An die Redaktion Berlin, 12. November 2008 PRESSE-INFORMATION DER KOLONIE WÜRTTEMBERG Kündigungen des Liegenschaftsfonds rechtswidrig Kolonie Württemberg sieht Licht am Horizont Die Entwicklung hatte sich bereits abgezeichnet, nun ist sie von der Justiz offiziell bestätigt: Das Amtsgericht Charlottenburg hat in einer klaren Entscheidung (AZ 237 C 238/08) die Kündigungen des Kleingartenpachtvertrags durch den Liegenschaftsfonds für unwirksam erklärt. Gleichzeitig hat das Gericht die Klage des Liegenschaftsfonds Berlin – dieser hatte von den Pächtern die Räumung und Herausgabe ihrer Parzellen verlangt – abgewiesen. Die schriftliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor, doch hatte das Gericht in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass es „dringende Gründe des öffentlichen Interesses“ für die Kündigung als nicht gegeben ansieht. Solche müssen aber vorliegen, wenn – wie hier – eine Kündigung eines Kleingartenpachtvertrages ausgesprochen wird, ohne dass ein entsprechender rechtsgültiger Bebauungsplan vorliegt. „Nun müssen die Politiker Farbe bekennen“, so Paul Lichtenthäler, Vorsitzender der Kleingartenkolonie Württemberg e.V. und Michael Plassmann von der Bürgerinitiative unisono: „Wollen sie sich weiter hinter einen Investor stellen, der das Grundstück offenbar nur teuer weiterverkaufen will, oder wollen sie nun das Vorhaben und insbesondere auch den Bebauungsplan, gegen den es aus der Nachbarschaft fast 3.000 qualifizierte Einwendungen gab, noch einmal einer gründlichen Prüfung unterziehen“(Lichtenthäler). Liegenschaftsfonds und Politik seien nun gleichermaßen gefordert: „Der Liegenschaftsfonds, um den Vertrag mit dem wackligen Investor endgültig rückabzuwickeln. Und die Politik, um die Bebauung dieser Grüner Oase nahe des Ku´damm endgültig zu den Akten zu legen, wenn Sie ein weiteres Debakel wie am Spreedreieck verhindern möchte.“ (Plassmann) Der Liegenschaftsfonds hatte über den Bezirksverband der Kleingärtner allen 48 Pächtern die Kündigung zum 30. November des Jahres ausgesprochen. Ein Teil der Kleingärtner wehrte sich gegen die Kündigung und verurteilt auf das Schärfste das Vorgehen der Landestochter Liegenschaftsfonds bei dem Versuch, das Gelände durch den Aufbau einer ganzen Kulisse von Drohungen frei zu bekommen. Und das, obwohl es für die geplante Bebauung weder einen gültigen Bebauungsplan noch einen zahlungskräftigen Investor gibt. Der Bebauungsplan liegt seit Februar des Jahres zur Prüfung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Diese lange Bearbeitungsdauer steht in einem krassen Gegensatz zu dem im letzten Jahr in der Vorweihnachtszeit in Windeseile durchgeführten Beteiligung der Öffentlichkeit und dem daraufhin durchgeboxten Planreifebeschluss. Der Investorin ist, wie wir seit dem 23. Oktober durch den Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds wissen, der wesentliche Finanzier abhanden gekommen und man ist nun auf der Suche nach einem neuen Projektpartner. Gleichwohl betreibt der Liegenschaftsfonds auch nach dem für die Pächter erfolgreichen Gerichtsurteil die Vertreibung der Kleingärtner von ihrem seit über 80 Jahren angestammten Grundstück. In dem aktuellen Brief des landeseigenen Betriebs Liegenschaftsfonds an die Pächter wird erneut von der Verpflichtung der Kleingärtner zum 30. November 2008 gesprochen, dass „die Parzelle … von allen Aufbauten und Bepflanzungen beräumt“ werden müsse. „Es ist ein Skandal, dass eine Tochtergesellschaft des Landes Berlin im Wissen um die Rechtswidrigkeit der Kündigung weiterhin mit alles Tricks versucht, die Pächter der Kleingartenkolonie zur Räumung ihrer Gärten zu