soziale ungleichheit und engagement

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SOZIALE UNGLEICHHEIT UND ENGAGEMENT –
TEILHABECHANCEN UND ENGAGEMENTMÖGLICHKEITEN
IN DER ALTERNDEN GESELLSCHAFT
42. SITZUNG DER AG 7 ‚BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT IM
SOZIALSTAAT‘ DES BBE
PROF. DR. SUSANNE KÜMPERS
FACHBEREICH PFLEGE UND GESUNDHEIT, HOCHSCHULE FULDA
Agenda
• Altersbilder, Teilhabechancen in öffentlichen Diskursen
• Soziale Ungleichheit, Gesundheit und Teilhabe im Alter
• Diversität: Gender, Behinderung, und sexuelle Präferenzen als
horizontale Ungleichheitsparameter
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ALTERSBILDER, TEILHABECHANCEN UND ÖFFENTLICHE
DISKURSE
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Engagement / Aktivität vs. Passivität / Abhängigkeit?
Engagement – Aktivität, Produktivität, Erfolg
(Aufwertung des Alters)
versus
Abhängigkeit – Passivität, Unproduktivität, Nichterfolg
(Abwertung, Ausschluss)
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Junges Alter – altes Alter?
(Beschreibungen aus dem 3. Altenbericht, 2001)
• ‚Junges‘, drittes Alter:
– … gekennzeichnet durch eine allgemein gute Ausstattung mit
gesundheitlichen, materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen,
noch kaum spürbaren altersbedingten Einschränkungen
– und verbunden mit neuen Möglichkeiten einer aktiven,
selbstbestimmten und mitverantwortlichen Lebensgestaltung
• Viertes, ‚altes Alter‘:
– Zunahme gesundheitlicher Probleme: insbesondere chronische
Krankheiten, Multimorbidität, psychische Veränderungen und
Pflegebedürftigkeit
– Schutzbedürftigkeit von Menschen wächst
 Aber: Problematik des vierten Alters für sozial Benachteiligte im
Durchschnitt früher und härter
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BMFSFJ - Zitatesammlung
• „bis ins hohe Alter aktiv und mobil“
• „Fähigkeiten, Potenziale, Stärken und Erfahrungen der älteren
Generation“
• „Alter nicht in ausreichendem Maße als Chance begriffen“
• „aktive und selbst bestimmte Lebensführung älterer
Menschen“
• „Politik des Aktiven Alterns“
(aus: Den demografischen Wandel gestalten - Alter als Chance
begreifen, 2006)
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6. Altersbericht – Altersbilder in der Gesellschaft:
Stellungnahme der Bundesregierung 2010
• Ältere sollen „ihren Beitrag in Wirtschaft und Gesellschaft leisten“ (S. V),
und…
• … haben „eine Verpflichtung zum Lebenslangen Lernen“ (S.VI)
• „Eine selbstverantwortliche Lebensführung beinhaltet den Verzicht auf
Risikofaktoren, eine gesunde Ernährung und ein ausreichendes Maß an
körperlicher und geistiger Aktivität“ (S.VI)
• „Indem ältere Menschen ihrer Verantwortung für sich selbst, für andere, für
das Gemeinwohl gerecht werden, tragen sie
Erinnert sich noch
… zur Entlastung nachfolgender
jemand an den
Generationen bei…“ (S.VII)
‚wohlverdienten
Ruhestand‘??
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Soziales Pflichtjahr für RentnerInnen?
Diskurse zur Wiederverpflichtung
• 2011: Richard David Precht fordert ein soziales
Pflichtjahr für alle Rentner, 15 Stunden pro Woche
sollen sie zum Wohle der Allgemeinheit arbeiten.
