutung des Ortes für die Reformation
aufmerksam gemacht. Besonders beeindruckend war für die Teilnehmer die original
historische Ausstattung der Kirche, als die traditionellen Wurzeln unserer deutschen
Geschichte. Auch der heilige Brunnen (daher der Name Heilsbronn) ist als fließende
Quelle inmitten des Bauwerks noch zu erleben, unterhalb eines Grabmals der Herren von
Ansbach.
Sehr interessant und lehrreich waren die Vorträge in den Vormittagsstunden. Der
Theologe Herr Horst Schinzel aus München stellte sein Konzept für die Ausstellung über
den "Indianerapostel David Zeisberger" anlässlich seines 200. Todestages vor. Die
Ausstellung wird voraussichtlich in den Jahren 2008 und 2009 in Ludwigsburg, Freiburg
i.B., Zauchtel (Böhmen) als Geburtsort Zeisbergers, München und in Herrnhut in Sachsen
zu sehen sein.
In Ergänzung und Fortführung der Ausführungen würdigte Frau Dr. Frauke Geyken aus
Hannover das Werk von David Zeisberger in Nordamerika. Dabei wurden viele für uns
neue Aspekte der Methoden der evangelischen Missionierung angesprochen, wie
beispielsweise die Sprach- und Übersetzungsprobleme sowie das Leben in den von
Herrnhut ausgehenden Missionsstätten.
Professor Machilek aus Bamberg erinnerte in seinem Vortrag an das Wirken des
Theologen Balthasar Hubmeier (gestorben 1528) sowie des Wanderpredigers und
hussitischen Missionars Friedrich Reiser, der 1458 in Straßburg sein Ende fand.
Besonders interessant war dabei das Spannungsfeld der Waldenser und der hussitischen
Bewegung als eine der ersten Reformationen der Kirche im 15. Jahrhundert.
Mit Herrn Dr. Jiři Just aus Prag hatten wir einen Referenten aus Tschechien zu Gast. In
seiner Funktion als Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Evangelischen Theologischen
Fakultät Prag berichtete er von neuen Forschungen der Reformationsgeschichte Böhmen
und Mährens. Beleuchtet wurde die Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg am 6.
November 1620. Dieses Ereignis war ein Meilenstein in der Geschichte der tschechischen
Protestanten, dessen Auswirkungen letztlich noch heute zu spüren sind.
Nach einem beeindruckenden evangelischen Gottesdienst im jahrhundertealten Münster
wurde die Jahresversammlung beendet.
Der Vorstand dankt an dieser Stelle allen Mitwirkenden auf das Herzlichste und besonders
für die freundliche Fürsorge des Evangelischen Zentrums in Heilsbronn.
(Karlheinz Eichler, Leipzig)
6
Protokoll
über die Mitgliederversammlung am 2./3. Mai 2008
im Religionspädagogischen Zentrum
in Heilsbronn
Teilnehmer:
Frau Dr. Fuhrmann-Hoffmann, Erlangen
Frau Dr. Frauke Geyken, Bovenden
Herr Friedrich Reinholz, Griesheim
Herr Rainer Schmelzle, Modautal
Herr Gunter Gall, Bad Kissingen
Herr Prof. F. Machilek, Bamberg
Herr Dr. Jiři Just, Prag
Herr Pfarrer Christof Lange, Prag
Herr Horst Schinzel, München
Herr Pfarrer Pavel Kuçera, Asch
Herr Süß, Hersbruck
Herr Karlheinz Eichler, Leipzig
Begonnen wurde die Versammlung mit einem ehrenden Totengedenken für die
verstorbenen Mitglieder unserer Gesellschaft. Besonders wurde an Herrn Karl Petrousek
aus Zell am See in Österreich gedacht und dessen langjähriger verdienstvoller
Mitgliedschaft.
Nach dem Jahresbericht des Vorsitzenden, der allen Teilnehmern schon schriftlich vorlag,
wurde der Kassenbericht und die Hinweise der erkrankten Schatzmeisterin Frau Johanna
Gerstberger beraten und ausgewertet. Die gewählten Kassenprüfer, Herr M.A. Rainer
Schmelzle und Herr Fritz Reinholz bestätigten den Kassenbericht. Dem Vorstand und der
Schatzmeisterin wurde daraufhin einstimmig Entlastung erteilt.
Danach erfolgten organisatorische Absprachen über die Durchführung des evangelischen
Gottesdienstes beim Sudetendeutschen Tag in Nürnberg. Das Spendenaufkommen geht
an die evangelische Gemeinde in Asch zur Verfügung von Herrn Pfarrer Kuçera.
Längere Zeit nahmen die Beratungen zum Verbleib des Archives aus Fresach sowie der
ehemaligen Bibliothek der JMG in Anspruch. Es wurde vereinbart, dass bis zur Klärung
des endgültigen Verbleibs der Unterlagen, die Bestände aus Fresach durch unser Mitglied
Herrn Schinzel nach München, in dessen vorläufige Verwahrung verlagert werden. Durch
den Vorstand werden intensive Gespräche mit infrage kommenden Institutionen über die
künftige Einlagerung geführt, bevor darüber eine endgültige Entscheidung getroffen wird.
Der Problematik einer kooperativen Mitgliedschaft in der Sudetendeutschen
Landsmannschaft wurde durch die Teilnehmer eine Absage erteilt, da unsere Mitglieder
bereits weit gehendst in der Landsmannschaft integriert sind.
Die Jahreshauptversammlung 2009 ist vom 1. – 3. Mai 2009 in Herrnhut vorgesehen.
Detaillierte Absprachen müssen noch stattfinden. Die Mitglieder werden wie bisher zur
gegebenen Zeit informiert und eingeladen.
