Leseprobe

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Dr. Heike Cillwik
Buddha,
mein Freund
1
© tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld
1. Auflage 2015
Autor: Dr. Heike Cillwik
Umschlaggestaltung: Yell Kreativ GmbH
Umschlagfoto: Bildreich-fotografie.de
Printed in Germany
Verlag: tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld,
www.tao.de, eMail: [email protected]
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN Hardcover:
978-3-95802-441-0
ISBN Paperback:
978-3-95802-440-3
ISBN e-Book:
978-3-95802-442-7
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
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Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige
Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und sonstige Veröffentlichungen.
2
Durch die Bereitschaft zur Aufnahme von
Frauen in den Orden soll die Vorherrschaft der
buddhistischen Lehre in zukünftigen Zeiten um
500 Jahre verkürzt worden sein. Manche
machen das Frauen, die diese Lehre
praktizieren, noch heute zum Vorwurf…
3
4
Inhaltsverzeichnis
„Bist du sicher, dass das, was du für wahr hältst,
11
Wenn ich darüber nachdenke, wie alles angefangen hat,
12
Die Schöpfungen des Geistes sind zahlreicher
14
„Triffst du Buddha unterwegs, dann töte ihn!“
15
Wie das große Meer…nur einen Geschmack hat,
19
Vor einiger Zeit kam ein Mann zu mir
20
„Mir gefällt am Buddhismus,
23
Ich frage Buddha nach den Skandhas
24
Wie man seit einigen Jahren weiß,
27
Aber jetzt geht es erst mal darum,
28
„Ich glaube nur, was ich sehe“,
31
Die nächsten vier Skandhas bzw. Daseinsfaktoren sind
32
Als eine alte Dame in einer spanischen
35
Der vierte Daseinsfaktor bzw. das vierte Skandha ist
36
Nachdem der sehr angesehene und in den
39
Susi (so nenne ich sie mal) rief zwei- oder dreimal
40
Vor einiger Zeit wurde irgendein neues Super-Handy
44
Ich bin wieder zu Hause, Malta ist Vergangenheit.
45
Zwei Mönche, die das Gelübde abgelegt hatten
48
Und Buddha meldet sich wirklich: das nächste Thema
49
John war sein Leben lang immer wieder
51
Mein Leben als Lama begann fast vollkommen unbemerkt
52
Dagobert wollte seiner Liebsten
55
5
Wie ich schon erwähnte, war mein Weg der
56
Ein gottesfürchtiger Mann versuchte
58
„Was macht ihr denn da eigentlich?“ wurden
59
Dem Politiker Piet Wunderbar
61
Ich sehe in meinem Mecklenburger Haus aus
63
Karma ist das energetische Potential
65
Der große Meister Buddha, der von Anfang an
66
Als einmal ein Mann zu einem der
69
Kann man aus einzelnen Begebenheiten
71
Sie wählte überall den leichtesten Weg.
72
Beim vierten Skandha, dem der Geistesfaktoren,
73
Viele Menschen wollen immer nur geliebt
75
Ich lief ein bisschen nebenbei durch den Dharma.
76
Es gibt im Internet ein kleines Filmchen,
79
Eigentlich hatte alles mit einem Ehestreit begonnen
81
Sie liebte ihn von ganzem Herzen,
84
Susanne und Jutta (so nenne ich sie einmal) kamen
85
Manche tibetische Meister drehen
89
Viele Tibeter lieben Mystik.
90
Manchmal wird man schlecht
93
Ich spüre Buddhas Energie, sie ist so sanft, freundlich
94
Wissenschaftler haben festgestellt,
95
Buddha hatte zu seinen Lebzeiten eine besondere
96
Es gibt ein Video im Internet,
99
Es gibt in unserem Land so viele „alte Hasen“ im
101
6
Ein kleines Mädchen, das von seinen
104
Jeder Kontakt mit Buddha hat für mich ein großes
105
Mögen die Pläne und Wünsche für die Zukunft
110
Als ich noch auf Malta wohnte, führten zwei Fahrstühle
111
Ein spiritueller Meister, der
115
Sebastian (so nenne ich ihn mal) stellt sich
116
Bei bestimmten buddhistischen Meditationen
118
Buddha Shakyamuni begegnete kurz vor seiner vollen
120
Es gibt eine Geschichte, die so
124
Nun habe ich schon zwei Tage lang
126
Es gibt Meditationspraktiken
128
Was nun den geistigen Weg Buddhas angeht
130
Von großen Meistern des tibetischen
132
Wenn große Meditierende in ihrem Geist
134
Seitdem wir von der Stadt aufs Land
139
Im tibetischen Buddhismus gibt es schon
142
Suleika (so nenne ich sie mal) war Muslima.