„Widerständigkeit in Zeiten aktivgesellschaftlicher Mobilisierung und … DeLegitimierung des ‘verdienten
Ruhestands’: …
Möglicherweise steht KreuzfahrtKäthe, die den Dritte-Welt-Arbeitskreis
und die Betreuung der Enkelkinder
gegen die karibische Sonne
eingetauscht hat, schon jetzt in der
ersten Reihe.“ (van Dyk, 2007, 98)
„Eigentlich schade, aber die Oma ist
weg. Sie strickt keine Strümpfe mehr,
kocht nicht mehr kiloweise Obst aus
dem Garten ein und nimmt in den
Sommerferien auch nicht mehr für
sechs Wochen ihre Enkelkinder bei
sich auf. Stattdessen reist sie auf dem
Kreuzfahrtschiff um die Welt, bucht
Aquarellkurse in der Provence und
teilt sich ihre knappe Zeit im Alltag
zwischen Yoga und Arztbesuchen
auf.“ (Aus: Prange A., Christ & Welt
Ausgabe 51/2011)
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Aktivierungspolitiken im Alter
• Vorstellungen zur ‚Wiederverpflichtung‘ (produktives Altern, Tews
1996)
• ‚Junge Alte‘ als zivilgesellschaftliche Reserve
• Engagementpolitik – (zu) häufig vorwiegend gerichtet an Mittelschicht
• Risiken:
– Vernachlässigung des Blicks auf die – unterschiedlichen – Voraussetzungen
– Vernachlässigung des (Lust???-)Gewinns durch Teilhabe?
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SOZIALE UNGLEICHHEIT, GESUNDHEIT UND
TEILHABE IM ALTER
Seite 9
Unterschiede in Morbidität und Mortalität
Lebenserwartung
(ab Geburt)
Gesunde
Lebenserwartung
(ab Geburt)
Männer
0 – 60 %
70,1
> 150 %
80,9
(- 10,8)
56,8
(- 14,3)
71,1
Frauen
0 – 60 %
76,9
> 150 %
85,3
Quelle: Lampert et al., 2007
(- 8,4)
60,8
(- 9,2)
71,0
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Bildungsstatus, Teilhabe und Gesundheit
Bukov (2002)
• ‚kollektive Aktivitäten‘
SES
• ‚produktive Aktivitäten‘
• ‚politische Aktivitäten‘
Lebensqualität,
Selbstbewusstsein, Gesundheit
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Sozioökonomische Benachteiligung im Alter bedeutet:
• Signifikant früherer Eintritt chronischer Erkrankungen und
Behinderungen
• Problematik des ‚vierten Alters‘ früher und stärker
• Frühere Einschränkungen der Mobilität durch gesundheitliche und
finanzielle Einschränkungen
• Eingeschränkte Partizipations- und Gestaltungschancen
• Je nach Zielgruppe erschwerte Zugänge zum Versorgungssystem
 … bei zunehmender Altersarmut
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Partizipation und Engagement:
Ungleicher Zugang – und ungleiche Berichterstattung
• Europaweit: SES beeinflusst Zivilengagement (Hank & Erlinghagen 2010)
• Befunde für Deutschland: Armut verringert Engagement
• Bildung als kompensierender Faktor
• Berichterstattung: vielfach reduziert auf formales Engagement,
vernachlässigt informelle Tätigkeiten
• Unterstützung des Zivilengagements im Alter:
weitgehend mittelschichtsorientiert
– Ausnahme: Bund-Länder-Programm Soziale Stadt
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Benachteiligung, funktionale Einschränkungen und
(mangelnde) soziale Teilhabe
Niedriger SES
Soziale Exklusion,
Machtlosigkeit
Krankheit,
Behinderung
Hoher SES
Soziale Teilhabe,
Mitbestimmung
Gesundheit
DIVERSITÄT:
HORIZONTALE UNGLEICHHEITEN
Seite 15
Vertikale – horizontale Ungleichheiten
• Vertikale Ungleichheit bezeichnet das Oben und unten gesellschaftlicher
Positionen
• Pluralisierung – Erweiterung von Vielfalt
• ‚Merkmale‘, Eigenschaften, Umstände, die zu Benachteiligungen beitragen
– Geschlecht
– Ethnizität
– Menschen mit Einschränkungen
– Gleichgeschlechtlich liebende Menschen
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Alter, Geschlecht, Gesundheit, Versorgung
• Lebenslagen von älteren Frauen
– geringerer Bildungsstatus, geringerer sozialer Status,
niedrigere Renten (höheres Armutsrisiko)
– höhere Morbidität (bei längerer Lebenserwartung)
