ZNS V - Institut für Pharmakologie und Toxikologie

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Pharmakologie des
Zentralen Nervensystems 5:
ADHS,
Gehirndoping,
Sucht- und Rauschmittel
Ralf Stumm
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Drackendorfer Straße 1
07747 Jena
03641 – 9 – 325680
[email protected]
10. Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung = ADHS
Häufigste mit Psychopharmaka behandelte Störung
bei Kindern und Jugendlichen.
Kennzeichen: - motorische Hyperaktivität (Zappeligkeit),
- Impulsivität (Herausplatzen von Antworten),
- Aufmerksamkeitsdefizit (Flüchtigkeitsfehler)
Pharmakologische Behandlung mit amphetaminähnlichen Substanzen:
- Methylphenidat (= 1. Wahl)
- DL-Amphetamin (Amphetamin-Racemat; wenn Methylphenidat nicht wirkt)
oder mit einem SNRI (zentral wirksame indirekte Sympathomimetika):
- Atomoxetin (wenn amphetaminähnliche Substanzen nicht wirken oder kontraindiziert sind)
- Reboxetin (nicht bei Kindern, off-label Einsatz bei Erwachsenen zur Leistungssteigerung)
Die Pharmakotherapie der ADHS muss in psychoedukative Maßnahmen eingebettet sein!
10.1 Struktur von amphetaminähnlichen Substanzen
Monoamine
Amphetaminähnliche Stimulantien
Dopamin
Amphetamin
Noradrenalin
Methamphetamin
Adrenalin
MDMA
(Methylendioxymethamphetamin)
„Ecstasy“
Serotonin
Phenylethylamin
Methylphenidat
(Ritalin)
10.2 Amphetamin/ Methamphetamin
Das Fehlen der Hydroxyl-Gruppen führt
(verglichen mit den Catecholaminen) zu
höherer Lipophilie (-> zentrale Wirkung!).
Die α-Methylgruppe bedingt, dass beide
Substanzen nicht durch MAO abgebaut werden.
Wirkungsmechanismus
α
Amphetamin
α
Methamphetamin
Wachheit und Aufmerksamkeit werden gesteigert,
Hunger und Müdigkeit werden unterdrückt.
Auch: Euphorisierung (Dopamin),
Antriebssteigerung (Noradrenalin).
Gefahr von Missbrauch, psychischer Abhängigkeit
und Vergiftung (Psychosen, Krampfanfälle).
Neuroleptika helfen gegen Psychose und Harnansäuerung
(NH4+CL-) unterstützt Ausscheidung der Amphetamine.
Amphetamine werden über die Noradrenalin- und Dopamin-Transportproteine
in der Plasmamembran und den synaptischen Vesikeln aufgenommen. Es kommt
zur nicht-exozytotischen Freisetzung von Noradrenalin und Dopamin
durch Umkehrung des Transportvorgangs.
10.3 ADHS
Methylphenidat ist Mittel erster Wahl zur Behandlung der ADHS.
Es hemmt die Noradrenalin- und Dopamintransporter
-> längere Wirkung der Monoamine.
Nicht-exozytotische Freisetzung von Monoaminen wird
nicht berichtet (Mechanismus ist leicht anders als der
von Amphetamin). Der Wirkungsmechanismus von
Kokain ist hingegen ähnlich!
Methylphenidat
Nebenwirkungen: Appetitstörung, abdominelle Beschwerden, Kopfschmerzen
Schwindel, Bluthochdruck, Tachyarrythmien. Gefahr des
Missbrauchs (z.B. Schnupfen von zerriebenen Tabletten) und
der psychischen Abhängigkeit.
Wechselwirkungen: mit Antidepressiva, Antiepileptika, Neuroleptika und
Gerinnungshemmern
„Ich bin ein Zombie, und ich lerne wie eine Maschine. Ritalin macht leistungsfähig.
Experten sagen, das Medikament sei eine Gefahr für die Gesundheit und unser
Bildungssystem. Ein Selbstversuch.“ Die Zeit Online, 2.4.2009.
10.4 Atomoxetin
Atomoxetin wirkt als selektiver Noradrenalin Wiederaufnahme Inhibitor (SNRI).
Anders als Methylphenidat wirkt es nicht auf Dopamintransporter.
Euphorisierung wird nicht berichtet.
Es treten ähnliche unerwünschte Wirkungen wie bei Methylphenidat auf.
