Achim Aurnhammer und Barbara Beßlich Freiburg als Zentrum der südwestdeutschen katholischen Aufklärung zwischen Josephinismus und Frühliberalismus* 1. Katholische Aufklärung und Josephinismus im deutschen Südwesten Der Amtsantritt Josephs II. im Jahr 1765 weckte große Erwartungen bei den deutschen Gelehrten. Diese Hoffnungen intensivierten sich 1780 mit dem Tod Maria Theresias. Gotthold Ephraim Lessing erträumte sich den Aufbruch zu einem neuen Zeitalter einer selbstverständlichen Aufklärung1. Christoph Martin Wieland war davon überzeugt, daß Joseph dazu bestimmt sei, die beste aller möglichen Welten zu vervollkommnen: Er schwärmte von Josephs »Heldengeist, den die Vorsehung zum Wohlthäter seines Zeitalters, zum Schöpfer einer besseren Welt berufen hat […]; auch sind alle guten Menschen auf seiner Seite«2. Johann Gottfried Herder projizierte auf den Kaiser nationale Hoffnungen3, und Friedrich Gottlieb Klopstock widmete seine Hermanns Schlacht Joseph II4. Friedrich Nicolai, der in Joseph »die große Triebfeder aller ersprießlichen Veränderungen« ausmachte, würdigte die aufklärerische Herrschaft Josephs II., der in der kurzen Zeit seiner Alleinregierung schon allenthalben Bewunderung erweckt. Was die Größe seines Geistes am meisten beweiset; ist, daß er, mitten unter Sinnlichkeit und Bigotterie erzogen, schon früh die Falschheit eingewurzelter Vorurtheile einsah, und, aus eigenem Triebe, Mäßigkeit, Thätigkeit und Toleranz zu schätzen und selbst auzuüben wußte. Er hat seit seiner Alleinregierung alles gethan, was ein Regent auf seiner Seite, und noch dazu in so kurzer Zeit thun konnte, um in seinem weiten Reiche Aberglauben zu vertilgen und anständigere Religionsbegriffe hervor zu bringen, Unordnung abzuschaffen und Ordnung einzuführen, Unthätigkeit und Müßiggang zu vertreiben und Industrie und Betriebsamkeit aufzumuntern.5 * Die Kapitel 1 und 2 hat Barbara Beßlich verfaßt, die Kapitel 3 und 4 stammen von Achim Aurnhammer. Lessing avisierte »bald aufgeklärtere tugendhaftere Zeiten, wie wir unter einem Joseph II. uns immer mehr und mehr versprechen dürfen« (Gotthold Ephraim Lessing, Anti Goeze [1778], in Ders., Sämtliche Schriften, hg. v. K. Lachmann, Dritte, auf’s neue und vermehrte Auflage, besorgt durch F. Muncker, 13, Leipzig 1897, S. 142). 2 Ch. M. Wieland, Freymüthige Gespräche über einige neueste Weltbegebenheiten (1782), in Ders., Gesammelte Schriften, Erste Abteilung, Werke, IX (14): Prosaische Schriften, I (1773–1783), hg. v. W. Kurrelmeyer, Berlin 1898 (Neudruck: Hildesheim 1987), S. 353. 3 »O Kaiser, Du von neunundneunzig Fürsten | Und Ständen wie des Meeres Sand | Das Oberhaupt, gib nur, wonach wir dürsten: | Ein deutsches Vaterland« (J. G. Herder, An den Kaiser [Decb. 1780], in Ders., Sämtliche Werke, hg. v. B. Suphan; 29, hg. von C. Redlich, Berlin 1889, S. 551. Herder sandte mit diesem Gedicht seine Preisschrift vom Einfluß der Regierung auf die Wissenschaften an Joseph. 4 »Die Zeiten Karls waren seiner nicht würdig; ihr eigener geringer Nachlaß und der Verlust des von ihm gesammelten älteren zeigen dies. Ob es unsere Josephs waren, entscheiden zwar nur die künftigen; aber wir dürfen doch, wie mir es vorkommt, gute Ahnungen von dieser Entscheidung haben« (F. G. Klopstock, Gesammelte Werke in vier Bänden, mit einer Einleitung von F. Muncker, 4, Stuttgart 1887, S. 35). 5 F. Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, Bd. 3 (1784), in Ders., Gesammelte Werke, hg. v. B. Fabian und M.-L. Spieckermann, 16, Hildesheim 1994, S. 380 f. 1 2 In all diesen Äußerungen bricht sich die Hoffnung protestantischer Aufklärer Bahn, daß sich eine katholische Aufklärung installieren möge. Diese Aussagen sind freilich zugleich Zeugnis für ein protestantisches Überlegenheitsgefühl. »Sinnlichkeit und Bigotterie […], Vorurtheile« und »Aberglauben« prägen für den protestantischen Nicolai das Klima im Österreich der Habsburger bis zu Maria Theresia. Erst mit Joseph II. schien eine katholische Variante der Aufklärung übergreifend möglich zu werden6. Wenn sich die Aufklärung im katholischen Deutschland auch ein bis zwei Generationen später als in den protestantischen Territorien entwickelte7, und wenn man auch von einem Nord-SüdGefälle der Aufklärung im deutschsprachigen Gebiet ausgehen kann8, so darf man doch nicht die Eigendynamik der katholischen Aufklärung mit ihren spezifischen Themen und Schwerpunkten unterschätzen. Die Forderungen der katholischen Aufklärung mit ihren Zentren Freiburg, Salzburg und Würzburg waren vielgestaltig9: Es ging um praktische Reformen. Seelsorge und Liturgie galt es zu reformieren; die Muttersprache sollte stärker in der Katechetik eingesetzt werden, die Theologie stärker den modernen Wissenschaften angepaßt werden; Wallfahrten, Heiligen- und Reliquienverehrung sowie das Ablaßwesen sollten eingeschränkt werden. Es gab eine rege publizistische Debatte um das Klosterwesen. Das Mönchsideal des späten 18. Jahrhunderts wurde der Gelehrte. Den theologischen Unterricht reformierte nachdrücklich der gelehrte Martin Gerbert, Fürstabt von St. Blasien im Schwarzwald. Der Freiburger Professor für Dogmatik, der Augustiner Engelbert Klüpfel, forderte abweichend zur sonst üblichen Praxis ein fast an protestantische Usancen gemahnendes intensives Bibelstudium als Voraussetzung zur Priesterweihe. Der zeitgenössische Reformkatholizismus konnte verschiedene Ausprägungen annehmen. Die staatskirchliche Ausrichtung innerhalb des Josephinismus war eine unter vielen. Nach dem Tod Maria Theresias nahm Joseph II. einschneidende Reformen in Angriff. Im Sinne des aufgeklärten Absolutismus hob er 1781 die Leibeigenschaft auf. Er ließ Schulen bauen, milderte die Zensur und schaffte die Folter ab. Maßgeblich für die Reformen auf dem Gebiet des Strafrechts war Joseph von Sonnenfels, der seit 1763 die Professur für Kameralistik in Wien innehatte10. Die kirchenpolitischen Reformen erwiesen sich als 6 L. A. Veit, Das Aufklärungsschrifttum und die deutsche Kirche. Ein Zeitbild aus der deutschen Geistesgeschichte, Köln 1937. 7 Vgl. H.t Möller, Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1986, S. 87. 8 H. Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus, München 1989, S. 124 f. 9 Neben diesen drei Orten wären noch zu nennen: St. Blasien im Schwarzwald, St. Emmeram in Regensburg, das Augustinerchorherrenstift Polling bei Weilheim und das oberfränkische Benediktinerkloster Banz. 10 K.-H. Osterloh, Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus. Eine Studie zum Zusammenhang von Kameralwissenschaft und Verwaltungspraxis, Lübeck 1970. 