1. Der Begriff „Bauchtanz“ Der Begriff "Bauchtanz" geht zurück auf den französischen Schriftsteller und Orientreisenden Emile Zola, der den Tanz 1880 aus der prüden Sichtweise des 19. Jahrhunderts heraus beschrieb. Er übersetzte nicht den ursprünglichen Begriff "Raks Sharki", was soviel wie "Östlicher Tanz" oder "Tanz des Ostens" bedeutet, sondern benannte den Tanz nach den für ihn augenscheinlichen Bewegungen des Bauches: "Danse du ventre". Dieser wurde dann von den Amerikanern anläßlich des ersten Auftritts einer Tänzerin bei der Weltausstellung 1893 in Chicago als "belly dance" in englischsprachige übersetzt. Bereits 1899 taucht der Begriff "Bauchtanz" in der deutschsprachigen Literatur auf und hat sich seitdem als Sammelbegriff und allgemein gebräuchlicher Terminus etabliert. Viele verschiedene Tanzstile werden daher bis heute einfach pauschal unter dem Oberbegriff Bauchtanz zusammengefaßt. Auch wenn der Begriff des "Bauchtanz" bis heute weitaus gebräuchlicher und bekannter ist, bevorzugen die meisten Tänzerinnen doch den Ausdruck "Orientalischer Tanz", da der Begriff "Bauchtanz" zum einen irreführend ist (bewegt wird eben nicht nur der Bauch, sondern vor allem die Beine, Becken, Arme, Hände, Kopf) und zum anderen immer noch mit vielen Vorurteilen besetzt ist. Aus den gleichen Gründen verwenden viele englischsprachige Tänzerinnen lieber den Begriff "middle eastern dance" oder auch "oriental dance", und im französischen Sprachraum ist zum ursprünglichen Bezeichnung "danse du ventre" der Ausdruck "danse orientale" dazu gekommen. In Ägypten ist der Tanz bis heute als "Raks Sharki" (Raqs Sharqi) bekannt, wohingegen der volkstümliche Tanz als "Raks Baladi" bezeichnet wird. In Persien (Iran) spricht man vom "Raks Arabi" oder einfach als "Arabic Dance". In Griechenland kennt man den "cifte telli", in der Türke dens "gobek dans" oder "rakkase". 2. Einführung in die Geschichte des OT Die Wurzeln des orientalischen Tanzes Über die Ursprünge und Entstehungsgeschichte des orientalisches Tanzes (Bauchtanz) gibt es viele Vermutungen, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse liegen jedoch kaum vor. Allgemein wird jedoch angenommen, dass dieser Tanz aus dem Fruchtbarkeitsritus entstanden ist und zu den ältesten Tänzen der Welt gehört. Viele prähistorische Skulpturen und Felsmalereien belegen, dass Tanz bereits in den frühesten Kulturen eine wichtige Rolle gespielt hat. Von Indien über den Orient bis hin zum Balkan und dem Mittelmeerraum finden sich immer wieder Zeugnisse von rituellen oder religiösen Tänzen, die sich mit der Verehrung des ewig Weiblichen und der Muttergöttin befassen. Inwieweit diese Fruchtbarkeits-, Geburts- und Tempeltänze Ähnlichkeit mit dem uns heute bekannten Bauchtanz hatten bzw. haben, ist ungekannt, unverkennbar sind jedoch die lustbetonten und sinnlichen Bewegungen des Beckens und der Hüfte des orientalischen Tanzes bis heute. Auch im alten Ägypten hatte der Tanz einen hohen Stellenwert. So fand man zahlreiche Wandmalereien, auf denen Tänzerinnen und Musiker in Posen abgebildet sind, die Ähnlichkeit mit denen des orientalischen Tanzes haben. Im Laufe der Zeit scheint sich der Tanz dabei von seiner ursprünglichen, rituellen Bedeutung zunehmend zu einer Form der Unterhaltung weiterentwickelt zu haben. Durch die Ausbreitung des Christentums im Mittelmeerraum und dem Siegeszug des Islam in den orientalischen Ländern - zwei Religionen, die der Körperlichkeit zumindest