Weltkunst - Einführung in die bildende Kunst Vorlesung WS 2004/05 P.B.Steiner Mo 13-15 HS 16 Den Hörerinnen und Hörern wird der Besuch folgender Museen im Laufe des WS dringend nahegelegt: Diözesanmuseum Freising, Domberg 21 (Kunst von der Romanik bis zur Gegenwart) Geöffnet täglich außer Montag 10-17 Uhr, für Hörer(innen) Eintritt frei, Die Öffnungszeiten der Münchner Museen sind ähnlich, z.T.länger, Eintritt werktags mit Studentenausweis ermäßigt, sonntags frei: Glyptothek am Königsplatz ( Griechisch-römische Skulptur, gegenüber in Antikensammlung griechische Malerei) München, Barer Straße: Alte Pinakothek (Europäische Malerei 1400-1800) Neue Pinakothek (Europäische Malerei 19. Jahrhundert) Pinakothek der Moderne ( Kunst des 20. Jahrhunderts) München, Maximilianstraße: Staatliches Museum für Völkerkunde (Kunst aus Afrika, Asien, Altamerika) Außerdem kann der Besuch in der Städtischen Galerie im Lenbach-Haus (Luisenstraße) und in der Archäologischen Staatssammlung empfohlen werden. Schriftliche Prüfung aus Vorlesungsskriptum und den o.g. Museen am 28.2.2004 Skriptum unter www.dombergmuseum-freising.de (Vorlesung TUM) Gliederung 1. Was ist Kunst? Kunst, Religion und Wissenschaft. Bildwissenschaft. Wann beginnt Kunst? Kunst der Frühzeit; Kunst Afrikas 2 Malerei und Zeichnung, seit 20 000 Jahren, von der Höhle in die Galerie; Gefäßmalerei, Wandmalerei, Tafelbild, Altarbild, Deckenbild; Techniken, Auftrag, Markt 3. Plastik und Skulptur: modellieren, schnitzen, gießen: Ägypten, Griechenland, Rom, Romanik, Gotik, 4. Bauen und Baukunst 5. Amerika vor Columbus. 6. Alter Orient, Land, Geschichte, Architektur, Skulptur, Malerei 7. Ägypten, dito 8. Griechenland, dito 9. Indien, China, Korea, Japan 10. Rom und Byzanz 11. Islamische Kunst 12. Mittelalter in Europa, Romanik, Gotik, Architektur, Skulptur, Malerei 13. Renaissance, die Erfindung der Perspektive und ihre Wirkungen in Architektur, Gartenbau, Malerei und Skulptur 14. Barock, Kunst im Dienst der Fürsten und der Kirchen 15. 19. Jahrhundert, von Napoleon bis Bismarck: Architektur, Museen, Kirchen, Glaspalast, Bahnhof, Wolkenkratzer; Skulptur, Schadow, Canova, Denkmal, Rodin; Malerei, David, Gericault, Friedrich, Delacroix, Courbet, Menzel, Manet, Cezanne Van Gogh, 16. 20. Jahrhundert, Picasso, Der Blaue Reiter, Beckmann, Moore, Pollock, Geiger, Beuys, Nauman, Jeff Wall, 1 1.Was Kunst ist, weiß ich nicht. Aber das macht nichts, denn Sie, die Sie Naturwissenschaften studieren, wissen auch nicht was Natur ist, oder Wissenschaft oder Religion. Schon so ungefähr, aber für eine Definition würde ein Semester nicht ausreichen. Kunst hat etwas mit künstlich zu tun, ist etwas, das Menschen gemacht haben, im Gegensatz zu den Dingen, die auf natürliche Weise gewachsen sind. Aber gerade hier in Weihenstephan arbeiten viele Wissenschaftler daran, die Grenzen zwischen dem natürlichen Wachstum und dem vom Menschen geschaffenen zu verschieben, z. B in der Gentechnologie. Aber sie waren auch früher schon nicht einfach zu ziehen; ist Brot, Bier oder Butter ein Naturprodukt ? Ist eine aus einem Lindenstamm geschnitzte oder aus einem Marmorblock gehauene Figur ein Kunstwerk oder doch nur ein vom Menschen geformtes Naturprodukt, nämlich Holz oder Marmor? Aber nicht nur diese an einer technischen Universität naheliegenden Fragen verwirren den, der über Kunst nachdenkt. Meine eigene Profession, die des Kunsthistorikers, ist dabei sich in Frage zu stellen, weil sie merkt, daß die meisten Beispiele, die in einer deutschen oder Welt-Kunstgeschichte abgebildet sind oder behandelt werden, eben nicht als Kunstwerke entstanden sind, sondern z.B. als Religionswerke, Statussymbole oder Gebrauchsgegenstände. Der seit dem 15. Jahrhundert, seit der sogenannten Renaissance, in Westeuropa etablierte Kunstbegriff stimmt für alle älteren aber auch viele jüngere Werke nicht. Die akademische Disziplin Kunstgeschichte wandelt sich derzeit vor allem in zwei Richtungen, in die einer Kommunikationswissenschaft; demzufolge sind die Dinge, die bisher Kunstwerke genannt wurden nichts anderes als komplexe visuelle Medien, und in die einer Bildanthropologie, demzufolge sind „Kunstwerke“ visuelle Definitionen des Menschen von sich, seiner Umwelt, seinen Ängsten, Hoffnungen und Träumen. Diese zweite Grundannahme liegt meiner Vorlesung zu grunde. Ich zeige Ihnen in Diapositiven Artefakte, in denen sich der Mensch selbst definiert. (Dia Afrikanisches Idol, Dia Pirellikalender). Es ist ganz offensichtlich, daß es sich um Frauenbilder handelt, also Menschen weiblichen Geschlechts, aber das was unter einer Frau verstanden wird, hat sich offenbar gewandelt. Bevor wir zum Frauenbild im Kopf und Herzen der jeweiligen Bildhersteller kommen, müssen wir die Bilder nach ihrem Maßstab, ihrer Materialität und Technik, ihrem Gebrauchszusammenhang befragen.: Holzskulptur SWDruck nach Photo von Richard Avedon Einzelstück Auflagenwerk Aus innerer Anschauung Photographierte Pose Modell Julia Ortiz Fruchtbarkeit, Kult Religion Lust, Unterhaltung, Werbung Der afrikanische Bildhauer beschwört im Bild den Kotakt mit der Welt der Geister, die Fähigkeit der Frau Lebenspartner zu sein, Leben zu spenden, das Überleben des Stammes, der Familie zu sichern. Photograph und Redakteur wollen verkaufen, Gewinn erzielen, der Käufer will sich amüsieren. Auch für das Männerbild zeige ich zwei Beispiele(Dia David von Michelangelo Buonarotti, 1501-04 Marmorskulptur , 5,15 m Aufgestellt vor Palazzo Vecchio (Altes Rathaus)Florenz 2 Erinnerung an eine Geschichte: die Vernichtung des gerüsteten Angreifers Goliath durch den nur mit einer Schleuder bewaffneten Jüngling David, (1 Sam 17, das bedeutet 1. Buch Samuel Kapitel 17 der christlichen Bibel; diese Abkürzungen werden im folgenden nicht mehr aufgelöst, sie gehören zur europäischen Allgemeinbildung) / Kraft, Selbstbewußtsein des Helden und des Künstlers / Gnade Gottes für den historischen Helden und aktuell für den Auftraggeber, die Republik Florenz Ingo Taubhorn 1984, SW Photo 18x24 cm, Strichjunge in seinem Schlafzimmer Während man die Marmorskulptur mit den Begriffen Geschichte, Öffentlichkeit, Selbstbewußtsein, Anspannung und Kraft verbinden muß, so die Photographie, in der ebenfalls ein kräftiger Körper dargestellt ist, doch in erster Linie mit Intimität, Lässigkeit (angelehnt) und sexueller Lust. Das zerwühlte Bett macht den Unterschied zum raumlos präsentierten Akt im Pirellikalender. Jedes Kunstwerk ist ein gesellschaftliches Produkt, entsteht aus dem Konsens von Künstler, Auftraggeber und Publikum. Kunstwissenschaft als Bildanthropologie hat aber nicht nur mit Bildern von Männern und Frauen, also Menschenbildern im engeren Sinn zu tun, sondern ebenso mit Landschaftsbildern oder Stilleben, Gattungen der Malerei, in denen kein Mensch als Gegenstand vorkommt. Aber schon die Tatsache, daß es in ein einigen Kulturen z. B. in der Malerei der nördlichen, protestantischen Niederlande oder in der zeitgleichen chinesischen Malerei diese Gattungen gibt, nicht aber im Mittelalter oder in der Ägyptischen Kunst, erlaubt uns Aussagen über die Menschen dieser Kulturen. Kunst ist nach den bisher gefundenen, datierbaren Artefakten sehr alt, 30 000 Jahre ca. Damit ist sie wesentlich älter als Wissenschaft, für die wir üblicherweise Schrift voraussetzen, Schrift als eine Voraussetzung von Wissenschaft gibt es im Vorderen Orient seit rund 5000 Jahren, nach Germanien haben sie vor 2000 Jahren die Römer gebracht und nach Schwarz-Afrika und Australien die europäischen Kolonisatoren vor 200 Jahren. Nur Menschen, die schreiben, können ihre Geschichte schreiben. Darum nennen wir die Zeit vor der Anwendung von Schrift Vorgeschichte oder Prähistorie. Der Eintritt in die Schriftlichkeit und damit in Geschichte und Wissenschaft erfolgt je nach Weltregion zwischen 3000 vor und 1800 nach Christus. Wesentlich älter als Wissenschaft und Kunst ist Religion. Wir datieren sie von den ersten Grablegen. Das heißt von den frühesten Zeugnissen, daß der Leib eines verstorbenen Menschen künstlich bearbeitet wurde z.B. durch eine Grablege, eine Färbung der Gebeine, eine Brandbestattung. Diese ältesten Zeugnisse sind 100 000 Jahre alt. Der Mensch ist unseres Wissens das einzige Lebewesen, das weiß, daß es sterben muß und zwar nicht erst im Moment seines Todes, sondern schon sein ganzes Leben lang, seit er denken kann. Aus dem Nachdenken über den Tod entsteht Religion. Sie frägt nach dem Woher und Wohin, nachdem Sinn unseres Lebens. Wenn wir Kunstwerke im Sinn einer Anthropologie des Bildes verstehen, als visuelle Definition von Menschen, dann gehört die Frage nach dem Sinn seiner Existenz auch in den Bereich der Kunst. Kunst und Religion gehören von ihren Ursprüngen her eng zusammen, aber ebenso Kunst und Wissenschaft, nicht nur weil zum Beispiel für ein Werk der Baukunst(Dia Kolosseum) oder der Bronzeplastik(Dia Poseidon von Sounion) eine avancierte Technologie notwendig ist. 3 Das Wort Kunsttechnologie führt zu einer kurzen Rundschau nach dem Namen und der Bedeutung von Kunst. Das deutsche Wort hängt von der Sprachwurzel her mit Kunde zusammen, Kunde von etwas haben und geben, kundig sein etwas zu machen; wer kundig ist, Auto zu fahren, der kann Auto fahren. Im Griechischen heißt, das was wir Kunst nennen techne, ein Wort, das wir heute z.B. als Technik eines Klavierspielers nur noch für eine Voraussetzung von Kunst aber nicht mehr für diese selbst halten. Seit der industriell-technischen Revolution, seit es Technische Hochschulen und Universitäten gibt, hat sich der technische Bereich enorm vergrößert und weit von der Kunst entfernt. Das Wort techne erinnert aber denjenigen, der die griechischen Ursprünge der westlichen Kultur nicht vergessen hat, immer noch an ihre gemeinsamen Ursprünge in Kenntnis und Geschick des Menschen. Im Lateinischen und vielen von ihm abgeleiteten Sprachen heißt Kunst, Ars, arte, art oder art und bezeichnet die ausgebildete, kultivierte Fähigkeit etwas zu tun. In diesem Sinn gab der römische Dichter Ovid zum Ärger des Augustus gereimte Hinweise zur sexuellen Vereinigung als ars amatoria, Liebeskunst heraus. Und auch wenn wir von Kochkunst sprechen, meinen wir das, was lateinisch ars heißt, nämlich Ausbildung, Erfahrung und Erfolg versprechende Geschicklichkeit in der Zubereitung von Speisen. Das deutsche Wort Kunst erhielt im 18. Jahrhundert einen darüber hinaus weisenden Sinn. Es bezeichnet bei dem Philosophen Immanuel Kant in seiner Kritik der Urteilskraft von 1790 etwas, das von der Natur unterschieden wird, weil es ein Werk meint, das durch Freiheit und Vernunft entsteht, im Gegensatz zur Bienenwabe, die ein Produkt des Instinkts der Biene sei. Ferner unterscheidet sich Kunst von Wissenschaft als praktisches Vermögen und vom Handwerk durch die Elemente von Geist und Freiheit. Für Georg Friedrich Wilhelm Hegel ist Kunst wie Religion und Philosophie eine Art und Weise das Göttliche, die tiefsten Interessen des Menschen, die umfassendsten Wahrheiten des Geistes zum Bewußtsein zu bringen und auszusprechen. Diese Form des Nachdenkens über Kunst wird Kunstphilosophie oder Ästhetik genannt. Ästhetik vom griechischen Wort aisthanomai wahrnehmen hieß ursprünglich Wahrnehmungslehre hat sich aber im 18. Jahrhundert auf die Wahrnehmung des Schönen in der Kunst verengt. Nicht damit zu verwechseln ist der Gebrauch des Wortes als Umschreibung für das alte abgegriffene Wort schön. Eine ästhetische Erscheinung ist keine kunstphilosophische sondern eine schöne. Davon ist wiederum abgeleitet die Ästhetik eines Porsche, das heißt der Gebrauch des Wortes in der Sprache von Mode und Design. Diese Kunst des deutschen Kunstbegriffs in der Philosophie des Idealismus wird eingeteilt in die Künste der Sprache, die redenden , nämlich Dichtung und Rhetorik, die Musik, das Theater, von Kant die Empfindung weckenden genannt und die bildenden Künste, nämlich Malerei, Skulptur und Baukunst. Von ihnen ist in dieser Vorlesung allein die Rede. Alle Künste wenden sich über unsere Sinne an unseren Verstand und unser Gefühl, die bildende Kunst in erster Linie über die Augen, kann dabei aber auch andere Sinneseindrücke erwecken (Kalte Farben). Im Erleben von Kunst wird unsere Wahrnehmungsfähigkeit gesteigert und unser Gefühlsleben kultiviert. Diese kultivierte Emotionalität steigert unseren Lebensgenuß und unsere soziale Kompetenz. Wann und wo beginnt bildende Kunst? 