Auf den Spuren reformatorischer Stätten in Südböhmen und Südmähren Eindrücke von der Bildungsreise unserer Gemeinde im Oktober 2012 Ceský Krumlov (Krumau) „Perle des Böhmerwaldes“ oder „Venedig an der Moldau“ wird das Städtchen an der Moldau genannt. Wir schlendern durch malerische Gässchen, besichtigen sehenswerte Kirchen, vorbei am Bärengraben und genießen im Schloss unseren Nachmittagskaffee mit böhmischer Mehlspeise. Abschluss unseres ersten Tages bietet eine eindrucksvolle Führung durch die Krummauer Brauerei. Ceské Budejovice (Budweis) Im Bezirk Südböhmen gibt es heute noch acht Gemeinden der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB). Eine davon befindet sich in der größten Stadt des Bezirkes in Ceské Budejovice. Die Stadt war bis Ende des 18. Jhdt. stark katholisch geprägt, doch die Zahl der Deutschen Einwohner stieg. Im Jahr 1900 wurde eine Filialgemeinde der Böhmischen Brüder gegründet und die Zahl der Mitglieder stieg rasch an. Das heutige Kirchengebäude war bis nach dem Zweiten Weltkrieg die Kirche der Deutschen Evangelischen und wurde nach dem Krieg von der EKBB erworben. Im ersten Stock befindet sich der heutige Betsaal in dem regelmäßig Gottesdienste, Pfarrkonvente, Hochzeiten und aber auch der Kirchenkaffee stattfindet. Das Gebäude beherbergt auch die Pfarrwohnung und Gemeinderäume in denen Bibelstunden und Jungend- und Kinderveranstaltungen stattfinden. Es gibt auch Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste. Jindrichuv Hradec (Neuhaus) Das historische Städtchen Jindrichuv Hradec liegt mitten im Grünen. 1904 ist hier eine evangelische Filialgemeinde entstanden und bereits 1906 wurde die Kirche feierlich eingeweiht. Die Kirchengemeinde selbst ist erst im Jahr 1921 entstanden. Die Kirche ist ein architektonisch interessanter Bau im Jugendstil mit Elementen der Neugotik und der traditionellen Architektur. Die Kirche wurde später noch erweitert und umgebaut, aber ihr Charakter blieb erhalten. Die Gemeinde ist heute mit ihrem modernen Pfarrhaus mit Betsaal und anderen Gemeinderäumen sehr aktiv und offen. Velká Lhota Das Dorf Velká Lhota befindet sich im Osten des Bezirks Südböhmen – in der Walachei. Dieses Dorf bietet einen einmaligen Anblick. Wenn man von der nächsten Anhöhe auf das Dorf herabblickt bietet sich ein besonderer Blick. Die Straße geht bergab und verliert sich auf dem gegenüberliegenden Hügel zwischen zwei Kirchen, mit zwei Türmen und auch zwei Pfarrhäusern. Es sind zwei evangelische Kirchen. Die ältere der beiden stammt aus der Zeit des Toleranzpatentes durch Josef II – aus 1783. Bis dahin trafen sich die evangelischen Christen dieser Gegend nur heimlich. Jedoch durch das Toleranzpatent musste man sich nun entweder zur lutherischen oder zur reformierten Kirche bekennen und nicht zu den eigenen Wurzeln in der böhmischen Reformation. Zuerst bekannte man sich zur lutherischen Kirche. Als jedoch dann die Möglichkeit bestand, sich auch zur reformierten Kirche zu bekennen, entstand neben der bereits bestehenden lutherischen Gemeinde nun auch eine reformierte Gemeinde. Denn der reformierte Glaube lag den evangelischen Tschechen näher. Anfangs nutzten sie gemeinsam das lutherische Bethaus. Jedoch 1868 begann man gegenüber die reformierte Kirche zu bauen und sie wurde 1873 eingeweiht. Beide Kirchen erhielten nachträglich auch einen Turm mit Glocke, das inzwischen auch erlaubt war. Das sogenannte Evangelische Toleranzareal ist heute denkmalgeschützt und beheimatet einen Lehrpfad und die Ausstellung: „Die böhmische Reformation im europäischen Kontext“. Brno (Brünn) Die zweitgrößte Stadt der Tschechischen Republik und Verwaltungszentrum des Bezirks Südmähren ist Brno. 1945 waren noch ein Viertel der Einwohner Deutsche. Die Lehre Luthers gelang bereits im 16. Jhd. unter die deutschen Bürger und wenig später auch die Lehre Calvins unter die tschechischen Protestanten aus Brno und verbreitete sich schnell. Jedoch erst das Toleranzpatent von 1781 brachte schließlich zumindest teilweise religiöse Freiheit. 1782 wurde eine lutherische Gemeinde der Deutschen Evangelischen Kirche gegründet und 1863-1867 auf dem späteren Comenius-Platz eine Kirche gebaut (nach den Plänen des Wiener Architekten Heinrich von Ferstel). Die Christuskirche aber auch „Rote Kirche“ genannt ist dreischiffig neugotisch und hat einen eindrucksvollen Innenraum mit marmorner Kanzel und einer bemerkenswerten Orgel aus1887. Miroslav (Misslitz) Die letzte Station auf unserer Reise. Knapp 50 km von Brno entfernt liegt der malerische Ort zwischen Weinstöcken und Marillenbäumen. Bereits im Mittelalter wurde der Wein von Miroslav nach Wien geliefert und auch heute noch wird hier Wein von höchster Qualität produziert. Schon immer wohnten hier Deutsche und Tschechen nebeneinander. Nach der Vertreibung der Juden aus Brno im 15. Jhdt. entstand eine große jüdische Gemeinde. Nach dem zweiten Weltkrieg mussten allerdings die Deutschen den Ort verlassen und von der jüdischen Gemeinde kam niemand mehr zurück. Es kam zum Bevölkerungsaustausch und Menschen aus Böhmen, Mähren und der Slowakei zogen nach Miroslav. Heute ist Miroslav ein dynamischer und gastfreundlicher Ort. Nach dem Erlass des Toleranzpatents gehörten die evangelischen Christen zur Kirchengemeinde Nosislav. Die eigenständige Gemeinde entstand erst 1850 und das Toleranzbethaus wurde auf einem Hügel am Ortsrand gebaut. Das Gemeindehaus wurde 1851 errichtet und wird nach späteren Umbauten heute als Pfarrwohnung genutzt. Ein Turm wurde nie hinzugefügt. Die Gebäude sind von einem schönen gepflegten Garten umgeben und eine alte Birke verdeckt sogar teilweise die Fassade. Später wurde noch ein Seitenanbau an das Bethaus hinzugefügt, der heute als Gemeindesaal genützt wird, wo auch wir sehr herzlich empfangen werden. Text und Fotos: Elisabeth Lillich-Unger Quelle für historische Hintergründe: http://www.pamatky-cz.eu/de/