3 besonders nachhaltig. Der Wiener Professor für Naturrecht und Römisches Recht Karl Anton Freiherr von Martini und Gerard van Swieten, der vom Jansenismus11 beeinflußte Leibarzt Maria Theresias, unterstützten solche progressiven Tendenzen. Orientiert am Primat der Staatsräson, wollte Joseph II. die staatliche Souveränität über die Kirche ausdehnen. Kontemplative Orden wurden säkularisiert. Bereits 1773 war der Jesuitenorden aufgehoben worden12. Da die Jesuiten das Bildungswesen maßgeblich bestimmten, bedeutete das Verbot des Ordens das Ende einer bildungsgeschichtlichen Ära. Neugründungen und Umorganisationen der theologischen Fakultäten und der Universitäten insgesamt waren die Folge13. Im Toleranzpatent vom 13. Oktober 1781 wurde die Glaubensfreiheit garantiert14. Ziel Josephs war darüber hinaus ein zentralistisch verwalteter österreichischer Staat mit deutscher Staatssprache. Den Zentralismus versuchte er durch die Gründung deutscher Siedlungen in Galizien, Ungarn, Siebenbürgen und der Bukowina zu erreichen. Dem Streben nach Vereinheitlichung entsprach die Herrschaftspraxis, daß es für die Einzelländer keine Sonderrechte gab. So wurde auch Vorderösterreich stark von den josephinischen Reformen geprägt. Im Freiburger Stadtbild zeigt sich der Einfluß, den die neue, aufklärerische Epoche auch auf die architektonische Ästhetik hatte. An zwei einander gegenüberliegenden Gebäuden an der zentralen West-Ost-Achse Freiburgs (Salzstraße) wird exemplarisch ein allmählich sich vollziehender Geschmackswandel deutlich: Im Abstand von nur einem Jahr begannen der Architekt Franz Anton Bagnato die Deutschordenskommende (1768) und der Baumeister Pierre Michel d’Ixnard das Palais der Reichsfreiherren von Sickingen (1769) zu errichten. Trägt der Mittelrisalit an Bagnatos Bau noch einen spätbarocken dekorierten Giebel unter pathetisch bewegtem Umriß, weist d’Ixnards ruhiger, von antiker Tempelarchitektur abgeleiteter Dreiecksgiebel und der horizontale Fassadenabschluß auf den französisch inspirierten Frühklassizismus voraus. Johann Jacob Fechter aus Basel hatte 1766 ein Ständehaus für Freiburg erbaut, in dem die Landstände tagten und das als »Haus zum Ritter« vom Präsidenten der vorderösterreichischen Ritterschaft, Ferdinand Sebastian von Sickingen, in Auftrag gegeben worden war. Fechter baute auch das Weiherschlösschen Ebnet zu einem zweigeschossigen Landschloß zu elf Achsen unter einem hohen gebrochenen Walmdach aus. Der bedeutendste Künstler der Aufklärungszeit in Freiburg, 11 Vgl. P. Hersche, Der Spätjansenismus in Österreich, Wien 1977. Zur Stellung der Jesuiten im Reich vgl. R. van Dülmen, »Antijesuitismus und katholische Aufklärung in Deutschland«, in Historisches Jahrbuch, 1969, S. 32–80. 13 Vgl. N. Hammerstein, »Die deutschen Universitäten im Zeitalter der Aufklärung«, in Zeitschrift für historische Forschung, 1983, S. 73–89. 14 Im Zeichen der Toleranz. Im Lichte der Toleranz. Aufsätze zur Toleranzgesetzgebung des 18. Jahrhunderts in den Reichen Josephs II., ihren Voraussetzungen und ihren Folgen, hg. v. P. F. Barton, 2 Bde., Wien 1981. 12 4 Johann Christian Wentzinger, prägte das Kunstschaffen in Freiburg und im Breisgau in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Wentzinger arbeitete nicht nur für den vorderösterreichischen Adel, sondern bestimmte auch die Ausgestaltung der Klosterkirche St. Blasien und die Kuppelausmalung in St. Peter. Nach einer Reise nach Wien 1753 schuf er das noch heute bestehende »Wentzinger-Haus« am Münsterplatz. Im vergoldeten Porträt Wentzingers über dem Eingang des mit Masken verzierten Hauses hat sich der Künstler selbstbewußt verewigt. Bereits Maria Theresia hatte die Länderverwaltung dem Einfluß der jeweiligen Landstände entzogen. 1764 wurde den Ständen Vorderösterreichs das Recht zu Versammlungen und Vollandtagen genommen, die Finanzen der Stände wurden einer peniblen staatlichen Kontrolle unterworfen15. Die Zünfte sollten als kommunalpolitisches Element ausgeschaltet werden. Gegen mehrjährigen Widerstand wurde eine dementsprechende Erneuerung des Stadtmagistrats in Freiburg durchgesetzt. Diplomatisches Geschick des vorderösterreichischen Regierungspräsidenten Anton Thaddäus von Sumeraw milderte diese Neuerungen für Freiburg. Eine Steuerreform schloß sich an und vor allem eine Schulreform, die den Bildungsstand verbessern sollte. Die neuen Schultypen (Normal-, Haupt- und Trivialschule) wurden 1773 in Freiburg eingeführt. Die Leitung des Freiburger Gymnasiums hatten seit 1793 die vorderösterreichischen Benediktinern von St. Peter, St. Trutpert, St. Blasien, St. Georgen und Tennenbach inne, nach einem Interregnum mit laisierten Jesuiten und nach einer Übergangskompetenz der Universität. Joseph II. führte nun die Reformen Maria Theresias fort, und zwar sehr viel vehementer und radikaler als seine Mutter. Dies führte zu Widerständen, vor allem, wo seine Maßnahmen die Volksfrömmigkeit betrafen. So rief die Schließung von Feldkapellen und Nebenkirchen und die Drosselung der Wallfahrten und Prozessionen erbitterten Unwillen hervor16. Um die Priesterseelsorge zu optimieren, richtete Joseph II. 1783 in Freiburg eines von insgesamt zehn Generalseminaren zur Priesterausbildung ein. Auch aus Wien war 1784 in Freiburg die Freimaurer Loge »Zur Edlen Aussicht« gegründet worden, der die Freiburger Universitätsprofessoren Joseph Bob, Matthias Dannenmayer, Carl Schwarzel, Matthias Mederer und Ignaz Schmider sowie die Regierungsräte Karl Ludwig Graf von Suardi, Ferdinand von Ulm, Joseph von Sumeraw und Ferdinand von Bissingen beitraten17. 15 Fürstabt Martin Gerbert hatte vergeblich versucht, gegen diese Maßnahmen bei Maria Theresia zu intervenieren. Vgl. A. von Kageneck, Das Ende der österreichischen Herrschaft im Breisgau. Der Breisgau von 1740–1815, Freiburg 1981, S. 23–27. 16 E. Kimminich, Religiöse Volksbräuche im Räderwerk der Obrigkeiten. Ein Beitrag zur Auswirkung aufklärerischer Reformprogramme am Oberrhein und in Vorarlberg, Frankfurt a. M. 1989 (Menschen und Strukturen, 4). 17 W. Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein. Aufgeklärte Sozietäten auf dem linken Rheinufer vom Ausgang des ancien régime bis zum Ende der napoleonischen Herrschaft, Wiesbaden 1977, S. 223 f. 5 Mit dem Beginn der Französischen Revolution versagte sich die Bevölkerung zunehmend den Direktiven aus Wien. Im Gebiet des Schwarzwälder Klosters St. Peter verweigerten die Untertanen die Abgaben. Die Revolutionsbegeisterung kulminierte 1796 in Freiburg, als ein Demokratenklub gegründet wurde, der ernsthafte Pläne zu einer autonomen Breisgauer Republik hegte. Freilich dämpfte die Realität der Revolutionskriege die Begeisterung für die französischen Vorgänge alsbald. Beim Frieden von Campo Formio 1797 fiel Vorderösterreich, trotz massiver Interventionen des Regierungspräsidenten von Sumeraw, an Herzog Herkules von Modena. Dieser trat die Regentschaft jedoch gar nicht an, so daß vorerst der status ante quem gelebt wurde. Während das Heilige Römische Reich deutscher Nation zusehends zerstückelt und schließlich für beendet erklärt wurde, schloß Österreich seine Territorien enger zusammen. Freilich hielt diese starke Position nur kurz, bis Österreich im Frieden von Preßburg 1805 seine gesamten Vorlande an Napoleon abtreten mußte. Freiburg und der Breisgau fiel dabei zum größten Teil mit der Stadt Konstanz an Baden, das Napoleon zum Bundesgenossen ausersehen hatte. 