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Blütenstand 3 Seiten, 2'566 Wörter, 18'511 Zeichen
Blütenstand (Inflorescentia), in der Botanik derjenige Teil des Stengels einer Pflanze, dessen Seitenachsen unmittelbar zu
Blüten sich entwickeln oder auch erst an ihren Verzweigungen diese Bildung annehmen, mit der Beschränkung jedoch, daß an
diesem Teil des Stengels und bez. an seinen weitern Verzweigungen keine eigentlichen Laubblätter mehr, sondern nur Hochblätter
(s. Blatt, S. 1016) vorhanden sind. Durch dieses letztere Merkmal stellt sich der Blütenstand als ein von den übrigen Regionen der
Pflanze schärfer geschiedenes Ganze dar, als die eigentliche Hochblattregion.
Hiernach kann z. B. ein mit Zweigen versehener Stengel, welcher selbst und an seinen Zweigen mit grünen Laubblättern besetzt
ist und an den Enden der Zweige mit einer oder mehreren Blüten abschließt, nicht als Blütenstand bezeichnet werden; es ist dann
vielmehr jedes die Blüten tragende Ende der Zweige ein Blütenstand für sich Die zum Blütenstand gehörigen Hochblätter treten meist
in unvollkommenen Gestalten auf, indem sie in der Regel als ganze, ungestielte Blätter, bisweilen nur scheiden- oder schuppenförmig
erscheinen; manchmal sind sie jedoch blumenartig gefärbt.
Diejenigen Blätter, in deren Achseln die Blüten stehen, die Deckblätter (bracteae), haben entweder eine längere Dauer, können
sogar zur Fruchtzeit noch vorhanden sein, oder sie fallen frühzeitig ab; bisweilen schlagen sie ganz fehl, so daß die Blütenstiele nackt
aus dem Stengel entspringen, wie bei den Kreuzblütlern. Außer den Deckblättern sind aber in vielen Fällen auch noch andre
Hochblätter vorhanden, welche weder eine Blüte noch überhaupt ein Organ in ihrer Achsel erzeugen.
Diese Vorblätter (bracteolae) sind auch hinsichtlich des Ortes, an welchem sie stehen, von den Deckblättern verschieden, indem
sie entweder am Blütenstiel selbst unterhalb der Blüte sich finden, dieser also vorausgehen, oder auch am Grunde des ganzen
Blütenstandes auftreten, diesem ebenso vorausgehend wie sonst der einzelnen Blüte. Einer Blüte oder einem Blütenstand können
ein oder zwei Vorblätter sowie verschiedenartige Formen von Hochblättern vorangehen, und wir erhalten so eine Reihe
verschiedener Bildungen, die mit besondern Namen belegt werden.
Die an den Blütenstielen stehenden Vorblätter sind häufig kleine, schuppenartige, paarweise stehende Organe, wie bei den
Nelken und Veilchen. Ein flügelartiges Vorblatt steht am Stiel des Blütenstandes bei der Linde (Fig. 1), ein großes, scheidenartiges
Gebilde (Blütenscheide, spatha) bei der Narzisse, dem Lauch und bei vielen Aroideen, deren Blütenstand von einer großen, bisweilen
blumenartig gefärbten Blütenscheide umgeben ist (Fig. 2). Wenn einer Blüte oder einem Blütenstand eine größere Anzahl sehr
genäherter, nämlich quirlig oder spiralig geordneter Hochblätter vorausgeht, so spricht man im allgemeinen von einer Hülle
(involucrum). Hierher gehören: das aus zahlreichen dachziegelartig sich deckenden, kleinen Blättern gebildete Involukrum der
Kompositen und Dipsaceen (Fig. 3), das aus einem Quirl von Blättern bestehende Involukrum an der Basis des Kelchs bei den
Malvaceen,
forlaufend desgleichen die sogen. Becherhülle (cupula) in der Familie der Kupuliferen, welche hier die weiblichen Blüten einfaßt,
als zerschlitzte, häutige Hülle bei der Haselnuß, als dicker, außen stachliger Becher bei der Rotbuche und als holzige Schüssel bei
der Eiche austritt. Der einfachste Blütenstand, die Einzelblüte (flos solitarius), ist achselständig, indem sie aus den Achseln eines
Laubblattes entspringt, wie beim Wintergrün (Vinca), oder endständig, indem sie den Stengel der Pflanze abschließt, wie bei der
Tulpe. Dasjenige Stengelglied, welches unmittelbar die Blüte trägt, heißt Blütenstiel (pedunculus), und je nachdem derselbe deutlich
entwickelt ist oder nicht, heißen die Blüten gestielte (flores pedunculati) oder sitzende (flores sessiles). Der eigentliche, aus mehreren
Blüten bestehende Blütenstand läßt eine Reihe verschiedener Formen unterscheiden.