4 Ich habe vorhin das Datum „vor 30 000 Jahren“ genannt. Aber wenn wir auf die Frage wo ?, antworten wollen, so muß von den Chancen, den Glücksfällen der Überlieferung die Rede sein. Diese Chancen sind in den Tropen, wegen der durch Feuchtigkeit und Wärme bedingten Zersetzung organischer Materialien geringer als im trockenen Wüstenklima oder im Inneren tiefer Erdhöhlen mit geringem Luftaustausch. Wüsten und Felshöhlen waren aber mit Sicherheit nicht die ersten Wohnstätten von Menschen. Die menschliche Rasse scheint sich, nach dem was uns die Paläontologen sagen, in Afrika gebildet zu haben. Aber die frühesten erhaltenen Bildwerke sind bisher in Europa und Asien gefunden worden. (Dia Gravur auf Mammutelfenbein, Rentier, schreitend, äsend, gefunden in Thayngen, Bodensee; Höhlenmalerei, Lascaux, auf versintertem Fels, nicht im Wohnbereich, Funktion religiös, magisch, „Jagdzauber“) Sie stammen aus einer Zeit, die wir anthropologisch Altsteinzeit, geologisch Zwischeneiszeit nennen, die erste Bezeichnung geht von den hauptsächlich erhaltenen Geräten der Menschen, ihren Messern und Äxten aus Stein aus, die zweite von den klimatischen Bedingungen. Die Steinzeit ist vielleicht für einige Stämme in unzugänglichen Tälern Borneos heute noch nicht zu Ende. In Deutschland endete sie mit dem Bekanntwerden des Werkstoffs Bronze vor mehr als 4000 Jahren, etwa um 2300 vor Christus. Daß wir Zeitalter nach Werkstoffen benennen als Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit geht auf den Materialismus des 19. Jahrhunderts zurück. Heute würden wir andere Bezeichnungen wählen z.B. nach dem hauptsächlichen Nahrungserwerb und dann unterscheiden in das Zeitalter derer, die Nüsse, Früchte und Wurzeln sammeln und Tiere jagen, danach die Zeit derer, die Tiere züchten, die Hirtenkulturen, dann derer die Pflanzen anbauen, die Bauern, (wir nennen diese Epoche die Jungsteinzeit oder Neolithikum) schließlich das Zeitalter von Städtebau, Staatenbildung und Arbeitsteilung. Diese Fertigkeiten entwickelten sich auf unserer Erde zu unterschiedlichen Zeiten. Kultureller Vorreiter war die heutige Krisenregion des Vorderen Orients zwischen Irak und Ägypten, wo Tierzucht, Pflanzenbau, Städtebau und Staatswesen jeweils am frühesten nachgewiesen sind, vor 14000 Jahren, 9000 Jahren, 6000 Jahren. Von dort aus verbreiteten sie sich in Europa, Asien und Afrika. Die neue Welt, Amerika, wurde von steinzeitlichen Jägern besiedelt und hat Tierzucht, Pflanzenbau und Städtebau ohne Kontakt mit der Alten Welt aber mit erstaunlichen Parallelen und Unterschieden entfaltet. Der Pflanzenbau basiert dort auf Mais, Kartoffeln, Tomaten und Tabak, die erst nach 1500 auf der ganzen Welt verbreitet wurden. In Australien verharrten die Menschen bis zur Besiedlung durch Europäer im 18. Jahrhundert im Status von Jägern und Sammlern. (Dia Venus von Willendorf, Kalkstein 11 cm in Publikationen als altsteinzeitliches Schönheitsideal bezeichnet, es existierte in diesen Zeiten, deren Sprache wir nicht kennen, wohl kaum Begriffe für Schönheit oder Ideal, die Statuette ist kein Abbild einer Wirklichkeit, also nicht realistisch, Frauen ohne Füße und Gesicht mit derart verkümmerten Armen und Händen entsprechen keiner Wirklichkeit aber auch keinem Ideal; auffällig ist die Haartracht, ist hier krauses Haar wiedergegeben oder eine Rastafrisur mit Zöpfen und Knoten ? Die Genitalöffnung weist auf die Fähigkeit zu empfangen und zu gebären, die Brüste und die Fettpolster rund um die Hüften auf die Fähigkeit zu nähren. Zwei Dinge, die neben dem schönen Haar wohl an Frauen damals für besonders wichtig gehalten wurden und deshalb vergrößert dargestellt sind, zu Lasten anderer Körperteile. Bei Bildern, deren Maßstab nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern wichtige Dinge groß und weniger wichtige klein dargestellt sind, sprechen wir von Bedeutungsmaßstab. Ein Begriff, der uns durch die ganze Vorlesung begleiten wird. Der Bedeutungsmaßstab entspricht im Gegensatz zum 5 geometrischen Maßstab unserer Wahrnehmung und unserem Gedächtnis. Wenn Sie heute abend ihrem Freund von diesem Tag erzählen, werden Sie nicht die tatsächlichen Zeitabläufe in der Redezeit nachbilden, sondern das für Sie oder für Ihren Zuhörer wichtige ausführlich berichten, das meiste aber vernachlässigen. Wenn Sie photographieren, holen Sie das für Sie wichtige in den Vordergrund und bilden es deshalb größer ab, als es der Wirklichkeit entspricht. Wenn Sie am Fernseher Übertragungen von Fußballspielen, Parteitagen oder Aktionärsversammlungen verfolgen, sehen Sie die beteiligten Personen nicht in ihrer mehr oder weniger gleichen natürlichen Größe, sondern werden durch eine kunstvolle Bildregie zur Anerkennung der Größe des großen Vorsitzenden oder Torschützen geführt. Bedeutungsmaßstab ist etwas kulturgeschichtlich sehr frühes, aber trotzdem nicht überholtes. Über die Funktion unserer kleinen Figur wissen wir nichts. Schon die Bezeichnung Venus ist ebenso falsch wie die als Statuette, kleines Standbild. Denn das Bild kann nicht stehen, man kann es nur in die Hand nehmen und hinlegen. Was die Urheber und Erstbenutzer gedacht, gesprochen oder getan haben, wenn sie das kleine Bild in die Hand nahmen, wissen wir nicht. Es hatte wohl etwas mit Sexualität und Fruchtbarkeit und Fortleben zu tun, so ähnlich wie die Bilder von Büffeln und Hirschen etwas mit Jagd, Fleisch essen und damit auch Fortleben zu tun hatten. (Dia Valtorta und Cogul) UI 21,23 Die Jungsteinzeit unterscheiden wir durch die Agrarrevolution, den Übergang von der Jagd zur Tierhaltung und vom Sammeln zum Pflanzenbau. Die Epoche davor nennen wir Mittelsteinzeit (Mesolithikum) und meinen daß sie sich von den Epochen die ihr vorausgehen und nachfolgen unterscheidet, ohne daß wir diese Unterschiede genau angeben können. In neueren Werken wird die Mittelsteinzeit nicht mehr als eigene Epoche bezeichnet, sondern nur noch von Alt- und Jungsteinzeit gesprochen. In der Felsmalerei der Mittelsteinzeit werden Figuren von Menschen und Tieren zu Szenen zusammengefügt. Auf dieser Umzeichnung von männlichen Figuren aus der nordspanischen Valtortaschlucht sehen wir einen nackten Bogenschützen, d.h. einen Menschen und seine Waffen. Im Bild daneben den Tod eines Bogenschützen. Die Gestalt hat Pfeile im Rücken und stürzt zu Boden. Ist das die erste Darstellung von Krieg? Der getroffene Bogenschütze hat, genau so wie die Gestalt links unten, Federn auf dem Kopf. Die früheste Darstellung von Kleidung. Und typischerweise keine Kleidung, die vor Kälte schützt, sondern die Eindruck machen will. So wie wenn heute jemand Chiemsee oder Reebock auf dem Hemd stehen hat oder Krawatten trägt. Kleidung soll offenbar in erster Linie beeindrucken und hat erst in zweiter Linie auch praktische Funktionen und sie wurde offenbar auch erst viel später erfunden als Geräte und Waffen. Pfeil und Bogen sind in ihrer Materialkombination aus verschiedenen Hölzern, steinernen Pfeilspitzen, Federn und Bogensehnen aus Därmen bereits ein komplexes Jagd- und Kriegsgerät. Im Bild rechts unten erscheint die Hose, offenbar ein kompliziertes Kleidungsstück, das Ober- und Unterschenkel markiert, schmückt und im Volumen aufbläht. Der Frauenrock taucht zum erstenmal in einer Felsmalerei in Cogul bei Lerida in Katalonien auf. Acht Frauen mit sind mit Waden- und Knöchellangen Röcken bekleidet. Am Oberkörper baumeln lange Brüste in der Bewegung des Tanzes. Die acht Frauen tanzen um ein kleines nacktes Männchen, das seinen bedeutungshalber übergroß dargestellten Penis gerade erigiert. Der Maßstabsprung zwischen den Gestalten der Frauen und dem Mann wird als Altersunterschied erklärt. Erwachsene Frauen führen einen Jugendlichen in die Vorgänge der Sexualität ein. In Vorgeschichte und Völkerkunde nennt man diesen Vorgang nicht Sexualkunde sondern Initiation. Der Eintritt der Geschlechtsreife bei Männern und Frauen wird in den meisten menschlichen Gesellschaften öffentlich mit 6 zum Teil sehr zeitaufwendigen Riten gefeiert. Nur bei uns ist das ein peinliches intimes Ereignis mitten in der Schulzeit. Daß mehrere Frauen einen Mann einweihen, wenn wir das Bild überhaupt richtig deuten, sagt über die ab jetzt mögliche sexuelle Partnerschaft nichts aus. Wahrscheinlich lebten diese Jäger und Sammler schon in eheähnlichen lebenslangen heterosexuellen Zweierbeziehungen, die der Mensch mit einer Reihe von Tieren gemeinsam hat, mit Enten und Tauben z.B. aber nicht mit Hühnern, Hirschen oder Schimpansen. Dafür spricht eine statistische Wahrscheinlichkeit, denn die lebenslange heterosexuelle Zweierbeziehung, die man bis vor kurzem als einziges Ehe nannte, ist in 90 % aller bekannten menschlichen Gesellschaften die Norm. Daß der Frauenrock in einem Bild sexueller Initiation zum erstenmal erscheint, läßt vermuten, daß er zur Differenzierung der Geschlechter, zur Erhöhung der Attraktivität des weiblichen Geschlechts für das männliche, erfunden wurde. Er hat sich zu diesem Zweck bis in die Gegenwart gehalten. Hier müssen wir die Frage nach der Dauer der Bilder anschließen. Wie lange dauert eine Erektion, ein Tanz, wie lange dauert ein Pfeilschuß oder wie lange dauert es bis ein von Pfeilen getroffener zusammenbricht? Sekunden, Minuten oder Bruchteile von Sekunden. Diese Bilder dauern seit 10- 15 000 Jahren. Momente wurden im Bild zur Ewigkeit. Dies ist die unheimliche Kraft der Bilder, dem Augenblick Dauer zu verleihen, den Tod aller Handelnden, der Pfeilschützen, der Tänzerinnen zu überdauern. Dank Photographie, Druck und Projektion sind diese Bilder aus spanischen Gebirgsschluchten jetzt hier gegenwärtig; wir sehen wie der Bogen gespannt wird, von dem und dessen Träger nichts mehr da ist, nur das Bild. Bilder überwinden die Zeit und mit ihr den Tod. Sprache, Musik und Tanz entfalten sich in der Zeit. Um diesen Satz zu sagen, brauche ich drei Sekunden. Das Bild braucht zu seiner Herstellung Zeit, aber von dann an ist es bis zu seiner Zerstörung der Zeit enthoben. Seit 10 000 Jahren an der Felswand, seit fünf Minuten auf dieser Leinwand. Die präsentische Kraft des Bildes bewahrt den Pfeilschuß und den Tanz, macht sie für uns gegenwärtig. Vergegenwärtigung, das ist ein anderer jener Begriffe, ohne die wir nicht von Kunst sprechen können. Sie machte vermutlich für die ersten Maler und Betrachter die Magie der Bilder aus. Magie im wörtlichen Sinn, Beschwörung von Abwesendem, Vergangenem und Zukünftigen. Die Fruchtbarkeit der Frau, die Kraft des Pfeiles, die sexuelle Initiation, Leid, Lust und Tod. Der Maler Paul Klee behauptete in seiner „Schöpferischen Konfession“ 1920: „Der Künstler spielt mit den letzten Dingen ein unwissend Spiel und erreicht sie doch.