2. Die Freiburger Josephinismus Universität als Hort des Die Freiburger Universität war 1457 durch den Stiftungsbrief Albrechts VI. von Österreich gegründet worden und stellte die zweite habsburgische Universitätsstiftung dar. Im 17. Jahrhundert war Freiburg die einzige katholische Hochschule im deutschen Südwesten, umgeben von den protestantischen Universitäten Tübingen, Zürich, Basel, Straßburg und Heidelberg. Der Charakter eines katholischen Bollwerks manifestierte sich mit dem Einzug der Jesuiten, die ab 1620 gegen den Willen der Universität und auf Geheiß Erzherzog Leopolds V. die humanistischen Studien an der Universität übernahmen. Erst mit Maria Theresias und Josephs II. Bildungsreform änderte sich das Gepräge der Hochschule18. Als die Freiburger Universität sich 1765 einer Kriegsschadenssteuer Maria Theresias verweigert hatte, lieferte dies der Monarchin Vorwand und Gelegenheit, die Universität streng nach Wiener Vorbild umzugestalten. Joseph II. – damaliger Mitregent Maria Theresias – suspendierte gegen den Willen der Universität 1767 den akademischen Senat wegen »vermessener Widersetzlichkeit« und löste die Verfassung der Universität auf19. Der 18 Zur Freiburger Universitätsreform vgl. E. W. Zeeden, »Die Freiburger Philosophische Fakultät im Umbruch des 18. Jahrhunderts. Von der theresianischen Reform bis zum Übergang des Breisgaus an Baden (1805)«, in Beiträge zur Geschichte der Freiburger Philosophischen Fakultät, hg. v. C. Bauer, E. W. Zeeden und H.-G. Zmarzlik, Freiburg 1957 (Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, 17), S. 9–139. 19 R. Haaß, Die geistige Haltung der katholischen Universitäten Deutschlands im 18. Jahrhundert, Freiburg 1952, S. 138–148. 6 Senat hatte zuvor seine politische Bedeutung überschätzt und vergeblich versucht, gegen das »Joch der Reform« aufzubegehren. An die Stelle des Senats trat nun ein vierköpfiges »Consistorium«; die Vermögensverwaltung der Universität ging an den Staat. Den Fakultäten stand nun ein staatlich benannter Direktor vor. Dieser neue Direktor erhielt als Insignie eine Amtskette mit einem Medaillon, das Maria Theresia abbildete – eine Mahnung daran, wer über das Trachten der Universität entschied: Allein der Landesregierung oblag es, Professoren zu berufen. Die Studieninhalte wurden im aufgeklärt-absolutistischen Sinn umgestaltet, denn die Universität sollte den Nachwuchs für den josephinischen Beamtenstaat rekrutieren. Neue Fächer und neue Lehrstühle entsprachen diesen kameralistischen Ambitionen. Auch der modus docendi wurde reformiert. Nicht mehr ein Lehrbuch allein sollte Maßstab sein, sondern eine Vielfalt von Forschungsmeinungen vorgestellt werden. Nicht mehr Diktat, sondern ein erklärender Vortrag sollte die Lehre bestimmen. In den Naturwissenschaften setzte sich der experimentelle Unterricht durch. Die Aufhebung des Jesuitenordens bot Gelegenheit zu einer weitergehenden Reform des Theologiestudiums: Das Studium wurde bis 1788 auf drei Jahre verkürzt und auf die seelsorgerische Praxis ausgerichtet. Dementsprechend wurde das neu eingerichtete Fach Pastoraltheologie besonders aufgewertet. Für die Priesterweihe wurde ein vollständiges Studium zur conditio sine qua non. Neue Lehrbücher schmiegten sich diesen Neuerungen an. Die Ordensangehörigen mußten die Universität verlassen oder als weltliche Professoren arbeiten. Die Universität bemühte sich, das Jesuitenvermögen zu erwerben und das Gebäude des Jesuitenkollegs zu erlangen. Die Jesuitenkirche wurde zur Universitätskirche. Diese einschneidende Universitätsreform ermöglichte Neubesetzungen mit aufgeklärteren Wissenschaftlern und »machte die Freiburger Hochschule zu einer von kirchlichen, besonders monastischen Kreisen gefürchteten Bastion josephinischer Geisteshaltung«20. Bis zur theresianisch-josephinischen Reform hatten die Jesuiten alle Lehrstühle der Philosophischen Fakultäten und drei Lehrstühle der Theologischen Fakultät inne gehabt. In der theologischen Fakultät wurden sämtliche Jesuiten entlassen und von anderen Ordensangehörigen abgelöst: Die Augustiner Engelbert Klüpfel und Matthias Dannenmayer bekleideten Lehrstühle der Dogmatik, Patristik und Kirchengeschichte. Der Franziskaner Cyprian Frings wurde zum Ordinarius für Moraltheologie berufen21. So F. Quarthal, »Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands«, in Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, Stuttgart 1999, S. 14–60, hier 52. 21 T. Kurrus, Die Jesuiten an der Universität Freiburg i. Br., 1620 bis 1773, Bd. 2, Freiburg 1977 (Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, 37), S. 115 f., 182–199, 270–301. 20 7 rigoros wie in der Theologischen Fakultät waren die Maßnahmen in der Philosophischen Fakultät nicht. Aus Zeitnot wurden hier viele Exjesuiten weiterbeschäftigt. Allgemein wurde es mehr und mehr üblich, Lehrstühle mit Wissenschaftlern zu besetzen, die an der bereits zuvor reformierten Universität Wien studiert hatten. Wien erwies sich als entscheidendes ›Durchgangsstadium‹ auf dem Weg zu einem Lehrstuhl in Vorderösterreich. Das Studium in Wien und damit die Arbeit in der am weitestgehend reformierten Universität im Herrschaftsgebiet der Habsburger wurde zu einer wichtigen Station in der Karriere eines josephinisch-aufgeklärten Wissenschaftlers. So hatte auch etwa Josef Anton Riegger, der 1765 nach Freiburg berufen wurde, in Wien studiert. Riegger wirkte als Jurist im Geist des Josephinismus an der Verordnung (1784) mit, Deutsch als Unterrichtssprache durchzusetzen und plädierte allgemein für die Muttersprache als Wissenschaftssprache. Freiburg war durch die Universitätsreform aus der Provinzialität einer katholischen Jesuitenhochschule herausgewachsen und entwickelte sich dank seiner neuen Ordinarien zu einem Zentrum des josephinischen Denkens. Die Universität hatte sich für Freiburg zum Einfallstor der Aufklärung verwandelt. Besonders bezeichnend für den neuen Geist an der Freiburger Universität war 1784 die Berufung des Dichters Johann Georg Jacobi auf den neu eingerichteten Lehrstuhl der schönen Wissenschaften. Jacobi war Protestant und mit seinem Einzug im Breisgau – neben einem Friseur – erst der zweite Protestant in Freiburg überhaupt. Mit dieser Berufung wurde das Toleranzpatent von 1781 für den Breisgau gelebte Wirklichkeit. Jacobi, im literarischen Bewußtsein vor allem als Anakreontiker und empfindsamer Briefpartner Johann Wilhelm Ludwig Gleims bekannt, hatte von 1764 bis 1774 in Halle als Extraordinarius für Philosophie und Beredsamkeit gewirkt. Seine Vorlesung über die neuere deutsche Dichtung hatte viele begeisterte Hörer gefunden. Gottfried van Swieten, der das Unterrichtswesen im josephinischen Österreich reformierte, hatte in Wien Jacobis Berufung nach Freiburg vorangetrieben. Van Swieten betont in seiner Korrespondenz mit Jacobi, worauf die Lehre abzielen sollte: Anleitung zum Selbstdenken. So hebt van Swieten hervor, »die Jugend soll in den Classikern[,] wo sie bis dahin nur Worte suchte, jetzt Sachen finden«, und auf diese Weise werde »die Bildung des Verstandes sowohl als des Geschmackes auf eine angenehme Art beförderet«22. Als Jacobi gegenüber van Swieten freimütig seine Unzufriedenheit mit der Unwissenheit seiner 22 Brief von Gottfried Freiherr van Swieten an Johann Georg Jacobi vom 9. Februar 1785, in Nachlaß Jacobi, Universitätsbibliothek Freiburg, IV B 1/2. 8 Studenten äußerte23, ermunterte van Swieten ihn, »der Jugend die ihr aufgedrungene Wahrheit angenehm machen« zu wollen und darauf hinzuzielen, daß die Studenten »zur Aesthetick vorbereitet seÿn indem sie das Schöne nach dem Maßstabe des Wahren abzumessen gewöhnt« werden24. Mit einem Jahresgehalt von 1000 Gulden ging Jacobi an sein Werk, den katholischen Südwesten aus der akademischen Isolation zu lösen. Ähnlich wie in Halle gab er ein »praktisches Collegium«, in dem Studenten aller Fakultäten sich rhetorisch schulen konnten. Seine Lehrveranstaltungen waren beliebt, seine Bemühungen von Erfolg gesegnet. Auch unter seinen katholischen Kollegen war Jacobi geschätzt. Denn Jacobi war nicht nur wiederholt Dekan der Philosophischen Fakultät (1790/91, 1795/96 und 1800/01), sondern wurde vor allem 1791 als erster Protestant zum Rektor der Freiburger Universität gewählt. Weil dieses Ereignis verständlicherweise in einer Stadt mit zwei protestantischen Einwohnern für erhebliches Aufsehen sorgte, bestand Jacobi darauf, daß die Wahl wiederholt werde25. Der erneute Wahlgang bestätigte Jacobi. 