Dr. M. Weimar 19.05.2016 Elemente der Stochastik (SoSe 2016) 6. Übungsblatt Aufgabe 1 (4 Punkte) Eine Klausur, die insgesamt von zwölf Kursteilnehmern geschrieben wurde, soll von drei Gutachtern bewertet werden. Jeder von ihnen erhält jeweils zufällig vier Klausurbögen. Drei der Klausurteilnehmer haben voneinander abgeschrieben und ihr Betrugsversuch fliegt auf, falls mindestens zwei ihrer Klausurbögen an den selben Gutachter ausgeteilt werden. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Betrugsversuch unbemerkt bleibt? Aufgabe 2 (4 Punkte) Bei der Umfrage eines Modemagazins sollen Teilnehmer 13 Kleidungsstücke jeweils einer Saison (Winter, Frühling, Sommer oder Herbst) zuordnen. Beobachtet wird dann für jede Saison die Anzahl der zugeordneten Kleidungsstücke. Wie viele Kombinationsmöglichkeiten gibt es hierfür? Aufgabe 3 (1+2+1=4 Punkte) Es bezeichne A,B zwei Ereignisse eines beliebigen endlichen W-Raums (Ω, P ). a) Stellen sie die Ereignisse A ∩ B, A ∪ B, A und B in jeweils einem Venn-Diagramm dar. b) Beweisen Sie folgende Version der Bonferroni-Ungleichung: P (A ∪ B) ≥ P (A ∩ B) ≥ 1 − P (A) + P (B) c) Beschreiben sie die Ungleichungen in b) mit Worten. Aufgabe 4 (1+2=3 Punkte) Der Anteil verdorbener Äpfel in einer Kiste mit 50 Äpfeln betrage 8%. a) Wieviele Äpfel sind verdorben? b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Stichprobe von fünf Äpfeln genau einen verdorbenen Apfel enthält? Abgabe (freiwillig): In den Tutorien während der 8. Vorlesungswoche (30.05–03.06.2015) Musterlösung zum 6. Übungsblatt Elemente der Stochastik (SoSe 2016) Aufgabe 1. Zunächst wird die Anzahl aller möglichen Fälle bestimmt. Dazu können wir davon ausgehen, dass jeder Gutachter vier Klausurbögen ohne Berücksichtigung der Reihenfolge aus den (noch) vorhandenen Bögen zieht. Das heißt, dass die Anzahl aller möglichen Fälle sich als folgendes Produkt ausdrücken lässt: · 11 · 10 · 9 · 8 12 8 4 12! 8! 12 ·7·6 ·5 · · = · ·1= = 11 · 10 · 9 · 7 · 5 (= 34‘650). 4 4 4 4 · 3 · 2 · 4 · 3·2 4! · 8! 4! · 4! Alternativ mit Folg. 6.27 im Skript: Es gibt 12 12! = 4, 4, 4 4! · 4! · 4! Möglichkeiten 12 Bögen auf 3 Gutachter zu je 4 Bögen aufzuteilen. Nun zur Anzahl der günstigen Fälle: Damit der Täuschungsversuch unbemerkt bleibt muss jeder der Gutachter genau einen der abgeschriebenen Klausurbögen erhalten. Dafür gibt es 3! Möglichkeiten. Die restlichen 9 Bögen können (wie oben) beliebig verteilt werden. Die Anzahl der günstigen Fälle ist damit 9 9! 9 · 8 · 7 · 6 · 5 · 4 3! · = 3! · = =9·8·7·5·4 (= 10‘080). 3, 3, 3 3 · 2 3! · 3! · 3! Die gesuchte W-keit beträgt damit “Anzahl günstige Fälle” 9 · 8 · 7 · 5·4 8·2 16 = = = ≈ 0.29091, “Anzahl mögliche Fälle” 11 · 10 · 9 · 7 · 5 11 · 5 55 d.h. etwa 29.1%. Aufgabe 2. Die zugrunde liegende kombinatorische Figur ist “ungeordnet mit Zurücklegen”: es wird k = 13 Mal (= Anzahl Kleidungsstücke) genau eine aus n = 4 Kategorien (= Saisonen) ausgewählt, wobei jedes Mal alle vier zur Verfügung stehen. Die Auswahl findet zwar der Reihe nach für jedes Kleidungsstück einzeln statt, am Ende interessiert jedoch nur die Anzahl des Auftretens jeder Kategorie. Nach Satz 6.18 gibt es dafür 4 + 13 − 1 16 16! 16 · 15 · 14 = = = = 8 · 5 · 14 = 560 13 13 13! · 3! 