“ Der Künstler weiß auch nicht, was der Tod ist und die Hoffnung, aber er kann sie ohne Wissen durch seine Gestaltungsmacht erreichen, berühren, uns nahe bringen. Afrika Über die Funktion der steinzeitlichen Kunst wissen wir wenig, weil die Sprache dieser Menschen mangels Schrift verloren ging. Aber Prähistoriker nehmen Anleihen bei Ethnologen. Sie suchen sich menschliche Gesellschaften, die fernab unserer Zivilisation den Gebrauch von Eisen noch nicht kennen, oder noch als Jäger und Sammler leben. Und so ähnlich wie bei diesen Völkern heute noch wird es wohl auch in unserer Vorvergangenheit gewesen sein. Diese Schlüsse sind gefährlich, vor allem wenn sie nicht als wissenschaftliche Vermutungen sondern als Gewißheiten vorgetragen werden. 7 Mehr möchte ich als Überleitung von der steinzeitlichen Kunst zur Afrikanischen nicht sagen. Unter Afrika verstehen wir im folgenden, den Erdteil südlich der Sahara, also ohne Ägypten und das mittelmeerische Nordafrika, die vor 5000 Jahren für das Nilland, bzw. vor 2 ½ tausend Jahren für Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko ins Licht schriftlich überlieferter Geschichte eingetreten sind. Ihre Kunst wird als ägyptische, bzw. als islamische später zu würdigen sein. Der Kontinent südlich der Sahara wird subsaharisch oder Schwarzafrika genannt, seine Bewohner in unserer Sprache zuerst Äthiopier, später Mauren, Mohren, dann Neger heute Afrikaner. Die Versuche vorallem französischsprachiger afrikanischer Schriftsteller und Politiker wie Leopold Sedar Senghor der Negritude selbstbewußte Würde zur verleihen sind im wesentlichen gescheitert. Damit ist das Wort Neger zu einer despektierlichen Bezeichnung geworden, das wir heute durch Afrikaner und zwar genau genommen Schwarzafrikaner ersetzen sollten. Schwarzafrika blieb bis zum Einbruch schriftkundiger Kolonisatoren aus Arabien und Europa im Dunkel der Vorgeschichte. Diese Kolonisatoren haben reiche, hoch differenzierte aber schriftlose und waffentechnisch unterlegene Kulturen zerstört. Darum wissen wir heute über die Kunst Schwarzafrikas nicht mehr als über prähistorische Kunst. Das Nichtwissen ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit. Denn in Afrika sind wie in Europa auf Felswände gemalte Bilder erhalten, die einander sehr ähnlich sehen, aber kaum zu datieren sind. Aus Afrika sind Bildwerke in organischen Stoffen wie Holz und Textil erhalten, ferner Gebäude und Geräte und Bildwerke in Metall. Alle diese Objekte laden zu Vergleichen und Mutmaßungen über untergegangene Werke der europäischen Vorgeschichte ein. Die Mehrzahl, der Abbildungen, die ich Ihnen zeige stammen aus dem Münchner Völkerkundemuseum in der Maximilianstraße, zu dessen Besuch ich Sie sehr ermuntern möchte, damit sie die Werke selbst und nicht nur ihre Abbildungen sehen. Die Geschichte der Münchner Sammlung ist beispielhaft für die europäische Haltung gegenüber dem südlichen Kontinent: Wittelsbacher Besitz. Sammlung Frobenius um 1900, europäischer und amerikanischer Kunsthandel, Erwerbungen bei Expeditionen. 2. MALEREI Wir wollen uns heute der Malerei zu wenden, in ihre Techniken und Anwendungsbereiche einführen. Zur Malerei gehört die Zeichnung. Sie kann als Vorzeichnung der Malerei zugrunde liegen, von ihr überdeckt werden. Aber sie kann auch selbständig bleiben. Die frühesten Zeichnungen mit dem Finger in den Sand oder die Asche oder mit Blut auf den Leib des besiegten Feindes sind nicht erhalten. Um Zeichnungen Dauer zu verleihen brauchen wir Zeichenmittel, einen spitzen Stein, ein Stück Kohle oder einen Bleistift und einen Zeichengrund eine geeignete Fläche, einen größeren Knochen, eine Felswand oder ein Blatt Papier. (Dia Dürer, Michelangelo) MB war Bildhauer. Diese haben eine andere Sichtweise und Zeichnungsweise als Maler. Sie interessieren sich weniger für farbliche und flächige Zusammenhänge, als für plastische Werte, die Rundung, die Kanten, das Vor und Zurück im Raum. Die anatomische Zeichnung von Leonardo da Vinci weist auf den typisch westlichen, neuzeitlichen Zusammenhang von Naturwissenschaft und Kunst, hier Medizin, Anatomie und Malerei, der menschliche Körper betrachtet als Agreggat seiner Teile. Zeichnung kann so wohl Vorstudie wie Erinnerung, Geschenk und Sammelobjekt sein. 8 Es ist ungerecht gegenüber den graphischen Künsten, wenn ich es bei diesen Beispielen für heute bewenden lasse. Aber das weltweite Reich der Malerei ist so ausgedehnt, daß wir es in der verbleibenden Zeit kaum durcheilen können. Zunächst zum Wort und zum Malmittel. Die deutsche Berufsbezeichnung Maler kommt von einem besonders kostspieligen und zeitaufwendigen Teil der Malmittelbereitung, dem Verkleinern, Zerreiben, Malen von Erdbrocken, Steinen, Metallen, Kohlen und Rinden zu einem mehlfeinen Pulver. Dieses Farbpulver heißt Pigment. Es muß mit einem Klebstoff auf der Malfläche befestigt werden, auf ihr angebunden werden. Wir nennen diesen Klebstoff Bindemittel. Heute kaufen wir fertige Farben, bei denen das Pigment im Bindemittel bereits gelöst ist. Bis zur Entstehung der Farbindustrie in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Pigment und Bindemittel getrennt hergestellt und aufbewahrt und erst im Malvorgang zusammengebracht. Als Bindemittel eignen sich Blut, Eiweiß, Harze, Wachse, Öle, Leime, Erdölderivate und Kalk. Die Malerei mit frischem Kalk wird Fresko genannt, die Malerei mit Eiweiß Tempera, sonst sprechen wir je nach Bindemittel von Wachsmalerei, Ölmalerei usw. Für das Aufbringen von Farbe und Bindemittel eignen sich die Finger und zusammengebundene Borsten, der Pinsel, ein steinzeitliches Malmittel, das heute noch hergestellt und benützt wird. Im 20.Jahrhundert entstand als neues Malgerät die Sprühpistole. Zum Bemalen eignen sich Flächen, die nackte Haut, die Felswand, die Mauer, der Boden, die Decke, das Holzbrett oder eine zur Fläche aufgespannte Leinwand. Wenn der Bildträger tragbar ist, sprechen wir von Tafelmalerei, sonst von Wandmalerei, Deckenmalerei, Körperbemalung. Auch Möbel und Gefäße wurden als Bildträger verwendet. Die Bildträger eignen sich auf unterschiedliche Weise für die Bindemittel, so kommt die Freskotechnik mit Kalk in erster Linie auf Wänden und Decken vor, während auf Holz Wachs, Öl und Harz zur Anwendung kamen. Die ältesten erhaltenen Malereien sind die Deckenbilder und Wandbilder in den Höhlen der Steinzeit seit dem 20. Jahrhundert vor Christus. Malerei wird also auch nach ihrem Anbringungsort unterschieden, als Wand-, Decken-, Gefäß-, Buch-, Möbel- oder Tafelmalerei. Nach ihrer Technik als Kalk-, Öl-, Harz- oder Wachsmalerei, bzw. als Aquarell oder Tempera(Eiweiß) oder nach ihrer Funktion, Altarbild, Votivbild, Illustration, oder nach ihren Inhalten Historienbild, Portrait, Stilleben, Genre, Landschaft. Nicht alle Arten gibt es auf der ganzen Welt, aber die genannten in Europa seit der Antike. Die Alexanderschlacht von Albrecht Altdorfer ist nach ihrem Träger ein Tafelbild, nach ihrem Bestimmungsort ein Galeriebild, nach ihrem Inhalt ein Historienbild, ihre Technik wird als Mischtechnik (Öl und Harz als Bindemittel) angegeben. Elemente der Malerei sind Hell/Dunkel; Linie/Fläche; geschlossene Form/ offene Form; oben/unten; rechts/links; geometrisch/organisch; spitz/rund Kühles Blau der fernen Inseln und Berge, der Sehnsucht Aufdringliches Gelb der Nähe, der Zitrone, der Aufmerksamkeit Dazwischen das sanfte Grün der Gräser, Blätter, Tannen und Kakteen Das kräftige Rot des Feuers, der Wärme, der Liebe Das pelzwarme Braun etc. Alle Farben sind mit klimatisch und kulturell bedingten Erinnerungen an Gegenstände und Lebewesen und dadurch mit Gefühlen verbunden. Lit: Heinrich Wölfflin, Kunstgeschichtliche Grundbegriffe, 1916; Wassily Kandinski, Das Geistige in der Kunst, 1912; Paul Klee, Bauhausschriften u.a. Die Beschäftigung mit Malerei steigert unsere Farbensinn, unsere optische Wahrnehmung und damit die Lebensintensität. 9 Albrecht Dürer, Selbstbildnis mit 20 Jahren Federzg. auf Papier,1491, 204x208mm,Erlangen Leonardo da Vinci, Studien, 1510 Windsor Castle, Attische Strickhenkel-Amphora, Suessula-Maler, um 390 v. Chr., Paris, Louvre Wisent, Felsmalerei, Höhle Altamira bei Santillana, um 13000 v. Chr. Casa dei Vettii, Ixionszimmer, Pompeji, 70/79 n. Chr. Gott und Musikantin, Fresco-Höhle in Oizil, Ost-Turkistan, 600-650, heute Berlin Mutter des Jakobus und Johannes, Sant’Angelo in Formis, Capua, 10721087, Fresko Annibale Carracci, Galleria Farnese im Palazzo Farnese, Rom, 1597-1604, Deckenfresko Prager Meister, Sechstagewerk, sog. Korczek-Bibel, um 1405 Wien, Buchmalerei Miniatur aus Madhya oder Uttar Pradés, Laur und Canda, um 1550/75, Manclort Albrecht Altdorfer, Alexanderschlacht, 1529, München, Alte Pinakothek, Historienbild auf Holz Cimabue, Thronende Madonna, um 1280 Florenz, S. Trinita, Altarbild, Holz Frans Hals, Mann mit Schlapphut, um 1660/66, Kassel, Staatl. Kunstsammlungen Nicolas Poussin, Selbstbildnis, 1650 Paris, Louvre Su Han-ch’ên, Dame am Frisiertisch, 1. Hälfte 12. Jh. Boston, Museum of Fine Art Velàzquez, Die Spinnerinnen, 1650, Madrid, Prado Genrebild + Historeinbild auf Lwd. Jean François Millet, Ährenleserinnen, 1857 Paris, Genrebild J.B.S. Chardin, Stilleben mit Rauch- und Albrecht Dürer, Bildnis seiner Mutter, 1514 Kohlezg. auf Papier, 491x303 mm, Berlin. Michelangelo, Auferstehung, Windsor Royal Library Meefahrt des Dionysos, Schale, um 530 v. Chr., München, Antikensammlung Alexandermosaik ursprünglich aus Pompeji, nach einem griech. Vorbild von 317/15 v. Chr. Neapel, Museum Capodimonte Asparus Blumen streuend, Siyirayon