recht zwiespältig gegenüber stehen - wird der Tanz zunehmend aus dem öffentlichen und kulturellen Leben und somit auch aus den Geschichtsbüchern verbannt. Die Orientalisten Danach finden sich die nächsten Quellen und Berichte über den orientalischen Tanz in den Erzählungen und Zeichnungen der Orientreisenden des 19. Jahrhunderts wie z.B. Gustave Flaubert und Lady Mary Montagu. Bei der Interpretation dieser Quellen sollte man jedoch nicht vergessen, dass diese zum einen stark vom Verklärten Blick der Europäer auf den Orient und zum anderen dem kolonialistischen Weltbild und den strikten christlichen Moralvorstellungen dieser Zeit unterliegen. Die Aufzeichnungen der Reisenden berichten dabei von den sog. Ghawazi, Frauen, die der Volksgruppe der Zigeuner angehörten, und auf öffentlichen Plätzen und Orten auftraten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese waren zwar beim einfachen Volk beliebt, bei der Obrigkeit jedoch eher verpönt. In den reichen, vornehmen Häusern dagegen waren die Almeh gern gesehene Gäste - Frauen, die sowohl in Musik wie auch Tanz und Poesie hochgebildet waren und als professionelle Unterhalterinnen fungierten. Jedoch lastete bei aller Anerkennung und Bewunderung auch diesen Frauen ein gewisses Stigma an, das sich (nicht nur im Orient) bis heute gehalten hat: Bauchtänzerinnen waren und sind keine Frauen zum Heiraten. Der Tanz im Orient Dennoch gehört der orientalische Tanz bis heute untrennbar zu vielen Feierlichkeiten und Festen in der arabischen Welt sowie in den Maghreb-Staaten und der Türkei. Handelt es sich um eine wohlhabende Familie, wird zur Hochzeit oder Beschneidung eine bekannte Startänzerin engagiert, verfügt man nicht über das entsprechende Kleingeld, tanzt man eben selbst. Die heutige Form des Solotanzes entstand mit der Zeit aus den verschiedenen Folklore- und Gruppentänzen und tauchte erstmals in den 20er Jahren in Ägypten auf, als die bekannte Künstlerin Badia Masabni nach Vorbild der westlichen Varietés das legendäre Casino Opera als erstes Kabarett eröffnete. Die neu konzipierte Bühnensituation bedingte eine Weiterentwicklung des bisherigen Tanzes: Zu den traditionellen Hüftbewegungen kamen nun auch raumgreifendere Schrittfolgen sowie verschiedenste Bewegungen mit Armen, Händen, Schultern und Kopf dazu. Viele berühmte Solotänzerinnen der ersten Stunde wurden nicht nur von Badia Masabni unterrichtet, sondern begannen auch ihre Karriere im Casino Opera, u.a. die legendären Stars Tahia Carioca und Samia Gamal. In den 30er und 40er Jahren erreichte der Tanz dadurch einen so hohen Stellenwert, dass man bis heute vom "goldenen Zeitalter des orientalischen Tanzes" spricht. Wie kam der orientalische Tanz in den Westen? Nachdem bereits die Ägyptenreisenden des 19. Jahrhundert mit ihren Berichten die westlichen Phantasien über den Orient geweckt hatten, war der Auftritt einer bis dato unbekannten Tänzerin bei der Weltausstellung 1893 in Chicago eine Sensation. "Little Egypt", die eigentlich Farida Mahzar hieß und aus Syrien stammte, kam anfänglich beim puritanischen, amerikanischen Publikum nicht gut an, jedoch entwickelten sich ihre Vorführungen bald zum Publikumsmagneten und waren stets von Schaulustigen umlagert. In Zeiten steifer Korsetts wurde bei diesem Tanz nicht nur die Füße und Beine, sondern auch der Torso und die Körpermitte bewegt - die westliche Welt war wahlweise schockiert oder fasziniert! Dies führte dazu, dass trotz mancher Entrüstung