Belastung von Beschäftigten in Archiven durch Schimmelpilze und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit - Vorschläge zum Arbeitsschutz Christel Grüner, Anna Haberditzl, Thomas Gabrio, Elisabeth Härtig, Andrea Roth, Hannelore Wagner, Ursula Weidner Mould Contamination in Archives and How They Affect the Health of Employees: Suggestions for Health and Safety Standards Das Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Ludwigsburg hat den Staatlichen Gewerbearzt im Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg beauftragt, die durch Schimmelpilze hervorgerufene Belastung der Beschäftigten im Staatsarchiv Ludwigsburg sowie in den Restaurierungs- und Verfilmungswerkstätten des benachbarten Instituts zu untersuchen und die Behörde zu beraten, um, falls erforderlich, Verbesserungen einleiten zu können. Die tatsächliche Belastung der Arbeitnehmer wurde untersucht und eine Checkliste mit Arbeitsschutzmaßnahmen erarbeitet. The Institute for the Preservation of Archival and Library Collections in Ludwigsburg requested the Baden- Württemberg state occupational health and safety officer to assess the exposure of employees to microbiological contamination in the Ludwigsburg State Archive and in the conservation-restoration and microfilm workshops at the institute, as well as examine the health risks involved. In particular his task was to advise the institute on the implementation of improvements where necessary. The actual exposure of the employees was examined and a checklist of protective measures was developed. Schimmelbefall stellt für die Archive weltweit bis zum heutigen Tag ein noch nicht bewältigtes Problem dar. Nach einer landesweit angelegten Untersuchung liegen in 60% von 144 italienischen Staatsarchiven mit insgesamt 900 Regalkilometern Archivgut Schäden durch Mikroorganismen vor (Sclocchi et al 1999); selbst nach Anwendung verschiedener Reinigungs- und Desinfektionsmethoden meldeten weiterhin immer noch 43 % der Archive Befall. Seit einigen Jahren wird neben den Auswirkungen auf das Archivgut auch der Belastung der Beschäftigten durch Schimmelpilze Aufmerksamkeit geschenkt. Studien aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Kuba umfassen Luftkeimmessungen, Pilzbestimmungen an Objekten und Befragungen bzw. Untersuchungen von Mitarbeitern (Schata 1994, Riege et al 1999, Vaillant Callol 1999). Richtlinien für die Mitarbeiter wurden zusammengestellt (Neuheuser/Schata 1994, Neuheuser 1996, Hödl 1995, Haberditzl 1997). Mehrfach wird darauf hingewiesen, daß Reinigungsmaßnahmen zu einer entscheidenden Senkung der Keimbelastung führen (Pingaud et al 1994, Steemers 1997). Neben der Einhaltung der Klimarichtwerte ist auch eine ausreichende Ventilation der Magazine erforderlich; entscheidend für die Anfälligkeit für Befall ist nicht nur die relative Luftfeuchte im Raum, sondern der Wassergehalt des einzelnen Objekts - so dürfen nur trockene Archivalien (10-12% Wassergehalt) ins Magazin eingestellt werden (Valentin et al 1998, Valentin 1999). International wird zusehends von Sterilisationsmaßnahmen Abstand genommen und auf die Bedeutung der Prävention verwiesen (Fuchs 1997, Nittérus 2000). Da durch eine Abtötung der Mikroorganismen nur ihre Infektionswirkung, nicht aber ihre allergene und toxische Wirkung unterbunden wird und die Analytik der Schimmelpilze ohnehin schwierig ist, wird vorgeschlagen, aseptische Techniken in den Archivbetrieb einzuführen, um die Exposition gegenüber Sporen generell so niedrig wie möglich zu halten (Florian 2000). Mit dem Erscheinen der Biostoffverordnung 1999 hat der Gesetzgeber in Deutschland den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen geregelt. Hierzu zählen auch die in Archiven anzutreffenden Mikroorganismen, die beim Menschen Gesundheitsschäden verursachen können. Das Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Ludwigsburg hat den Staatlichen Gewerbearzt im Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg beauftragt, die durch Schimmelpilze hervorgerufene Belastung der Beschäftigten in den Restaurierungsund Verfilmungswerkstätten des Instituts sowie im benachbarten Staatsarchiv LudwigsTab. 