Ceylon, 5. Jh. Maria mit Engeln und Heiligen, Basilika des Euphrasius, Poreč, Mitte 6. Jh.,Fresko Paul Troger, Apotheose Karls VI., Stift Göttweig, 1739 Deckenfresko über dem Stiegenhaus Evangeliar des Erzbischof Ebo, Evangelist Matthäus, Hautvillers (Reims), vor 835, Epernay, Buchmalerei Govardhas, Fürst von Suler, Miniatur, um 1750 Allahabad Eugène Delacroix, Clorinde befreit Olindo und Sofronia, 1855/56, München, Historienbild auf Lwd. Velàzquez, Infant Philipp Prosper, 1659 Wien, Kunsthistorisches Museum, Portrait auf Lwd. Jan Vermeer van Delft, Mädchenbildnis, 1660/70 Den Haag, Mauritshuis Jan van Eyck, Arnolfini-Hochzeit, 1434,London, National Gallery, Portrait,Gedenkbild auf Holz Jean-Honoré Fragonard, Das neue Modell, um 1768/70, Paris, Louvre Honoré Daumier, Wäscherin, um 1863 Paris, Genrebild auf Lwd. Peter Paul Rubens, Landschaft mit Philemon und Baucis, um 1630/35 Wien, Kunsthistorisches Museum Anonym, Winterlandschaft, 12./13. Jh. 10 Trinkutensilien, um 1760/63 Paris, Louvre Hubert Robert, Abbruch der Häuser auf der Pont-au-Change, 1788, München, Neue Pinakothek Claude Monet, Die Kathedrale von Rouen, 1894, Paris Franz Marc, Die kleinen gelben Pferde, 1912 Stuttgart, Staatsgalerie Kyoto, Tuschmalerei auf Papier Caspar David Friedrich, Einsamer Baum, 1823 Berlin Picasso, Demoiselles d’Avignon, 1907 New York, Museum of Modern Art Barnett Newmann, Who’s afraid of red, yellow and blue III., 1966, Amsterdam, Stedelijk Museum 3. SKULPTUR UND PLASTIK Während wir letzte Woche die Entfaltung von Zeichnung und Malerei auf Flächen besprochen haben, geht es heute um körperhafte, tastbare Gebilde. Sie werden Skulptur oder Plastik genannt. Das erste Wort kommt aus dem Lateinischen, von sculptere schneiden, schnitzen und meint ein greifbares Gebilde, das entstanden ist durch die Entfernung von Materie mit dem Meißel, Hohleisen, Schnitzmesser. Dia Venus von Willendorf, Arme und Hände sind kaum spürbar, an der Schulter war noch Material vorhanden, aus dem heraus der Oberarm geschlagen werden konnte, über den Brüsten nicht mehr, darum Unterarm und Hände verkümmert. Der Bedeutungsmaßstab, von dem ich das letztemal sprach, läßt sich somit auch technologisch erklären, durch die „forza di levare“ , wie es Michelangelo nennt, die Kraft des Wegnehmens. Der Skulptor „findet“ sein Werk im Marmorblock, oder im Baumstamm oder im Stoßzahn des Elefanten. Ganz anders der Plastiker, das Wort von griechisch plazein=bilden, formen. Er baut aus weichem, mit den Händen formbaren Material sein Werk auf. (Dia Venus von Vestonice (Prestel S 12)die zweite Figur enstand im Gravettien zwischen 25 000 und 18000 v.Chr.) Durch das plastische Formen einer feuchten Tonerde, ohne Werkzeug wurde die weiche Masse zwischen Handflächen und Fingern geformt. Bei ihr hätte man Arme hinzufügen können, ein Vorgang der bei Skulptur im strengen Sinn unmöglich ist. Materialien, die sich für das plastische Modellieren eignen, sind Ton, Wachs, Gips, aber auch Schnee, nasser Sand, Teig. Alle diese Materialien bedürfen der Härtung damit sie stabil bleiben. Dies erreicht man beim Ton durch Brennen, bei Gips durch Trocknung oder durch Ersatz des Materials durch flüssige Metalle. Metallguß. Metallbildwerke sind immer Plastik, nie Skulptur. Durch ihren fühlbaren Körper eignen sich Skulpturen und Plastiken mehr zur Verkörperung als gemalte oder gezeichnete Bilder. Sie spielen deshalb in Kult (Kultbild + Kultbildverbot in Israel), Politik (Denkmal) und Totenkult (Grabmal) eine besondere Rolle. Skulpturen und Plastiken können entweder materialsichtig sein: das Holz, der Stein bildet in seiner Materialität die Oberfläche oder farbig behandelt. Die Farbigkeit kann ein- oder mehrfarbig, monochrom oder polychrom angelegt sein. Sie kann das Grundmaterial ganz verdecken; in diesem Fall sprechen wir von monochromer oder polychromer Farbfassung. Oder sie kann nur Teile (Lippen, Augen, Gewandpartien) akzentuieren; das nennen wir dann eine Teilfassung. Nicht zu verwechseln mit der Fassung ist der Anstrich, ein laienhaftes Wort für eine nicht kunstgerechte farbige Behandlung. 11 Skulpturen, die Teil von Gebäuden sind, nennen wir Bauplastik. Die Auszeichnung vor allem von Portalen und Altären durch Werke des Bildhauers, in der Regel in Stein, gehört zu den ältesten Aufgaben der Skulptur auf der ganzen Welt. Sie deutet die Funktion des Gebäudes, bereitet den Besucher vor, auf den Gottesdienst oder die Audienz beim König. Wie überall gibt es Grenzüberschreitungen. Der Schutzengel von Ignaz Günther ist zwar ein Werk der Holzskulptur. Aber er wurde nicht in einem Baumstamm gefunden, sondern greift mit seinen Armen und Flügeln weit über den Umfang eines gewachsenen Holzes hinaus. Hier sind die einzelnen Teile aus Holz geschnitzt und zusammengesetzt, die Gesamtform aber über die Bildhauerzeichnung und das plastische Modell (Ton oder Wachs) entwickelt. Elemente des Plastischen sind: Groß/klein; Vor/zurück; Konvex/Konkav(= Wölbung/Mulde); Licht/Schatten; Rauh/Glatt; Hart/weich; Kante/Kurve; Schwer/leicht; Dazu die farbigen Wirkungen als Materialfarbe: Marmor weiß, rot, grün; Holz von Ahorn über Kirsche bis Nuß; Gold, Silber, Bronze etc. auch Materialkombinationen oder Farbfassung. Wir nehmen Plastik mit den Augen wahr, verbinden diese optische Wahrnehmung aber mit Gefühlen, Tasterlebnissen, die wir als kleine Kinder hatten, als wir sehen und gehen lernten. Rinder an der Tränke, Felsgravierung, 5./4. Jahrtausend v. Chr. Terarart b. Djanet, Süd/Ost-Algerien Sog. Venus von Willendorf, 23000 v. Chr. Wien, Kunsthistorisches Museum Abu Simbel, Felstempel Ramses II., Ansicht von Osten, 19. Dynastie, 12901224 v. Chr. Chartres, Skulpturen, um 1145 Steinzaun des Stūpa von Bharhut, 125-75 v. Chr., Kalkutta Gero-Kruzifix, um 970 Kölner Dom Venus von Wisternitz, um 23000 v. Chr. Brünn Krieger, attisch, Ende 8./Anfang 7. Jh. v. Chr. Heute Athen, Akropolismuseum Poseidon , um 460/450 v. Chr. (Detail) Athen Ludwig von Schwanthaler, Bavaria, Melkszene, Sarkophag der Prinzessin Kawit 11. Dynastie, ca. 2040 v. Chr. Steinrelief aus Dêr el-Bahari, heute Kairo Nike, eine Sandale lösend, ehem. An der Balustrade des Niketempels auf der Akropolis,,410/400 v. Chr. heute Athen, Akropolismuseum Chartres, West-Portal (Portal Royal), 12. Jh. Naumburg, Stifterfiguren Ekkehard und Uta um 1250 Giovanni Bologna, Der Apennin, um 1580 Florenz, Villa Pratolino-Demidoff Aitu Bale??? Kruzifix, um 1300 Therr, Krs. Bergheim Franz Anton Bustelli, 18. Jh. Nymphenburger Porzellan Poseidon , um 460/450 v. Chr. Athen, Bronzeguß, Kultbild Afrikanischer Kopf, Benin, Bronzeguß, Denkmal, München, Museum für Völkerkunde Frédéric Auguste Bartholdi, 12 1837/48 München, Theresienhöhe, Bronzeguß, Denkmal Fritz König, Flora, 1970, Bronzeguß Mehrere Fassungen, u.a. Weihenstephan Schreiberfigur aus Saqqâra, 5. Dynastie, ca. 2400 v. Chr.,Steinskulptur mit Farbfassung,Grabmal, Kairo Muttergottes mit Kind, um 1200 Rom, Holzfigur mit farbiger Fassung, Altar Niki de Saint Phalle, Schwarze Nana, 1968/69, Polyester, Köln Freiheitsstatue, 1871/84 New York, Kupfertreibarbeit, Denkmal Fritz König, Mahnmal der BRD in Mauthausen, 1982, Eisen (Cortenstahl) Fritz König, Mahnmal der BRD in Mauthausen, 1982 (Detail) Madonna, um 1300; Steinskulptur mit Farbfassung, Bauplastik am Chorpfeiler des Kölner Domes Franz Ignaz Günther, SchutzengelGruppe, 1763 München, Bürgersaalkirche, Holzskulptur mit Farbfassung 4. BAUEN UND BAUKUNST Damit ist ein Unterschied angedeutet. Wir sprechen vom Fuchsbau und meinen damit eine Erdhöhle mit verschiedenen Ausgängen; der Bau des Bibers ist eine Holzkonstruktion im Wasser, deren Zugänge unterhalb der Wasseroberfläche liegen, die Nester vieler Vögel sind Geflechte aus Fasern, Federn und Haaren, die Schwalben aber auch die Termiten bauen mit Erde, Holzmehl und Körperflüssigkeit zementharte Gebilde. Dies alles ist Bau, kann aber nach Immanuel Kant nicht Kunst sein, weil Freiheit und Vernunft fehlt. Leider gibt es auch viele von Menschen errichtete Bauten, denen Freiheit und Vernunft fehlt. Dies gilt für einen Großteil unserer Gewerbebauten, für die Mehrzahl unserer Wohnsiedlungen, aber es gibt eben auch Bauten, die durch ihre Erscheinung die tiefsten Interessen des Menschen, die umfassendsten Wahrheiten des Geistes aussprechen. Diese Baukunst bezeichnen wir mit dem griechischen Wort als Architektur von Arche der Anfang und Tektein Fügen Zimmern. Wir beginnen diese Annäherung an die Weltarchitektur, wie immer mit den Materialien und dann mit den Zwecken und Formen. Holzbau, Im 17. und 18. Jahrhundert wurde in Westeuropa darüber debattiert ob die ersten Menschen in einer Hütte oder in einer Höhle gewohnt haben. Höhle und Hütte verhalten sich wie Skulptur und Plastik, das eine wird gehöhlt aus Erde und Fels, das andere gefügt aus Holz, Rinden und Blättern. Von der Höhle kann man den Mauerbau ableiten und das Gewölbe, von der Hütte den Skelettbau, das Dach und die Säulen. Holz ist wie Sie wissen ein organischer Werkstoff, der in zahlreichen Pflanzen durch Verhärtung der Zellwände, das sogenannte Dendrin, entsteht. Für die Zwecke des Bauens kommt in erster Linie das Holz von Baumstämmen in Frage. Es wird als runder Stamm, als Rundling, verwendet, als gebeilter oder gesägter Balken, als Bohle, Brett oder Brettchen auch Schindel genannt. Das Holz von Sträuchern und Ästen reicht nur zum Bau von Zäunen und Verhauen. Allen Hölzern gemeinsam 13 ist, daß sie auf Druck und Zug gleichmäßig belastbar sind und daß sie durch Wasser und Feuer gleichermaßen gefährdet sind. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Hölzern große Unterschiede in Gewicht und Festigkeit. In unseren Breiten liefert die Eiche das härteste, beständigste Holz. Es wird deshalb für Bauteile, die stark beansprucht werden, z.B. Dachbalken und Türschwellen verwendet. Das weicheste unserer Hölzer liefert die Fichte, ihr Holz wird deshalb vor allem im Innenausbau und wenn man sparen muß, verwendet. Alle Holzarten sind hygroskopisch. Sie nehmen Feuchtigkeit aus der Luft auf und geben sie bei Trockenheit wieder ab, dabei ändern sie ihr Volumen. Darum muß Holz so verarbeitet werden, daß es Spielräume zum Arbeiten hat. Nur unter Einsatz von Hitze und Chemie kann man seit 100 Jahren aus Holzteilen Werkstücke von beliebiger Größe fertigen, die ihr Volumen nicht mehr ändern, Sperrholz, Spanplatte, Leimbinder und anderes. Bis dahin hatte jede Holzarchitektur ihre Maßstäblichkeit durch die Länge und Breite der zur Verfügung stehenden Baumstämme. Beispiele Steinbau, Mauer, Gewölbe, Turm, Bauplastik, Farbigkeit Hölzer werden zu Gebinden gefügt, Steine zu Mauern auf einander geschichtet. Die ursprünglichste Bauform verwendet die Steine, so wie man sie findet, in verschiedenen Größen und Formen, dann sprechen wir vom Feldsteinbau. Weil Steine verschiedener Form und Größe nicht fest aufeinander gelegt werden können, müssen Feldsteinmauern sehr dick sein. Sie sind eher geformte Steinhaufen. Wenn Steine zu Würfelformen behauen werden, kann man sie mit ebenen Flächen aufeinander legen. Diese behauenen Steine werden aus Steinbrüchen möglichst in der Nähe der Baustelle gebrochen, heute mit Dynamit früher mit quellenden Hölzern. Zum behauen verwendet man heute Werkzeuge aus Stahl, früher aus härteren Steinen. Mit Obsidian kann man z.B. Kalkstein behauen. Die zu Würfelform behauenen Steine werden auch Quader genannt. Quadermauern brauchen eine geringere Grundfläche als Feldsteinmauern. Ihre Glätte leitet Wasser schneller ab und erschwert das Besteigen. Darüber hinaus wirkt die Quadermauer in ihrer regelmäßig gefugten Glätte künstlich; sie setzt sich als Bauwerk in der Natur gegenüber Fels und Hügel ab. Die Stabilität der Mauer ist in erster Linie durch ihr Gewicht verbürgt. Bei hohen und mehrgeschoßigen Bauwerken wird dies zum Problem. Im Prinzip kann man nur senkrecht mauern, eben Stein auf Stein legen. Wenn ein Gebäude eine waagrechte Decke erhalten soll, muß man zu Holz (später zu Stahl) greifen, das große Spannweiten überbrücken kann. Vor 4000 Jahren wurde im alten Iran eine Mauertechnik entwickelt, die Steine in Kreisbogen vermauert, das sogenannte Gewölbe. Es taucht zum erstenmal im Grabbau auf. Es hält weil alle Steine zu gleich fallen wollen und sich gegenseitig behindern. Das Gewölbe ist ein Bild des Himmels, den alle Menschen auf Grund seiner Farbverschiebung vom Zenith zum Horizont und wegen der scheinbar kreisförmigen Bahn der Gestirne als gewölbt empfinden. Sprachgeschichtlich geht das lateinische Wort für Himmel caelum, celo, ciel auf ein indogermanisches Wort für Höhle zurück. Die Menschen fühlen sich unterhalb des Himmels in einer Höhle geborgen. Das deutsche Wort Himmel geht auf das indogermanische Wort hem zurück, das wir im Hemd noch haben. Hem heißt bedecken. Der Himmel bedeckt die Erde. Ein Bild davon ist das Gewölbe, das eine bedeckende Höhle für den Menschen ausbildet. Im Gegensatz zu Holzdecken sind Gewölbe feuerfest. Weil die Steine im Gewölbebogen verkeilt sind, üben sie einen Druck nach den Seiten aus, den man entweder durch die Mauerstärke, Auflager oder Stützen auffangen muß. Die Statik eines Gewölbes zu berechnen, ist seit Isaac Newton möglich und seit dem 19. Jahrhundert üblich. Alle 14 älteren Gewölbe wurden aus dem geschulten Gefühl, der Erfahrung der Baumeister und Steinmetzen für die Belastbarkeit ihrer Verbindungen errichtet. Steine können auch zu höheren Gebilden als es Häuser sind aufgeschichtet werden. Dann entsteht der Turm. Türme können neben Gebäuden stehen, wie das Minarett in Samarra oder in Gebäude einbezogen werden wie am Kölner Dom oder der Wallfahrtsmoschee in Qum im Iran. Türme haben vielfältige Funktionen: sie dienen der Aussicht, zum Gebetsruf, oder zum Aufhängen von Glocken. Seit der Erfindung von Aufzügen dienen sie auch zum Übereinanderstapeln von Büroräumen. Nach Größe und Zahl weisen sie aber in der Regel über diese Funktionen hinaus, als optisches Signal im Städtebau, als Hinweis auf Macht und Ziele des Bauherrn. Backsteinbau, Vom Bau aus im Steinbruch aus Felswänden gebrochenen Steinen unterscheiden wir den Bau aus gebackenen Steinen. Bestimmte lehmige Bodensorten eignen sich dafür mit Wasser zu einem Brei angerührt, geformt und dann gebrannt zu werden. Dabei werden sie so hart wie die meisten Natursteinsorten. Um Gewicht zu sparen, das Volumen und die Wärmeisolierung zu erhöhen, werden seit dem 20. Jahrhundert Backsteine auch hohl gebrannt. Ältere Backsteine sind immer massiv. In Afrika, Asien und Amerika hat man Lehmziegel auch ohne Brand, nur luftgetrocknet, verbaut. Diese Lehmarchitektur kann in trockenen Klimazonen auch einige Generationen überleben. Im 19. Jahrhundert wurden neue Baumaterialien entwickelt, Gußeisen, Glas und Beton, die neue Bauformen hervorbrachten. Eisen ist wie Holz auf Zug belastbar, formbar und verbindet ein geringes Volumen mit großer Festigkeit, aber steter Gefährdung durch Korrosion. Beton erlaubt glatte, wasserabweisende Flächen und Kurvierungen, die über das in Backstein mögliche hinausgehen. Holzverbindungen London, Haus am High Holborn, 16. Jh. Straßburg, Kammerzellsches Haus, 1589 Miltenberg a./Main, Marktplatz mit Rathaus, um 1500 Kizi (Karelien), Dach der Kirche Christi Borgund, Stabkirche, um 1150 Verklärung, 1714 Nanzenji, Garten der Abtwohnung, Yokohama, Rinshunkaku, im ParkSankeiAnfang 17. Jh. en, um 1600 Katsura, Kaiserliche Villa, Goten, Innenräume, 1620/53 Enan (Mallaha), Emeq Hula, Israel, Abri Stonehenge bei Salisbury Wilts, um 2000 62, v. Chr. um 9000 v. Chr. El Tajin, Veracruz, Mexiko, sog. Giza, Pyramidenfeld, 4. Dynastie, 2540Nischenpyramide Tajin V (klass. 2450 v. Chr. Periode), 6. Jh. n.Chr. Dachformen Gewölbeformen Athen, Akropolis, Parthenon, 447-438/32 Bhājā, Mahārāstra, Caitya und v. Chr. Klosterhöhlen, Ende 2. Jh. v. Chr. Baia, sog. Merkurtempel, 1. Viertel 1. Jh. Jerusalem, Felsendom n. Chr. Bhuvanesvar, Orissa, Lingaraja-Tempel, Filippo Brunelleschi, Dom, Florenz, um um 1000 1434 Damaskus, Tekke der Sultane Dom, Florenz (Detail) Süleymans und Selim II., begonnen 1554 15 Chartres, Notre Dame, Westfassade, 1134-nach 1194 SOM, John Hancock Center, Chicago, 1965/70 Rom, Kolosseum, flavisches Amphitheater, 80 n. Chr. Rom, Pantheon, 118-128 n. Chr. Lübeck, Holstentor von Hinrich Helmstede, 1466-78 Athen, Akropolis, Parthenon, 447-438/32 v. Chr. Vaux-le-Vicomte bei Melun, André Le Nostre, 1653/60 Jacques Schader, Kantonsschule Freundenberg, Zürich, 1956/60 Jakob Prandtauer, Benediktinerstift Melk, 1701-1738 Stift Melk Rom, Kolosseum, flavisches Amphitheater, 80 n. Chr. Istanbul, Hagia Sophia, um 535/560 Tangermünde, Rathaus von Hinrich Brunsberg, um 1430 Monreale, Dom, 1174-1189 J.J.P. Oud, Siedlung Kiefhoek, Rotterdam Jorn Utzon, Opernhaus Sydney, 1957/73 5. ALT-AMERIKA Wir beginnen heute unseren Überblick über die geschichtliche Entfaltung der Weltkunst mit der Neuen Welt, jenem Erdteil, den zwar Kolumbus als einer der ersten Europäer besucht, den aber als Neuen Erdteil zwischen Europa und Asien Amerigo Vespucci erkannt hat und der deshalb nach ihm benannt ist. Diese aus europäischer Sicht Neue Welt wurde von steinzeitlichen Jägern und Sammlern von Asien aus zwischen dem 10. und dem 2. Jahrtausend vor Christus besiedelt. Die Menschen entfalteten verschiedenartige Kulturen, von der Stufe der Jäger und Sammler, über Ackerbau, bis zu Städtebau und der Organisation von großen Reichen ohne weitere Berührung mit den übrigen Erdteilen, während die Kulturen der Alten Welt alle miteinander verflochten sind. Darum eignet sich die Kunst der Neuen Welt als Einführung. Die Hochkulturen Alt Amerikas entfalteten sich im Gegensatz zu den Flußtalkulturen der Alten Welt in großen Höhenlagen, im Hochland von Mexiko und in den Anden. Die Hauptstädte und Hauptdenkmäler liegen zwischen 2000 und 4000 m über dem Meer. Wir beginnen mit der Kunst Mexikos. Die epochale Tat des Menschen der amerikanischen Frühzeit war die Erfindung von Mais, die Entwicklung aus einer grasartigen Pflanze zu einer der ergiebigsten Nährfrüchte der Welt. Mit ihm wandelt sich die Bevölkerung vom nomadisierenden Jäger zum seßhaften Bauern und zum Städtebauern. Dabei galt der Mais nicht als menschliches Produkt sondern als Götterkraut, das vom Regengott Tlaloc, dem Windgott Ehecatl, dem Sonnengott, der Mondgöttin und der Erdgöttin umhegt werden muß. Dafür müssen die Götter ernährt werden und zwar täglich mit dem Blut und den Herzen von Menschen. Die Götter arbeiten nicht zusammen sondern gegeneinander: Wind gegen Regen, Sonne gegen Mond. Es kommt immer darauf an, den im Augenblick wichtigen Gott zu kräftigen und günstig zu stimmen. Die Künstler gehörten zu den Priestern, mußten bei der Herstellung von Götterbildern Weihrauch verbrennen, fasten, ehelos leben, die Bildwerke mit ihrem Blut 16 besprengen. Im Hochland von Mexiko lebten verschiedene Stammesstaaten neben einander, die von Zeit zu Zeit die anderen unterwarfen. Ich erwähne nur drei davon: die letzten, die zur Zeit der spanischen Eroberung das Land beherrschten waren die Azteken, davor die Mayas, (2.-13.Jh.)die dann auf die Halbinsel Yucatan auswichen, und als erste die Olmeken in den Jahrhunderten vor und nach der Geburt Christi. Die Bezeichnung Olmeken stammt von den Azteken und bedeutet, Bewohner der Gummiregion, von ulli=Gummi der in der Golfregion bei Vera Cruz geerntet wurde. Man weiß nicht ob es sich um einen Stamm oder mehrere handelt, jedenfalls bilden sie die Mutterkultur des alten Mexiko. Ihre Kunstwerke lassen auf ihre Religion und ein hochentwickeltes Staatswesen schließen: Pyramiden, Altäre( Priesterreligion), Basaltköpfe. Der Kopf von La Venta = Zylinder + Halbkugel. Nase, Augen, Lippen in Zylinderoberfläche eingetieft. Architektur geometrisch geordnet. Göttermorgenröte. Tolteken bauen Teotihuacan III Altar des Regengottes, Sonnenpyramide, Mondpyramide Maya 2-13 Jh. hochentwickelte Astronomie und Mathematik. Erfinden 0, dargestellt durch Schneckenhaus als Symbol der Fruchtbarkeit. König stammt von Göttern ab. Architektur rechtwinklig geordnet, ohne Bogen und Wölbung. Stelen stellen Priester und Könige dar, nicht Götter wie bei Olmeken und Azteken. Azteken erobern um 1250 Mexiko. Barbarisches, junges, energisches Volk. Erdgöttin Coatliene alles gebärend, alles verschlingend. Cortez wird als Befreier vom Joch der Azteken begrüßt. Inka Reich im Hochland der Anden in 3600 m Höhe, 3200 km lang, 160-320 km breit, Hauptstadt seit 1200 Cuzco, durch Straßensystem mit Treppen mit dem ganzen Land verbunden. Aristokratische Monarchie, 1525 stirbt der Inka Huanapac, seine Söhne Huascan und Atahualpa streiten um Herrschaft bis Pizarro kommt 1533. Als Hochlandkultur verwandt mit Tibet. Metallverarbeitung seit 900 bekannt. Mais aus Mexiko eingeführt. Ananas, Tomaten, Tabak, Koka, Lama und Truthahn. Jade, wie in China, wertvoller als Gold. Inka architektur übersteht Erdbeben, welche die spanische Kolonialarchitektur zerstört. Außerdem im Amerika, Kulturen des Eskimos und der Amazonasindianer: Jäger und Sammler. Halbnomadische Ackerbau und Jägerkulturen in Nordamerika. Pueblokulturen. Teotihuacán, Estado de México, um 150 n. Chr. und um 450/550 n. Chr. Patio de los Altares und große Pyramide, Cholula, Puebla, Mexiko, um 150-750 n. Chr. Kolossalkopf, San Lorenzo Veracruz, Mexiko, um 1200/600 v Chr., Jalapa Tikal, Guatemala, um 200 v-900 n. Chr. Thatelolca, Mexiko, Zeremonialzentrum, aztekische Kultur, um 1325/1521 n. Chr. Weibliche Figur, La Venta, Tabasco, Mexiko, um 1200/600 v. Chr., México, Museo Nacional Krieger, Tula, Hidalgo, Mexiko, um 900/1150 n. Chr. Maske, Malinaltepec Guerrero, Mexiko, um 550/1050 n. Chr., México, Museo Nacional Tänzer, Wandmalerei Bonampak, Männliche Figur aus Colima, Mexiko, um Chiapas, Mexiko, um 800 n. Chr., Cuidad 100 v. Chr.