EUROPÄISCHES PARLAMENT 1999 2004 Plenarsitzungsdokument 27. November 2003 B5-0515/03 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung von Didier Rod, Paul A.A.J.G. Lannoye und Nelly Maes im Namen der Verts/ALE-Fraktion zur Rolle der Union bei der Verhütung von Konflikten in Afrika und insbesondere zur Durchführung des Abkommens von Linas-Marcoussis in Côte d‘Ivoire RE\515164DE.doc DE PE 338.641 DE B5-0515/03 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rolle der Union bei der Verhütung von Konflikten in Afrika und insbesondere zur Durchführung des Abkommens von LinasMarcoussis in Côte d‘Ivoire Das Europäische Parlament, – unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Côte d’Ivoire, – in Kenntnis des Abkommens von Linas-Marcoussis vom 24. Januar 2003, das von allen Konfliktparteien unterzeichnet wurde, – in Kenntnis der Bemühungen der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (CEDEAO/ECOWAS) zur Lösung dieses Konflikts, zur Wiederherstellung des Friedens und zur Wahrung der territorialen Integrität dieses Landes, – in Kenntnis der Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 13. November 2001, – gestützt auf Artikel 37 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, A. unter Hinweis darauf, dass Côte d’Ivoire, das wohlhabendste Land Westafrikas, im September 2002 im Anschluss an einen misslungenen Staatsstreich in eine politische und wirtschaftliche Krise geraten ist, B. besorgt über das Ausbleiben einer friedlichen Beilegung des Konflikts in Côte d’Ivoire, über den Rücktritt der von den Rebellen gestellten Minister der Regierung der nationalen Versöhnung im September sowie in der Folge über die Nichterfüllung des Abkommens von Linas-Marcoussis und das Einfrieren der Entwaffnungspläne, C. besorgt über die Verletzungen der Menschenrechte und den Machtmissbrauch der ivorischen Regierung und der Rebellen, die den Norden des Landes unter Kontrolle haben, D. in der Erwägung, dass dieser Konflikt, der nicht nur dem ethnischen Faktor zuzuschreiben ist, tiefe und vielfältige Ursachen hat wie Armut, ungerechte Verteilung des Reichtums, soziale Ungerechtigkeit, Verletzungen der Menschenrechte, Unterdrückung von Minderheiten, religiöse Diskriminierung, staatliche Misswirtschaft usw., E. unter Hinweis darauf, dass der Einbruch der Preise für die wichtigsten Rohstoffe zwischen 1970 und 2001 in Côte d’Ivoire einen gewaltigen Einkommenrückgang verursacht hat: so ist etwa der Preis für Kakao von 2,40 Euro pro Kilo auf 1,42 Euro, der Preis für Kaffee von 3,30 Euro auf 0,63 Euro und der Preis für Baumwolle von 2,25 Euro auf 1,09 Euro gesunken, F. unter Hinweis darauf, dass das System der garantierten Preise, das die Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts und des wirtschaftlichen Wachstums des Landes ermöglichte, PE 338.641 DE 2/4 RE\515164DE.doc 1999 auf Druck der Weltbank und des IWF abgeschafft wurde, wodurch Hunderttausende von Erzeugern ins Elend gestürzt wurden, G. mit der Feststellung, dass die großen auf den Export spezialisierten Konzerne heute die Kontrolle über die landwirtschaftlichen Produktionsketten haben, indem sie den kleinen Kakao-, Kaffee- und Baumwollerzeugern ihre Preise diktieren und somit die Behörden schwächen, H. in der Erwägung, dass die Entwicklung des Begriffs der „Ivorität“, der sich nicht so sehr auf das Recht des Bodens als auf das Recht des Blutes stützt, zur Ethnisierung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme geführt hat, mit denen das Land konfrontiert ist, I. in der Erwägung, dass sich die Politik der EU zur Konfliktverhütung bislang auf Krisenmanagement begrenzt, ohne die strukturellen Aspekte der Konflikte – die wirtschaftliche, soziale und ökologische Krise – anzugehen, J. besorgt über die Haltung der Kommission, die sich für eine Verlängerung des Fischereiabkommens mit Côte d’Ivoire um ein Jahr einsetzt, während die Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des Abkommens von Cotonou bis zur Lösung des Konflikts ausgesetzt bleibt, 1. verurteilt die Verletzungen der Menschenrechte und fordert die Einsetzung eines internationalen Untersuchungsausschusses, um den Machtmissbrauch der Regierung und der Rebellen aufzuklären; 2. fordert alle kriegführenden Parteien auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um diesen Konflikt, der die gesamte Region zu destabilisieren droht, zu beenden, und ihre Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln beizulegen; 3. fordert alle Konfliktparteien auf, die Menschenrechte und den Grundsatz der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu achten, und vertritt die Ansicht, dass sie die Pflicht haben, die Zivilbevölkerung zu schützen, sowie die Verantwortung dafür, friedliche Lösungen für die eigentlichen Ursachen des Konflikts in Côte d’Ivoire zu finden; 4. verurteilt die Ermordung von Jean Hélène, Journalist bei Radio France Internationale, und fordert internationale Ermittlungen, um die für diesen Mord Verantwortlichen vor Gericht zu bringen; 5. verurteilt den Begriff der „Ivorität“, der darauf abzielt, einen Teil der Bevölkerung von jeglicher demokratischer Beteiligung am politischen Leben des Landes auszuschließen; 6. vertritt die Auffassung, dass die Politik der EU zur Konfliktverhütung bei den strukturellen Ursachen der Konflikte ansetzen muss, die unter anderem in der Armut, in der ungleichen Verteilung des Reichtums, in der sozialen Ungerechtigkeit, in den Verletzungen der Menschenrechte, in der Unterdrückung von Minderheiten, in der religiösen Diskriminierung und in der staatlichen Misswirtschaft zu suchen sind, um einen dauerhaften Frieden zu gewährleisten; RE\515164DE.doc 3/4 PE 338.641 DE 7. vertritt die Auffassung, dass die Europäische Union eine wichtige Rolle spielen kann, indem sie eine kohärente Politik verfolgt, die darauf abzielt, den Aufbau eines echten politischen Pluralismus in Afrika zu fördern, der über freie und transparente Wahlen hinausgeht; 8. vertritt die Auffassung, dass die EU eine kohärente Handels- und Entwicklungspolitik verfolgen muss, um den afrikanischen Volkswirtschaften zu helfen, sich gegen destabilisierende Konkurrenz zu schützen; 9. fordert die ivorische Regierung auf, auf eine ausgewogene Vertretung der Gesamtheit der politischen Kräfte hinzuwirken, um zu einer friedlichen und demokratischen Lösung der derzeitigen Krise zu gelangen; 10. bestärkt die ECOWAS in ihren Bemühungen um eine Lösung dieses Konflikts auf friedlichem Wege und fordert sie daher auf, die strukturellen Ursachen dieses Konflikts in ihre Suche nach dauerhaften Lösungen einzubeziehen; 11. fordert die Kommission auf, das Fischereiabkommen mit Côte d’Ivoire genauso auszusetzen wie die Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des Abkommens von Cotonou; 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Afrikanischen Union, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der ECOWAS zu übermitteln. 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