1 Meßergebnisse der Luftproben bürg zu untersuchen und die Behörde zu beraten, um, falls erforderlich, Verbesserungen einleiten zu können. Es wurde hierein neuer Ansatz verfolgt: Es wurden sowohl Luft-und Materialkeimbestimmungen an allen Arbeitsplatztypen vorgenommen und parallel 42 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeitsmedizinisch untersucht. Die Ergebnisse werden in Auswahl vorgestellt (Tab. 1 und 2). Meßverfahren Die Luftmessungen wurden nach der direkten BIA-Standardmethode unter Verwendung von Malzextraktagar (MEA) und Dichloran-Glycerin-Agar (DG 18) durchgeführt. Es wurde mit dem Mas-100-lmpaktor der Firma Merck gemessen. Die Platten wurden gekühlt ins Labor transportiert und noch am gleichen Tag bebrütet (25 °C). Die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (KBE) wurde bestimmt und auf 1 Kubikmeter hochgerechnet. Die Differenzierung erfolgte mikroskopisch. Von den Staubproben wurden Verdünnungen 1:100, 1:1000 und 1:10 000 hergestellt, die auf DG18-Agar ausgestrichen wurden, bzw. 1:1000 auf MEA-Agar. Meßorte Das Institut und das Staatsarchiv befinden sich in komplett sanierten historischen Gebäuden. Die Magazine (Abb. 1) sind vollklimatisiert, die zugeführte und umgewälzte Luft läuft über Partikelfilter. Die sonstigen Räume sind nicht klimatisiert. Im Staatsarchiv wurden ein Zwischenlager mit noch nicht fertig bearbeiteten älteren Archivalien, die vorwiegend aus Adelsbesitz übernommen wurden (Abb. 2), der Aktenzugang oder Vorordnungsraum, ein Dienstzimmer (Abb. 3) und der Lesesaal untersucht - im Institut Arbeitsräume der Mikroverfilmung (Abb.4) und der Restaurierung (Naßraum, Trockenreinigung) sowie der Personalraum. Abb. 1 Magazinraum im Staatsarchiv Ludwigsburg Tab. 2 Meßergebnisse der Staubproben Abb. 2 Zwischenlager mit schimmelbefallenen Archivbänden Diskussion der mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse Die mikrobiologische Belastung der Luft im klimatisierten Magazin ist praktisch Null, obwohl dort durchaus schimmelgeschädigte Objekte gelagert sind. Sie stehen verpackt in den CompactusAnlagen, deren Seitenelemente zur besseren Durchlüftung aus Lochblechen bestehen. Im selten gelüfteten Zwischenlager mit den offen im Regal liegenden Schimmelbänden dagegen ist die Luft mit Aspergillus fumigatus belastet, der zur Risikogruppe 2 zählt. Obwohl hier keine Dauerarbeitsplätze eingerichtet sind, wird der Raum als Durchgang häufig betreten und stellt deshalb eine Gefahrenquelle dar. Die übrigen Archivräume sind nicht belastet. Der Kaffeebecher hat allerdings in der Nähe von altem Aktenmaterial nichts zu suchen (Abb. 3). In den Werkstätten liegen die Keimzahlen sowohl in der Mikroverfilmung als auch im Naßraum etwas höher als in der Außenluft. Die Trockenreinigung wird im Institut grundsätzlich an LaminarFlow-Absaugstationen vorgenommen, die den Bearbeiter durch Hochleistungs-Schwebstoffilter vor Staub- und Schimmelpartikeln schützen (Abb. 5). Außerhalb dieser Stationen ist die Belastung deshalb erwartungsgemäß gering. Der relativ hohe Wert im Personalraum ist wohl auf die Anwesenheit von Nahrungsmitteln zurückzuführen - neben allgemeiner Sauberkeit sollte hier darauf geachtet werden, daß die Arbeitskittel vor der Pause abgelegt werden, um eine Keimübertragung zu vermeiden. Die Staubmessungen ergaben sehr hohe Werte für eine konzentrierte, von einem Einband abgenommene Schimmelstaubprobe und für den abgekehrten, groben Staub in der Absaugstation, die regelmäßig nach Ende der Arbeit abgesaugt und desinfiziert wird (Abb. 6). Im Vergleich zum Richtwert für