pixabay Einheit 4 von Sabine-Claudia Nold Eine besondere Nacht Lukas 2, 1–20; Matthäus 2, 1–11 Ein Stern als Wegweiser Der Text dieser Einheit ist die Weihnachtsgeschichte, die Erzählung von den Hirten auf dem Feld und dem Engel, der ihnen die Geburt des erwarteten Messias verkündet. Wenn wir an die Weihnachtsgeschichte denken, entstehen vor unserem Auge sogleich bestimmte Bilder: die heilige Familie im Stall, das Kind in der Krippe, Ochs und Esel bei Maria, über der Krippe der Stern von Bethlehem mit seinem langen Schweif, die Hirten und die Schafe – und die 38 ganze friedliche Szene umrahmt von den lobsingenden Engeln. Doch interessanterweise wird im Lukasevangelium mit keinem Wort ein Stern erwähnt. Den Bericht über den Stern finden wir im Matthäusevangelium, in Zusammenhang mit den drei Magiern, die im Lauf der Jahrhunderte zu drei Königen wurden. Beide Texte – die Erzählung von den Hirten auf dem Feld und die Erzählung von den drei Magiern aus dem Mor- 6/2016 Wege zum Kind 4 Eine besondere Nacht Antiochia missioniert hatte. (Als «Heidenchrisgenland an der Krippe – sind in unserer Tradition ten» wurden diejenigen Gläubigen bezeichnet, aufs Engste miteinander verflochten. Aufgrund die nicht aus dem Judentum zum Glauben an dieser engen Verbindung der zwei Erzählstränge sollen beide Texte betrachtet werden. Christus gelangt waren.) Um die Bedeutung In der Vergangenheit wurde mehrfach verdes Sterns zu verstehen, muss der Hintergrund bekannt sein, den die Erwähnung eines Sterns sucht nachzuweisen, dass es den Stern von für einen Juden im 1. Jh. n. Chr. hatte – ganz Bethlehem wirklich gegeben hat. Als Erklärung im Gegensatz zu einem Nicht-Juden (vgl. hierzu für dieses Phänomen wurden eine Supernova, auch den Grundsatzartikel). ein Komet oder eine Konjunktion herangezogen. In der Tat fand in den Jahren 7./6. v. Chr. eine Konjunktion Im Judentum war der Stern Der Stern im Judentum in erster Linie ein Symbol für der Planeten Jupiter, Saturn den erwarteten Messias. und (zeitweise) Mars statt. Dennoch beantwortet diese Im Judentum – an dessen Konjunktion nicht, wie die helle LichterscheiGläubige sich Matthäus mit seinem Evangelium nung so punktgenau zu einem Ziel führen konnrichtete – war der Stern in erster Linie ein Symbol te, wie aus so grosser Höhe ein winzig kleiner Ort für den erwarteten Messias. (Vgl. Num 24, 28: In Bileams Orakelspruch steht der Stern für den statisch markiert werden konnte. König. Im Erzählzusammenhang bezieht sich dieser Stern zwar auf König David. Spätere Leser der Texte deuteten den Stern jedoch als Hinweis Die Verwendung des Motivs «Stern» auf einen erhofften königlichen Messias, der ein Nach einer historisch-astronomischen Erklärung Nachkomme des legendären David sein sollte.) zu suchen, ist eine Möglichkeit, an den Text heHörte oder las ein jüdisch geprägter Zuhörer vom ranzugehen. Noch näher liegt jedoch die Suche Stern über der Krippe Jesu, schwang für ihn der nach einer Antwort auf die Frage, weshalb der messianische Anspruch sogleich mit. Der Stern, Stern von Bethlehem im Matthäusevangelium der die Magier aus dem fernen Morgenland zum erscheint, nicht aber im Evangelium nach LuJesuskind führte, zeigte der jüdischen Leserkas. Wäre dieser Stern ein historisch greifbaschaft an, dass dieses Kind der Messias aus dem res Ereignis gewesen, hätten dann nicht beide davidischen Stammbaum ist. Verdeutlicht wird dieser Anspruch zusätzlich, indem dem MatEvangelisten davon berichtet? Warum erscheint die Erzählung vom Stern nur bei Matthäus? thäusevangelium ein Stammbaum vorangestellt Was könnte der Grund sein, dass der eine Autor ist (Mt 1, 1 ff). sich des Motivs «Stern» bedient und der andere nicht? Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, Der Stern im Hellenismus ist es hilfreich, einen Blick auf den Kontext der Aber auch im nicht-jüdischen Umfeld war das beiden Evangelien zu werfen: Das MatthäusevanSymbol Stern als Begleitung eines Herrschers gelium wurde um das Jahr 70 geschrieben. Sein Verfasser war mit ziemlicher Sicherheit Jude und geläufig – so bei Alexander dem Grossen, seinen schrieb für Christen, die jüdischer Herkunft Nachfolgern, den Ptolemäern Der Stern markierte in waren. und Seleukidenherrschern, den Herrscherportraits Das Lukasevangelium wurde vermutlich um den Hasmonäern in Judäa, bei den Anspruch auf göttlich 80 bis 90 n. Chr. geschrieben (zusammen mit der Cäsar, Augustus und weiteren bestätigte Macht. Apostelgeschichte wird vom lukanischen Doprömischen Kaisern. Der Stern pelwerk gesprochen). Gemäss der Überlieferung markierte in den Herrscherwar Lukas Grieche und gehörte zu den ersten porträts den Anspruch auf göttlich bestätigte «Heidenchristen», die Paulus um das Jahr 40 in Macht. Ein Komet oder eine besondere Sternen- Wege zum Kind 6/2016 39 konstellation konnte gerade bei den Römern gar als Beginn eines neuen Äons betrachtet werden. Völlig fremd war hingegen der Gedanke, der Stern symbolisiere einen seit Jahrhunderten angekündigten «Retter der Welt». Das Auftreten der Magier Der Stern über der Krippe sagte somit in erster Linie den Judenchristen etwas. Das Auftreten der Magier aus dem Morgenland hat die frühen Christen sehr beschäftigt – wurden Magier doch gerne als Scharlatane angesehen. So werden beiDer Stern über der Krippe spielsweise in der Apostelsagte somit in erster Linie den Judenchristen etwas. geschichte die Magier durchwegs negativ bewertet (z. B. Simon Magnus in Apg 8, 4–25 oder Elymas bzw. Bar Jesus in Apg 13, 4–12). Bei Matthäus ist die Sicht auf die Magier eine andere, auch wenn dem Text keine eindeutigen Hinweise zu entnehmen sind, um wen es sich bei den dreien letztlich handelt. Aus der Beschreibung, dass sie einem Stern folgen, wurde schon sehr früh geschlossen, dass es sich um Astrologen handeln könnte, nicht zuletzt, weil der Begriff «magos» (Plural «magoi») dem Persischen entlehnt ist. Warum Matthäus diesen Perspektivenwechsel vornimmt, kann nicht abschliessend erklärt werden. Es gilt hingegen als unwahrscheinlich, dass er eine feste Tradition aufgenommen hat, denn diese wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit auch bei Lukas erschienen. Vielleicht handelte es sich um eine kleine Tradition, die hauptsächlich in jüdischen Kreisen erzählt wurde. Vielleicht hat der Matthäusevangelist verschiedene Traditionen, die auf einem alttestamentlichen Hintergrund gewachsen waren, in einen Erzählstrang genommen. (Die Geschenke der drei Magier erinnern an alttestamentliche Texte: Ps 72, 10–15; Jes 60, 6: Hld 3, 5.) Vielleicht sollte mit dem Erscheinen der drei (nichtjüdischen) Magier auch angedeutet werden, dass Jesus Christus weit über den jüdischen Raum hinaus wirken wird. Umsetzung mit Kindern Mit den Kindern soll der Gedanke herausgearbeitet werden, dass wir alle Vorbilder suchen, aber Gott mit einem jeden Menschen einen ganz eigenen Weg geht. Damit wir Gott immer wieder finden und spüren, hat er uns allen einen «Stern» gegeben, der uns leuchtet. Weil die Weihnachtsgeschichte sehr bekannt ist, nimmt die Geschichte die Magier aus dem Morgenland auf. Auch wenn sowohl ihre Dreizahl als auch ihre Namen Caspar, Melchior und Balthasar der Legendenbildung (ab dem 3. Jh.) entstammen, übernimmt die Geschichte teilweise diese bei uns in der Westkirche mündliche Tradition. Überblick der Feier 40 Ankommen Begrüssung von Eltern und Kindern Einstimmen Einstimmungsritual Kolibri 361 oder 363 Überleitung zur Geschichte Geschichte Ich vertraue dem Stern Ausdrücken Bastelarbeit 6/2016 Wege zum Kind