Handout 03.01.2012 Referat

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Freie Universität Berlin - Otto Suhr Institut für Politikwissenschaft
Hauptseminar: Hauptströmungen des Marxismus Nr 15205
Dozent: PD Dr. Klaus Roth
Referat: Antonio Gramsci „Arbeiterdemokratie“
Referenten: Caroline Hupe, Nicole Zehe, Mathias Hankel, Jan Müller
Antonio Gramsci 22.1.1891 (Ales / Sardinien) – 27.4.1937 (Rom)
Bedeutendster italienischer marxistischer Philosoph
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1911 – 1915 Studium der Literaturwissenschaft (ohne Abschluss)
Entscheidendes Ereignis: Oktoberrevolution  sein vom Neuidealismus geprägter
Sozialismus bekommt klarere Zielrichtung
1922 Mussolinis Marsch auf Rom: zunehmenden Verschärfung der innenpolitischen
Mai 1924 – 1926 Rückkehr nach Italien (im Vertrauen des Schutzes der Immunität)
In dieser Zeit: seine größte politische Untergrundarbeit, bei großer persönlicher Einsamkeit
in einer „nur von der Politik beherrschten Einöde“
Im Mai 1925: erster und einziger parlamentarischer Auftritt, bei dem er sich Mussolini direkt
gegenüberstellt und das Regime demaskiert.
Nov. 1926: Verhaftung durch Faschisten - Jahre der Haft: „Gefängnishefte“ die ihn bis heute
zum bedeutendsten marxistischen Theoretiker Italiens machen
Durchgängige Botschaft; Erneuerung des Marxismus als „Philosophie der Praxis“ womit G. in
der Linie des westlichen Marxismus der 20er Jahre steht (Ernst Bloch, Georg Lukács, Karl
Korsch)
Besondere Aufmerksamkeit auf geschichtliche Funktion der Intellektuellen und hier
wiederum des exemplarischen „großen“ Intellektuellen; Benedetto Croce, dessen
Philosophie des geschichtlichen Handelns er einerseits als Voraussetzung für die Erneuerung
des Marxismus begreift, andererseits aber als „eine Form des politischen gemäßigten
Konservativismus“ kritisiert.
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Für diese Untersuchung entwickelt G. in den Gefängnisheften den Begriff der „Hegemonie“,
(umfasst sowohl die politische und militärische Herrschaft einer Klasse als auch ihre
intellektuelle-moralische Führung)
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Die Tätigkeiten des politischen Publizisten, Arbeiterlehrers, Parteipolitikers und
Theoretikers G. fließen in der Überzeugung zusammen, dass jeder Revolution eine
intensive Umwälzung der kollektiven Weltanschauung vorausgehen muss.
Genauer: die Aufgabe der Revolution ist zu begreifen als dieser Prozess.
Haft: Regime versagt eine angemessene ärztliche Behandlung versagt zunehmenden
körperlichen Verfalls aber G. lehnt aber jedes Gnadengesuch ab, da ihm das als pol.-mor.
Kapitulation erscheint
Nov. 1932: zehnter Jahrestag der Mussolini-Regierung /Haft wird auf 12 Jahre und vier
Monate reduziert - Bereits wenige Tage vor seiner Entlassung stirbt Gramsci im Alter von 46
Jahren
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Der integrale Staat
Staat = politische + bürgerliche Gesellschaft; mit Zwang gepanzerte Hegemonie
Die bürgerliche Gesellschaft:
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private Institutionen und Organisationen, die das ideologische und kulturelle
Selbstverständnis einer Gesellschaft prägen
„ethischer Inhalt des Staates“
Funktion: Hegemonie der herrschenden Klasse und den gesellschaftlichen Konsens
garantieren
Überbau:
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differenzierter Zusammenhang verschiedener Sphären, die im integralen Staat als Einheit von
bürgerlicher und politischer Gesellschaft zum Ausdruck kommen
Beziehungsgefüge juristisch-institutioneller und ideologischer Elemente
Verhältnis Überbau-Basis:
1) ökonomisch-korporative Phase
2) politisch-ethisch Phase (wird erreicht wenn, eine Homogenität zwischen Übergang und
Basis besteht, sich ein historischer Block gebildet hat)
Fazit:
Der integrale Staat konstituiert sich aus dem Gleichgewicht zwischen politischer und bürgerlicher
Gesellschaft. Er garantiert Zwang und Konsens, Herrschaft und ideologische Führung.
Hegemonie = Zustand einer gelungenen Anpassung des Qualifikationsniveaus sowie der psychischen
und physischen Verhaltensweisen der Bevölkerung an den Entwicklungszustand der Produktivkräfte,
Konsens = aktive Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung zur hegemonialen Klasse.