Abschließend ist zu bemerken, dass die Mitgliederversammlung in einer freundlichen
Atmosphäre stattfand, obwohl die Gespräche sehr intensiv und ausführlich waren und der
Zeitraum äußerst knapp bemessen war.
Für das zusammengefasste Protokoll
Karlheinz Eichler, Vorsitzender
7
Wertvolle Schriften der böhmischen Reformationsbewegung
wandern ins Bayrische Hauptstaatsarchiv
In einem feierlichen Gottesdienst in der alten Toleranzgemeinde Fresach in Kärnten wurde
während des Reformationsgottesdienstes am 31. Oktober das von Oskar Sakrausky (†
2006) zusammengetragene Archiv der Johannes-Mathesius-Gesellschaft/Evangelische
Sudetendeutsche an das Sudetendeutsche Archiv im Bayrische Hauptstaatsarchiv
übergeben, damit es in München seinen neuen Platz findet.
Als die Evangelischen in Augsburg am 25.6.1530 ihre Unterschrift unter das gemeinsame
Glaubensbekenntnis, die Confessio Augustana setzten, da war Markgraf Georg der
Fromme von Brandenburg der zweite, der zur Feder griff. Vermutlich als erster Landesherr
führte Georg der Fromme 1524 auf seinen schlesischen Besitzungen um Jägerndorf,
heute Krnov in der Tschechische Republik, die lutherische Reformation ein. Bald führte
man auch in Böhmen und Mähren und im angrenzenden Schlesien die Reformation ein,
wobei man auch hussitische Traditionen aufgriff.
Nach der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 wurde Böhmen gewaltsam
rekatholisiert. Dabei war Herzog Maximilian von Bayern, der bereits 1607 in Donauwörth
einen zum Dreißigjährigen Krieg führenden Streit zu entfachen versuchte, tonangebend.
Nach der Wahl des protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum König von
Böhmen sah Maximilian seine Stunde gekommen. Mit einer vor allem aus bayrischen
Truppen bestehenden Armee wurde der so genannte Winterkönig aus Böhmen vertrieben
und das evangelische Land wieder katholisch gemacht. Bayern wurde die pfälzische
Kurwürde zugesprochen. Im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges musste Kurfürst
Maximilian allerdings einige Niederlagen einstecken. 1632 besetzten die Schweden unter
ihrem evangelischen König Gustav Adolf II. vorübergehend München, die Hauptstadt der
Katholischen Liga. Die Wendung des Kriegsglücks schrieb Maximilian der Gottesmutter zu
und ließ auf dem späteren Marienplatz in München die Mariensäule errichten, die zum
Jahrestag der Schlacht am Weißen Berg am 7.11.1638 eingeweiht wurde.
Noch heute haben die Münchner Grundschüler zu lernen, was die gegen Tiere und
Fabelwesen kämpfenden vier Putten am Fuß der Säule bedeuten. Die allegorischen
Darstellungen stellen den Kampf gegen die nach dem damaligen Verständnis vier
schlimmsten Plagen der Menschheit dar: Der Löwe symbolisiert den Krieg, der Basilisk die
Pest, der Drache den Hunger und die Schlange den Unglauben, womit vor allem der
evangelische Glaube in Böhmen gemeint sein dürfte.
In Böhmen und Mähren wurde, wie überhaupt in den habsburgischen Landen, der
evangelische Glaube erst durch die Toleranzgesetzgebung Kaiser Joseph II. vom
13.11.1781 wieder zugelassen.
Nach der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei vor genau 90 Jahren am 28.Oktober
1918 spaltete sich die Evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien in
eine tschechischsprachige und eine deutschsprachige Evangelische Kirche auf, letztere
wurde 1945 verboten.
1953 schlossen sich die Mitglieder der ehemaligen „Deutschen Evangelischen Kirche in
Böhmen, Mähren und Schlesien“ (DeKiBMS) zur „Gemeinschaft Evangelischer
Sudetendeutscher“ zusammen. 1959 entstand die „Johannes-Mathesius-Gesellschaft“, die
sich der Erforschung der böhmischen Reformation widmet.
Oskar Sakrausky, geboren 1914 in Linz, begann seine theologische Laufbahn 1939 in
Gablonz/Jablonec. In der Prager Michaelskirche wurde er in das geistliche Amt eingeführt.
Von 1968 bis 1983 war Oskar Sakrausky Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in
8
Österreich. In der alten Toleranzgemeinde Fresach in Kärnten trug er das Archivgut der
Johannes-Mathesius-Gesellschaft zusammen und betreute das dort von ihm eingerichtete
Evangelische Diözesanmuseum. Daneben beschäftigte sich Herr Sakrausky besonders
mit der Erforschung der Reformation in Kärnten, Slowenien und Kroatien.
Nach dem Tode von Oskar Sakrausky im Jahre 2006 wurde mit dem Umbau des
Evangelischen Diözesanmuseums Fresach begonnen, das im Jahr 2011 die
Landesausstellung zum Geheimprotestantismus in Österreich aufnehmen soll. Das
ebenfalls dort befindliche Archivgut der Johannes-Mathesius-Gesellschaft muss aus
diesem Grund einer neuen Bestimmung zugeführt werden. Zur Diskussion standen Prag,
das „Institut für Kichengeschichte im Donau-Karpatenraum“ in Pressburg/Bratislava, das
sich mit der Erforschung des Evangelischen Glaubens in den Ländern der
Donaumonarchie beschäftigt, und das „Evangelische Zentralarchiv“ in Berlin. Der weitere
Verbleib berührt
auch die Frage des Selbstverständnisses der Evangelischen
Sudetendeutschen. Wo sieht man seine Wurzeln? In Böhmen, in der Donaumonarchie, in
Österreich oder in Deutschland?