damit eine wahre "Orientwelle" ausbrach, innerhalb derer mancherlei Sehnsüchte und Träume von 1001 Nacht auf den Tanz projiziert wurden. Berühmte Interpretinnen dieser Zeit waren u.a. Mary Garden mit ihrem Tanz der sieben Schleier in "Salome", sowie Ruth S. Denis oder die legendäre "Mata Hari". Aufgrund des Umstandes, dass in der Folge viele weniger begabte Nachahmerinnen auftauchten sowie diese Form des Tanzes zu jener Zeit weiterhin als "höchst unanständig" galt, ebbte die Welle zunächst jedoch wieder ab. Hollywood und Orientalischer Tanz Nachdem der orientalische Tanz somit wiederum fast gänzlich von den westlichen Bühnen verschwunden war, sorgte Hollywood mit seinen Musicalfilmen im Stil von 1001 Nacht für ein Comeback der Orientbegeisterung. Interessanterweise beeinflußten gerade diese verklärten, kitschigen Darstellungen des Orients wiederum stark die Unterhaltungsindustrie Ägyptens, wo sich zur gleichen Zeit die typischen Tanzfilme entwickelten und rasch für große Begeisterung beim arabische Publikum sorgten. Gemäß den Vorbildern des Hollywoodstils trugen die Tänzerinnen oft europäische Haute Couture und waren auch entsprechend frisiert und zurecht gemacht. Die 60er Jahre Dennoch dauerte es bis Anfang der 60er Jahre, bevor "Belly Dance-Studios" in den USA eröffnet wurden - teils von westlichen Tänzerin, die im Orient mit diesem Tanz in Berührung gekommen waren, sowie teils von arabisch-stämmigen Einwanderern, die die Gunst der Stunde erkannten und diese nutzen wollten. Der Bellydance-Boom breitete sich in der Folgezeit unaufhörlich aus. Bauchtanzen war nicht nur etwas absolut Neues und Exotisches, sondern auch "in" und wurde als das Mittel gepriesen, den Mann zu interessieren und zu halten. Betrachtet man Titel dieser Zeit wie "The very sexy exercise" und "Make your husband a sultan", wird deutlich, wieso es sich beim orientalische Tanz bis heute um einen der am häufigsten mißverstandenen Tanzformen handelt und weshalb sich einige Vorurteile über Bauchtanz als "Anmache" und "getanzter Sex" bis heute hartnäckig halten. Die 70er/80er Jahre Interessanter war es vor allem die Zeit der sexuellen Revolution und die anschließende Welle der Emanzipation, die dafür sorgte, dass das Interesse am orientalischen Tanz nicht absondern sogar noch zunahm. Im Rahmen der Neuentdeckten und nunmehr selbstbestimmten Weiblichkeit entdeckten die Feministinnen den orientalischen Tanz. Bauchtanz als Methode der Selbsterfahrung und als Befreiung des weiblichen Körpers. Über den "Umweg" der USA kam der Bauchtanz nun auch nach Deutschland - zu einen durch Ehefrauen amerikanischer Soldaten, die hier stationiert waren, zum anderen durch deutsche Frauen, die in den USA gelebt und gearbeitet hatten und nun zurückkehrten. Frauengesundheitszentren und -bildungsstätten boten die ersten Kurse und Seminare an, erste Tänzerinnen unterrichteten in den großen Städten Deutschlands. Schnelle breitete sich der orientalische Tanz mehr und mehr aus, so dass die die "Bauchtanz-Welle" Mitte der 80er Jahre einen ersten Höhepunkt erreichte. War die Szene Anfangs noch klein und Zubehör wie Musik und Kostüme nur schwer zu bekommen, änderte sich dies in den 90er Jahren: Die Zahl der Tänzerinnen und Lehrerinnen nahm kontinuierlich zu, erste Studios für orientalischen Tanz wurden eröffnet, die ersten deutschsprachigen Bücher über Bauchtanz kamen auf den Markt und eine Fachzeitschrift für orientalischen Tanz wurde gegründet. Erste Festivals, bei