147
Es ist großartig für mich, mit Buddha kommunizieren zu
149
Irgendjemand sagte mir einmal,
152
Amanda (so nenne ich sie mal) kündigte sich
153
Manchmal gibt es große Diskussionen
156
Solange sich unser Geist
158
Als ich vor einiger Zeit einmal die
161
Veronika (so nenne ich sie mal) war durch eine
163
„Das Wichtigste, was im Leben
164
7
Kurz nachdem Buddha Shakyamuni die
165
Solange unser Alaya Vijnana
168
Gleich zu Beginn meines Kontakts mit dem
169
Ist ein Regenbogen vorhanden?
172
Wann begann der voll erleuchtete Buddha zu lehren
173
Als der Dalai Lama
175
Buddha war ja seit der Bitte der Götter
177
Der Buddha begab sich, nachdem
180
Der Buddha war ein Meister aller Klassen
181
Wenn Schüler des Buddhas
182
Nun gibt es noch ein besonderes Kapitel,
183
Eine Mala (ein buddhistischer Rosenkranz)
187
Jetzt will ich dieses Buch
188
Unter tibetischen Lamas
191
Kurz vor seinem Tod spricht der Buddha
194
Als ob er bloße Schaumblasen
200
Widmung
201
8
„Bist du sicher, dass das, was du für wahr
hältst, auch wahr ist?“, fragte der Meister. „Oder
könnte es nicht alles auch nur eine Illusion
sein?“
Noch bevor der Schüler antworten konnte,
klatschte der Lehrer in die Hände und
verschwand. Seitdem hört der Schüler ihn nur
noch in seinem Geist und sieht ihn nicht mehr.
Soll er nun diesen Unterweisungen folgen,
oder soll er auf seiner Sicht der Wahrheit
bestehen und sein Herz verschließen?
9
W
enn ich darüber nachdenke, wie alles angefangen hat, fällt mir
kein konkreter Zeitpunkt ein. Irgendwie war Buddha schon immer
bei mir und irgendwie auch nicht. Aber hier jetzt in diesem
offenen Straßenrestaurant auf Malta, wo der Wind leicht durch den Raum weht,
wo die vielen kleinen Fliegen mich und mein warmes englisches Essen
attackieren, da ist er einfach da, nicht im selben Raum, und doch sitzt er fast an
meinem Tisch. Er ist in einer anderen Dimension, aber es fehlte nicht viel und
ich würde ihm allein schon aus Höflichkeit einen Stuhl anbieten, denn ich sitze
allein an einem Vierer-Tisch. Platz genug wäre also da.
Während ich meine leckere Mahlzeit esse, spreche ich in Gedanken mit ihm
und er antwortet mir auch ganz deutlich, aber unhörbar für alle anderen. Wir
sprechen über meine Meditationspraxis und ich spüre meine Begrenztheit sehr
deutlich in seiner Gegenwart. Ja, wenn ich nur schon so weit wäre wie er… Ich
bewundere ihn glühend, er ist so sanft in allem was er tut, aber gleichzeitig so
unbesiegbar stark. Und ich rudere verzweifelt mit meinen konzeptuellen
Gedanken, die mich hindern, mich ihm hier inmitten der anderen Gäste und den
beiden jungen Kellnerinnen, die ständig umhergehen, um die Gäste zu versorgen,
hier in dieser freundlichen Atmosphäre innerlich zu öffnen.