Wenn nun das Sudetendeutsche Archiv im Bayrischen Hauptstaatsarchiv den Vorzug
erhält, so sprechen vor allem pragmatische Gründe dafür. Zudem besitzt München eine
Reihe hochrangiger Ost- / Mitteleuropa-Institutionen, sodass das Archivgut in München am
besten der Forschung zugänglich gemacht werden kann.
Zum Archivgut gehören auch zwei wertvolle Bücher, die die Johannes-MathesiusGesellschaft in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erworben hat. Es handelt sich zum
einen um die Jan Hus zugeschriebenen „Opera omnia“,1) die 1524/25 Otto Brunfels in
Straßburg herausgab, und zum anderen um ein Werk des Aeneas Sylvius Piccolomini
(„Commentatorium … de Concilio Basileae“, Basel 1525). Das dem 1415 in Konstanz
verbrannten Reformator zugeschriebene Werk war für die Entwicklung der
reformatorischen Kirche in Böhmen und Mähren, die sich bis heute auf hussitische
Traditionen beruft, von großer Bedeutung. Auch die Kommentare des späteren Papstes
Pius II. zum Baseler Konzil befassen sich mit hussitischen Gedankengut.
1)
Bei Hus können bereits die entscheidenden Brüche im spätmittelalterlichen Denken
ausgemacht werden, deren Folgen über die Reformation Luthers hinaus das Weltbild des
christlichen Abendlandes prägten.
Das Vermächtnis des Reformators Jan Hus wirkte über den Hussitismus und den
Utraquismus direkt auf die nationalböhmische Bewegung im 19. und 20. Jahrhundert ein.
Nach der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei von der Habsburger Monarchie
avancierte Hus quasi zum Nationalheiligen. Noch heute spricht man in der Tschechischen
Republik in Bezug auf Hus nicht von „Vorläufern der Reformation“, sondern von der
„Ersten Reformation“ oder der „Böhmischen Reformation“ im Unterschied zur so
genannten Zweiten Reformation, der Wittenberger Reformation Martin Luthers. Berühmt
geworden ist der Ausspruch Leonhard Ecks vom März 1518, Luther habe „böhmisches
Gift“ getrunken. Auf der Leipziger Disputation am 5. Juli 1518 versuchte Eck, Luther mit
dem Vorwurf in die Enge zu treiben. er habe seine Lehre von der Kirche von Hus
übernommen, was Luther zunächst leugnete. Tatsächlich studierte Luther während einer
Pause die Akten des Konstanzer Konzils. 1520 ließ Luther die als wichtigste Hus-Schrift
geltende Abhandlung über die Kirche („De ecclesia“) drucken. Im Februar 1520 schrieb
Luther dem Mitreformator Spalatin sogar den Satz: „Wir waren alle Hussiten, ohne es zu
wissen“.
Wie wissenschaftliche Nachforschungen vom Anfang des letzten Jahrhunderts ergeben,
handelt es sich stattdessen wahrscheinlich um Schriften des böhmischen
Reformtheologen Mathias Janov (geb. vor 1355, gest 1393).
9
Die Böhmische Reformbewegung setzte mit Konrad Waldhauser ein, Hofkaplan und
Beichtvater von Karl IV. Wegen seiner Predigten, in denen er die Missstände und Habgier
des Klerus und den Reliquienschwindel anprangert, hat er sich beim päpstlichen Hof in
Avignon zu verantworten, wo er 1369 überraschend stirbt.
Sein Nachfolger wird Jan Milič aus Kromĕřіž. Auch er erregte bei vielen Unmut wegen
seiner Kirchenkritik. Bei Papst Urban hat er sich beschwert, dass kirchliche Ämter mit Geld
erkauft würden. Kanoniker „kämpfen und reiten in Waffen zum Turnier, anstatt in den
Kirchen zu singen“. Von den Prostituierten Prags seiner Zeit schrieb er an den Papst sie
„leben nicht in Klausur, sondern manche laufen durch die Welt an die Höfe der Fürsten
zum Tanz und Turnier, andere tanzen im Kloster mit ihren Buhlen und verführen, ohne zu
erröten, ihre Verehrer“. In Prag richtete er das berühmte Haus „neues Jerusalem“, ein, in
dem bekehrte Prostituierte zu einer geistlichen Gemeinschaft geführt wurden. 1373 wurde
er angeklagt und hatte sich ebenfalls in Avignon zu verantworten, wo er auch verstorben
ist.
Mathias Janov, der aus dem südböhmischen Dorf Janov stammt, gilt als Schüler des Jan
Milič. Er scheint der geistige Kopf dieser Böhmischen Reformbewegung gewesen zu sein.
Von Janov stammt die wichtigste Schrift der Böhmischen Reformbewegung, die „Regulae
veteris et novi testamenti“, die 12 bibelgerechte Verhaltensweisen aufzeigen, vier aus dem
Alten und acht aus dem Neuen Testament. Bereits in dieser Schrift taucht der Begriff
Antichrist in Gestalt der sichtbaren Kirche auf, vor der die Regulae die Gläubigen
bewahren sollen. Nur durch die Rückkehr zu den Werten der Hl. Schrift und häufige
Kommunion könne sich der Gläubige dem Formalismus und der Heuchelei kirchlicher
Praxis entziehen. Sehr interessant ist auch seine in den Hus zugeschriebenen „Opera
omnia“ enthaltene Schrift zum Antichristen, einem Thema das im spätmittelalterliche
Denken eine große Rolle spielte.
Janov hatte in Paris studiert und war 1381 nach Prag zurückgekehrt. Dort übernahm er am
Veitsdom die Stelle eines Beichtvaters und Predigers. Durch seine unverhohlene Kritik an
den kirchlichen Zuständen wurde er bald zur Zielscheibe von Angriffen. Er musste auf der
Synode vom Jahr 1389 seinen Auffassungen öffentlich abzuschwören und 1392 seine
Schriften einer kirchlichen Zensurbehörde vorlegen.