-200/300 n. Chr., Hamburg, 17 de Guatemala, Museo Nacional Weibliche Figur aus der Umgebung von Tequilita, Santiago Compostela, Mexiko, um 100 n. Chr., Tepic, Museo Nacional Erdgöttin, Tenochtitlán, Mexiko, México, Museo Nacional Luzco, Peru, Palastmauer, Inka-Stil Obergewand aus dem Nazca-Gebiet, Peru, Inka-Provinz-Stil, Toronto, Royal Ontario Museum Museum für Völkerkunde Schlange, um 1500 v. Chr., London, British Museum Machu Picchu, Luzco, Peru, Inka-Stil Gewand, Inka-Stil, Madrid, Museo de America Mesopotamien (Zweistromland), Karte 6. ALTER ORIENT Vom Mittelmeer bis zum Kaspischen Meer und zum Indischen Ozean: Heute Libanon, Palästina, Israel, Jordanien, Syrien, Irak(Mesopotamien: Ur, Sumer, Akkad, Assur, Babylon), Iran(Persien), Afghanistan, Türkei (Anatolien, Hethiter) Hochkulturen von 3000-333 v. Chr. Jericho älteste Stadt der Welt steinzeitlich, Wohngebäude aus Lehmziegeln kreisrund, vermutlich in Nachbildung von Nomadenzelten, Stadtmauer, 5. Jahrtausend, später Rechteckhäuser mit Glanzstuck. Tote unter Fußboden bestattet, Gesichter in Gips gebildet. Glauben an Weiterleben nach dem Tode Zeittafel: 3000 Dschemdet Nasr Zeit, Tempelbau, Keilschrift; davor Uruk und Jericho 2600 Frühsumerisch: Ur, Lagasch, Troja Priesterkönige, Stadtstaaten 2350 Herrschaft von Akkad: Semitischer König der vier Weltgegenden, Sargon I. 2050 Neusumerisch 1830 Erste Dynastie von Babylon (Hammurabi) + Altassyrisches Reich 1531 Hethiter (Indoeuropäer) 1469 Ausdehnung des ägyptischen Reichs bis zum Euphrat 1000 Königreich Israel 930 Neuassyrisches Reich 600-333 Meder und Perser, Achaemeniden, Ausdehnung des Reichs bis zum Nil (Kyros,Dareios,Xerxes) Grundzüge der Religion: Stadtgott (Assur bzw. Marduk) Götterpaar EL und Inanna (Astarte) Söhne Baal und Moth, Tendenz zur Astralisierung der Götter, Astronomie und Astrologie, König herrscht im Auftrag Gottes, Parsismus: (Zarathustra) Dualismus Gut/Ahura Mazda-Böse/Ahriman Aus der Keilschrift (2000 Bildzeichen) entwickelt sich Buchstabenschrift (22 Konsonanten) in Phönizien, Kennzeichen altoreintalischer Kunst: Zikkurat(Stufentempel), Mischwesen (Drache, Flügelstier), Betonung von Kraft und Unterwerfung, Jagd und Krieg Zur Einführung zeige ich als erstes eine Flugaufnahme aus Persien, eine von Gebirgen umschlossene Wüste, in der ein Pardisu, und dann Wüstenbewohner, den Nomadenstamm der Kashgai, mit ihren Zelten und Herden. Im Süden erheben sich aus der Wüste Säulen und Wandstücke, Tür und Fensterpfeiler, des Palastes von Persepolis, errichtet von Darius und Xerxes im 5. Jahrhundert, ausgegraben seit 1930. 18 Bagh-i-Shah (Garten des Königs) bei Mahan im Iran, Ende 18. Jh. Ansichten von Persepolis (Iran), Terrassen- und Treppenanlagen, Überreste repräsentativer Bauten, Reliefs, Nomadenzelte der Kashgai 1964 Widder mit Lebensbaum aus den Königsgräbern von Ur, 1. Hälfte 3. Jhtsd. V. Chr., London, British Museum Weibliche Figur aus Nippur (Irak), um 2600 v. Chr., Bagdad, Iraq Museum Codex Hammurabi aus Sura (Iran), altbabylonisch zw. 1761/1750 v. Chr., Paris, Louvre Becher aus der Region des SafidFlusses, um 1250/1000 v. Chr., New York, Metropolitan Museum v Klangkasten einer Leier, Ur (Irak), um 2550. Chr., Philadelphia, University Museum Babylon (Irak), Löwe, spätbabylonisch 605-562 v. Chr. (Zeit des Nebukadnezar II.), Paris, Louvre Babylon (Irak), Hoffassade des Thronsaales, spätbabylonisch 605-562 v. Chr., Berlin, Vorderasiatisches Museum Ansichten von Persepolis (Iran), Terrassen- und Treppenanlagen, Überreste repräsentativer Bauten, Reliefs, Nomadenzelte der Kashgai 1964 Ur im heutigen Irak, Zikkurat, neusumerisch, um 2100v. Chr. Ebih-il aus Mari, Syrien, um 2600/2500 v. Chr., Alabaster, Paris, Louvre Männliche Figur, neusumerisch, um 2150/2100 v. Chr. London, British Museum Helm des Meskalamdug, Ur (Irak), um 2550 v. Chr., Bagdad, Iraq Museum Klangkasten einer Leier, Ur (Irak), nach 2600 v. Chr., London, British Museum Sargon II. aus Dūr-Sarrukin (Horsābād, Irak), neuassyrisch 721-705 v. Chr., Alabaster, Turin, Museo di Antichità Genius aus Kalah, Nimrud (Irak), neuassyrisch, um 883-859 v. Chr., London, British Museum Schlacht am Ulai, Ninive (Irak), neuassyrisch, um 650 v. Chr., London, British Museum 7. ÄGYPTISCHE KUNST Die Geschichte Ägyptens beginnt am 17. Juli des Jahres 2773. Es ist der Tag, an dem der Hundsstern (Sirius) aufgeht und der Nil über seine Ufer tritt. In dieser Nacht war Vollmond und darum eignete sich dieser Tag zur Einführung eines Kalenders, der auf jahrhundertelange Beobachtungen, Berechnungen und einen hohen Organisationsgrad in einem entwickelten Staatswesen zurückgeht. Mit diesem Datum kann man auch die Hieroglyphenschrift verbinden, die Vereinbarung bestimmte Bildzeichen mit festen Bedeutungen zu verbinden. Die Bilderschrift wurde von berufsmäßigen Schreibern in königlichem Auftrag (Dia) entwickelt, als Beschreibstoff dienten Felswände und Steindenkmäler, dafür mußte die Schrift vom Steinmetz nach Vorlagen des Schreibers mit dem Meißel ausgehauen, vor allem diese 19 monumentalen Schriftdenkmäler haben überlebt. Während das, was auf dem alltäglichen Beschreibstoff, den ausgerollten Fasern der Papyrusstaude geschrieben wurde, verloren ist. Die Lebensdauer eines Papyrus beträgt normalerweise 100 bis 200 Jahre, danach zerfällt er. Nur unter außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen haben sich einige Papyrusreste des Altertums erhalten. Von dem Datum 17. Juli 2773 zählte der Priester Manetho zur Zeit des Königs Ptolemäus II. nach unserer Zeitrechnung 280 v.Chr. 29 Herrschergeschlechter, die sogenannten Dynastien, die als Altes Reich bis 2263, als Mittleres Reich von 2133-1680 und als Neues Reich von 1580- 1085 gezählt werden. Daran schließt sich die Spätzeit bis zur Eroberung durch Alexander 332 an. Die Epoche bis zur Eroberung durch Caesar im Jahre 30 heißt nach der Herrscherfamilie Ptolemäerzeit. Die fehlenden Zeiten zwischen den Reichen werden als 1. und 2. Zwischenzeit bezeichnet und als Verfallszeiten negativ bewertet. Einer ähnlichen Rechnung nach Dynastien über Jahrtausende hinweg werden wir bei der Betrachtung der Kunst Chinas wieder begegnen, in kleinerem Maßstab auch in Europa, wenn wir von Karolingischer, Ottonischer und Staufischer Kunst sprechen. Die Entstehung des Königreichs am Nil hängt vermutlich mit einem Klimawechsel im 4. Jahrtausend v.Chr. zusammen. Damals breitete sich in Nordafrika die Wüste aus; Elefanten, Giraffen, Nashörner, deren Anwesenheit in Nordafrika durch Felsbilder und Knochenfunde belegt ist, wichen vor der sich bildenden Sahara nach Süden aus. Nur das Niltal verband noch Zentralafrika mit dem Mittelmeer, durch eine immer trockener werdende Landschaft. Die Menschen rückten zusammen und mußten zwischen Überschwemmung und Trockenheit ihr Überleben organisieren. Durch Dämme schützten sie sich vor Überschwemmungen, durch Staubecken wurde die Fließgeschwindigkeit verringert, durch Kanäle das Wasser verteilt und so der Lebensraum auf Kosten der Wüste vergrößert. Da die Fluten ungleich sind, nur drei von zehn ausreichend, mußten Nahrungsmittelvorräte im ganzen Land angelegt (wegen der Mäuse Katzen domestiziert) und diese verwaltet und verteilt werden. Dies erzwang die Beobachtung der Jahreszeiten, der mit ihnen in Verbindung stehenden Gestirne. Astronomie, Astrologie und Kalender entstanden, sowie Schrift und Bürokratie. Flüsse sind für die Bildung alter Staatswesen entscheidend geworden, insbesondere im Zweistromland (Mesopotamien) zwischen Euphrat und Tigris und in den Tälern von Indus, Nil und Huang Ho, dem Gelben Fluß. Aber kein Flußstaat hat sich so lange gehalten wie Ägypten. An der Spitze des Staatswesens stand der Pharao, der als Sohn des Re und Bild Gottes verehrt wurde. An zweiter Stelle stand der Kanalgräber, an dritter der Wesir als oberster Schreiber. Das Volk lebte monogam als Bauern, Hirten, Handwerker, Schreiber (Beamte). Grund und Boden wurden als Eigentum des Pharao betrachtet. Nahrungsgrundlage war Weizen und das aus Brot gesottene Bier (Mahlzeit heißt ägyptisch „Brotbier“).Da Ägypten keine Rohstoffe hat, mußten diese von weit her eingeführt werden: Bauholz vom Libanon, Obsidian vom Kaukasus, Metalle (Kupfer, Eisen, Gold) aus Äthiopien, Arabien und Libyen. Als Haustiere wurden gehalten: Schafe, Ziegen, Rinder, Esel, Katzen, Hunde und Enten, seit 1700 auch Pferde aus Asien und später Dromedare aus Afrika. Seit dem 4. Jahrtausend ist das Niltal von Wüsten umgeben. Zusammenschluß zu einem Staat: Oberägypten (Theben) Unterägypten (Memphis, Delta) Konstanz des Raumes, der Religion, der Staatsform, der Kunstformen über drei Jahrtausende, im Gegensatz zum Alten Orient, China, Indien oder Europa. 20 Die ägyptische Religion kennt eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen, (Re, Hathor, Osiris, Isis, Horus, Ptah, Seth u.a.) die aus alten Ortsgöttern und Naturgottheiten im Zuge der Vereinigung des Staates zu einem Pantheon vereinigt wurden. Der Glaube an ein Fortleben der Seele nach dem Tode ist Basis der ägypt. Kultur. Die Seele folgt dem Sonnenschiff, braucht aber etwas worauf sie sich niederlassen kann, die Mumie und/oder das Bild des Toten und Gefährten und Gegenstände. Kunst für das Jenseits: Eigentümliches Amalgam von Lebensnähe und Totenstarre. Letztere vor allem in Mumien- und Sarkophagplastik. Lebensnähe in Relief, Malerei, Holzschnitzerei. Feminine Qualitäten. Ehepaarbildnisse wie sonst nur noch bei den Etruskern. Hochentwickeltes Kunsthandwerk: Holz, Bronze, Gold, Elfenbein, Glas, Keramik Altes Reich 2600- 2200 Cheops, Chephren, Mykerinos, (Pyramiden) Mittleres Reich 2100-1800 Sesostris Neues Reich 1600-745 Hatschepsut, Ramses, Amenophis IV.(Echnaton) Tut ench Amun + 1350 Auszug Israels unter Moses Spätzeit 745-332 (25.