denen die "Stars" der Szene aus dem In- und Ausland unterrichteten, boten die Möglichkeit der Weiterbildung und trugen zur Entwicklung der Szene bei. Orientalischer Tanz heute Heute ist das Interesse am orientalischen Tanz nahezu ungebrochen: Mittlerweile 60.000 Frauen, so schätzt man, beschäftigen sich derzeit in Deutschland hobbymäßig mit orientalischem Tanz. In jeder Stadt gibt es Volkshochschulen und Tanzstudios, die Kurse und Seminare für orientalischen Tanz anbieten, und kaum eine Feier findet statt, auf der nicht eine orientalische Tänzerin auftritt. Daneben gibt es mittlerweile eine Vielzahl verschiedener Veranstaltungen, Festivals, Kongresse, Basare und sogar Fachmessen für orientalischen Tanz in ganz Deutschland und Europa. 3. Körpergefühl, Gesundheit, Gefühle, Ausdruck, Erotik Orientalischer Tanz macht nicht nur Spaß, sondern trainiert auf sanfte Weise den ganzen Körper. Er ist ein ebenso wirksames wie umfassendes Fitnesstraining für Frauen (und Männer) aller Altersklassen. Die unterschiedlichen Bewegungen stellen einen hervorragenden Ausgleich zu den meist einseitig belastenden Tätigkeiten des Alltags dar. Kaum genutzte Muskeln werden allmählich wieder mobilisiert und das Gefühl und die Wahrnehmung für den eigenen Körper verbessern sich nachhaltig. Viele Frauen berichten von positiven Auswirkungen des Tanzes auf ihren Körper und ihre Psyche, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Verbesserung der Beweglichkeit und Flexibilität Training der Ausdauer und des Herz-Kreislauf-System Verbesserung der Haltung Training des Gleichgewichtssinns und Gleichgewichtsverbesserung durch Zentrierung Förderung der Koordination von Bewegungen Sanfte, aber wirksame Mobilisierung der Wirbelsäule Lösen von Muskelverspannungen und Verkrampfungen Aufbau eines gesunden Tonus des Torso-Muskelkorsetts Kräftigung besonders der Bein-, Bauch- und Rückenmuskulatur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur Linderung von Schmerzen vor allem u.a. im Bereich der Lendenwirbelsäule Weitere, häufig zu beobachtende Vorteile des orientalischen Tanzes sind: Förderung des Rhythmusgefühls, der Raumorientierung und Training des Gedächtnisses (z.B. bei Schrittfolgen und Bewegungskombinationen) sowie therapeutische Wirkung durch gezielt ausgewählte Musik und didaktische Darbietung des Unterrichtsmaterials. Wie bereits erwähnt ist der orientalische Tanz grundsätzlich für Frauen aller Altersklassen geeignet. So gibt es mittlerweile sogar spezielle Kurse für Kinder wie auch Senioren, und selbst in der Geburtsvorbereitung wird der Tanz genutzt, wobei die Bewegungen gezielt auf die Bedürfnisse von Schwangeren abgestimmt wird Durch die Fähigkeit der Isolation lernen die Teilnehmerinnen, bestimmte Muskelgruppen gezielt zu kontrollieren und so das Wechselspiel von "Anspannen" und "Loslassen" zu beherrschen. Beim orientalischen Tanz fühlen sich auch Frauen gut aufgehoben, die über keine Idealfigur verfügen. Beim Bauchtanz lernt "Frau" den eigenen Körper zu akzeptieren und schön zu finden. Außerdem darf sie "Frau" sein und ihre Weiblichkeit ausleben. Schönheit und Erotik sind nicht mehr verboten. Diese neue Körperfahrung bewirkt auch Veränderungen im Bewusstsein und in der Einstellung zum eigenen Körper und zum eigenen Ich. Ganzköpertraining, Körper und Seele 4. Das Wesen des OT Ein Ausdruckstanz der Zeit braucht: Die Ebenen, Isolation, Koordination, Kombination müssen sitzen, dann kommt das Gefühl allein