Seine Schriften werden vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse der Kirche erst
richtig verständlich. Von 1309-1377 befand sich die Kurie in Avignon, in der so genannten
„Babylonische Gefangenschaft“, und von 1378-1415 belegte sich die westliche
Christenheit während des abendländischen Schismas gegenseitigen mit dem Bann. Auch
das Jahr 1378, als nach dem Tod Kaiser Karls IV. dessen Sohn. Wenzel die Nachfolge
übernahm, bedeutete für Böhmen eine wichtige Zäsur. Tatsächlich sollten sich in Böhmen
unter seiner Regentschaft die Auseinandersetzungen in religiösen Dingen so zuspitzten,
dass nach seinen Tode im Jahre 1419 Jahrzehnte kriegerischer Auseinandersetzungen für
Mitteleuropa anbrachen.
Jan Hus griff auf der Prager Disputation vom Jahr 1412 das Motiv des Antichristen auf. Er
bezog die Gestalt des Antichristen auf die kirchliche Hierarchie beziehungsweise auf die
drei damals gegenseitig um die Vorherrschaft kämpfenden Päpste. Ein Jahrhundert später
griff Luther das Thema des Antichristen wieder auf und nahm sich der Husschen
Thematik an.
Der Name Mathias Janov war in Deutschland anscheinend lange unbekannt. Lediglich in
der Confessio der Böhmischen Brüder von 1535 ist erwähnt, dass unter Husens Namen
eine Schrift eines Mathias Parisiensis veröffentlicht worden sei. Ansonsten verwies
lediglich der Reformator Flacius 1556 auf das Buch Janovs über den Antichristen. Für
seine Hus-Ausgabe übernahm er allerdings die Brunfelsschen Drucke als Hus-Schriften.
10
Im Übrigen enthält die Brunfelssche Ausgabe der Hus zugeschriebenen „Opera omnia“,
die zweifellos als eines der wichtigsten Werke der Reformationsliteratur zu gelten hat,
auch interessante Holzschnitte zum Konstanzer Verfahren.
Auch beim zweiten Werk, den „Commentatorium … de Concilio Basileae“ handelt es sich
um ein wichtiges Buch der Reformationsliteratur. Aeneas Sylvius Piccolomini, der spätere
Papst Pius II, führte als päpstlicher Legat Verhandlungen mit den Hussiten. Rom hatte sich
nach mehreren gescheiterten Kreuzzügen und einer hussitischen Gegenoffensive im Jahr
1429/30 genötigt gesehen, mit den Hussiten in Verhandlungen zu treten. Auf dem Baseler
Konzil trug die hussitische Delegation ihre Vorstellungen einer Kirchenreform vor und
forderte in Form der Vier Prager Artikel: die Austeilung desAbendmahles in beiderlei
Gestalt, freie Predigt, den Verzicht des Klerus auf weltliche Einflüsse und die
Säkularisierung des Kirchenbesitzes. Nur in Bezug auf den Laienkelch konnten sich die
Hussiten auf dem Konzil durchsetzen. In den Baseler Kompaktaten wurde ihnen für das
Königreich Böhmen der Laienkelch zugestanden, was Kaiser Sigismund als böhmischer
König 1436 in den Iglauer Kompaktaten anerkannte. Damit endeten die Hussitenkriege.
Die nun dem Bayrischen Hauptstaatsarchiv zugegangenen Schriften stehen somit für eine
ein halbes Jahrtausend währende geistige Auseinandersetzung in der Mitte des neuen
Europas.
(Horst Schinzel, München)
11
Die Ausstellung:
David Zeisberger und sein Traum
von den Mährischen Indianern
Die Ausstellung beleuchtet die Bedeutung des Kuhländchens für 400 Jahre europäische
Geschichte und nahezu ein Jahrhundert europäisch – amerikanische Beziehungen.
Die Ausstellung beginnt mit den religiösen Auseinandersetzungen am Ende des
Mittelalters. Sie führt durch die Zeit der Böhmischen Reformbewegung, die abrupt durch
die Schlacht am Weißen Berg während des 30-jährigen Krieges beendet wird. Sie zeigt
aber auch auf, wie während der Zeit der Glaubensspaltung und der Gegenreformation im
Kuhländchen im Geheimen evangelisches Leben erhalten bleibt, nachdem der letzte
Brüderbischof, J. A.Comenius Fulnek verlassen muss und ins Exil geht.
Die Ausstellung zeigt auf, wie sich aus der alten Brüderkirche, die 1622 verboten wird, ein
Jahrhundert später auf den Lausitzer Besitzungen des Grafen Zinzendorf die weltweite
erneuerte Brüdergemeinde entwickelt. Es ist besonders der Beitrag einzelner Kuhländler
Gemeinden wie Kunwald und besonders Zauchtel, die durch die Auswanderung ihrer
evangelischen Bevölkerung diese neue Kirche entstehen lassen.
David Zeisberger ist am 21.4.1821 in Zauchtel geboren. 1726 wandern seine Eltern mit
ihren Kindern auf die Zinzendorfschen Güter in die neu gegründete Siedlung Herrnhut aus.
Der junge David fällt durch sein Sprachentalent auf. So wird er zur weiteren Ausbildung in
die Herrnhuter Kolonie Herrendyk in Holland geschickt.
Mittlerweile sind seine Eltern in die brüderische Kolonie in Georgia ausgewandert. David
organisiert nun seine Überfahrt nach Amerika selbst.
Wegen spanisch-englischer Kriegshandlungen müssen die Brüder die englische Kolonie
Georgia verlassen und David Zeisberger kommt in die neu gegründete brüderische
Siedlung Bethlehem in Pennsylvanien. Dort lernt er verschiedene Indianersprachen.