3·2 Möglichkeiten. Aufgabe 3. a) simpel, vgl. Skript S.6 b) Wegen A ∩ B ⊆ A ∪ B ⊆ Ω und der Monotonie von P (vgl. Formel (5.2) aus Satz 5.7) gilt P (A ∩ B) ≤ P (A ∪ B) ≤ 1. Das beweist zum einen die erste Ungleichung und zum anderen die Tatsache, dass −P (A ∪ B) ≥ −1. Damit folgt P (A ∩ B) Satz 5.11 = P (A) + P (B) − P (A ∪ B) ≥ P (A) + P (B) − 1 = 1 − P (A) + 1 − P (B) − 1 = 1 − P (A) + P (B) . Satz 5.7 c) Die erste Ungleichung besagt, dass die W-keit für das Eintreten von A oder B (im Sinne von A oder B oder beide) mindestens so groß ist wie die des gleichzeitigen Eintretens beider Ereignisse A und B. Die zweite Ungleichung bedeutet, dass diese W-keit wiederum mindestens so groß ist wie 1 abzüglich der W-keiten beider Gegenereignisse A bzw. B. Aufgabe 4. a) 50 · 0.08 = 4 b) Es gibt 50 50! 50 · 49 · 48 · 47 · 46 = = = 2‘118‘760 5 5! · 45! 5·4·3·2 verschiedene Möglichkeiten 5 aus 50 Äpfeln (ungeordnet ohne Zurücklegen!) auszuwählen. Weiter gibt es 4 4! = =4 1 1! · 3! Möglichkeiten einen der vier verdorbenen Äpfel auszusuchen. Für die Ziehung der restlichen 5 − 1 = 4 der 50 − 4 = 46 intakten Äpfel gibt es 46 46! 46 · 45 · 44 · 43 = = = 163‘185 4! · 42! 4·3·2 4 Möglichkeiten. Legt man bei der Ziehung die Gleichverteilung zugrunde beträgt die W-keit für genau einen faulen Apfel 46 4 · “Anzahl günstige Fälle” 4 · 163‘185 1‘419 = 1 504 = = ≈ 0.30808, “Anzahl mögliche Fälle” 2‘118‘760 4‘606 5 d.h. etwa 30.8%. Vorschläge für die Tutorien zum 6. Übungsblatt Elemente der Stochastik (SoSe 2016) Aufgabe 5 Sechzehn neue Schüler werden gleichmäßig aber ansonsten zufällig auf vier Klassen verteilt. Unter den 16 Schülern sind 4 Hochbegabte. a) Mit welcher W-keit erhält jede Klasse einen davon? b) Mit welcher W-keit bekommt eine Klasse alle vier? LÖSUNG: Nach Folg. 6.27 gibt es 16 4, 4, 4, 4 = 16! 4! · 4! · 4! · 4! Möglichkeiten 16 Schüler gleichmäßig auf 4 Klassen (zu je 4 Schülern) aufzuteilen. a) Vier Hochbegabte lassen sich auf 4! Arten anordnen, wobei ihr Platz in der Liste dann der 4 = 4! Weisen aufteilen.) zugeordneten Klasse entspricht. (Alternativ: Sie lassen sie sich auf 1,1,1,1 Für die restlichen 12 Schüler gibt es 12 12! = 3, 3, 3, 3 3! · 3! · 3! · 3! Möglichkeiten der gleichmäßigen Aufteilung. Die gesuchte W-keit ist damit 12 12! 4! · 3,3,3,3 4! · 3!·3!·3!·3! 4 · 4·4·4·4·3·2 4·4·4 4! · 4! · 4! · 4! · 4! = = = = 16 16! · 15 · 14 · 13 3! · 3! · 3! · 3! · 16 · 15 · 14 · 13 16 5 · 7 · 13 4!·4!·4!·4! 4,4,4,4 = 64 ≈ 0.14066. 455 b) Völlig analog: Diesmal gibt es nur 4 Möglichkeiten alle Hochbegabten gemeinsam in einer Klasse unterzubringen. Für die restlichen 12 Schüler bleiben 12 12! = 4, 4, 4, 0 4! · 4! · 4! · 0! Möglichkeiten der Aufteilung sodass jede Klasse am Ende vier neue Schüler erhält. Die gesuchte W-keit ist damit 12 12! 4 · 4,4,4,0 4· 4 · 4! · 12! 4 · 4·3·2 1 1 4!·4!·4!·1 = = = = = ≈ 0.002198. 16 16! 16! 5 · 7 · 13 455 16 · 15 · 14 · 13 4,4,4,4 4!·4!·4!·4! Aufgabe 6 Berechnen Sie den Wert der Summe X S := 2. j,k,`,m=1,...,11 j<k<`<m LÖSUNG: Die Summe besteht aus | {(j, k, `, m) | 1 ≤ j < k < ` < m ≤ 11} | = | {z } =:M 11 11! 11 · 10 · 9 · 8 = = 11 · 10 · 3 = 330 = 4 4! · 7! 