1803 wurde er wiederum zum Rektor gewählt. Dies alles dokumentiert, daß Jacobi in Freiburg nicht mehr als ein von Wien oktroyierter aufklärerischer Neutöner empfunden wurde, sondern mittlerweile integriert war in die akademische Gemeinschaft. Was als universitäre Zwangsreform begonnen hatte, hatte durch geschickte Personalpolitik zu einem josephinischen Gesinnungswandel geführt. Jacobi erwies sich als ein loyaler Diener des Hauses Habsburg, als er im Namen der Universität 1790 die Trauerrede auf Joseph II. hielt. Er konnte seine Berufung als produktiven Teil der josephinischen Bildungsreform betrachten und eröffnete dementsprechend seine Ansprache mit einer persönlichen Erinnerung: 23 Jacobi hatte die Studenten Virgils Eklogen und die Aeneis übersetzen lassen: »Unter sechs und vierzig Uebersetzungen, welche einkamen, waren nur acht, die nicht zugleich gegen die Lateinische und Deutsche Grammatik die gröbsten Fehler enthielten. Als ich den iungen Leuten mein Mißvergnügen darüber bezeugte, klagten alle einstimmig, daß man im Gymnasio das Latein zu nachlässig triebe, das Deutsche beÿnahe gänzlich vernachläßigte, und die Lernenden überhaupt zu vielerleÿ auf einmahl studieren müßten, um auf iedes Studium den nöthigen Fleiß zu wenden. [...] Was das Griechische betrifft, so ist unter allen meinen Zuhörern kein einziger im Stande, nur Eine Zeile im Plato zu verstehen« (Brief Johann Georg Jacobis an Gottfried Freiherr van Swieten vom 15. Mai 1785, in Österreichische Nationalbibliothek Wien, HSS Cod. 9717, fol. 476r-v, 478r-v). 24 So van Swieten in einem Brief an Johann Georg Jacobi vom 17. August 1785, in Österreichische Nationalbibliothek Wien, HSS Cod. 9717, fol. 538r-v. 25 Vgl. den Brief von Johann Georg Jacobi an den Rector [Menzinger] vom 12. Oktober 1791: »Gestern Nachmittag überbrachte mir der Herr Syndicus die angenehme Nachricht, daß ein Wohllöbliches Consistorium, durch einstimmige Wahl, mich zum Rector der hohen Schule ernannt habe. [...] Unterdeßen aber kam iemand, der sich immer als ein Freund gegen mich bewiesen hatte [...]; dieser gab mir zu verstehen, daß ein großer, wo nicht der größte Theil meiner Herren Collegen heimlich mit gedachter Wahl nicht einverstanden wären, und mancherley Verdruß in der Zukunfth mir bevorstünde. »Mir, als einem Protestanten, muß unendlich daran liegen, vom Grund oder Ungrunde ienes Angebers auf das möglichste vergewißert zu seyn. Ich bitte daher Euer Magnificenz gehorsamst, die Wahl noch einmal ansagen zu lassen. Solle alsdann, bey wiederhohlter Wahl, die oben angezeigte Nachricht sich bestätigen; so nöthigt meine Art zu denken mich, das geneigte Anerbieten eines Wohllöblichen Consistoriums der allgemeinen Zufriedenheit aufzuopfern« (Universitätsarchiv Freiburg: Personalakte Johann Georg Jacobi, A 21/33). 9 Ich war einer der ersten, an welchen der aufgeklärte Monarch thätig bewies, daß Er entschlossen sey, verjährte Vorurteile zu verbannen, und die mit der ächten Religion verschwisterte Duldung neben sich auf den Thron zu setzen.26 Jacobi verband in seiner Trauerrede auf Joseph II. ein Bekenntnis zur Empfindsamkeit, die sich als eine sensualistische Aufklärung präsentierte, mit einer Billigung der josephinischen Kirchenreformen und einem Plädoyer für eine sich selbst bewußte Nation. Empfindsamkeit, religiöse Toleranz und Nationalbewußtsein im Zeichen der Aufklärung waren die zentralen Elemente seiner Würdigung. Die Betonung des emotionalen Aspekts war zum einen ein Erbteil der literarhistorischen Epoche der Empfindsamkeit, in der Jacobi seine bekanntesten Werke vorgelegt hatte, zum anderen aber auch ein territoriales Spezifikum, das auch andere vorderösterreichische Aufklärungskonzepte auszeichnet27. Auch Jacobis Schüler, der junge Karl von Rotteck (der später der wichtigste Vertreter des süddeutschen Frühliberalismus werden sollte), äußerte sich mit ähnlichem Tenor zum Tod Josephs II. Er verfaßte eine erst posthum veröffentlichte Ode Auf Josephs II. Tod – ein Trauer- und Trostgedicht, das die barocke Tradition des Epicediums in empfindsame Ausdrucksformen überführte28. Rotteck wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Ordinarius in Freiburg berühmt dafür, daß er Ideen der Französischen Revolution auf den badischen Konstitutionalismus zu übertragen versuchte. Dieser Frühliberalismus hat bei Rotteck seine Wurzeln in einer vom Josephinismus geprägten Jugend. In seiner asklepiadeischen Ode auf Joseph II. huldigt Rotteck dem Initiator der Toleranz. Das Gedicht verklärt Joseph zum »Menschenfreund« (V.14). Der Herrscher wird um seiner »Nächstenliebe« (V.19) willen gefeiert. Im Falle Josephs deutet diese Nächstenliebe auf die Achtung vor dem Andersgläubigen und damit auf die religiöse Toleranz. »Geduld« (V.20) als Herrschertugend paßt in das aufklärerische Ideal des maßvollen Fürsten, der mit Milde regiert. Ach, Du sankest dahin! – eine wohlthätige Eiche, die nur ein paar Jahre durch Schatten uns Gab und Kühlung, sinkt so, wenn Sie der Donner zerschmetterte.29 Die Metapher von der »wohlthätigen Eiche« (V.25 f.) stammt aus dem traditionellen Repertoire der panegyrischen Rhetorik. Daß diese Eiche allerdings »Schatten […] und 26 J. G. Jacobi, Trauerrede auf Joseph den Zweyten, Röm. Kaiser, und König, gehalten im großen Hörsaal der hohen Schule zu Freyburg im Breisgau, Freyburg im Breisgau 1790, S. 2 f. 27 Vgl. in diesem Zusammenhang die Studie Schlossers, mit der dieser auf Jacobis Trauerrede antwortet: J. G. Schlosser, »Anzeige von Herrn Professor Jacobis zu Freiburg Trauerrede auf den Kaiser Joseph II. Samt einem Vorschlag, wie die Trauerreden bei den Todesfeierlichkeiten verstorbener Regenten am besten einzurichten sein mögten«, in Neues Deutsches Museum, 1790, S. 1053–1082. 28 K. von Rotteck, Auf Josephs II. Tod, in Ders., Gesammelte und nachgelassene Schriften mit einer Biographie und Briefwechsel, geordnet und herausgegeben von seinem Sohne Hermann von Rotteck, Pforzheim 1841, 1, S. 27 f. 29 Ebd. 10 Kühlung« (V.26 f.) spendet und nicht so sehr den Elementen trotzt, variiert die Bildlichkeit und weist auf die Leitfigur des aufgeklärten Monarchen, der seinem Volk weniger Herrscher und vielmehr Garant für den jeweiligen pursuit of happiness sein soll. Deutlich wird in diesem Gedicht der Wille zur gefühlvollen Überformung. Indem der Aufbau des Epicediums (inventio, laudatio, lamentatio, consolatio) in der Form einer Ode präsentiert wird, verlagert sich der Charakter des Herrscherlobs weg vom öffentlichen Trauerritual hin zu einer individuellen Klage, die in einer langen inventio die persönliche Wehklage aus der Perspektive des lyrischen Ich in den Vordergrund rückt. Rottecks panegyrisches Sprechen in nüchterner Zeit ist Ausdruck eines Mangelgefühls: Wie auch Jacobi ergänzt Rotteck die josephinische Aufklärung um eine emotionale Komponente. Dieses Plädoyer für eine Aufklärung nicht nur des