Die Hegemonie wird sicher gestellt über die Funktion des Staates als Erzieher; jedes HegemonieVerhältnis auch ein pädagogisches Verhältnis.
Exkurs: Politik:
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Politik ist nicht die „Ableitung“ aus ökonomischen Gegebenheiten
Politik die Schaltstelle zwischen Ökonomie und Ideologie oder zwischen „Notwendigkeit und
Freiheit“
Politik ist nicht Regierungstechnik, sondern die Heranführung der Massen an den Staat
Gegenstand der Wissenschaft von der Politik ist der Prozess des Übergangs einer Klasse von
der ökonomischen Partikularität zur politischen Universalität: zu ihrer Hegemonie
Intellektuelle:
- Jeder Mensch verfügt über Moralvorstellungen, hat Weltanschauung, etc. Jeder Mensch ist somit
Inttelktuelle_r , es führt jedoch nicht jede_r diese Funktion aus.
- traditionelle Intellektuelle: u.a. Philosophen, Schriftsteller, Künstler, etc. .
- organische Intellektuelle: die Intellektuellen, die jede soziale Gruppe durch ihre Entstehung selbst
hervor bringt.
Voraussetzung zur Entstehung der Intellektuellen:
- Jede (entstehende) grundlegende soziale Gruppe, die mit der materiellen Produktion verbunden
ist, bringt ihre Intellektuellen hervor um soziale, ökonomische und politische Homogenität zu
schaffen.
Funktion der Intellektuellen:
Die Intellektuellen sichern die politische Herrschaft, indem sie Zustimmung der breiten Bevölkerung
für die herrschende Gruppe sichern. Wirkungsorte u.a.: Medien, Gewerkschaften, Parteien oder in
der Bildung.
Aufgabe der Intellektuellen auf dem Weg zur gesellschaftlichen Veränderung:
Die Aufgabe des Intellektuellen besteht darin, den historischen Block zwischen Überbau und Basis
aufzubrechen. Ideen entwickeln und diese vermitteln, um spezifische Interessen als universelle
Interessen zur Geltung zu bringen, indem auch traditionelle Intellektuelle assimiliert werden.
Aufgabe ist den individuellen Alltagsverstand auf neue kritische Stufen zu heben.
Bildung eines neuen Typs des Intellektuellen:
Neuausrichtung des Verhältnisses von intellektueller/ körperlicher Arbeit. Arbeit muss zur Grundlage
einer neuen Weltanschauung werden, indem technische Erziehung verbunden mit industrieller
Arbeit neuen Typ des Intellektuellen bildet. Intellektuelle_r als Spezialist_in und Politiker_in.
Staat als Erzieher
Staat beinhaltet herrschende und erziehende Elemente. Anspruch an die Gesellschaft an den
Erfordernissen des ökonomischen Produktionsapparats bemessen , so werden Überbau und Basis
selbst an die Erfordernisse angepasst. Erziehung im Überbau & Anpassung der Basis an
Produktionsverhältnisse = dialektische Einheit. Das Rechtswesen und die Bildung sind wesentliche
Instrumente dafür.
Strategien der Machtübernahme der sozialdemokratischen Partei in Westund Osteuropa
Grundfrage:
Warum kam es entgegen der im Marxismus begründeten Erwartung im rückständigen
Russland zu einer erfolgreichen Revolution, während in den entwickelten westeuropäischen
Staaten das Proletariat daran scheiterte, die Macht zu übernehmen?
Gramsci stellt weitreichende Unterschiede im Hinblick auf den Entwicklungsstand der
russischen und westeuropäischen Gesellschaft fest:
Russland
Westeuropa
unterentwickelter Kapitalismus
(agrarisch geprägt, schwaches
Industrieproletariat)
entwickelter Kapitalismus
(starkes Industrieproletariat)
autokratische Herrschaftsform
(konzentriert)
Bürgerliche Demokratie
(vielschichtig)
Zwang und Gewalt
Neben physischen Gewaltmitteln
auch Anpassungs- und
Integrationsstrategien (Konsens)
Staat im engeren Sinne
integraler Staat
(d.h. Verdopplung des
Herrschaftsapparates)
==> Leninistische Strategie demnach auf Westeuropa nicht übertragbar!!
Statt eines Bewegungskrieges (Kampf um die unmittelbare Übernahme der Staatsmacht)
müsse im Westen ein Stellungskrieg geführt werden mit dem Ziel der Zersprengung des
hegemonialen/historischen Blocks zwischen Basis und Überbau. Eine Gegenhegemonie
müsse den Raum in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen.
Dies erscheint Gramsci als eine Grundbedingung für den Erfolg proletarischer Revolutionen
in Westeuropa.
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