4 · 3 · 2 Summanden, denn jede ungeordnete Auswahl 4 verschiedener Zahlen aus {1, 2, . . . , 11} ( 11 Möglichkeiten) kommt als Tupel in der Menge M genau einmal vor. Jeder dieser Summanden ist 2, sodass S = 2 · 330 = 660. Aufgabe 7 In einer Urne liegen 232 Lose, die von 1 bis 232 durchnummeriert sind. Ein Gewinn wird erzielt, wenn die Losnummer des gezogenen Loses mindestens eine der drei folgenden Bedingungen erfüllt: • die Losnummer ist durch 3 teilbar, • die Losnummer ist durch 7 teilbar, • die Losnummer ist durch 11 teilbar. Berechnen Sie die Gewinnwahrscheinlichkeit. LÖSUNG: Wir bezeichnen mit (Ω, P ) den zugrunde liegenden W-Raum. Dabei ist Ω = {1, 2, . . . , 232} und P die Gleichverteilung auf Ω. Weiter seien A, B und C die Ereignisse, die obige Bedingungen beschreiben. Damit ist P (A ∪ B ∪ C) die gesuchte Gewinn-W-keit. Die Ereignisse lassen sich wie folgt formal beschreiben: A = {3k 1 ≤ k ≤ 77}, B = {7` 1 ≤ ` ≤ 33}, C = {11m 1 ≤ m ≤ 21}. Diese Mengen sind nicht disjunkt (wir dürfen also die einzelnen W-keiten nicht einfach addieren!), denn A ∩ B = {|{z} 21 ·n | 1 ≤ n ≤ 11}, A ∩ C = {33o | 1 ≤ o ≤ 7}, B ∩ C = {77p | 1 ≤ p ≤ 3} =3·7 und A ∩ B ∩ C = {231}. Nach der Siebformel von Poincaré und Sylvester (Satz 5.12) gilt für die W-keit der Vereinigung mehrerer beliebiger Mengen A1 , A2 , . . . , Aj ⊆ Ω (j ∈ N): P( j [ i=1 j X Ai ) = (−1)k+1 k=1 X I⊆{1,...,j} |I|=k P( \ Ai ). i∈I Für j := 3 und A1 := A, A2 := B, A3 := C ergibt das (vgl. Bsp. 5.13) P (A ∪ B ∪ C) = P (A) + P (B) + P (C) − P (A ∩ B) − P (A ∩ C) − P (B ∩ C) + P (A ∩ B ∩ C). Mit |Ω| = 232 und |A| = 77, |B| = 33, |C| = 21, |A ∩ B| = 11, |A ∩ C| = 7, |B ∩ C| = 3 und |A ∩ B ∩ C| = 1 folgt also P (A ∪ B ∪ C) = 33 21 11 7 3 1 131 − 21 + 1 111 77 + + − − − + = = ≈ 0.47845. 232 232 232 232 232 232 232 232 232 Aufgabe 8 Aus einer Urne mit drei schwarzen und neun blauen Kugeln werden mit einem Griff zufällig fünf Kugeln gezogen. a) Berechnen sie die Anzahl der verschiedenen Stichproben. b) Geben Sie alle möglichen Stichproben explizit an. c) Wie groß ist die W-keit, dass unter den fünf gezogenen Kugeln genau zwei blaue Kugeln sind? d) Wie groß ist die W-keit, dass unter den fünf gezogenen Kugeln genau vier schwarze Kugeln sind? LÖSUNG: a) Aus n = 2 unterscheidbaren Zeichen (“s”, “b”) lassen sich 2+5−1 6 6! = = =6 5 5 5! · 1! verschiedene ungeordnete k = 5-gliedrige Sequenzen mit Wiederholungen bilden. Da es nur drei schwarze Kugeln gibt müssen alle Sequenzen in denen s mehr als dreimal vorkommt ausgeschlossen werden, das sind offensichtlich genau zwei. Es gibt also 6 − 2 = 4 verschiedene Ziehungen. Alternativ: Es gibt offensichtlich jeweils genau eine Ziehung in der genau k schwarze Kugeln vorkommen, wobei k = 0, 1, 2, 3. b) sssbb, ssbbb, sbbbb, bbbbb c) Wir nehmen an, alle 3 + 9 = 12 Kugeln wären unterscheidbar. Dann gibt es 12 · 11 · 10 · 9 · 8 12 12! = = 5! · 7! 5·4·3·2 5 verschiedene Ziehungen. Die Anzahl der günstigen Fälle entspricht der (ungeordneten) Auswahl (ohne Zurücklegen) von 2 aus 9 blauen mal 5 − 2 = 3 aus 3 schwarzen Kugeln: 9 3 9! · = · 1 = 9 · 4. 2 3 2! · 7! Die gesuchte W-keit beträgt damit 9·4 12·11·10·9·8 5·4·3·2 = 5·4·3 2·3 1 1 = = = ≈ 0.04545. 12 · 11 · 10 12 · 11 2 · 11 22 d) 0, da jede Ziehung maximal drei schwarze Kugeln enthalten kann.