Dann beginnt sein mehr als sechs Jahrzehnte dauerndes Wirken unter verschiedensten
Indianerstämmen des nordöstlichen Amerika.
Zuerst sind es Irokesenstämme und die Mohawk-Indianer. Als mit Ende des 7-jährigen
Krieges die Indianer nach Westen umgesiedelt werden, folgt Zeisberger ihnen. Es folgt die
Blüte der Missionsstationen am Ohio. Dort verwenden die christlichen Indianer seine
Übersetzungen von Liedern und Teile des Neuen Testamentes in der täglichen Arbeit.
Daneben steht er als Übersetzer bei den Verhandlungen zwischen den Indianern und den
Siedlern zwischen allen Fronten. 1778 übersetzt er den Delaware-Indianern einen Vertrag,
der auf dem Gebiet der neu gegründeten USA einen eigenen Indianerstaat und staatliche
Entwicklungshilfe vorsieht.
Die Tinte war kaum eingetrocknet, da wurde der Delawarenhäuptling von der
amerikanischen Armee ermordet. Der Vertrag von Fort Pitt kam im amerikanischen
Kongress nie zur Abstimmung.
Erhalten geblieben sind die Lexika und Übersetzungen David Zeisbergers. Er übersetzt
nicht nur Teile des Neuen Testamentes, sondern auch Kirchenlieder von Graf Zinzendorf
und ein medizinisches Lehrbuch zum Gebrauch für die Indianerkinder.
Immer wieder müssen zerstörte Missionsstationen an neuen Orten unter schwierigen
Bedingungen neu aufgebaut werden. Durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
werden die Mährischen Indianer auf kanadisches Gebiet vertrieben. Erst am Ende seines
Lebens kehrt Zeisberger mit seinen christlichen Indianern auf amerikanisches Gebiet
zurück. Er gründet seine letzte Missionsstation Goshen im US-Bundesstaat Ohio. Dort ist
er vor 200 Jahren, am 17.11.1808 im hohen Alter friedlich entschlafen.
12
Wenige Jahre später verlieren sich die Spuren der Mährischen Indianer in den Weiten des
nordamerikanischen Subkontinentes.
„Ach! In wenigen Jahren vielleicht werden jene Völker von der Oberfläche der Erde
gänzlich verschwunden seyn und nicht mehr wird man sich von ihnen erinnern als, dass
sie vorhanden waren, und unter die Barbaren gerechnet wurden...Es müsse denn
wenigstens nicht gesagt werden, daß unter allen den Menschen von weißer und
christlicher Abkunft, auch nicht ein einziger gefunden wurde, der es unternehmen wollte,
ihren mancherley vortrefflichen Eigenschaften Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen und
ihrem Andenken ein geringes schwaches Denkmal zu errichten.“
schreibt wenige Jahre nach seinem Tod sein Schüler Heckewelder.
Ohne sein Wirken hätten wir wohl heute kaum mehr ein Wissen von der Kultur und den
Sitten einiger untergegangener Indianerstämme des Nordosten Amerikas.
(Horst Schinzel, München)
Wie bereits in der Osterausgabe unserer Zeitschrift angekündigt wird anlässlich des 200.
Todestages von David Zeisberger diese Ausstellung über sein Leben und Wirken, die von
unserem 2. stellvertretenden Vorsitzenden der JMG, Herr Horst Schinzel. in den
vergangenen Monaten zusammengestellt wurde, an verschiedenen Orten gezeigt werden.
Sie wurde beim Jahrestreffen der Kuhländler am 28. September 2008 in Ludwigsburg zum
ersten Mal gezeigt.
Sie wird beim Sudetendeutschen Tag 2009 an Pfingsten in Augsburg zu sehen sein. Als
weitere Ausstellungsorte stehen bis jetzt fest das Schloss Zinzendorf in Berthelsdorf
(Herrnhut) und das Haus des Deutschen Ostens in München. Die Ausstellung wird noch
an weiteren Orten in Deutschland und in der Tschechischen Republik zu sehen sein. Wir
werden in der Osterausgabe 2009 von Glaube und Heimat noch die genauen Zeiten und
Ausstellungsorte bekannt geben.
13
Glagolitische Pilgerfahrt mit Professor Dr. Grulich
Als Dank für seine Genesung unternahm Prof. Grulich zusammen mit sudetendeutschen
Nonnen im Mai 2008 eine Pilgerfahrt zu glagolitischen Orten in Istrien. Die Evangelischen
Sudetendeutschen haben sich den Glückwünschen angeschlossen.
Die glagolitische Schrift bildet die Verschriftlichung der slawischen Sprache durch den
byzantinischen Missionar Konstantin-Cyrill im 9. Jahrhundert. Aus dieser glagolitischen
Urform haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Formen des glagolitischen bzw. des
besser bekannten kyrillischen Alphabetes herausgebildet.
Nachdem die kroatischen Gebiete unter ungarische Hoheit gelangten, wurde zunehmend
die westliche lateinische Sprache mit dem römischen Ritus mehr oder weniger gewaltlos
eingeführt. So kam es, dass das heute so katholische Kroatien seinen Höhepunkt der
nationalen Geschichte im Schoße des östlichen Christentums feiern konnte, während das
bereits damals verfeindete Serbien seine erste Königskrone aus Rom bezog. Die
Anhänger des glagolitischen Ritus sahen sich zunehmend gezwungen, sich in unwegsame
Küstenregionen zurückzuziehen.
Die byzantinischen Slawenapostel Cyrill und Method hatten auch Mähren missioniert. Nur
die gewaltsamen Eingriffe der Freisinger und Salzburger Bischöfe verhinderten, dass
heute noch im Prager Veitsdom die große Liturgie des Hl. Chrysostomus aus dem 5.