– häufiger alleinlebend
– höheres Risiko für Pflegeheimaufnahme
• Pflegende Angehörige: nach wie vor mehrheitlich weiblich
– als Partnerinnen wie als Töchter
– Einbußen für die eigene Gesundheit bzw. soziale Teilhabe
– Verluste bzgl. eigener Altersabsicherung
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Migrationshintergrund, Gesundheit
und Versorgung
• Gesundheitsvorteile bei Einwanderung (‚healthy-migrant-effect‘) verlieren
sich mit längerem Aufenthalt und mit dem Älterwerden
– Leben unter schwierigen sozioökonomischen Bedingungen
– migrationsbedingte Nachteile: „unsicherer Aufenthaltsstatus, ungünstige
Arbeitsbedingungen oder Arbeitslosigkeit, geringere finanzielle Ressourcen und
Trennung von Familienangehörigen“ (Razum et al. 2008, S. 100)
– Probleme von Zugang, Inanspruchnahme und Qualität medizinischer Versorgung
• Komplexes Verhältnis zwischen Migration, sozialer Lage und Gesundheit
(Schenk 2007):
– Sozioökonomische und soziokulturelle Bedingungen im Herkunfts- und im
Aufnahmeland
– Migration als kritisches Lebensereignis und
– Zugangsbedingungen und Inanspruchnahmeverhalten im Gesundheitswesen
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Ältere Menschen mit Einschränkungen
• Anzahl Älterer mit Behinderungen wird stark ansteigen
– analog zum wachsenden Anteil der Allgemeinbevölkerung im Rentenalter
– Verlängerte Lebenserwartung aufgrund medizinischen Fortschritts und besserer
Unterstützung
– Erste überlebende Generation nach dem Nationalsozialismus wird alt
• Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung haben erhöhte
Krankheitsrisiken
– als direkte Folge der Behinderungen
– indirekt als Spätfolge einseitiger (körperlicher) Belastungen
– indirekt als Spätfolge jahrelangen Medikamentenkonsums
• Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
– bei Menschen mit geistiger Behinderung häufig Verlust wichtigster sozialer
Netzwerke
– bedürfen individueller Unterstützung bei der Neu-Orientierung
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Altwerden als lesbische Frau /
schwuler Mann
• 3-5 % aller Menschen haben eine gleichgeschlechtliche sexuelle Präferenz
• Jetzige ältere Generationen haben massive Kriminalisierung und
Diskriminierung erlebt
– Strafrechtliche Verfolgung männlicher Homosexualität in der Bundesrepublik bis
1969/1973 bzw. 1994, in der DDR bis 1968/1988
– Homosexualität bis 1990 als ‚mental illness‘ im ICD 10
– Kontinuität der Erfahrungen mit Homophobie und Diskrimininierung
• Häufige Folgen:
– Schwierigkeiten / Abstriche in der beruflichen Laufbahn
– Lebenslanger Rückzug und Isolation (Unmöglichkeit langfristiger Beziehungen)
– Angst vor erneuter Diskriminierung bei Pflegebedürftigkeit
• Soziale Teilhabe voraussetzungsvoll angesichts Vieler, die in Verborgenheit
und Isolation gelebt haben
Seite 20
SCHLUSSZUFOLGERN …
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… für den 7. Altenbericht
• Teilhabe und Engagement spiegeln nicht nur
 Kompetenz
 Bereitschaft
• sondern auch
 Zugangschancen
 Kapazität
• Verständnis von Teilhabe – und ihre Anerkennung – muss breiter gefasst
werden
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… für den 7. Altenbericht
• Stärkung von Teilhabe einerseits …
• Sicherung von Versorgung und Schutz andererseits ….
• erfordern, dass …
– die Vielfalt der Lebenslagen, Lebenswelten und daraus entstehenden Bedarfe
anerkannt wird
– die besondere Vulnerabilität bestimmter Gruppen berücksichtigt und nach
Möglichkeit kompensiert wird
– dafür kommunal und auf Nachbarschaftsebene nachhaltige Unterstützungsstrukturen gefördert werden
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Kontakt:
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