Verstands, sondern vor allem des Gemüts bildet nicht nur eine Phase einer sich selber kritisch reflektierenden Spätaufklärung, sondern stellt auch ein vorderösterreichisches Spezifikum dar, das sich im Zusammentreffen von theresianisch-josephinischer Bildungsreform, lokaler Tradition und deutscher Aufklärung an der Freiburger Universität entwickelt hatte. Die Freiburger Universität war nicht nur zu einem Hort des Josephinismus geworden, sondern hatte diesen in eigener Manier weiterentwickelt. Welche Rolle Rotteck bei dieser Aufklärung Freiburgs Jacobi zumaß, zeigt die Gedächtnisrede, die Rotteck bei Jacobis akademischer Trauerfeier 1814 gehalten hat. Er schilderte enthusiasmiert, wie mit Jacobi der neue josephinische Geist an der Freiburger Universität greifbar wurde: Mit Liebe, mit Feuer, mit Entzücken gehorchte man dem Ruf [Jacobis]; ein neues Leben erblühte unter den Söhnen der Albertina; und gereifte Männer theilten den Enthusiasmus der akademischen Jugend.30 Auch Jacobis patriotisches Engagement während der Befreiungskriege feiert Rotteck als Konsequenz eines aufklärerischen Aufbegehrens nach Freiheit31. Und so beschreibt Rotteck eine Traditionslinie, die von den josephinischen Bildungsreformen über das Aufbegehren gegen Napoleon führt und in den badischen Frühliberalismus mündet. Vermittlungsort dieser Geisteshaltung war für den deutschen Südwesten die Freiburger Universität. 30 K. von Rotteck, Gedächtnisrede auf Johann Georg Jacobi bey dessen akademischer Todtenfeyer in der Hauptkirche zu Freyburg am 16. November 1814, Freiburg 1814, S. 28 f. 31 Vgl. ebd., S. 24 f.: Während der Befreiungskriege trug Jacobis Dichten »den Stempel seiner patriotischen Trauer, seines glühenden Tyrannenhasses, seines ungebeugten freyen Sinnes. Wohl ihm! Er hat den glorreichen Umschwung der Europäischen Verhältnisse erlebt, und sein letztes Lied war ein Triumphgesang der Freyheit!«. 11 3. Kulturelles Leben Seit den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts, als sich Freiburg im Zuge der josephinischen Reformpolitik zu einem Zentrum der katholischen Aufklärung entwickelte, veränderte sich auch das kulturelle Leben grundlegend. In etwa dreißig Jahren holte Freiburg den Modernisierungsrückstand gegenüber den Stätten der protestantischen Aufklärung auf. Es entwickelte sich in Freiburg ein aufklärerisches Druck- und Verlagswesen, entfaltete sich ein kommunales Theater- und Musikleben, und eine Lesegesellschaft wurde gegründet. 3.1. Zeitschriften Als Aufklärer engagierte sich Johann Caspar Ruef (1748–1825), Bibliothekar der Universität, später Rektor des akademischen Gymnasiums. Mit seiner Zeitschrift Der Freymüthige (1783–1787) schuf er den Freiburger Aufklärern ein literarisches Organ, das mit schonungsloser Offenheit alles anging, was sich dem Josephinismus entgegenstellte. Allerdings dominierten im Freymüthigen – Kennzeichen der katholischen Aufklärung – theologische Diskussionen. Die religiöse Polemik der Zeitschrift verstimmte schließlich die Obrigkeit, so daß die Zeitschrift 1793 endgültig verboten wurde. Auch der Nachfolger des Freimüthigen, die Freyburger Beyträge zur Beförderung des ältesten Christentums und der neuesten Philosophie (1788–1793), blieb eine theologische Fachzeitschrift. Immerhin ergriff Ruef in einigen Artikeln auch Partei für die aufklärerische Literatur und verteidigte etwa den protestantischen Dichter Johann Georg Jacobi gegen konservative Anfeindungen. Daneben entwickelte sich mit dem Freiburger Wochenblatt ein wichtiges publizistisches Forum, dem – ungeachtet mancher Einschränkungen durch die Zensur – sein Herausgeber Franz Xaver Schnetzler (1766–1830) ein liberales Profil verlieh. Durch literarische Beiträge Jacobis, Johann Peter Hebels und vieler vergessener Minderdichter sowie durch Theaterkritiken und literarhistorische Aufsätze förderte das Wochenblatt die ästhetische Bildung im Breisgau. Neben den reformerischen Tendenzen behauptete sich in Freiburg auch außerhalb der Kirche ein antiaufklärerischer Konservativismus, der vor allem unter den zahlreichen ›Exjesuiten‹ zahlreiche Parteigänger fand. Einer der prominentesten Repräsentanten der Gegenaufklärung war Heinrich Sautier (1746–1810). Er entstammte einer wohlhabenden Freiburger Familie und hatte wie sein Kollege Ignaz Felner gerade sein Lehramt am akademischen Gymnasium angetreten, als der Jesuitenorden aufgelöst wurde. Anders als Felner ergriff Sautier Partei für die Gegenaufklärung. Bereits 1784 erschienen unter dem Pseudonym »Erich Servati« seine Freymüthigen Anmerkungen zum Freymüthigen, eine scharfe Polemik, die alle Kompromisse und Uneindeutigkeiten der 12 Freiburger Aufklärung geißelte. Das antiaufklärerische Pamphlet wurde weit über Freiburg hinaus bekannt. Als Sautiers Autorschaft feststand, folgte eine regelrechte Literaturfehde zwischen ihm und den Aufklärern, die bis 1791 andauerte. Doch wirkte Sautier als mäzenatischer Wohltäter, und die nach ihm benannten Sautier-Stiftungen – sie bestehen bis heute – ermöglichten vielen mittellosen Studenten eine Ausbildung. 3.2. Stadttheater Seit 1785 verfügte Freiburg über eine ständige Schaubühne, die der Magistrat im zweiten Stock des Kornhauses am Münsterplatz hatte einrichten lassen. Das Motto auf dem Theatervorhang »ridendo corrigo« bezeugt die volksaufklärerischen Hoffnungen, die dem Theater galten. Allerdings ließ sich der kühne Plan des Regierungsrats von Greiffenegg nicht realisieren, der in Freiburg gar ein deutsches Nationaltheater »zum Behuf der Armen« errichten wollte. Doch engagierte sich Johann Georg Jacobi nach seinem Ruf auf den Lehrstuhl der Schönen Wissenschaften für die Schaubühne: er setzte sich in Prologen für die Armen ein und kritisierte in den Lustspielen Phädon und Naide (1788) und Wallfahrt nach Compostel (1791), das Mönchs- und Wallfahrtswesen. Die Wallfahrt nach Compostel, ein rührendes Lustspiel in der Nachfolge Gellerts, spaltete das Freiburger Publikum: während Johann Caspar Ruef in den aufklärerischen Freiburger Beyträgen für das Lustspiel Partei ergriff, lief die Reaktion Sturm – vergebens: das Stück passierte die Zensur. Allerdings entsprach das Repertoire der diversen wandernden Schauspielertruppen, die in Freiburgs neuem Theater gastierten, mehr der historisierend-sentimentalen Geschmacksmode um 1800: aufgeführt wurden nicht Goethe und selten Schiller, sondern populäre Dramen wie Joseph Marius Babos Ritterstück Otto von Wittelsbach, Otto Heinrich v. Gemmingens sentimentales Familiengemälde Der deutsche Hausvater und vor allem Erfolgsstücke August Friedrich Ferdinand v. Kotzebues (Der Graf von Burgund oder Die silberne Hochzeit). Immerhin gastierte in Freiburg außer dem von Lessing gerühmten Schauspieler Johann Gottlieb Hensel, der hier 1787 starb, auch der Theaterdirektor Wilhelm Vogel. Neben Jacobi verfaßte der Gymnasialdirektor Ignaz Felner Prologe oder Epiloge. Mit ihnen eröffneten und beschlossen die Schauspieltruppen jeweils die Theatersaison, die sich zunächst auf die Wintermonate beschränkte. Die Begrüßungs- und Abschiedsreden preisen den Kunstsinn Freiburgs und seines Publikums in höchsten Tönen. Das Freiburger Musiktheater nahm um 1800 ebenfalls einen deutlichen Aufschwung. Zwar reichten die Mittel für eine große Oper kaum aus, doch Singspiele, Kantaten und Instrumentalmusik, die der neugegründete Musikverein veranstaltete, vermittelten dem 13 Freiburger Publikum den modernen Musikgeschmack, ohne freilich Paisiello und Winter, Weigl und Paër verdrängen zu können. 