Ich kann die Wellen beobachten, die ich so in dieser Form noch nie bewusst
gesehen habe: Schaumkronen auf normalen Wellen und dann ganze Wellenberge
und –täler, die mich in ihrer Größe eher an einen kommenden Tsunami erinnern,
und auf denen die normalen Wellen tanzen.
Die Situation erscheint mir ein wenig irreal: die windgepeitschten Wellen mit
vom Sturm draußen vor der Küste gewaltig bewegten Wellengebirgen ganz nah,
etwa dreißig Meter entfernt hinter einer Mauer an der felsigen Küste, und dann in
diesem Restaurant nur ein kleines Lüftchen, obwohl es keine Wände gibt.
Vielleicht ist es hier fast windstill, weil der an einer Seite geschlossene
Bedienungskomplex des Restaurants die Tische der Gäste vor den
Luftbewegungen schützt, wer weiß. Und dann sitze ich mit Buddha an meiner
10
Seite, den im Moment vermutlich niemand außer mir sieht, und doch ist er neben
mir wie ein guter Freund, mit dem ich gemeinsam zum Essen gegangen bin.
Die „Tsunami“-Wellen machen mir Angst: da wird doch wohl nicht gleich
noch ein Unglück geschehen? Das Essen schmeckt hervorragend wie kaum
jemals sonst: meine Sinneseindrücke verwirren mein konzeptuelles Denken und
meine Fragen, ob es wirklich Buddha ist, der da mit mir spricht. Aber schließlich
gebe ich mich einfach der Situation hin: Buddha ist da, ich rede mit ihm. Fertig,
aus.
Als ich Buddha dann später wiedersehe, während ich in meinem Hotel-Bett
liege (diesmal schwebt er leicht erhöht schräg links über mir) ist der Bann
gebrochen und wir setzen unser Gespräch einfach fort, so als sei es das
Natürlichste auf der Welt. Wir vereinbaren, gemeinsam ein Buch zu schreiben
(jetzt nur nicht nachdenken und auf den Wahrheitsgehalt prüfen!). Die
„Tsunami“-Wellen waren gerade eben noch zu sehen gewesen (zum Glück
wohne ich im 2. Stock nahe der Uferpromenade) und ich will mein Schicksal
jetzt nicht herausfordern und an der Kommunikation mit Buddha zweifeln. Ja, ja,
wir schreiben ein Buch, worüber auch immer, klar…
11
Die Schöpfungen
des Geistes
sind zahlreicher
als die in den Sonnenstrahlen
tanzenden
Staubkörner.
Milarepa
12
„T
riffst du Buddha unterwegs, dann töte ihn!“ lautet der
Ausspruch eines großen Zen-Meisters. Hinter dieser Aussage kann
ein Universum von Ansichten stehen. Ich habe aber nicht vor,
Buddha zu töten, würde es vermutlich auch gar nicht schaffen, denn er weilt
neben mir offenbar in einer transzendenten Sphäre als mein derzeitiger Begleiter
und Freund. Ich bin Schülerin großer Meister des Vajrayanas, des, so wie sie
sagen, höchsten buddhistischen Fahrzeugs (oder auch Zieles). Würde es mir
gelingen, einen meiner Meister zu töten, dann würde unmittelbar nach dieser
Existenz für mich eine Wiedergeburt in einem Höllenbereich folgen, wie der
Buddha vor ca.2500 Jahren, als er noch in menschlicher Gestalt unter uns weilte,
lehrte. Nein danke, darauf bin ich nicht erpicht.
Vielleicht soll diese Aufforderung zum Töten (sie ist natürlich symbolisch
gemeint), wegführen von unserer Neigung zum Personenkult um einen geistigen
Führer. Ich habe gerade ein Buch über einen zehntägigen Meditationsrückzug im
Theravada gelesen, des aus Vajrayana-Sicht kleinen buddhistischen Fahrzeugs.