-30.Dynastie) Ptolemäer 332-50 Stele mit roi-serpent, Paris Louvre, um 2700 v. Chr. Palette en schiste, New York, Metropolitan Museum of Art, um 2700 v. Chr. Halle der Sarkophage oder Goldene Halle Saqqâra, Mastaba des Mereruka, Kultanlage des Meri-Teti, 6. Dynastie um 2280 v. Chr. Gîza, Pyramidenfeld, 4. Dynastie um 2540-2450 v. Chr. Karnak, Tempelbezirk, Mittleres und Neues Reich Luxor, Amun-Mut-Chons-Tempel, innerer Hof, 18. Dynastie 1403-1365 v. Chr. Dêr el-Bahari, Tempel der Hatschepsut, Hathor-Kapelle, Sistrumkapitell, 18. Dynastie 1490-1468 v. Chr. Sarg der Isetemheb aus Dêr el-Bahari, 21. Dynastie um 985-950 v. Chr., Kairo, Archäologisches Museum Mykérinos und Königin, Boston, Museum of Fine Arts Nofretete, 18. Dynastie, um 1360 v. Chr., Paris, Louvre Karte Ägyptens Ausgrabung in Assuan, altägyptischer Steinbruch Saqqâra, Grabbezirk des Djoser, Stufenpyramide, 3. Dynastie um 2600 v. Chr. Saqqâra, Mastaba des Mereruka, Pfeilerhalle, 6. Dynastie um 2280 v. Chr. Schnitt durch eine Pyramide Karnak, Amun-Tempel, Säulensaal, 19. Dynastie 1302-1224 v. Chr. Dêr el-Bahari, Terrassentempel der Hatschepsut, 18. Dynastie 1490-1468 v. Chr. Arbeitersiedlung in Tell el-Amarna Büste von Khéphren Damen mit Dienerin, Wandmalerei Statuette von Memy Sabou und seiner Frau, New York, Metropolitan Museum of Art Relief mit Darstellung einer Hungersnot Grabherr am Speisetisch, Relief aus aus Saqqâra, Grab des Unas, 5. Dynastie Saqqâra, 3. Dynastie um 2600 v. Chr., um 2300 v. Chr. Kairo Archäologisches Museum 21 Wildenten über Wasserpflanzen aus Tell el-Amarna, 18. Dynastie um 1350 v. Chr., Berlin, Ägyptisches Museum Büste einer Prinzessin aus Tell elAmarna, 18. Dynastie um 1350 v. Chr., Paris, Louvre Nilpferd aus Mêr, 12. Dynastie um 1950 v. Chr., New York, Metropolitan Museum Thronsessel mit Fußschemel des Tutanchamun aus Theben, 18. Dynastie 1347 v. Chr., Kairo, Archäologisches Museum Sarkophag der Prinzessin Kawit mit Melkszene aus Dêr el-Bahari, 11. Dynastie 2040 v. Chr., Kairo, Archäologisches Museum Ushebti: Nubische Bogenschützen Asjut um 2000 v. Chr., Kairo, Archäologisches Museum; Vorführen des Viehs aus Dêr el-Bahari, um 2040 v. Chr., Kairo Archäologisches Museum Ushebti: Ägyptische Weberei und Tischlerei Papyrusernte und Vieh, Szenen vom Grab der Nefer und des Kahai, 5. Dynastie um 2400 v. Chr. Verwahrung der gefangenen Tauben, Wandmalerei aus Saqqâra, 5. Dynastie um 2310 v. Chr. Sphinx des Amenopolis III., 18. Dynastie um 1390 v. Chr., New York, Metropolitan Museum Isis mit Horusknaben, 26. Dynastie um 6. Jh. v. Chr., Boston, Museum of Fine Arts Opferträger, el-Berscha, 12. Dynastie um 1900 v. Chr., Boston, Museum of Fine Arts; Pfluggespann, 12. Dynastie um 1850 v. Chr., London, Museum British Museum Ushebti: Bierbrauer aus Saqqâra, 5. Dynastie um 2350 v. Chr., Kairo Archäologisches Museum und Spielende Kinder aus Giza, zeitgleich, Chicago, Archäologisches Museum 8. GRIECHISCHE KUNST Vorspiel in Kreta um 2000 und Mykene um 1600 Kunst einer zerklüfteten Welt aus Inseln und Halbinseln, zwischen Fels und Meer, verbreitet seit dem 8 Jahrhundert zwischen Anatolien und Spanien, seit dem 3. Jahrhundert im ganzen Mittelmeerraum östlich bis Indien. Entdeckung der Beweglichkeit des Menschen, das natürliche, entspannte Stehen des Zweibeiners (Kontrapost) Erfindung von Politik, Philosophie und Theater Minoische Kunst auf Kreta 2000-1600, Palast in Knossos Mykenische Kunst 1600-1100 Mykene und Tiryns Dorische Einwanderung Geometrische Kunst 1100-700 Archaische Kunst 700-500 Tyrannis, Aristokratie, Kouroi Klassische Kunst 500- 333 Strenger Stil: Abwehr der Perser (490/480) Demokratie, Tragödie Bildhauer Kritios, Polyklet, Phidias, Kresilas. Schöner Stil: Maler Zeuxis, Parrhasios, Architekten: Iktinos, Kallikrates, Bildhauer: Praxiteles, Lysipp, Skopas, Philosophie: Sokrates 469-399, Plato 427-347,Aristoteles 384-322 Mykene, Burg, sog. Löwentor, frühes 13. Sog. Kleine Pariserin, Wandmalerei in 22 Jh. Fischer, Wandmalerei aus Thera, um 1500 v. Chr., Athen, Nationalmuseum Attisch-Reifgeometrische Amphora, Mitte 8. Jh., München, Staatl. Antikensammlungen Kore, Meister von Chios, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., Athen, Akropolismuseum Apoll von Belvedere, Replik einer Bronzefigur des Leochares, um 330 v. Chr., Vatikan Gallierfürst, Kopie nach einer Bronzefigur von 230/220 v. Chr., Rom, Thermenmuseum Athen, Akropolis von der Pnyx aus gesehen Delos, Häuser des 4. Jhs. v. Chr. Athen, Hephaisteion, Mitte 5. Jh. v. Chr. Athen, Akropolis mit Parthenon, Blick zur Westtüre, 447-438/32 v. Chr. Athen, Olympieion, 2. Jh. vor Chr. und später Knossos, Kreta, um 1500/1450 v. Chr., Herakleion, Archäologisches Museum Totenmaske, Mykene, 16. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum Sog. Eriphyle, Wandmalerei, Mykene, um 1450 v. Chr., Athen, Nationalmuseum Zentren vorgeschichtlicher Kunst in Europa (Karte) Krieger, attisch, Ende 8. Jh./Anfang 7. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum Kouros, korinthisch, um 550 v. Chr., München Glyptothek Apollon, Marmorreplik einer Bronze des Phidias, um 450 v. Chr., Kassel Schloß Wilhelmshöhe Laokoon, 1. Jh. v. Chr., Vatikan Delphi, Blick vom Theater auf das Apollon-Heiligtum Epidauros, Theater, Mitte 4. Jh. v. Chr. Athen, Agora, Lageplan und Modell Athen, Akropolis, Nike Tempel von Ost, spätes 5. Jh. v. Chr. Athen, Akropolis, Parthenon, 447-438/32 v. Chr. Spätprotokorinthische Kanne, sog. Chigi- Frühkorinthischer Krater, Gastmahl des Kanne, Aufmarsch der Hopliten um 640 v. Iphitos, Anfang 6. Jh. v. Chr., Paris, Chr., Rom, Villa Giulia Louvre Amphora des Exekias, Achill und Ajas Spitzamphora, Mänade, Kleophadesbeim Spiel, um 540/530 v. Chr., Vatkan Maler, um 490 v. Chr., Tarquinia, Museo Archeologico Schale, Meerfahrt des Dionysos, um 530 Byrgos-Maler, Zecher und Hetäre, um v. Chr., München, Staatl. 490 v. Chr., Würzburg, Martin von Antikensammlung Wagner Museum Lekythos, Leierspielerin, um 455 v. Chr., Alexandermosaik (Schlacht bei Issos 333, München, Staatl. Antikensammlung Alexander und Darius) ursprünglich aus Pompeji (Casa del Fauno), nach einem griech. Gemälde von 317/15 v. Chr., Neapel, Museum Capodimonte Athena vom Westgiebel des AphaiaSterbender vom Ostgiebel des AphaiaTempels auf Aigina, Ende 6. Jh. v. Chr., Tempels auf Aigina, um 490/480 v. Chr., München, Glyptothek München, Glyptothek Sterbender vom Westgiebel des Aphaia- Terrakotta-Statuette einer jungen Frau Tempels auf Aigina, Ende 6. Jh. v. Chr., aus Tanagra, Ende 4. Jh. v. Chr., Berlin, München, Glyptothek Staatl. Museen Stehender Jüngling, Dipylon-Meister, Kritios-Knabe aus Epheben, um 480 v. Attika, um 620 v. Chr., New York, Chr., Athen, Akropolismuseum 23 Metropolitan Museum Pferdekopf vom Ostgiebel des Parthenon in Athen, Akropolis, um 437/432v. Chr. London, British Museum Korenhalle des Erechtheion, Athen, Akropolis, um 410 v. Chr. Diskobol Lancelotti, Replik nach einer Bronzefigur des Myron, Mitte 5. Jh. v. Chr., Rom, Thermenmuseum Poseidon, um 460/450 v. Chr., Athen, Nationalmuseum Knidische Aphrodite des Praxiteles, um 350 v. Chr., Rekonstruktion, ehem. München Tochter der Niobe, um 450/445 v. Chr., Rom, Thermenmuseum Grabmal des Dexileos, attisch, 394 v. Chr., Athen Philosoph, Mitte 3. Jh. v. Chr., Delphi, Museum Alexander der Große auf einem Sarkophag aus Sidon, um 310 v. Chr., Istanbul, Archäologisches Museum Aphrodite, Kopie aus hadrianischer Zeit nach einer Bronzefigur des Doidalsas von Bithynien, Mitte 3. Jh. v. Chr., Rom, Thermenmuseum Porträtkopf aus Delos vielleicht von Agasias von Ephesus, um 100 v. Chr., Athen, Nationalmuseum Griechische Münzen aus der Zeit der Hohen Klassik Leto, Dione und Aphrodite vom Ostgiebel des Parthenon in Athen, Akropolis, um 437/432v. Chr. London, British Museum Doryphoros, Kopie nach einer Bronzefigur des Polyklet, 440 v. Chr., Neapel, Museo Nazionale Archeologico Hermes mit Dionysos, attisch, römische Kopie, um 330/20 v. Chr., Olympia, Museum Poseidon, um 460/450 v. Chr., Athen, Nationalmuseum Nike, Sandale lösend, von der Balustrade des Nike-Tempels, um 410/400 v. Chr., Athen, Akropolismuseum Amazone Sciarra, Replik einer Bronzefigur des Kresilas im Artemision in Ehpesos, Kopenhagen, Glyptothek Grabmal des Mnesarete, attisch, 380 v. Chr., München, Glyptothek Eirene des Kephiodotos, röm. Kopie, um 370 v. Chr., München, Glyptothek Nike von Samothrake, um 190 v. Chr., Paris, Louvre Der Barberinische Faun, hellenistische Skulptur, um 80 v. Chr., München, Glyptothek Faustkämpfer, um 50 v. Chr., Rom, Museo Nazionale Romano Philosoph, Bronzefigur, 3. Viertel 3. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum 9. INDIEN, CHINA, KOREA, JAPAN In den meisten Kunstgeschichtswerken wird an die Kunst Griechenlands die von Rom angeschlossen und und dann die westeuropäische Kunst. Die osteuropäische und asiatische folgt als Nachtrag. Ich möchte die Kunst von Indien, China, Korea und Japan im Anschluß an die griechische behandeln. Zum einen weil diese Länder kulturell zusammenhängen und zu mindest Indien und China ihre größten Leistungen lange vor denen der westlichen Kunst erbracht haben. Andererseits weil die früheste Kunst Indiens mit der des Alten Orients zusammen hängt und von der griechischen Kunst nach dem Feldzug Alexanders nach Indien tief wirkende Anregungen empfing. Das zentrale 24 Bildmotiv der Kunst Asiens die Gestalt Buddhas ist ohne die Anregungen der griechischen Gewandfigur nicht denkbar. Indien Das Menschenbild der indischen Kunst ist von der Vorstellung vom Kreislauf (Rad) des Lebens geprägt. Im Vordergrund steht nicht das individuelle So-sein, sondern das Lebendig-sein, das der Mensch mit Tieren, Pflanzen, Dämonen und Göttern teilt. Nicht Skelett und Muskulatur prägen die Gestalt, wie bei den Griechen, sondern das Fließen der Körpersäfte unter der Haut. Gestalten wirken für unsere Sehgewohnheiten knochenlos, wie aufgeblasen, besonders das Frauenbild mit schmalen Hüften und kugeligen Brüsten, meist glückbringende Dämonen (Yakshi, Shakti, Aspara). Mithuna (Kopulation) als Darstellung von Hingabe, Entgrenzung des Ich. Da die Bilder Freude, Trost und Zufriedenheit verbreiten sollen, werden sie 1000 mal wiederholt. Dieses andere Verständnis vom Menschen spricht sich auch in der Medizin aus; während wir einen anatomischen Apparat reparieren, versuchen Inder und Chinesen durch Atemübungen und Nadelstiche in Nervenbahnen einzugreifen und das Leiden vom Menschen und nicht von einem Organ aus zu überwinden. Hauptaufgaben der Architektur sind Kuppelgrab (Stupa) und Höhlenkloster im Buddhismus, Tempel mit Halle, Cella und Turm im Hinduismus. Epochen der indischen Kunst Um 2000 Industalkultur Mohendscho Daru, Harappa angeregt von altorientalischer, Städtebau, Schiffsbau Skulptur 1500 Einwanderung von Indoeuropäern, Dravida nach Süden abgedrängt, Entstehung der Kasten, Hinduismus 560-483 Siddharta Gautama, Buddha 327 Alexander in Nordwestindien 272-231 Reich des Asoka, (Dreiviertel der Halbinsel), buddhistisch 320 –700 Gupta-Reich, klassische indische Kunst, Ausbreitung des Buddhismus und indischer Kultur nach Ceylon, Hinterindien, Indonesien nach 700: Hinduismus verdrängt Buddhismus in Indien, islamische Eroberung, zuerst Araber, dann Türken und Mongolen 1525 –1877 Reich der Großmogule, Hauptstadt Delhi, Herrscher islamisch, Untertanen hinduistisch, an den Küsten Portugiesen, seit 1600 Engländer, 1877 Königin Victoria wird Kaiserin von Indien, 1947 Unabhängigkeit, Teilung in Pakistan und Indische Union Indische Halbinsel, Karte Buddha und Vajrapani Gandhara, Pakistan, Anfang 2. Jh. n. Chr., Berlin, Staatl. Museen Preußischer Kulturbesitz Anurādhapura, Ceylon, ThūpārāmaDāgaba, 3. Jh. v. Chr. Bhāja, Mahārāstra Caitya und Klosterhöhlen, Ende 2. Jh. v. Chr. Frauenfigur aus Mohenjo daro, Pakistan, um 2000 v. Chr., New Delhi, Nationalmuseum of India Buddha aus Mathurā, Uttar Pradés, 5. Jh. n. Chr., Mathurā, Archeological Museum Löwenkapitell aus Sarnath, Uttar Pradés, 