3.3. Lesegesellschaft »Museum« Mit dem Übergang Freiburgs und des Breisgaus an das Haus Baden im Jahre 1806 erhielt Freiburg auf Anregung des Regierungskommissars Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn (1755–1830) eine Lesegesellschaft, das sogenannte »Museum«. Sie kam im Jahre 1807 – vergleichsweise spät – »auf Wunsch so vieler aufgeklärter und wißbegieriger Einwohner der hiesigen Stadt […] zu Stande«. Ihr Ziel war: eine repräsentative Sammlung der »interessantesten« Journale, Zeitschriften und neuen Bücher, um selbst »den Gehalt und Werth derselben prüfen zu können, und […] damit einen geistvollen Umgang zu verbinden«32. Zu den Gründungsmitgliedern zählen neben den maßgeblichen Landesbeamten und kommunalen Würdenträgern die wichtigsten Repräsentanten der südwestdeutschen Aufklärung, Johann Georg Jacobi, Franz Xaver Schnetzler, Johann Caspar Ruef und Karl v. Rotteck. Die noch heute bestehende »Museumsgesellschaft« zählte bereits vor ihrer offiziellen Gründung am 1. Januar 1807 über 100 Mitglieder und prägte nachhaltig die literarische Kultur Freiburgs im 19. Jahrhundert. Das »Museum« verfügte über ein »Leseinstitut« und ein »Casino«, in dem Musikabende und Bälle veranstaltet wurden. 1811 hielt man bereits 27 literarische, 6 politische, 9 theologische, 8 juristische, 7 medizinische sowie einige andere Zeitschriften und Zeitungen. Im »Museum« verkehrte die gesellschaftliche Oberschicht, Adlige, Beamten und Akademiker. Die Institution diente dem »Gemeingeist[,] durch gemeinsames Streben der Gebildeteren aller Stände zu einem Ziel«33, wie Karl von Rotteck in einer Rede von 1828 rückblickend den integrativen Charakter der Institution preist: »Alle Stände sollten brüderlich vereint nach dem Gemeinwohl streben, im Gedeihen des Ganzen jedes Glied seine Wohlfahrt finden. Also auch wir in unserem, zwar kleinen, doch durch die Vereinigung von Mitgliedern aller Stände ein Abbild des großen darstellenden Gemeinwesen! Friede herrsche für und für unter uns, kein Mißtrauen, keine Zerwürfniß, kein Groll trübe jemals unseren auf wechselseitiger Achtung und Freundschaft rührenden 32 Vgl. Prospectus eines zu errichtenden Museums (1810). Die Statuten der Lesegesellschaft hatte Johann Caspar Ruef 1806 ausgearbeitet. In der Freiburger Zeitung vom 30. Dezember 1806 hatte ein führender Vertreter der badischen Regierung die Hoffnung geäußert, durch die Lesegesellschaft möge »das Band der Geselligkeit [...] unter den gebildeten Ständen noch fester geschlungen werden«. 14 Bund!«34. Tatsächlich entwickelte sich das »Museum« zu einem bedeutenden Forum des badischen Liberalismus. 4. Literarische Zirkel um Johann Georg Jacobi von 1784 bis 1814 Südbaden und Freiburg kannten um 1800 ein vielfältiges, reiches literarisches Leben. Mehrere Dichtergruppen und literarische Zirkel, die sich um Johann Georg Jacobi zwischen 1784 und 1814 hier formierten, bezeugen eine urbane Geselligkeit. 4.1. Schlosser-Pfeffel-Kreis in Emmendingen Unweit vom vorderösterreichischen Freiburg, im badischen Kreisstädtchen Emmendingen, existierte seit 1774 ein aufklärerischer, literarhistorisch bedeutender Dichterkreis. Sein Haupt war der mit Goethes Schwester Cornelia verheiratete Jurist Johann Georg Schlosser, der als badischer Oberamtmann ein gastliches Haus führte. Getragen von aufklärerischem Optimismus, förderte Schlosser auch die gefühlsästhetische Literaturrevolution: Goethe, Wilhelm Heinse, Lavater und Jakob Michael Reinhold Lenz besuchten ihn in Emmendingen. Als Schlosser 1783 auf Einladung Kaiser Josephs II. in Wien weilte, hatte er ihm wohl auch seinen Schwager aus zweiter Ehe, den protestantischen Dichter Johann Georg Jacobi, für eine Professur an der vorderösterreichischen Universität Freiburg empfohlen. Als Johann Georg Jacobi im Jahre 1784 auf den neu eingerichteten Freiburger Lehrstuhl der »Schönen Wissenschaften« berufen wurde, führte ihn Schlosser in das literarische Leben am Oberrhein ein. Schlosser begrüßte seinen Schwager im Breisgau mit einer Gedichtauswahl. Die von ihm herausgegebenen Auserlesenen Lieder von Johann Georg Jacobi widmete Schlosser seinem Freund Gottlieb Konrad Pfeffel, dem blinden Dichter in Colmar. In dieses aufklärerische Dichterbündnis integrierte Schlosser seinen Schwager Jacobi in der Hoffnung, dieser möge mit der »Fackel der Aufklärung« die vorderösterreichische Provinz »illuminieren«. Von freimaurerischer Überzeugung und volksaufklärerischem Optimismus getragen, strebte der Schlosser-Kreis – über Staats- und Konfessionsgrenzen hinweg – nach einer Verbesserung der Menschen und ihrer Lebensbedingungen. 33 Rede bei dem, zur Feier des Sekularfestes des höchstseligen Großherzogs Carl Friedrich zu Baden, von der Museumsgesellschaft zu Freiburg am 23. November veranstalteten Festmahle gesprochen, aus Auftrag des Gesellschafts-Direktoriums und Ausschusses, von Dr. Carl von Rotteck, Hofrath und Professor, Freiburg 1828, S. 4. 34 Ebd., S. 5. 15 Zu dem oberrheinischen Freundeskreis gehörten auch auswärtige Freunde Schlossers wie die Grafen Stolberg und die Schweizer Jacob Sarasin und Johann Kaspar Lavater. Den Kern bildeten Schlosser, Jacobi und Pfeffel, die übrigen Teilnehmer waren Reisende, aufgeklärte Honoratioren und Dichter. Als Schlosser 1787 aus Emmendingen nach Karlsruhe versetzt wurde, suchte man den Gesprächskreis in einer politischen »Circularcorrespondenz« fortdauern zu lassen. Doch bereits Mitte der 80er Jahre und erst recht durch den Terreur der Französischen Revolution waren die aufklärerischen Hoffnungen im Emmendinger Kreis um Schlosser einer skeptischen Haltung gewichen. Damit nahm auch das gesellige Interesse der Freunde ab. Die Resignation der vormals begeisterten Aufklärer bezeugen der großenteils noch unveröffentlichte Briefwechsel zwischen Schlosser, Jacobi und Pfeffel sowie die Briefgedichte Jacobis an Schlosser. Gegen den weltumspannenden Aufklärungswillen und »des Frevels wilde Rotte« beschwört Jacobi sentimentale Freundschaft und empfindsame Naturreligion35. So sucht Jacobi der misanthropischen Skepsis Schlossers in einer Versepistel von 1793 entgegenzuwirken. Doch die gemeinsame Ablehnung der politischen Welt, wie sehr auch die Eingangsstrophe sie zu beschwören sucht, blieb ein zu schwaches Band, um die Dichterfreundschaft zu bewahren: Freund! In jenen bangen Tagen, Als so tief die Menschheit fiel, Ehrt’ich deine frommen Klagen, Rührte nicht mein Saitenspiel; Aber, hohen Mutes voll, Schlag’ ich lauter nun die Leyer, Weil kein Höllenungeheur Unser Glück uns rauben soll.36 Schlossers Antwortbrief läßt denn auch am Ende des aufklärerischen Bundes keinen Zweifel: […] so wirst Du auch mir nicht läugnen, daß der große Riß in das Band der Menschheit, den wir erlebt haben, ein großer Riß in unsre Herzen ist. Für mich hatte der Zusammenhang mit der Menschheit immer etwas vorzüglich Segnendes. Das Zutrauen, das ich noch immer zu dem Gros der Menschen hatte […] – das Zutrauen habe ich nun verloren.37 35 J. G. Jacobi, »An Schlosser«, Freyburg, im April 1793, in Ders., Sämmtliche Werke, Zürich 18252, 3, S. 217–220, hier 220. 