Jahrhundert wie in den Ostkirchen gefeiert wird.
Kaiser Karl IV. hatte in seiner Jugend die glagolitische Liturgie kennen gelernt. Mit
päpstlicher Zustimmung siedelt er glagolitische Mönche von der Insel Pasman in der
Prager Vorstadt, im Emmaus- oder Slawenkloster an. Noch heute thront das im 2.
Weltkrieg zerstörte und wieder aufgebaute Kloster über der Moldau. Im 15. Jahrhundert
interpretierte man dort die Predigten des Hussitenbischofs Rocycana und damit wurde die
Gruppe um Bruder Gregor zur Keimzelle der Böhmischen Brüder.
Doch damit zurück nach Istrien. Versteckt im Inneren der Halbinsel, abseits der
Touristenströme, liegt Hum, die kleinste Stadt der Welt. Als die Reisegruppe die
glagolitische Allee mit dem Tisch von Cyril und Method, der Kathedra von Klemens von
Ohrd abschreiten wollte, öffnete der Himmel des Balkans seine Pforten. Die aus dem
Gebirge völlig durchnässte Reisegruppe erreichte die Küstenregion, wo ein weiterer
Höhepunkt, die ehrwürdige frühbyzantinische Euphrasius-Basilika von Poreč wartete und
die Sonne Istriens die Gewänder wieder trocknen ließ
Am nächsten Tag wartete die Insel Krk, die Wiege der glagolitischen Kultur.
(Horst Schinzel, München)
14
Aus der Reformation hervorgegangen:
Böhmische Brüderkirche begeht 90. Jubiläum
Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder ist zurzeit die zweitgrößte Kirche in
Tschechien. Ihre Wurzeln liegen in der Böhmischen Reformation in der Utraquisten-Kirche
und der Brüderunität. Eine vereinigte evangelische Kirche der Böhmischen Brüder gibt es
jedoch erst seit 1918. Aus diesem Anlass wurde am 20. November 2008 der
Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) von Martina
Schneibergová (M.S.) im Auftrag von Radio Prag interviewt. Wir veröffentlichen dieses
Interview, wie es von Radio Prag ausgestrahlt wurde, wörtlich:
M.S.
Was verbirgt sich hinter diesem 90. Jubiläum, wie entstand die Kirche?
Ruml:
Seit 1781 gab es hier die beiden reformierten Kirchen, das heißt, die
evangelisch-lutherische Kirche und die helvetische reformierte Kirche, als
separate Kirchen. Dies hatte verschiedene politische und andere Gründe. Aber
in den Seelen der tschechischen Gläubigen lebte immer der Wunsch, auch die
tschechische Reformation in der Bezeichnung der Kirche zu nennen. Nach dem
1. Weltkrieg wurde diese Idee in die Tat umgesetzt und es entstand diese
Kirche als vereinigte Kirche, die alle Reformationstraditionen umfasst: die
lutherische Konfession, die helvetische Konfession und die beiden
böhmischen Konfessionen.
M.S.
Wie viele Mitglieder hat heutzutage Ihre Kirche und wie überlebte sie den
Kommunismus?
Ruml:
Die Kirche hat etwa 120.000 Mitglieder, die in etwa 260 lokalen Kirchengemeinden
leben. Die Existenz der Kirche war während der kommunistischen Zeit ähnlich wie
bei den anderen Kirchen während des Kommunismus, nicht nur in der
Tschechoslowakei, sondern auch im ganzen damaligen Ostblock. Manchmal war
es wirklich sehr schwierig. Wir haben gewusst, dass es außen die Bedrohung
durch die kommunistische Ideologie gibt, aber innerhalb der Kirche konnten wir
frei sein und wir lebten in sehr guten gegenseitigen Beziehungen.
M.S.
Die Kirche der Böhmischen Brüder hat zur Aussöhnung zwischen Tschechen und
Deutschen bedeutend beigetragen. Sie gab nach der Wende auch ein wichtiges
Buch zu diesem Thema heraus. Kommen Sie manchmal noch auf diesen Text
zurück?
Ruml:
Das Dokument half der Erweiterung der Beziehungen zwischen unseren Kirchen.
Ich bin sehr dankbar für diesen Prozess, der vor 13 bis 14 Jahren begann. Heute
können wir nur noch fortsetzen. Die Beziehungen zu den deutschen evangelischen
Kirchen sind wirklich sehr gut.
M.S.
Was bereiten Sie zu dem bevorstehenden Jubiläum vor, zu dem u.a. einige
Bücher und eine Sonderausgabe der Bibel erscheinen?
Ruml:
Wir bereiten verschiedene Programme vor. An der evangelischen theologischen
Fakultät der Karlsuniversität wird am Freitag (21.11.2008) eine internationale
Konferenz veranstaltet. Am Freitagabend gibt es ein Konzert zum Geburtstag der
Kirche und am Samstag (22.11.2008) treffen wir in der Salvatorkirche in der Prager
Altstadt zusammen. Wir erwarten etwa 60 Gäste aus 20 Kirchen aus dem Ausland.
Darunter sind Gläubige aus ganz Europa sowie aus den USA. Aus Deutschland
werden, meiner Meinung nach, 20 bis 30 Vertreter verschiedener evangelischer
Kirchen nach Prag kommen.
15
Bedauerlich an dem Interview ist, dass mit keinem Wort die Deutsche Evangelische Kirche
in Böhmen, Mähren und Schlesien erwähnt wird, die als "Schwesterkirche" 1919 auf dem
Boden der damaligen ersten tschechoslowakischen Republik entstanden ist. Es werden
auch nur die guten Beziehungen zu den deutschen evangelischen Kirchen angesprochen,
nicht aber die Bemühungen unzähliger vertriebener evangelischer Sudetendeutscher, die
sich intensiv um die deutsch-tschechische Versöhnung bemühen. So besteht z.B. an der
Friedenskirche in Eger/Cheb seit Juli 1999 eine deutsch-tschechische Versöhnungsarbeit
zwischen der heutigen evangelischen Gemeinde der Böhmischen Brüder und deutschen
Vertriebenen, die einst Mitglieder der deutschen Gemeinde der Friedenskirche waren.