Da sagt der Meister (den es dort auch zu geben scheint), dass der Buddha ein
ganz normaler Mensch war, genauso wie wir, nur eben meditationserfahrener
und deshalb erleuchtet. Naja, da habe ich so meine Zweifel…
Von Buddha wird berichtet, dass er bei seiner Geburt aus der rechten
Körperseite seiner Mutter kam und die Wunde der Mutter sich unmittelbar
danach wieder verschloss. Nachdem das Neugeborene gewaschen worden war,
stellte es sich hin, ging in jeder Himmelsrichtung ein paar Schritte und sprach
dabei einige Worte. Jeder, der schon mal ein gerade geborenes Baby gesehen hat,
weiß, dass keines davon je zu solcher Leistung fähig ist. Die Annahme, dass
Buddha ein normaler Mensch wie du und ich war, wird spätestens durch diese
Berichte vollkommen ad Absurdum geführt.
Und diese Erzählungen über seine wundersamen Fähigkeiten schon als Kind
lassen aufhorchen. Aber natürlich kann man all diese Informationen in das Reich
der Legende verweisen. Immerhin ist die Angelegenheit ja schon 2500 Jahre her.
13
Manchmal kann es hilfreich sein, sich vorzustellen, dass man mit ein paar
Vipassana-Übungen der Theravada-Tradition des Buddhismus nur wenige
Schritte von der eigenen Erleuchtung entfernt ist. Man setzt einfach das geistige
Ziel der Erleuchtung nicht so hoch an, wie es die Legenden vom Leben Buddhas
nahelegen. Manchmal kann es aber auch hinderlich sein, so zu denken, denn es
entspricht in keiner Weise den Tatsachen, und man läuft mit so einer Ansicht
Gefahr, sich etwas in die Tasche zu lügen und seine eigenen Fähigkeiten zu
überschätzen. Das kann ja auch frustrierend sein, spätestes, wenn man merkt,
dass die Erleuchtung sich trotz größten diesbezüglichen Bemühens nicht
einstellen will.
Vipassana ist aber in jedem Fall ein sehr nützlicher und hilfreicher Aspekt,
wenn es darum geht, zielgerichtet geistig zu erwachen. Aber es ist nur ein Schritt
auf dem langen Weg zur vollkommenen Erleuchtung. Die höchste Erleuchtung
ist übrigens nicht die Shravaka-Arhatschaft, wie sie durch Praktiken des kleinen
Fahrzeugs irgendwann erreicht werden kann (oder auch nicht). Darauf werde ich
später noch ein wenig genauer eingehen.
Während ich dies schreibe, sieht mein Freund mir zu und korrigiert die eine
oder andere Formulierung oder ergänzt sie (wie das Wort „zielgerichtet“),
während ich um fünf Uhr morgens in meinem Hotelzimmer sitze und die warme
maltesische Luft durch die geöffnete Balkontür dringt. Oh, wie angenehm… Und
morgen ist das alles wieder vorbei, es geht zurück nach Hause. Angenehm? Ja,
da sind wir wieder bei Vipassana: ich denke „angenehm“ und läute damit mein
Verderben ein, kurzfristig nicht, aber langfristig. Denn „angenehm“ ist eine
Wertung, die von Anhaftung getragen ist und sie ist genauso ein Fehler, wie
„unangenehm“, was eine von Abneigung getragene Wertung ist.
Beides ist eine Sicht, die durch meine persönliche geistig getrübte Brille
verursacht wird und hätte ich diese Brille nicht, würde ich die Dinge anders
sehen, z.B. gleichmütiger. Ich würde vielleicht nur beobachten: hier auf Malta ist
es warm, dort, in Deutschland ist es kühler, ganz ohne zu werten, einfach nur als
Feststellung.
14
Bei Vipassana übt man sich offenbar darin, seinen Körper einfach nur zu
beobachten und das, was man beobachtet und fühlt, festzustellen. Hier kribbelt
es? Ah ja. Hier schmerzt es? Ah ja. Hier fühle ich rein gar nichts: Naja. Ist alles
o.k. so, denn ich übe ja gerade, zu spüren und was ich spüre, ist genauso in
diesem Moment. Im nächsten Moment kann es schon anders sein, muss aber
nicht. Das bringt, wenn man lange genug weitermacht, eine große geistige
Befreiung, Erleichterung. Man muss nicht immer gleich handeln, wenn man
etwas beobachtet. Ich muss nicht gleich die nächste Reise nach Malta oder wohin
auch immer buchen, um der Kälte in Deutschland zu entfliehen. Ich kann es tun,
aber besser ist erst mal: nur beobachten ohne zu werten.