Es wird auf die Gefahr von Suiziden und gesteigerter Aggressivität hingewiesen.
Atomoxetin wirkt nicht antidepressiv (anders als Reboxetin).
Atomoxetin wird von Erwachsenen zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit
eingesetzt (off-label).
10.5 Modafinil
Modafinil verstärkt alpha-1-adrenerge Effekte im ZNS (keine periphere sympathomimetische Wirkung). Der genaue Wirkungsmechanismus ist unklar.
Zugelassen zur Behandlung von Narkolepsie wird es zur Steigerung geistiger
Leistungsfähigkeit eingesetzt („Professor´s little helper“).
Es wirkt induzierend auf CYP1A2, 2B6, 3A4 und hemmend auf 1C9.
Beim gleichzeitigen Gebrauch oraler Kontrazeptiva ist Vorsicht geboten:
Präparate sollten mindestens 0,05 mg Ethinylestradiol enthalten.
„100 Milligramm Arbeitswut.
Der Wirkstoff Modafinil soll Narkoleptiker vor ihren gefährlichen Schlafattacken schützen.
Doch Gesunde missbrauchen das Mittel – zum Wachwerden. Ein Selbstversuch.“
Die Zeit Online. 21.08.2003.
Barbara Sahakian & Sharon Morein-Zamir (2007):
Professor's little helper. Nature 450, 1157-1159
| doi:10.1038/4501157a; Published online 19 December 2007
11. Ess-Störungen
Bei persistierenden Srörungen des Essverhaltens werden unterschieden:
- Anorexia nervosa (AN, 0,3% – 0,7%)
Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust, BMI < 17,5.
Asketisches Essverhalten, Sport
- Bulimia nervosa (BN, 1,5% – 2,5%)
Essattacken mit hochkalorischem Essen gefolgt von Erbrechen und/oder
Abführmittelgebrauch. Es kann Unter- oder Übergewicht bestehen.
Von AN oder BN sind überwiegend Frauen betroffen (Prozentangaben sind für Frauen)
- Adipositas (betrifft 15% - 20% der Erwachsenen und 4% - 8% der Kinder)
Verursacht durch dauerhafte Zufuhr von zu vielen Kalorien, aber auch durch
Psychopharmaka (z.B. Amitryptilin, Doxepin, Maprotilin, Mirtazapin, Imipramin
Trimipramin, Lithium, Valproat, Clozapin, Olanzapin)
11.1 Ess-Störungen: Pharmaka
Das Essverhalten wird über hypothalamische Neurone reguliert. Beteiligte Transmitter
sind u.A. Serotonin (-> 5-HT2c wirkt appetitsenkend), NPY, Endocannabinoide
Für Bulimie liegen Studien vor, die die Wirksamkeit von Fluoxetin (SSRI) belegen.
Für Anorexie gibt es keine belegte pharmakologische Therapie.
Bei Adipositas mit einem BMI > 30:
- Orlistat
(ein Hemmer gastrischer und pankreatischer Lipasen)
UAW: gastrointestinal (z.B. Fettstühle)
- Sibutramin (ein Noradrenalin/ Serotonin Rückaufnahmehemmer)
erhöht das Sättigungsgefühl und den Energiverbrauch durch gesteigerte Thermogenese.
Die Zulassung ruht wg. kardiovaskulärer NW
- Rimonabant (ein Antagonit am CB1 Cannabinoid-Rezeptor)
Zulassung ruht wegen erhöhter Suizidrate.
11.2 Angst- und Zwangsstörungen (1)
Angststörungen (Lebensprävalenz 15%):
Übertriebene unrealistische Ängste mit vegetativen und psychischen Symptomen.
- Generalisierte Angststörung (Sorgen und Ängste vor Zukünftigem „lähmt“ den Patienten)
- Panikstörung (plötzlich auftretendes extremes Angstgefühl, kein Grund erkennbar)
- Bei phobischen Störungen wird die angstauslösende Situation gemieden (z.B. soziale Phobie).
Pharmakotherapie der generalisierten Angst- und Panikstörung:
Bei akuter Panikattacke und eventuell am Therapiebeginn einer generalisierten Angststörung
Benzodiazepin mit mittlerer oder langer T1/2 (z.B. Diazepam).
Vorteil:
gute psycho-vegetative Entkopplung
Nachteil: Suchtauslösende Wirkung!