I. Einfache Blütenstände (inflorescentiae simplices) heißen alle diejenigen, bei welchen die aus der Hauptachse (Spindel,
rhachis) entspringenden Seitenachsen mit einer Blüte abschließen. Diese unterscheidet man zunächst wieder in zwei Kategorien. Bei
den einen ist die Zahl der Seitenachsen unbestimmt, die Hauptachse wird meist nicht von einer Blüte abgeschlossen und erscheint
daher unbegrenzt und den Nebenachsen ungleichwertig. Bei den andern dagegen ist die Zahl der Seitenachsen bestimmt,
gewöhnlich zwei oder eine; die Hauptachse wird durch eine Blüte abgeschlossen, ist begrenzt und den Nebenachsen gleichwertig.
Jene werden traubige oder botrytische (inflorescentiae botryoides), diese trugdoldige oder cymöse Blütenstände (inflorescentiae
cymoides) genannt. Zu den erstern gehören folgende besondere Arten:
1) Bei der Ähre (spica) ist die Hauptachse verlängert, während die Seitenachsen in der Art unentwickelt sind, daß die Blüten
sitzend erscheinen (Fig. 4). Die Ähre der Weiden, Birken und verwandten Gewächse mit meist schlaffer, oft hängender Spindel heißt
Kätzchen (amentum), die mit dicker, fleischiger Spindel bei den Aroideen Kolben (spadix).
2) Bei der Traube (racemus) ist die Hauptachse verlängert, während die Blütenstiele auch deutlich entwickelt sind (Fig. 5 u. 6). 3)
Bei dem Köpfchen (capitulum) ist die Hauptachse derart verkürzt, daß sämtliche sitzende Blüten gleichsam von Einem Punkt aus zu
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entspringen scheinen (Fig. 7). Das Köpfchen der Kompositen (Blütenkörbchen, calathium s. anthodium, Fig. 8) besteht aus einer
verdickten, meist scheibenförmigen Spindel (Blütenlager, receptaculum s. clinanthium, Fig. 9), die auf ihrer Oberseite mit den
zahlreichen kleinen Blüten besetzt ist, während sie an der Seite u. unterwärts das Involukrum (s. oben) trägt. Jede Blüte steht
meistens hinter einem meist trockenhäutigen Deckblatt (Spreublatt, palea).
Die den Rand einnehmenden Blüten sind mit langen, zungenförmigen Blumenkronen versehen (Strahlblüten), während alle
übrigen Blüten kurze, regelmäßig röhrenförmige Korollen besitzen (Scheibenblüten). Der Blütenkuchen (coenanthium) stellt eine flach
ausgebreitete, fleischige Achse dar, in deren Oberfläche zahlreiche kleine Blüten eingesenkt sind, wie bei Dorstenia, während bei der
verwandten Feige die ausgebreitete Achse der Infloreszenz durch Einkrümmung ihrer Ränder zu einem hohlen, am Scheitel
durchbohrten, birnförmigen Körper wird, der auf der Oberfläche seiner Innenwände mit den Blüten besetzt ist. Die gewöhnlich sogen.
Frucht der Feige ist somit der ganze vergrößerte und saftig gewordene Blütenstand, der die nußartigen, kleinen Früchtchen erst in
seinem Innern birgt.
4) Bei der Dolde oder dem Schirm (umbella) ist die Hauptachse ebenfalls verkürzt, aber die Blütenstiele sind entwickelt und
scheinen demnach von Einem Punkt aus zu entspringen (Fig. 10 u. 11). Dabei sind entweder die äußersten Blütenteile die längsten,
so daß die Blüten in gleicher Höhe zu stehen kommen und die Dolde wirklich schirmförmig erscheint, oder die Blütenstiele
forlaufend haben nahezu gleiche Länge, und die Dolde wird kugelig, wie bei Allium. Die zweite Kategorie der einfachen
Infloreszenzen, die der cymösen, unterscheidet sich hauptsächlich dadurch von der ersten, daß die Zahl der Seitenachsen eine
gesetzmäßige ist und letztere sich in der Regel in derselben Weise wie die Hauptachse weiter verzweigen. Dazu gehört 5) die
zweistrahlige Trugdolde (Dichasium) mit zwei Seitenachsen. Sie tritt in voller Reinheit bei den Karyophylleen (Fig. 12) auf.