Hausstaub enthält der Staub vom Mobiliar der Mikroverfilmung, also von der Kamera oder der Lampe, zu viel Pilze, wogegen die Proben aus dem zentralen Filter der Staubsauganlage mit über 100 Anschlüssen in Institut und Staatsarchiv nur mäßig belastet waren. Aus diesen Messungen folgt, daß es sehr wichtig ist, die Arbeitsräume und -flächen regelmäßig gut zu reinigen, damit überhaupt erst nicht soviel Staub herumliegt, mit dem die Mitarbeiter in Kontakt kommen können. Beanspruchung der Arbeitnehmer Die untersuchten Arbeitsplätze wiesen nur eine gering erhöhte Belastung der Raumluft mit Schimmelpilzen auf. Hat diese Exposition dennoch Wirkungen auf die Arbeitnehmer? In der Literatur (Diehl und Hofmann 1996, Herr et alii 1999) werden folgende Wirkungen einer aerogenen Exposition durch Schimmelpilze und organische Stäube auf den Menschen diskutiert: - Infektionen - Allergien - toxische Wirkungen - durch Mykotoxine - immunotoxische Wirkungen: mucous membrane irritation syndrome (MMI) organic dust toxic syndrome (ODTS) Infektionen Glücklicherweise sind Menschen gegen Infektionen durch die in der Umwelt häufig vorkommenden Schimmelpilze relativ resistent. Schimmelpilze sind deshalb in der TRBA (Technische Regel Biologische Arbeitsstoffe) 460 überwiegend als nicht menschen-pathogen eingestuft (Risikogruppe 1). Nur wenige Schimmelpilze wie z.B. der in Archiven gelegentlich vorkommende Aspergillus fumigatus sind der Risikogruppe 2 (fakultativ pathogen) zugeordnet. Bei abwehrschwachen Menschen kann er eine schwere Allgemeininfektion (Aspergillose) auslösen. Etwas häufiger verursacht er Aspergillome der Lunge Abb. 3 Arbeitsplatz in einem Archiv Abb. 4 Arbeitsplatz in der Mikroverfilmung Abb. 5 Trockenreinigung an der Laminar-Flow-Absaugstation Abb. 6 Reinigung und Desinfektion der Absaugstation (Granulome). In der Arbeitswelt wurden solche Infektionen bisher nur bei extrem hoher aerogener Exposition beobachtet, z.B. in Kompostierungsanlagen. Bei Menschen mit Bronchiektasen oder im Zustand nach Tuberkulosen kommt es gelegentlich zur Besiedlung der erweiterten Bronchien mit Aspergillen. Diese bronchopulmonale Aspergillose geht mit einer asthmaähnlichen Symptomatik einher. Unseres Erachtens wäre mit solchen Erkrankungen in Archiven nur bei extrem abwehrschwachen Menschen zu rechnen, die aber dann auch im Privatleben durch Biomüll, Blumenerde u. ä. gefährdet wären. Allergien Schimmelpilze verursachen bei circa 5 % der Bevölkerung Typ 1-Allergien - meist Sensibilisierungen gegen phytopathogene Pilze, die im Sommer in hohen Konzentrationen in der Außenluft vorkommen können (z. B. Cladosporium, Alternaria species). Solche Allergien äußern sich als Coniunctivitis allergica, Rhinitis allergica und allergisches Asthma. Im Archiv kommen auch andere Schimmelpilzspezies vor, die ebenfalls allergen sind. Kurzfristig können Spitzenkonzentrationen erreicht werden. Schimmelpilz- und Aktino-myceten-haltiger Staub ist deshalb in derTRGS (Technische Regel Gefahrstoffe) 907 als Allergen im Sinne derTRGS 540 (Sensibilisierende Stoffe) eingestuft. An Arbeitsplätzen mit Schimmelpilzexposition von > 106 KBE/m3 Luft ist zusätzlich mit dem Auftreten von allergischen Alveolitiden zu rechnen. Solche Konzentrationen werden in Archiven überwiegend nicht erreicht. Nicht nur lebende, sondern auch abgestorbene Schimmelpilze sind allergen. Toxische Wirkungen In der Arbeitswelt werden an Arbeitsplätzen mit aerogener Schimmelpilz-Exposition (z. B. in der Landwirtschaft und Abfallwirtschaft) am häufigsten toxische Wirkungen beobachtet. Als Ursache werden Exotoxine (Mykotoxine) sowie Endotoxine (Glucane, Glycane von grampositiven Stäbchen, Endotoxine von gramnegativen Stäbchen), aber auch Mikroorganismen-haltige organische Stäube an sich diskutiert. Mykotoxin-Wirkungen Mykotoxine werden von bestimmten Schimmelpilz-Spezies nicht ständig, sondern