Zur Therapie deshalb:
- SSRI (z.B. Citalopram), SNRI (Venlafaxin)
- nicht-selektive-Monoamin-Rückaufnahme Inhibitoren
(Clomipramin, Imipramin)
- Buspiron (5HT1A-Agonist)
11.3 Angst- und Zwangsstörungen (2)
Bis zum Wirkungseintritt des Antidepressivums oder von Buspiron
(mehrere Wochen!) muss gegebenenfalls mit Benzodiazepin überbrückt werden.
Cave:
- Unter SSRI kann es vermehrt zu Suizidgedanken kommen. Dann keine Dosiserhöhung
und kein abruptes Absetzen.
- Clomipramin ist bei ängstlich agitierter Depression nicht zu verwenden
(-> genaue Diagnosestellung)
Buspiron: ein 5-HT1A-Agonist (relativ neues Anxiolytikum)
5-HT1A ist ein Gi-gekoppelter Rezeptor, der hemmend auf die Serotoninfreisetzung wirkt.
-> die bei Angststörungen erhöhte Serotoninfreisetzung wird normalisiert.
Vorteile: keine Sedierung, keine Muskelrelaxierung, keine Epilepsiewirkung.
keine Abhängigkeit.
Nachteil Langsamer Wirkungseintritt
UAW:
Kopfschmerzen, Schwindel, Nervosität, Übelkeit
11.4 Angst- und Zwangsstörungen (3)
Pharmakotherapie von phobischen Störungen (insbesondere soziale Phobie)
- SSRI
- Venlafaxin (SSNRI)
- MAO-Inhibitor Moclobemid
Begleitend muss eine Verhaltenstherapie durchgeführt werden.
Zwangsstörung:
Es dominieren zwanghafte Handlungen (z.B. zwanghaftes Putzen) oder
zwanghafte Gedanken (z.B. „der Herd ist an“ obwohl bereits zweimal
kontrolliert wurde).
Pharmakotherapie ist schwierig.
-Clomipramin
-SSRI
12. Substanzmissbrauch (1): physische Abhängigkeit
Benzodiazepine:
-Wirkung:
-Abhängigkeit:
-Besonderheit:
Alkohol:
-Wirkung:
-Abhängigkeit:
-Besonderheit:
GABAA Rezeptoren
physisch (++), psychisch (++), Toleranz (++)
Anxiolytische Wirkung, die Umwelt verliert bedrohlichen Charakter
Gehören zu den Mitteln, die am häufigsten Arzneimittelabhängigkeit
erzeugen
vermutlich Stärkung der GABA-Wirkung am GABAA Rezeptor
physisch (+++), psychisch (++), Toleranz (++)
Dämpfung und Anregung/Euphorie möglich (Dosisabhängigkeit)
Anhaltender Missbrauch verursacht schwere körperliche Schäden
Opioide (Morphin, Heroin):
- Wirkung:
µ-Opiatrezeptor
-Abhängigkeit:
physisch (+++), psychisch (+++), Toleranz (+++)
-Besonderheit:
Starke Stimulation des dopaminergen Belohnungszentrums
(Euphorie) führt zu bleibendem „Suchtgedächtnis“.
Entzug produziert starke physische Symptome
12. Substanzmissbrauch (2): psychische Abhängigkeit
Cocain:
-Wirkung:
-Abhängigkeit:
-Besonderheit:
Noradrenalin/Dopamin-Rückaufnahmehemmung
physisch (+), psychisch (+++), Toleranz (+)
Stimulation, Euphorie, Halluzinationen
Amphetamine (Amphetamin, Methamphetamin, Methylphenidat):
-Wirkung:
Entleerung der Monoaminspeichervesikel
-Abhängigkeit:
physisch (+), psychisch (++), Toleranz (+++)
-Besonderheit:
ähnlich dem Cocain aber weniger Euphorie
12. Substanzmissbrauch (3): geringe Abhängigkeit
Cannabis:
-Wirkung:
-Abhängigkeit:
-Besonderheit:
CB1-Rezeptoren
physisch (0), psychisch (+), Toleranz (+)
Abhängigkeitsproblematik ist gering ausgeprägt;
therapeutischer Einsatz soll ermöglicht werden
(Gesetzesänderung beabsichtigt, Stand August 2010)
Halluzinogene (LSD, Psilocybin, Mescalin):
-Wirkung:
5HT-2A-Rezeptoren
-Abhängigkeit:
physisch (0), psychisch (+), Toleranz (+++)
-Besonderheit:
z.T. massive Sinnestäuschungen
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