Anhaftung an angenehme Dinge kann ich auch dadurch reduzieren, dass ich
mir die unangenehmen Aspekte einer begehrten Sache vorstelle. Also ich sage
mir z.B. dass dieser attraktive Mann, den ich so begehre, sich spätestens, wenn es
keiner sieht, in der Nase bohrt und er vielleicht auch noch seine Fundprodukte
verspeist. Das habe ich mal bei einem sehr bekannten deutschen Fußballtrainer
(der Schönste war er allerdings meiner Meinung nach nicht) mit Hilfe einer
aufzeichnenden Kamera sehen können. Der Mann muss sich vollkommen
unbeobachtet gefühlt haben. Seitdem denke ich immer an diese Szene, wenn der
Fußballtrainer im Fernsehen zu sehen ist und es ekelt mich augenblicklich bis
kurz vorm Erbrechen. Das kann auch eine Methode sein, der Anhaftung
entgegenzuwirken.
Spätestens hier wird klar: ich schreibe das Buch, nicht mein Freund. Aber ich
hoffe sehr, dass er aufpasst, dass ich keinen allzu großen Unsinn produziere…
Mir fällt gerade ein, weshalb ich heute Morgen schon so früh aufgewacht bin:
es gab da ein merkwürdiges pickendes in regelmäßigen Abständen auftretendes
Geräusch von der geöffneten Balkontür aus: Regenreste kamen wohl von einem
höheren Stockwerk herab. Regen…! Den haben wir in Deutschland auch und
außerdem sollen die Temperaturen in diesen späten Oktobertagen nach einem
winterlichen Kälteeinbruch (den ich durch meinen Malta-Aufenthalt leider (!)
verpasst habe…) nun doch wieder auf etwa 16-18 Grad ansteigen.
15
Umweltentgleisung hin oder her: es fällt mir unter diesen Umständen leichter,
die Wärme auf Malta loszulassen…
16
Wie das große Meer…nur einen Geschmack
hat, den des Salzes,
so hat… auch diese Lehre und Disziplin
nur einen Geschmack,
den der Befreiung.
Buddha Shakyamuni
17
V
or einiger Zeit kam ein Mann zu mir in eines meiner beiden
Dharma-Zentren, um sich über den Buddhismus zu informieren. Er
führte in einem Rucksack einen Sauerstofftank mit sich, der ihm
über zwei Schläuche, die in die Nase führten, das Atmen erleichterte. Er spielte
mit offenen Karten: wollte er noch länger überleben, wäre bei seiner mittlerweile
stark geschädigten Lunge eine Transplantation erforderlich, die er aber ablehnte.
Er hatte einige Jahre auf der Straße gelebt und war nun, nachdem er endlich eine
Wohnung gefunden hatte, körperlich ziemlich am Ende. Außerdem hatte er noch
schwerste psychische Probleme und galt als diesbezüglich nicht therapierbar.
Ich nenne ihn mal Klaus und stelle infrage, ob es diese Person ebenso wie die
anderen in diesem Buch erwähnten Menschen so konkret gegeben hat. Aber es
hat ähnliche Personen gegeben, die ähnliche körperliche und psychische
Probleme hatten und ähnliche Lebensgeschichten. Nach einem wilden
selbstzerstörerisch geführten Leben dämmerte ihm, dass auch er sterblich war
und das vielleicht schon sehr bald.
Er hatte auch spirituell schon so manches ausprobiert, Heiler besucht, sich
unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Richtungen zugewendet,
aber den richtigen Durchbruch hatte er nicht erzielen können. Und nun war ihm
so ziemlich als eine der letzten Möglichkeiten der Buddhismus erschienen und
weil sein Fahrzeug wundersamer Weise einen Aussetzer in der Nähe meines
Zentrums hatte, oder weil er beim Vorbeifahren von dem Stupa in meinem
Dharma-Garten berührt war oder warum auch immer, da war er sich jetzt ganz
sicher, dass ich ihm weiterhelfen könnte.