nur unter bestimmten Umständen produziert. Aerogene Mykotoxin-Wirkungen sind bislang kaum untersucht. In Futtermittelbetrieben mit extrem hoher Aflatoxin- (Mykotoxin von Aspergillus f/avus) Exposition kam es nach lOjähriger aerogener Exposition zum gehäuften Auftreten von Lungen- und Leberkarzinomen bei den Arbeitnehmern. Bei Bauern kam es in einem Silo einmal zu Ochratoxin (Mykotoxin von Aspergillus ochraceus und bestimmten Penicillium spec/'es)-bedingten Nierenschädigungen. Diskutiert wird in der Literatur auch die Auslösung von Sick Building Syndromen in Gebäuden mit Feuchteschäden und Befall mit Stachybotrys atra durch Stachybotrys arra-Toxin. So hohe Konzentrationen sind in Archiven in der Regel nicht zu erwarten. Eher in der Literatur beschrieben sind Wirkungen durch orale Aufnahme von Mykotoxinen (vermeidbar durch Händewaschen und geeignete Lagerung von Lebensmitteln). Außerdem ist in der Literatur ein Fall beschrieben, in dem ein Hautkontakt mit Stachybotrys arra-Toxin zu schweren Hautentzündungen führte (Dill et alii 1997). Mucous Membrane Irritation Syndrom Bei aerogener Exposition mit mikrobiell kontaminierten organischen Stäuben werden von Hautund Schleimhautzellen - auch in vitro - Interleukine freigesetzt, die als Entzündungsmediatoren wirken. Die Folge sind Hautentzündungen, besonders im Gesicht und an nicht bedeckten Hautstellen, Konjunktivitis, Rhinitis, Halsentzündungen und irritatives Asthma. Durch Wirkungen auf das ZNS wird eine grippeartige Symptomatik mit Fieber und Müdigkeit ausgelöst. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang auch Gastroenteritis und Gliederschmerzen. Die Wirkung setzt schnell ein und ist arbeitsplatzbezogen. Erstmalig wurde die Erkrankung 1713 von dem italienischen Badearzt Bernadino Ramaz-zini beschrieben. ODTS (organic dust toxic syndrome) Bei hoher Exposition (> 108 Zellen pro m3 Luft), wie sie im Archivbereich nur selten vorkommt, beobachtet man - auch im Tierversuch nachstellbar - neben den oben beschriebenen Allgemeinsymptomen das Auftreten toxischer Lungenentzündungen durch organische Stäube. Auch toxische Wirkungen organischer Stäube sind nicht von der Lebensfähigkeit der darin enthaltenen Mikroorganismen abhängig. Das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg wurde von der Landesarchivdirektion BadenWürttemberg beauftragt, die Exposition von 42 Arbeitnehmern im Bereich der Landesarchivdirektion in Ludwigsburg meßtechnisch zu erfassen und die Arbeitnehmer folgendermaßen zu untersuchen: - Anamnese mittels eines in der Studie über Belastung und Beanspruchung von Arbeitnehmern in Wertstoffsortieranlagen und auf Deponien standardisierten Fragebogens, der um archivtypische Fragen ergänzt wurde - Klinische Untersuchung mit Lungenfunktionstest (Jäger Flowscreen) - Serologische Untersuchung auf IgE-Antikörper gegen allgemeine Inhalationsallergene (Phadiatop), Schimmelpilzmix, Hausstaubmilbe und Vorratsmilben sowie IgG-Anti-körper gegen Schimmelpilze und Milben Die Untersuchungen sollen auf weitere Archive und Bibliotheken in Baden-Württemberg ausgedehnt werden. Da noch keine ausreichend große Kontrollgruppe untersucht ist und die Unterschiede in der Belastung der Arbeitnehmer gering sind, wurde zunächst das Gesamtkollektiv mit den Arbeitnehmerkollektiven aus unserer oben genannten Studie verglichen (Arbeitnehmer einer mittelgroßen Stadt in Baden-Württemberg, Deponiearbeiter, Wertstoffsortierer). Hierbei möchten wir Ihnen folgende Ergebnisse vorstellen: Anamnese Bei der Anamnese fiel eine gegenüber der Kontrollgruppe erhöhte Schilderung von MMISymptomatiken auf, die aber seltener als bei den Arbeitnehmern aus der Abfallwirtschaft geschildert wurden, während allergische Symptomatiken häufiger als in der Abfallwirtschaft geschildert wurden. Auffällig war, daß eine Selektion von Atopikern in Archiven im Gegensatz zu Betrieben