Hier bringen die beiden unterhalb der Endblüte sich erhebenden Blütenstiele, die ebenfalls mit einer Blüte abschließen, unterhalb
der letztern ebenfalls zwei gegenständige Zweige hervor, die gleichfalls mit einer Blüte endigen u. unter dieser zwei neue
Stieleerzeugen u. s. f. (Fig. 13). Dabei ist bisweilen der eine von zwei gleichwertigen gegenständigen Zweigen minder entwickelt,
fährt insbesondere in seiner Verzweigung minder weit fort als der andre, und es wird namentlich in den letzten Verzweigungen oft der
eine ganz unterdrückt. An den beiden zusammengehörigen Seitensprossen hat die Spirale (s. Blüte, S. 65) der Kelchblätter in der
Regel eine entgegengesetzte Richtung; ist sie an einem Sproß linksläufig, so ist sie am andern rechtsläufig. In diesem Fall sind die
beiden Sprosse gegenwendig (antidrom), bei gleicher Richtung der Blattspiralen dagegen gleichwendig (homodrom).
6) Die Schraubel (bostryx, cyma helicoides s. monosticha) ist ein einseitig ausgebildetes Dichasium. Zur Erläuterung ihrer
Entstehung vergleiche man die schematische Fig. 14 mit dem vollständig ausgebildeten Dichasium (Fig. 13). Die Hauptachse erzeugt
unter ihrer Endblüte nur den einen der beiden Äste, dieser schließt wieder mit einer Blüte ab, entwickelt aber ebenfalls nur den einen
seiner beiden Zweige u. s. f. Es entwickeln sich hierbei stets nur die gleichwendigen Seitensprosse, und es haben daher im Grundriß
(Fig. 15) des Blütenstandes alle Spiralen dieselbe Richtung.
Schraubeln finden sich besonders schön bei den Hypericum-Arten. Sehr gewöhnlich treten an den Schraubeln die aufeinander
folgenden untern Stücke der Seitensprosse zu einer scheinbar einfachen Achse (Scheinachse, Sympodium) zusammen und drangen
die blütentragenden Achsenteile zur Seite. Weichen die aufeinander folgenden Sprosse genau um 180° voneinander ab, so entsteht
der Fächel (rhipidium), der z. B. bei Juncus maritimus vorkommt. Ein entgegengesetztes Verhältnis wie bei der Schraubel tritt ein
7) bei dem Wickel (cincinnus, cyma scorpioides s. disticha). Dieser ist ein einseitig ausgebildetes Dichasium, bei welchem
allemal der antidrome Zweig zur Entwickelung kommt und daher die auseinander folgenden Blütenstiele abwechselnd an der rechten
und linken Seite des ältern entspringen, so daß die Blüten in zwei Reihen zu liegen kommen (Fig. 16). In diesem Fall zeigen die
auseinander folgenden Blattspiralen abwechselnd eine entgegengesetzt Richtung (Fig. 17). Auch hier bildet sich eine Scheinachse
aus den sich aneinander schließenden untern Stücken der Blütenstiele, welche in den jüngern Teilen mehr oder weniger eingerollt ist.
Allgemein verbreitet ist der Wickel in der Familie der Asperifoliaceen, z. B. beim Vergißmeinnicht (Fig. 18). Weichen hier die
aufeinander folgenden Sprosse um 180° voneinander ab, so entsteht die Sichel (drepanium), ein Blütenstand, der z. B. bei Juncus
bufonius vorkommt. Wickel u. Schraubeln führen auch den gemeinsamen Namen einstrahlige Trugdolde oder Monochasium, weil bei
ihnen stets nur die eine Seitenachse zur Entwickelung kommt. Kommen bei einem cymösen Blütenstand drei oder mehr
Seitenachsen zur Ausbildung, wie es bei Arten von Sedum und Euphorbia der Fall ist, so nennt man einen solchen Blütenstand eine
mehrstrahlige Trugdolde oder ein Pleiochasium.
II. Zusammengesetzte Blütenstände (inflorescentiae compositae) entstehen, wenn die aus der
forlaufend Hauptachse hervorgehenden Auszweigungen des ersten Grades sich weiter verzweigen und zu neuen Infloreszenzen
werden. Es verbinden sich dabei nicht bloß Blütenstände der gleichen Art, also Wickel mit Wickeln, Schraubeln mit Schraubeln,
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sondern auch ungleichartige, also Dolden mit Schraubeln, Ähren mit Wickeln etc. Die Kombinationen sind hier so mannigfach, daß es
unmöglich ist, sie alle anzuführen. Eine besonders häufige Form des zusammengesetzten Blütenstandes ist die Rispe (panicula), bei
welcher die untern Seitenachsen traubig verzweigt und länger, die obern dagegen unverzweigt und kürzer sind; überragen die untern
Zweige die obern, so nennt man den Blütenstand eine Spirre (anthela).
Ende Blütenstand
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;3. Band, Seite 79 im Internet seit 2005; Text geprüft am 26.4.2007; publiziert von Peter Hug; Abruf am 2.11.2017
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