Viele evangelische Kirchen im ehemaligen Gebiet des Sudetenlandes wurden vor allem
mit Spendengeldern der vertriebenen Gemeindeglieder, die trotz allen Schmähungen,
Mißhandlungen und Enteignungen während der Vertreibung niemals ihre inneren
Beziehungen zu ihrer Heimatkirche aufgegeben haben. Sie fühlen sich mit verantwortlich
für die Erhaltung dieser Gotteshäuser.
Unser Mitglied, Herr Horst Schinzel, hat bei den Feierlichkeiten anlässlich des
Gründungsjubliäums vor 90 Jahren in Prag einen Brief der Johannes-MathesiusGesellschaft-Evangelische Sudetendeutsche e.V. der Kirchenleitung der Evangelischen
Kirche der Böhmischen Brüder mit folgendem Wortlaut übergeben:
An die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder
Liebe Brüder und Schwestern,
am Tag des Wittenberger Reformationsfestes am 31. Oktober habe ich das
Archiv der Johannes-Mathesius-Gesellschaft aus der österreichischen
Geheimprotestantengemeinde
Fresach
in
das
Bayerische
Hauptstaatsarchiv in München überführt.
Ich habe noch keine Zeit gefunden, die Dinge genauer anzusehen. Aber,
wie mir scheint, befinden sich darunter auch Dinge, die mein Herz betrübt
haben.
Ich habe bereits Herrn Dr. Morée von der Theologischen Fakultät
eingeladen, die Unterlagen zu studieren. Anlässlich der 90-JahrFeierlichkeiten lade ich die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder
herzlich ein, das Schriftgut mit uns auszuwerten und so die Zeit der
Trennung gemeinsam theologisch zu reflektieren, gemäß einem Wort von
Johann Amos Comenius aus dem "Vermächtnis der sterbenden Mutter,
der Brüderunität":
"Unsere Heimat ist der Himmel und so wollen
wir uns auch mit himmlischen Dingen beschäftigen."
Horst Schinzel
(Johannes-Mathesius-Gesellschaft/
Evangelische Sudetendeutsche)
Wir sind sehr gespannt auf die Reaktion der EKBB auf diesen Brief. Wir werden
darüber ausführlich berichten.
(Horst Schinzel, München
Johanna Gerstberger, Ludwigsburg)
16
Mitglieder- und Jahreshauptversammlung 2009
Die nächste Mitgliederversammlung und die Jahreshauptversammlung finden
vom 1. bis 3. Mai 2009
in Herrnhut in Sachsen
statt.
Am 25./26. Oktober 1919 wurde in Thurn die Deutsche Evangelische Kirche in Böhmen,
Mähren und Schlesien gegründet. Sie wurde mit Wirkung vom 4. Mai 1945 durch die
damalige Tschechoslowakei durch Gesetz liquidiert. Auch wenn unsere Kirche offiziell seit
diesem Zeitpunkt nicht mehr besteht, wollen wir in der Jahreshauptversammlung dieses
Jubiläum zum Schwerpunktthema unter dem Thema "Deutsche Evangelische Kirche in
Böhme, Mähren und Schlesien – Rückblick und Ausblick –" machen. Wir konnten bereits
namhafte Referenten aus Deutschland und Tschechien, u.a. von der Evangelsichen
Theologischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag als Referenten gewinnen. Es wird
sicherlich eine sehr interessante Veranstaltung werden.
Diese Thema soll zugleich auch unsere Antwort auf die Jubiläumsfeierlichkeiten der
Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder vom 21. – 23. November 2008 in Prag sein.
Wir laden schon heute dazu ganz herzlich ein. Bitte merken Sie sich den Termin vor.
Besondere Einladungen mit dem genauen Programm folgt in der Osterausgabe 2009 von
"GLAUBE UND HEIMAT".
17
Ruhestätte für die deutschen Kriegstoten von Aussig
Wir haben in den letzten Ausgaben von "Glaube und Heimat" mehrfach über die
Probleme, die mehr als 4 000 Kriegstoten von Aussig in Tschechien würdig zu bestatten,
berichtet. Nach Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Stadt Eger und dem Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Mai diesen Jahres wurde im Juli mit dem Bau der
Friedhofserweiterung begonnen.
Nach einer Meldung von Radio Prag wurde mit einer Gedenkveranstaltung am 19.
November 2008 auf dem Friedhof in Eger die Beisetzung der sterblichen Überreste
deutscher Soldaten begonnen, die während des 2. Weltkriegs auf dem Gebiet der
heutigen Tschechischen Republik gefallen sind. Insgesamt sollen 5 500 deutsche
Kriegstote in Eger/Cheb bestattet werden.
Auf dem neuen Kriegsgräberfriedhof wurden an diesem Tag 450 vorwiegend unbekannte
Soldaten beigesetzt. Der Bürgermeister von Eger/Cheb Jan Svoboda sagte, es sei nach
63 Jahren an der Zeit gewesen, die Gefallenen beizusetzen.
Der Kriegsgräberfriedhof, der für alle Opfer des Krieges bestimmt ist, wurde neben dem
bestehenden städtischen Friedhof errichtet. Die Kosten trägt die deutsche Seite, die mit
24,6 Millionen Kronen (etwa 1 Million Euro) zur Instandsetzung des städtischen Friedhofs
beitragen wird.
Nach einer Verlautbarung der dpa schließt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
damit seine Aktivitäten in Tschechien ab.