36 Ebd. »[J. G.] Schlossers Antwort [auf Jacobis Versepistel ›An Schlosser‹]«, in J. G. Jacobi, Sämmtliche Werke, Zürich 18252, 3, S. 221–223, hier 221 f. 37 16 4.2. Jacobis Freiburger Taschenbücher Seit Mitte der neunziger Jahre bemühte sich Jacobi um ein publizistisches Forum für die eigenen Gedichte und die seiner Dichterfreunde. Von 1795 bis 1802 publizierte er regelmäßig Almanache, die unverkennbar regional gefärbt sind. Zu den diversen Taschenbüchern, die zwischen 1795 und 1802 bei verschiedenen Verlegern erscheinen, tragen neben zahlreichen Namenlosen und Lokalgrößen einige literarische Berühmtheiten bei wie Jean Paul, Friedrich Gottlieb Klopstock und Johann Heinrich Voß. Wie das Ungleichgewicht der Beiträger zeigt, handelte es sich dabei um keinen wirklichen Dichterkreis, sondern um eine lockere Gruppe. Die fehlende programmatische Bindung erhellt auch aus der Tatsache, daß die meisten Beiträger von Jacobis Taschenbüchern (1795–1802) nicht mehr zur nachfolgenden Iris beitrugen. Diese Phase kennzeichnet somit einen Übergang von einem unabhängigen Freundeskreis zu einem eigenen Dichterkreis: einerseits schmückte Jacobi seine Almanache mit bedeutenden Dichtern, andererseits förderte er literarische Lokalgrößen. In dieser Phase suchte Jacobi zunehmend, seine ästhetische Haltung dichtungstheoretisch zu begründen und stellte sich in die Tradition der Anakreontik eines Hagedorn und Uz. Denn er hielt an der geselligen Funktion der Dichtung ebenso fest wie an Sinnlichkeit und Empfindsamkeit als Errungenschaften der bürgerlichen Aufklärung – eine angesichts selbstherrlicher romantischer Subjektentwürfe unzeitgemäße Dichtungsauffassung. Jacobis poetische Selbstbescheidung im Dienste häuslichen Glücks38 wie urbaner Geselligkeit zeigt sich programmatisch in seinem Dichtergedicht auf Klopstock aus Jacobis Überflüssigem Taschenbuch für das Jahr 1800: Son pittore anch’io Wenn mir Anakreon, von Grazien umringt, Das Lächeln der Natur, des Lebens Freuden singt, So glüht Begeisterung in mir: Auch ich bin Dichter! Wenn aber Klopstocks Harfe klingt; Wenn ihm Gedanken, groß und schön, Hervor aus heil’gem Dunkel gehn, Stillglänzend, wie des Himmels Lichter; Dann überwältigt mich des Sängers hoher Sinn, Dann blick’ ich schüchtern nur auf meine Lieder hin, Seh’ um mich her die Weisesten als Richter, 38 Jacobi hatte als Mann von 50 Jahren sein Glück in Freiburg gefunden. Er heiratete im Dezember 1791 die über 25 Jahre jüngere katholische Magd Maria Ursula Müller. Durch die Geburt seines Sohnes Friedrich am 17. Dezember 1792 wurde das Familienglück vollkommen, das Jacobi in Briefen und Gedichten pries. So ließ er eine Versepistel »An den Freyherrn von Zinck in Emmendingen am 8. Jänner 1795«, in Taschenbuch von J. G. Jacobi und seinen Freunden für 1796, die sein häusliches Glück rühmt, mit einem Kupferstich illustrieren (»Häusliche Freude«), der den Sohn Fritz auf dem Schaukelpferd zwischen dem Spinnrad der eintretenden Mutter und dem Schreibtisch des Dichters zeigt. 17 Und frage: Bin auch ich ein Dichter?39 In diesem Gedicht zitiert und variiert Jacobi die selbstbewußten Worte, mit denen der italienische Maler Correggio sein künstlerisches Selbstbewußtsein gegenüber Raffael geltend gemacht hat – »Ich bin auch Maler!« – und überträgt sie auf die Dichtung. Während ihn Anakreons heiterer Gesang im Dichten bestärkt, läßt ihn Klopstocks »hoher Sinn« an der eigenen poetischen Begabung zweifeln. So sehr Jacobi die hohe Dichtung Klopstocks ehrt, so sehr rechtfertigt er doch auch seine geselligen Lieder in der Tradition Anakreons. 4.3. Dichterzirkel und Teekränzchen Bereits um 1800 muß in Freiburg ein regelrechter ›Kreis‹ um Jacobi bestanden haben, denn in Briefen dieser Zeit kommt die Bezeichnung »Zirkel« oder »Kreis« vor. Anders als im Freundschaftsbund um Schlosser steht Jacobi eindeutig im Mittelpunkt: sein Kreis besteht aus einer Verehrergemeinde, deren Mitglieder deutlich jünger sind. Junge Dichterinnen und Dichter übersandten ihm Poesien, die Jacobi korrigierte, wie wir der nachgelassenen Korrespondenz entnehmen können. Sprachrichtigkeit und Prosodie bildeten die Richtschnur von Jacobis ausführlichen Korrekturen. So verbesserte er ein Gedicht in Berner Mundart des jungen Schweizers Johann Rudolf Wyss, und auch Ignaz Heinrich Karl Freiherr von Wessenberg nahm Jacobis ausführliche »Critik freundlich auf«. In den meisten jugendlichen Dichtern dürfen wir wohl Teilnehmer an Jacobis beliebten »praktischem Collegium« vermuten, in dem Hörer aller Fakultäten, ihre Sprache und Rede üben konnten. Jacobi bekannte sich zu seiner Rolle als Mentor junger Dichter auch öffentlich, indem er in der Iris fremde Gedichte mit seinen kritischen Anmerkungen abdruckte. Neben diesem eher akademischen Kreis förderte Jacobi aber auch die unakademische Geselligkeit. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts unterhielt er in seinem Hause in der Herrenstraße (im heutigen Gasthaus »Schwarzwälder Hof«) eine ästhetische Teegesellschaft für Damen. Von diesem »Mittwoch-Kränzchen« berichtet 1804 die Dichterin Therese von Artner unter ihrem Ordensnamen »Theone«, den sie Jacobi verdankt, in einem Brief, um einer Freundin eine flüchtige Idee von dieser kleinen, gewählten Gesellschaft zu geben, deren Stifter unser lieber Jacobi ist! Stellen Sie aber deswegen sich die Unterhaltung ja nicht gelehrt vor! Ein Gelehrter […] wäre doch nur ein sehr einseitig gebildeter Mensch […]; ein Dichter aber, wie Jacobi, würde sich niemals die Unartigkeit zu Schulden kommen lassen, so in einen weiblichen Cirkel zu treten. – Was wir also in unserm Kränzchen thun? Wir versammeln uns um den 39 J. G. Jacobi, »Son pittore anch’io«, in Überflüssiges Taschenbuch für das Jahr 1800, hg. v. J. G. Jacobi, dazu eine Vorrede von Friedrich Heinrich Jacobi, Hamburg [1799], S. 191. 18 geselligen Theetopf, schlürfen seinen dampfenden Abguß, plaudern dies und jenes, sind auch nicht ein bischen altklug, und ich darf so viel und so herzlich lachen, als es Lust und Laune zugiebt, tout comme chez nous […]. Ganz alltägliches Geschwätz, und den erbaulichen Artikel vom Leumund des lieben Nächsten, werden Sie wohl selbst von unserm Theetisch verbannt glauben. Beides untersagen zwar die Statuten der Gesellschaft nicht; aber ihre Auswahl, und der Geist, der sie unmerklich leitet, schützt sie desto sicherer dagegen. […] Der beliebteste Stoff sind Züge aus dem Leben vorzüglicher Menschen von unsrer Bekanntschaft, wovon denn J[acobi] das Meiste zu liefern vermag […]. Am meisten öffnet sich sein Herz, wenn er von Gleim und den frohen Zeiten spricht, wo er um ihn lebte, wenn er diese oder jene Anekdote von dem Freunde seiner Jugend wiederholen kann. Eines Uz, Kleist, einer Karschin, und mehrerer schönen Geister aus jener Periode, wird eben so oft gedacht, und nie ohne Bedauern, daß ihre unsterblichen Werke von dem ersten undankbaren Folgegeschlecht so wenig gelesen, und einem modischen, gedankenleeren Singsang nachgesetzt werden, der unsre ernste nordische Sprache zwingen will, die Süßigkeiten südlicher nachzulallen.40 Therese von Artners Bericht hat Jacobi durch Aufnahme in die Iris autorisiert. Name (»Mittwoch-Kränzchen«), Teezeremonie und die unumstrittene Autorität Jacobis bezeugen einen festen Zirkel. Er orientiert sich an der anakreontisch-empfindsamen Gesellschaftsdichtung des 18. Jahrhunderts, wie sie Klopstock, Hagedorn, Gleim und Uz verkörpern. Bei vehementer