der Abfallwirtschaft in wesentlich geringerem Maße zu beobachten war. Der Anteil von Atopikern gemessen mit einem modifizierten Atopiescore nach Diepgen lag gering über dem Anteil in der Allgemeinbevölkerung (38%). Der Score vorberuflich manifester Atopiker lag bei 0,27 (Kontrollgruppe 0,34, Wertstoffsortierer 0,1). Untersuchung Bei der klinischen Untersuchung fielen bei einem Teil der Arbeitnehmer Entzündungssymptome der Schleimhäute und Hautentzündungen auf. Bei der Lungenfunktionsuntersuchung fanden sich nur wenige Fälle von signifikanten Veränderungen der Lungenfunktion im Sinne einer Obstruktion. Subklinische Veränderungen der Lungenfunktion fanden sich allerdings häufiger als in der Kontrollgruppe. Beispielhaft für die Lungenfunktionsbefunde wird hier die forcierte Vitalkapazität vorgestellt (Abb. 7-10). Abb. 7-10 Ergebnisse der klinischen Untersuchung N = 38 Archivmitarbeiter 209 Wertstoffsortierer 99 Deponiearbeiter 88 kommunale Arbeit nehmer Abb. 11 Positiver Phadiatoptest Archiv: 16,6% Hausstaubmilbe, 7,1 % Tyrophagus putrescentiae, 4,7% Gly-cophagus domesticus, Lepidoglyphus destructor, 2,3% Schimmelpilzmix, 38% Atopiker. Serologie Wie bei den Arbeitnehmern in der Abfallwirtschaft war auch bei den Archivmitarbeitern der Phadiatoptest erhöht (Abb. 11). Der Phadiatoptest fiel bei circa 50 % der untersuchten Arbeitnehmer und bei circa 45 % aller Arbeitnehmer positiv aus, während in der vergleichbaren Kontrollgruppe nur circa 25% reagierten. Angesichts der Reaktion auf den Schimmelpilzmix dürfte es sich hier nur teilweise um Reaktionen auf Schimmelpilze handeln. Reaktionen auf Milben wurden häufiger gesehen. Milben kommen oft im gleichen Milieu (feucht, warm, organische Nährstoffe) vor. Im verbleibenden Teil der Studie wird deshalb auch auf den Nachweis von Milbenantigenen im Staub Wert gelegt werden. Interessante Aspekte werden sich sicher auch bei den IgG-Antikörpern gegen Schimmelpilze und Milben ergeben, die als Expositionsparameter mituntersucht wurden. Hier werden sie nicht vorgestellt, da die Kontrollgruppe noch nicht untersucht wurde. Wie sieht der Arbeitsschutz in Archiven hinsichtlich der mikrobiellen Belastung der Arbeitnehmer aus? Risikoanalyse: Nach dem Arbeitsschutzgesetz muß der Arbeitgeber eine Risikoanalyse vornehmen, wobei sich hinsichtlich unserer Fragestellung eine Bewertung nach der Gefahrstoff V (TRGS 540, 907) anbietet. Eine Belastung mit allergen wirksamen Stäuben liegt vor. Die Exposition sollte gemäß TRGS 540 also minimiert werden. Bei der Einstufung nach der BioStoffV muß davon ausgegangen werden, daß in der Regel eine Exposition gegenüber Schimmelpilzen und Aktinomyceten aus der Risikogruppe 1 vorliegt. Bei Auftreten von Aspergillus fumigatus ist Risikogruppe 2 gegeben, bei mit frischem Taubenkot verschmutzten Büchern oder Archivalien Risikogruppe 2 oder 3. Es liegt eine nicht gezielte Tätigkeit vor. Die Schutzstufe 1 dürfte im Normalfall ausreichen. Es muß also die TRBA 500 eingehalten werden, die allgemeine Hygienemaßnahmen beschreibt. Das Minimierungsgebot nach der BioStoffV gilt. Geplant ist eine TRBA/Archive, die das Problem dann spezifischer umreißt. Im Landesgesundheitsamt BadenWürttemberg wird von einer Arbeitsgruppe zusammen mit der Landesarchivdirektion, dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, der Württembergischen Landesbibliothek, dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Stuttgart und dem Württembergischen Gemeindeunfallversicherungsverband eine Checkliste BioStoffV/Archive und Bibliotheken erarbeitet. Was kann man im Arbeitsschutz tun? Baumängel (z. B. undichtes Dach, Feuchtigkeit unter Innenisolierung u. ä.), die zu Feuchtigkeit und Schimmelpilzbefall führen, sollten beseitigt werden. Die Räume sollten gut zu reinigen sein (möglichst keine unzugänglichen Verkleidungen). Bei Feuchteschäden sollten die Räume durch