(Johanna Gerstberger, Ludwigsburg)
18
Ein Plan zur Entschädgigung der Kirchen
in der Tschechischen Republik
In der Osterausgabe hatten wir unter diesem Titel eine sehr ausführliche Darstellung von
unserem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Pfarrer Christof Lange, aus Prag zur der
geplanten Entschädigung der Kirchen gebracht. Es geht dabei um 83 Milliarden
Tschechischer Kronen (etwa 3,3 Milliarden Euro), die innerhalb von 60 Jahren ausbezahlt
und mit 4,85 % jährlich verzinst werden sollten. Die Kirchen hätten im Ergebnis 267
Milliarden Kronen (etwa 10,7 Milliarden Euro) erhalten sollen.
Nach Mitteilung von Radio Prag hat sich das tschechische Abgeordnetenhaus im Frühjahr
mit diesem Vertrag beschäftigt und ihn in der ausgehandelten Form abgelehnt. Im Juni hat
das Abgeordnetenhaus eine Kommission eingesetzt, die sich mit der umstrittenen
Entschädigung befassen soll.
Die Kommission verlangte Einblick in die Verhandlungsprotokolle zwischen der Regierung
und den Kirchen. Die Gegner der Entschädigung sind der Ansicht, dass das Kabinett mit
falschen Zahlen operiert und den Kirchen zu große Zugeständnisse gemacht hat. Es war
geplant, dass das Ergebnis der Kommission bis Ende des Jahres vorliegen soll. Bisher ist
darüber nichts bekannt geworden.
(Johanna Gerstberger, Ludwigsburg).
19
Herzlichen Dank!
Der Vorstand dankt allen Mitgliedern und Freunden für die Spenden, die im Laufe des zu
Ende gehenden Jahres überwiesen wurden. Diese Zuwendungen helfen uns sehr, unser
Wirken für das Anliegen der Evangelischen Sudetendeutschen weiterhin zu bewahren und
fortzusetzen.
Wir weisen noch einmal auf die Änderungen im Steuerrecht hin. Finanzielle Zuwendungen
werden auch ohne besondere Spendenbescheinigung von den Finanzämtern
steuerbegünstigend anerkannt, wenn der Steuerpflichtige die Zuwendung durch eine von
der Bank abgestempelte Überweisungsdurchschrift oder einen Kontoauszug nachweisen
kann.
Auf den Überweisungsvordrucken, die dieser Ausgabe von "GLAUBE UND HEIMAT"
beigefügt sind, ist auf der Rückseite wieder die Anerkennung unserer Tätigkeit als mildtätig
(wissenschaftlich) durch das Zentralfinanzamt in Nürnberg vermerkt.
Die Mitgliederversammlung hat im Mai in Heilsbronn beschlossen, dass wir für
Zuwendungen von ab100 Euro im Einzelfall oder von Zuwendungen im Kalenderjahr ab
100
Euro
insgesamt
nach
Ablauf
des
Kalenderjahres
unaufgefordert
Spendenbescheinigungen ausstellen. Wir weichen damit von den steuerrechtlichen
Bestimmungen ab, die die Spendenbescheinigungen erst bei Zuwendungen von mehr als
200 Euro vorsehen.
Sollte jemand darüber hinaus eine Spendenbescheinigung benötigen, teilen das bitte
unserer Schatzmeisterin
Frau Johanna Gerstberger
Schumannstr. 28
71640 Ludwigsburg
Tel. 07141/87 58 17
mit.
20
Johannes – Mathesius – Gesellschaft
Evangelische Sudetendeutsche e.V.
im Internet
Wir erinnern noch einmal an unsere Internetseite
http//www.volny.cz/mathesius
Sie finden vor allem unter den Rubriken Kirchengeschichte und Aktuellles interessante
Beiträge zur Reformationsgeschichte und zur Geschichte der Deutschen Evangelischen
Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien. Der Inhalt unserer Website wird immer wieder
durch neue Beiträge aktualisiert. So finden sie z.B. in der Rubrik Kirchengeschichte neu
den Vortrag von Dr. Jiři Just aus Prag "Neue Forschungen zur Reformationsgeschichte",
den er bei der Jahresversammlung 2008 gehalten hat.
Wir werden regelmäßig in "Glaube und Heimat" auf Beiträge, die neu in unsere Website
neu aufgenommen wurden, hinweisen.
(Johanna Gerstberger, Ludwigsburg)
21
Unsere Anschrift lautet:
Johannes – Mathesius - Gesellschaft
Evangelische Sudetendeutsche e.V.
Herrn Honorarkonsul i.R. Karlheinz Eichler
Bahnstraße 16, 04416 Markkleeberg
Tel./Fax. 0049(0)34299/75270
E-Mail: [email protected]
Internet: http//www.volny.cz/mathesius
Wir bitten ganz herzlich um Spenden für die Finanzierung
der Weiterführung unserer Arbeit.
Johannes – Mathesius – Gesellschaft Evangelische Sudetendeutsche e.V.
Bankhaus J. Faisst, Wolfach, Kontonummer: 12104 (BLZ 664 327 00)
IMPRESSUM:
"GLAUBE UND HEIMAT" ist das Mitteilungsblatt der
Johannes – Mathesius – Gesellschaft Evangelische Sudetendeutsche e.V.
Herausgegeben von Honorarkonsul i.R. Karlheinz Eichler,
Bahnstraße 16, D 04416 Markkleeberg
Zusammenstellung und Layout:
Johanna Gerstberger, Schumannstraße 28, 71640 Ludwigsburg
REDAKTIONSSCHLUSS FÜR DIE OSTERAUSGABE 2 0 0 9
15. Feburar 2009
Diesen Termin bitte unbedingt einhalten
Herunterladen