verpflichten“, appelliert Paul Lichtenthäler an die Politik, dem „beschämenden Vorgehen“ des Liegenschaftsfonds endlich Einhalt zu gebieten. Kontakt: Paul Lichtenthäler, Vorstand der Kolonie Württemberg RA Michael Plassmann, „Bürgerinitiative Gärten retten“ Tel 0171 - 5245636 Tel 0177 - 5624639 _________________________________________________________________________ Zum Hintergrund: 2007 hat der Liegenschaftsfonds 14.000 qm Wilmersdorfer Kleingartenareal an der Württembergischen Strasse/Olivaer Platz für 9,3 Mio. an die Capricornus GmbH verkauft. Nur ein Jahr später ist das Grundstück - oder Anteile daran - bereits für 20 Mio. Euro wieder auf dem Markt, nachdem Morgan Stanley sich aus dem Projekt zurückgezogen hat. So stand es im Berliner Tagesspiegel. Würden die Investoren den Preis realisieren, wäre das ein hoher Spekulationsgewinn. Noch hätte der Liegenschaftsfonds die Möglichkeit, den faulen Vertrag rückabzuwickeln. Aber er macht keine Anstalten. Seit dem 30. Juni bereits hat übrigens die Investorin die Möglichkeit, vom Kaufvertrag zurückzutreten, da noch kein gültiger Bebauungsplan existiert. Warum unterstützt das Land Berlin immer wieder Spekulanten und macht dabei selber ein schlechtes Geschäft? Wie in der Nalepastraße? Wie am Spreedreieck? Der Verkauf war von Anfang an kontrovers. Auf dem Gelände befinden sich seit über 80 Jahren Kleingärten. Es ist eines der letzten intakten Biotope in Wilmersdorf. In solchen städtischen Biotopen besteht anerkanntermaßen eine größere Artenvielfalt als auf den Äckern der industrialisierten Landwirtschaft. Die Bedeutung für Feinstaubbindung und CO²Reduktion ist unumstritten. Außerdem wird im Zuge der Klimaerwärmung verstärkt auf die Notwendigkeit von Frischluftschneisen in den aufgeheizten Innenstädten verwiesen. Aber Senat und Bezirk wollen die Bebauung weiter verdichten, ohne daß eine aktuelle Bedarfsanalyse für mehr „hochwertigen“, sprich Luxus-Wohnraum erstellt worden wäre. Erfahrene Stadtplaner bestreiten, dass ein solcher Bedarf bestehe und verweisen im Gegenteil auf erheblichen Wohnungsleerstand im Umfeld von Württembergischer Straße und Olivaer Platz. So leichtfertig gehen Politiker mit dem um, was sie als „dringendes öffentliches Interesse“ ausgeben. Von Seiten des Senats wird zur Rechtfertigung solcher Verkäufe öffentlichen Geländes auf die bekannten Finanzengpässe der Stadt verwiesen. Auf der anderen Seite wird das Grundstück ohne Rücksicht auf Verluste - auch an wertvollen ökologischen Ressourcen weit unter Marktwert verscherbelt. Wäre es nicht an der Zeit, den wahren Wert eines solchen Grünzugs zu erkennen? Die Gartenwege stehen schon lange den Bürgern offen. Zusätzlich könnten nun mehrere Gärten zusammengefasst und als kleine, aber ganz besondere öffentliche Gartenanlage gestaltet werden. Außerdem besteht bei den Kindergärten und Schulen der Nachbarschaft Bedarf an Schulgärten. Hierüber werden bereits Gespräche geführt. Es gibt jede Menge weiterer guter und konstruktiver Ideen. Für Anregungen der Bürgerinnen und Bürger, so die aus der Kolonie Württemberg hervorgegangene Bürgerinitiative „Gärten retten!“, sei man sehr empfänglich. Voraussetzung ist, dass der Liegenschaftsfond den Vertrag mit dem angeschlagenen Investor rückabwickelt und das traditionsreiche Kleingartengelände endgültig als Grünfläche ausgewiesen wird. Wie gesagt: Noch gibt es nicht einmal einen gültigen Bebauungsplan. Warum nicht in diesen Zeiten finanzieller und ökologischer Krisen neu nachdenken? Kontakt: Paul Lichtenthäler, Vorstand der Kolonie Württemberg RA Michael Plassmann, „Bürgerinitiative Gärten retten“ Tel 0171 - 5245636 Tel 0177 - 5624639