Trockner schnell saniert werden. Schimmelpilze sollten unter Arbeitsschutz abgetragen werden. Belastete Bereiche (Eingangsbereich für Archivalien, Werkstatt, Labor usw.) sollten von unbelasteten Bereichen baulich getrennt sein. Klimatisch empfehlen sich eine Luftfeuchtigkeit unter 50-55%, eine Temperatur unter 15-18 °C in Lagerräumen, in Arbeitsräumen mit sitzender Tätigkeit muß laut Arbeitsstättenverordnung eine Temperatur von 19 °C gewährleistet sein. Eine ausreichende Raumbelüftung sollte garantiert sein. Raumlufttechnische Anlagen sollten kein Restwasser haben. Staubende Tätigkeiten wie Verfilmung und Reinigung befallener Archivalien sollten unter dem Laminar Flow mit Absaugung und Filterung der in den Raum zurückgeführten Luft oder mit Kapselung und Absaugung nach unten hinten erfolgen. Neueingänge von Archivalien sollten auf Schimmelpilzbefall untersucht werden. Bei Bedarf sollte eine Mikroskopie und Kultur erfolgen. Eine Begasung stark befallener Archivalien mit Ethylenoxid, gefolgt von einer ausreichend langen Ausgasung dient der Begrenzung von Antigen- und Toxinneuproduktion und der Infektionsprophylaxe. Verfilmen, Einschweißen des befallenen Stücks u. ä. verhindern den weiteren Kontakt. Da die Begasung keinen positiven Einfluß auf toxische und allergene Wirkungen hat, bzw. diese unter Umständen verstärken kann, sollte nur dann begast werden, wenn stark befallene Archivalien länger unter ungeeigneten Bedingungen gelagert werden sollen. Sehr wichtig, um die Exposition der Arbeitnehmer gering zu halten, ist eine regelmäßige (arbeitstägliche) Reinigung und Z.T.Desinfektion der Räume und Arbeitstische, Bäder usw., gelegentlich auch der Archivalien. Auch die raumlufttechnischen Anlagen sollten regelmäßig unter Arbeitsschutz gewartet werden. Filter sollten regelmäßig gewechselt werden, die alten Filter in Folie gepackt und entsorgt werden. Als persönlicher Arbeitsschutz bieten sich Kittel, evtl. Kopfbedeckung, Handschuhe (Untersuchungshandschuhe, keine gepuderten Latexhandschuhe) und Atemschutz (P2, bei Chlamydienexposition P3) bei Wartungs- und Reinigungsarbeiten sowie bei Bearbeitung befallener Archivalien außerhalb des Laminar Flow an. Einmalartikel empfehlen sich, da sie nicht gereinigt und gewartet werden müssen. Der Arbeitgeber ist für Wartung und Reinigung des persönlichen Arbeitsschutzes zuständig. Die Arbeitnehmer benötigen getrennte Aufbewahrungsmöglichkeiten für Schutzkleidung und Privatkleidung. Der Arbeitgeber muß eine arbeitsplatzbezogene Betriebsanweisung erstellen und die Arbeitnehmer damit jährlich belehren. Die Belehrung muß schriftlich bestätigt werden. Es empfiehlt sich, arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nach G 23 und 24 anzubieten. Aktuelle Zusatzinformation kurz vor Drucklegung: Die beiden im Beitrag angekündigten Richtlinien sind inzwischen erschienen und im Internet verfügbar. Sie bieten mit ihren grundlegenden Informationen und Hinweisen sowohl für den Arbeitgeber als auch für die beteiligten Arbeitsmediziner und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ein unverzichtbares Instrument zur Einschätzung und Begrenzung der Gefahren durch Schimmelpilze in Archiven und Bibliotheken: Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 240: Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit mikrobiell kontaminiertem Archivgut www.baua.de/prax/abas/trba240.htm Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg: Merkblatt Archive und Bibliotheken (mit Checkliste) www.landesgesundheitsamt.de/gewerbearzt/checkarchive.htm In diesem Zusammenhang wird auf folgende neue Publikation hingewiesen: H. P. Neuheuser, Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit mikrobiell kontaminiertem Archivgut, in: Der Archivar 57, 2004, 217-225 (mit Textabdruck der TRBA 240) Literatur K. Diehl/R. 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