Er war bereit alles auf eine Karte zu setzen, meine beiden, etwa 80 km
voneinander entfernten buddhistischen Zentren nun abwechselnd zu besuchen,
um alle meine Vorträge zu hören, damit er nur ja nichts verpasste, DharmaCrashkurs im Vajrayana (dem Diamantfahrzeug des Buddhismus) also. Und von
großen Meistern wird ja auch erzählt, dass sie selbst hoffnungslose Schüler quasi
aus dem Stand heraus zur Erleuchtung oder zumindest zur Befreiung vom Leid
führen können. Jaaa, manchmal schon. Aber dann müssen diese Schüler auch
18
die karmischen Voraussetzungen dafür haben und bereit sein innerhalb kürzester
Zeit spirituelle Quantensprünge zu vollziehen.
Der Buddha war z.B. so ein Schüler, als er noch nicht voll erleuchtet war.
Eigentlich war er ja da noch gar kein Buddha, sondern ein Bodhisattwa, ein
Wesen, das sich erst auf dem Weg zur Erleuchtung befindet. Er war nach seinem
inneren Weg zur Erleuchtung von Existenz zu Existenz im Laufe von etwa drei
unermesslichen Zeitaltern schon so weit gereift, dass er in seinem letzten
irdischen Leben als Siddharta Gautama eigentlich gar keine Meditations-Lehrer
mehr brauchte. Aber er ging trotzdem hin und hatte sie natürlich in
Nullkommanichts eingeholt. Und die höchste Erleuchtung erlangte er schließlich
ganz ohne Lehrer (denn die waren ja bei aller Vervollkommnung noch nicht so
weit wie er) in nur einer einzigen durchmeditierten Nacht. Man sieht also, es ist
möglich, aber nur, wenn man sich unendliche Zeiten vorher darauf vorbereitet
hat, Leben für Leben heilsam handelt, Unheilsames lässt und seinen Geist schult.
Und danach war er schließlich eben kein gewöhnlicher Mensch mehr so wie du
und ich.
Wenn Klaus so ein Wesen gewesen wäre, dann hätte er trotz seiner äußerst
grenzwertigen aktuellen Situation den angestrebten Dharma-Crashkurs
erfolgreich absolviert. Aber so ein Mensch war Klaus leider nicht. Frustration
war also vorprogrammiert und als er merkte, dass die Befreiung von seinen
Problemen doch länger dauern würde und vor allem, dass er selbst aktiv daran
mitarbeiten müsste, warf er das Handtuch und kam nie wieder.
Wie kann man sich also bei ernsthaftem Interesse sinnvoll auf den
buddhistischen Pfad einlassen, um in die Lehre einzutauchen? Da gibt es
unterschiedliche Möglichkeiten des Lernens z.B. durch Hören von Belehrungen,
Nachdenken, Kontemplieren und Meditieren. Vipassana, der Weg des kleinen
Fahrzeugs, kann da z.B. ein wunderbarer Anfang sein, um langfristig sein Leben
zu verbessern. Man setzt sich immer wieder zu Meditationen nieder, deren
Technik man erlernen muss, und man braucht begleitende Unterweisungen, um
den Geist auch auf diese Weise zu schulen. Und wenn man das viele Jahre lang
19
kontinuierlich macht, dann kann es auch sehr beglückende Resultate geben, die
einen Geschmack von geistiger Befreiung oder gar Erleuchtung zur Folge haben
können. Und vielleicht kann man im günstigsten Fall nach vielen Jahren
unermüdlicher Praxis sogar die Shravaka-Arhatschaft erreichen.
Und irgendwann später vielleicht in einem anderen Leben oder auch statt des
Theravada-Wegs gleich von Anfang an kann man sich dann eventuell auch auf
die höheren Fahrzeuge einlassen und dort meditieren und Belehrungen hören.
Auf jeden Fall braucht man viel Zeit für diese Wege, denn buddhistische
Belehrungen sollen letztlich zu einer geistigen Reifung und Weiterentwicklung
führen und sind deshalb mit Ruhe und Geduld anzugehen, wenn man fruchtbare
Resultate erzielen will.
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