Ablehnung der romantischen Kunstautonomie, die als eitler »Sing-Sang« abgetan wird, hält Jacobi an der aufklärerisch-empfindsamen Tradition des 18. Jahrhunderts als ästhetischem Maßstab und Grundlage eines zukunftweisenden ›ProtoBiedermeier‹ fest. 4.4. Der Iris-Kreis Heitersheim und der »Poet’s Corner« in Am Ende der vorderösterreichischen Ära festigte Jacobi seinen Dichterkreis durch ein eigenes Periodikum: die Iris. Damit knüpft Jacobi namentlich an seine frühere Zeitschrift Iris an, die er als Pendant zu Wielands Teutschem Merkur gegründet hatte. Richtete sich die Düsseldorfer Iris, die Jacobi zwischen 1774 und 1778 gemeinsam mit Wilhelm Heinse herausgab und die ein bedeutsames Forum für die gefühlsästhetische Literaturrevolution darstellte41, seinerzeit ausdrücklich an Leserinnen, so fällt der ›weibliche‹ Aspekt für die Wahl desselben Namens im Jahre 1802 nicht so sehr ins Gewicht. Mehr noch als die Kontinuität seines Werks betont Jacobi mit der antiken Götterbotin als Titel den irenischen Aspekt seines Periodikums, wie ein Programmgedicht zeigt42. Die Freiburger Iris, verlegt 40 Theone [d. i. T. von Artner], »An die Freyinn Marie von Zay, geb. Fr. v. Calisch in Tyrnau. Freyburg, den 1. Aug[ust] 1804«, in Iris 1805, S. 270–282, hier 272–274. 41 42 Vgl. zur Düsseldorfer Iris O. Manthey-Zorn, Johann Georg Jacobis Iris, Diss. Leipzig, Zwickau 1905. Vgl. J. G. Jacobi, »Iris«, in Iris 1803, S. 1–6, bes. S. 2: »Und die Sonne lacht | Sanft hinüber in der Wolke Nacht, | Wo befreundete Farben sich mischen, | Sich der friedliche Bogen neigt, | Und empor zu ihm aus allen Gebüschen | Dankender Jubel steigt«. 19 von Johann Heinrich Füßli in Zürich, erscheint erstmals als Almanach für das Jahr 1803, die elfte Ausgabe, die Iris 1813, ist die letzte43. Vor dem Übergang des Breisgaus an das Haus Baden konzipierte Jacobi seine neue Iris als ein oberrheinisches Periodikum. Dabei unterstützten ihn sein elsässischer Freund Gottlieb Konrad Pfeffel und Joseph Albrecht von Ittner, Kanzler des Johanniter-Priorats in Heitersheim, der nach dem Übergang des Breisgaus an Baden als Kurator der Universität Freiburg wirkte. Ittner, ein geistreicher Humanist und gebildeter Naturforscher, richtete nach der Mode englischer Landschaftsgärten in seinem Heitersheimer Schloßgarten eigens für Jacobi »den ›Poet’s corner‹, oder Poetenwinkel« ein. Von den Zusammenkünften des Dichterkreises im Markgräfler Land berichtet Jacobi in einer Versepistel an Pfeffel44. Durch ihre Aufnahme in die Iris 1805, begleitet von einem Kupferstich des Poeten-Sitzes, wird der oberrheinische Dichterkreis um Jacobi auch der Öffentlichkeit bekannt. Ein Dichterkatalog, der in einem Lobgesang Klopstocks gipfelt, charakterisiert die traditionelle Dichtungsauffassung des oberrheinischen Freundeskreises. Der oberrheinische Iris-Kreis orientierte sich an klassizistischen Mustern und an der deutschen Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 1805 rehabilitierte Jacobi in seinem literaturgeschichtlichen Aufsatz Hagedorn (1806) den vorbarocken Klassizisten Martin Opitz, indem er ihn zum Vorgänger von Hagedorn und Uz stilisierte45. Seine Aufwertung der Tradition deutscher Gesellschaftsdichtung bekräftigte Jacobi auch in weiteren programmatischen Beiträgen zur Iris. Insbesondere wertete er die von der Genieästhetik verpönte Gelegenheitsdichtung auf und stiftete in Dichterkatalogen eine ästhetische Opposition zur romantischen Verabsolutierung der Subjektivität. Nach Uz und Ramler, die sein eigenes Herkommen symbolisieren, nennt Jacobi namentlich noch Klopstock, Pfeffel, Voß und die Brüder Stolberg46. Dieser Dichterkatalog repräsentiert nicht nur einen antiromantischen Katalog klassizistischer Dichter, sondern entspricht auch dem klassizistischen Selbstverständnis des JacobiKreises, sind doch alle Genannten Beiträger von Jacobis Almanachen. Wie angelegen dem oberrheinischen Dichterkreis die kommunale und soziale Verantwortung des Dichtens war, zeigt die große Zahl von Widmungsgedichten und 43 Die Iris 1813 ist dem Andenken von Jacobis früh verstorbenem Sohn Friedrich gewidmet. 44 J. G. Jacobi, »Der Poeten-Sitz. An Pfeffel. Freyburg, am 3. Oktober 1803«, in Iris 1805, S. 84–100 (wieder in Sämmtliche Werke, Zürich 18252, 4, S. 103–114). 45 J. G. Jacobi, »Hagedorn«, in Iris 1806, S. 1–23 (wieder in Sämmtliche Werke, a. a. O, 4, S. 159–174). 46 Vgl. Sämmtliche Werke, a. a. O., 4, S. 180–190, hier 189 f. 20 Gelegenheitsgedichten in allen Jahrgängen der Iris. Darin unterscheidet sie sich von anderen Musenalmanachen. Die Freiburger Iris förderte ein regionales Bewußtsein mit zahlreichen ›Schwarzwalddichtungen‹ und alemannischen Dichtungen, um die Gemeinschaft gegen politische Fremdeinflüsse und die Herrschaftswechsel im Breisgau um 1800 immunisieren. Die Allemannischen Gedichte. Für Freunde ländlicher Natur und Sitten (1803) lobte Jacobi noch vor Goethe und Jean Paul und veröffentlichte in der Iris mehrere Gedichte Johann Peter Hebels. Der Abendstern (1804) erschien in der Iris für 1804 noch anonym mit zwei hochdeutschen Übertragungen Hebels und Jacobis als Lesehilfe47. Hebel verehrte Jacobi so sehr, daß er erwog, die lutherische Pfarrei zu übernehmen, die 1806, nachdem der Breisgau badisch geworden war, in Freiburg eingerichtet wurde. Die Iris präsentierte sich als das Organ eines Dichterkreises. Zahlreiche Dichtergedichte auf den Herausgeber Jacobi stilisierten ihn zum antikischen »Sänger«. Alter und überzeitliche Dichterwürde verbürgten Jacobis Führungsrolle in dem Dichterkreis. Zudem bekräftigt seine antikische Stilisierung auch das ästhetische Programm der Gruppe: ein empfindsamer Klassizismus, dessen ästhetisches Ideal der Enthusiasmus Klopstocks, die Anakreontik Hagedorns und die Freundschaftsdichtung von Uz bildeten. Der Iris-Kreis bekannte sich zu einer Dichtung, die sich sozialer Verantwortung nicht entzieht, sondern zur ästhetischen Bildung der Gesellschaft beiträgt. In Deutschland wurde der oberrheinische Dichterkreis um Jacobi durchaus als eigenständiger Bund wahrgenommen. Dies bezeugt der Bericht über die Feier von »Jacobi’s Namenstag […] am 23sten April 1807« in Cottas renommiertem Morgenblatt für gebildete Stände, den wohl der mit Jacobi befreundete Herausgeber der Freyburger Zeitung Franz Xaver Schnetzler verfaßt hat. Erst in der späteren Literaturgeschichtsschreibung gerieten Vielfalt und Reichtum des literarischen Lebens im deutschen Südwesten um 1800 – mit Freiburg als Zentrum der Spätaufklärung – in unverdiente Vergessenheit. 47 Iris 1804, S. 140–144 [alemannische Fassung], S. 146–149 [Jacobis hochdeutsche Übersetzung]. Vgl. C. Pietzckers Beitrag in Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus. Literarisches Leben in Südbaden um 1800, hg. v. A. Aurnhammer und W. Kühlmann (in Vorbereitung). 21 Bibliographie Kap. 1. Geier, F., Die Durchführung der kirchlichen Reformen Josephs II. im Untersuchungen zu vorderösterreichischen Breisgau, Stuttgart 1905. Hammerstein, N., Aufklärung und katholisches Reich. Universitätsreform und Politik katholischer Territorien des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation im 18. Jahrhundert, Berlin 1977. Hegel, E., Die katholische Kirche unter dem Einfluß der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, Opladen 1975. 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