3. Jh. v. Chr., Sārnāth, Archeological Museum Statue eines Buddha (5. Jh. n. Chr.) im Felsmassiv von Bāmiyān, Afghanistan 25 Ankor, Kambodscha, Bàksei Čamkrŏn, zw. 99/922 Borobudur, Mittel-Java, 8./9. Jh. Sasarām Bihār, Grabmal des Šer Šāh Sūri, um 1540 Kalkutta, Steinzaun des Stūpa von Bharhut, 125-75v. Chr. Śiva Natarājā, aus Tanjur?, ca. 11./12. Jh., Zürich? Apsarus Blumen streuend, Sigiriya, Ceylon, 5. Jh. Gott und Musikantin, Fresko-Höhle in Oïzïl, 600-650, Berlin, Staatl. Museen, Islamisches Museum Mahabālipuram, Madras, Küstentempel, um 700 Ajantā, Mahārāstra, Caitya, 6./7. Jh. Bhuvaneśvar, Orissā, Lingarāja-Tempel, um 1000 Visnu auf Anantaśesa Deogarh, Daśāvatāra-Tempel, um 500 n. Chr. Apsara mit Sapu-Blüte, Wandmalerei, Sīgiriya, Ceylon, 5. Jh. Buddha und Dhanadā, Wandmalerei, Ladakh, Kas’mir, Kloster Alchi, 11./12. Jh. Govardhan, Fürst von Guler, Miniatur, um 1750 Allahabad Miniatur aus Madhya oder Uttar Pradés, Laur und Canda, um 1550/75, Manchester, Ryland Library CHINESISCHE KUNST Höfische, literarische Kultur eines zentralisierenden, konservativen Beamtenstaats über einer bäuerlichen Massenbevölkerung. Höchste Kunst ist die Schrift und die Tuschmalerei, alles übrige nur Erzeugnisse von geübten Handwerkern. Kunst der schönen markanten Linie nicht des Raumes, eher lyrisch als dramatisch.: „Die Sehnsucht nach Wäldern und Bächen und der Gesellschaft von Wolken und Nebelfetzen sucht ihn (den Städter) in seinen Träumen heim. Die Hand des Künstlers kann ihm diese Träume vor Augen führen, so daß er ohne das Haus zu verlassen sich über Täler und Bäche freuen kann“ (Kuo Hsi, 11. Jahrhundert).Malerei auf Rollen (Seide,Papier) Holzbaukunst entwickelt Hallen zum Durchschreiten in der Querachse. Gartenkunst erfüllt Landschaftsträume. Kunstgewerbe: Bronze seit 1500 v.Chr, Lackschnitzerei; Porzellan seit 500v.Chr., Seidenzucht und Weberei, Vorbild für islamische, byzantinische und europäische Kunst Epochen der Geschichte Bäuerliche Feudalstaaten zusammengefaßt zwischen Huang Ho und Jangtsekiang unter den Dynastien Shang 1500-1050 Aus Innerasien kommen Pferde und Wagen) Tschou 1050-249 (Philosophie Laotse, Kung fu tse), Streitende Reiche 480-206 Han 206 v.Chr.-220n.Chr. Buddhismus aus Indien, Bau der Mauer gegen Hunnen, Turkvölker, Mongolen, Kaiser Sohn des Himmels, Theokratischer Beamtenstaat (Mandarin) Tang 618-906 (Weltreich von Korea- Kaspisches Meer, Tibet) Sung 960-1279 Yuan (Kublai Khan) 1280-1368 Ming 1368-1644 26 Mandschu (Tsing) 1644-1911 Karte China Höhlentempel von Yün-Kang, Provinz Shansi, Ansicht von West, ca. 460/480 Kamel am Weg zu den Grabstätten der Ming-Kaiser bei Ch’ang-p’ing, Provinz Hopei, 2. H. 15. Jh. Ch’êng-tê-fu (Tempel der Ewigen Zuflucht), Manchurei, Yung-yu-ssŭ, Ansicht von Südost von 1751/64, Peking, PR of China Peking, Ku Kung, Kaiserpalast, Gesamtplan, Peking PR of China Pinselhalter mit Jagdschnitzerei, zwischen 1662 und 1722, Genf, Privatsammlung Kaiser Hui-tsung, Der fünffarbige Papagei, Rollbild, 1107/1126, Boston, Museum of Fine Arts Su Han-ch’ên, Dame am Frisiertisch, 1. Hälfte 12. Jh., Boston, Museum of Fine Arts Ch’in Ying, Kaiser Kuang-wu, eine Furt durchschreitend, 2. Viertel 16. Jh., Ottawa, National Gallery of Canada Dampfkochgefäß vom Typ Hsien, um 2000 v. Chr., Stockholm, Östasiatisk Museet Sakralgefäß vom Typ Kuang, 11./12. Jh., San Francisco, M.A. de Young Memorial Museum Sitzender Lohan, 11./12. Jh., Philadelphia, Museum of Art Peking, Ku Kung, Kaiserpalast, T’ai-hotien, Ansicht von Süd, um 1700 Unbekannter Meister, Würdenträger, 2./3. Jh., Boston, Museum of Fine Arts Anonym, Winterlandschaft, Rollbild, 12./13. Jh., Kyōto Chao Yen zugeschrieben, Frühlingsausritt, 1. Viertel 10. Jh., Taipei, Taiwan Sesshū, Herbst, 2. Hälfte 15. Jh., Tokyo, Nationalmuseum Korea Halbinsel von China durch Gebirge getrennt, mit japanischen Inseln durch das Meer verbunden. Reich angeblich seit 3. Jahrtausend, 180 v.Chr. unter Chines. Herrschaft, danach selbständig, seit dem 13.Jh. unter mongolisch-chinesischer Oberhoheit, streng abgeschlossen, 1910 von Japan besetzt. Vase, Mitte 14. Jh., London, Victoria and Albert Museum Sākyamuni im Höhlentempel von Sŏkkulam, Korea, Mitte 8. Jh. Flaschenförmige Vase, 13. Jh., London, University Percival David Foundation Sākyamumi-Pagode, Pulguk-sa, bei Kyŏngju, 2. Hältfe 8. Jh., Korea Japan 1.Jh. v.Chr Dschimmu Tenno begründet Inselreich, 5. Jahrhundert Übernahme der chinesischen Schrift und des Buddhismus, Heianzeit 784-1192 Beamtenstaat, 27 höfische Kultur, danach innere Kriege, Shogune(Kronfeldherren vereinigen zivile und militärische Macht, seit 1600 Abschottung gegen Ausland, Öffnung der Häfen von USA 1854 erzwungen, rasche Industrialisierung und Modernisierung, Eroberung von Korea und Manschurei. Japanische Kunstauffassung visuell und taktil, weniger intellektuell, literarisch als in China. 1765 Erfindung des Farbholzschnitts in Zusammenarbeit von Verleger, Zeichner, Plattenschneider, Drucker; große Wirkung auf europäische Kunst um 1900. Shinya Kushiji, Indara-Taisho, um 726749 Yokohama, Rinshunkaku, im Park Sankei-en, um 1600 Katsura, Kaiserliche Villa, Goten, Innenräume, 1620/53 Wandbehang, spätes 7. Jh., London Victoria and Albert Museum Kitagawa, Utamaro, Erwiderte Liebe, um 1794, Münster, Sammlung Theodor Scheiwe Rushana-Konfiguration , 3. Viertel 8. Jh., Tōshodaiji Nanzenji, Garten der Abtwohnung, Anfang 17. Jh. Nara, Yakushiji, Gründung 680, Holzschnitt der Edo-Zeit nach älterer Vorlage Picknick-Kasten von Kōami Nagashige, 1. Hälfte 17. Jh., Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe Ando Hiroshige, Pflaumengarten von Kameido Nō-Gewand, Karaori, 17./18. Jh., Nagoya 10. ROM, BYZANZ Epochen und Räume 753 v.Chr.Königszeit, Gründung der Stadt Rom 8.-2. Jh. Etrusker in Mittelitalien, Griechen in Süditalien, Stadtstaaten 510-44 v.Chr. Republik, Rom wird zur Hauptstadt Italiens, erobert im Kampf gegen Gallier Norditalien, im Kampf gegen Karthager Sizilien und Spanien 44 Tod Caesars, Gallien, Griechenland, Asia und Africa sind römische Provinzen Beginn der Kaiserzeit, griechische Kultur als Vorbild Ausbreitung und Verfolgung des Christentums, ab 313 Zulassung 330 Neugründung von Konstantinopel (Byzanz, Ostrom), Beginn eines staatlich geförderten Kirchenbaus: in Rom St. Peter, St. Paul vor den Mauern, Lateran, S.Constanza 395 Christentum wird Staatsreligion, Reichsteilung: Westrom (-476): Italien, Gallien, Spanien; Goten in Italien, Franken in Gallien Ostrom: Griechenland, Dalmatien, Anatolien, Ägypten, Syrien 632 Beginn der islamischen Eroberung in Afrika, Spanien, Syrien 725-787 Bilderstreit im oströmischen Reich 800 Karl, König der Franken und Langobarden, wird von Papst Leo III. zum Kaiser von (West)Rom gekrönt, Karolingische Renaissance 28 787-1204 Mittelbyzantinische Zeit, Makedonische Renaissance 1054 Schisma der lateinischen (Katholischen) und griechischen (Orthodoxen) Kirchen, Rußland (Reich von Kiew) wird orthodox, Gründung von Klöstern 1204 Eroberung von Konstantinopel auf viertem Kreuzzug durch Venezianer und fränkische Kreuzritter, lateinisches Kaisertum 1261-1453 Spätbyzantinische Zeit, Dynastie der Palaiologen, deren Herrschaftsgebiet von Osmanen zuletzt auf das Stadtgebiet reduziert wird 1453 Mehmet II erobert Konstantinopel, Moskau löst nach Mongoleneinfällen Kiew als Hauptstadt Rußlands ab und beansprucht das religiöse und politische Erbe Konstantinopels als drittes Rom Es geht heute zunächst um die Kunst einer Stadt, die im Jahre 753 v. Chr. gegründet wurde und heute 2,7 Mill Einwohner hat. Die Ackerbürgerstadt auf sieben Hügeln am Tiber wurde zum Zentrum eines Weltreichs, das von Ägypten bis Britannien alle Anrainerstaaten des Mittelmeers und des Schwarzen Meers, umfaßte und im Raum von Rhein und Donau weit über die Alpen hinausgriff. Die Stadt Rom wurde 330 von Kaiser Konstantin als zweites Rom an der Stelle der griechischen Kolonialstadt Byzantion am Übergang von Europa nach Asien neu begründet. Dieses (Ost)Rom wurde zum Zentrum eines Reichs und einer Kultur, die wir oströmisch oder byzantinisch nennen. Nach dem Fall der Stadt und der Eingliederung des Reichsgebiets in das Osmanische Reich beanspruchte der Zar (Caesar) von Rußland das Erbe Ostroms als drittes Rom an der Moskwa.. Als Nachfolger Caesars verstanden sich auch die Kaiser des Westens von Karl dem Großen bis Franz Joseph, aber auch Napoleon, Wilhelm II. und Bedel Bokassa. Abgesehen von Kaisertitel und Weltreichsanspruch lebt die Romidee in der römischkatholischen Kirche weiter. Darum scheint es berechtigt der Kunst Roms soviel Zeit einzuräumen wie der Kunst von China und Indien. Die Etrusker, Einwanderer in Italien im 8. Jahrhundert,entfalten die erste Hochkultur mit einem System von Stadtstaaten und ihrem Totenkult, der uns zahlreiche Werke griechischer Kunst überliefert hat. Die Kunst der Römer wurzelt im Ahnenkult: Die Wachsmasken der Verstorbenen wirken als Vorbild für eine realistische, von der Haut her empfundene Portraitkunst, die das Gedächtnis des Menschen auf Gesicht und Namen reduziert. Die Kunst hat Züge des Bäuerlichen, Soldatischen, veredelt sich durch Übernahme griechischer Formen in der Zeit des Augustus. Seit 300 zunehmend Vereinfachung der Form (Barbarisierung) und Spiritualisierung (Himmelnder Blick). Der Kult vollzieht sich mehr in Innenräumen als in Griechenland, fordert große überdachte Kulträume. Die Römer entwickelten den Ziegelbau, die Wölbesysteme von Bogen, Tonne und Kuppel, die Verbindung von Säule und Bogen (am Tabularium), errichteten gewaltige Ingenieurbauten: Zirkus, Bäder, Markthallen, Tore, Brücken, Wasserleitungen, Palastanlagen und planten große Städte im ganzen Reich. Sie übernahmen und vermittelten die Kultur des Hellenismus nach Westeuropa und schufen im Imperium Romanum eine Staatsform, die für zwei Jahrtausende Vorbild blieb. (Bundesadler) Ihre Erben sind die christlichen Staaten in Europa und die islamischen Staaten im Osten und Süden (Städtebau, Bäder, Wölbung, Ziegelbau, Mosaik). 29 Etruskische Grabgruppe, um 520 v. Chr., Rom, Museo Nazionale di Villa Giulia Cerveteri, Banditaccia Nekropole, Tomba dei Capitelli, Vorhalle, etruskisch, Ende 6. Jh. v. Chr. Kapitolinische Wölfin, 2. Viertel 5. Jh. v. Sarkophag des Kaisers Balbinus, OpferChr., Rom, Palazzo dei Conservatori Hochzeitsszene, um 240 n. Chr., Rom, Museo Pretestato Arringatore (Aulus Metellius), 1. Viertel 1. Statue des Augustus, zw. 20 n. und 17 v. Jh. n. Chr., Florenz, Museo Archeologico Chr., Rom, Vatikan Porträtbüste des C. Volcacius Porträtkopf eines Mannes, 2. Viertel 1. Myropnous, um 60/70 n. Chr., Ostia, Jh. v. Chr., Chieti Scavi Mueo Porträtbüste des Marc Aurel, zw. 160 und Porträtkopf eines Mannes, sog. Eutropio, 169 n. Chr., Tripolis 1. H. 5. Jh. n. Chr., Wien, KHM Porträtbüste einer Dame, 110/20 n. Chr., Kopf einer Kaiserin, 490/530 n. Chr., Kansas City, Miss. Atkins Museum of Rom, Palazzo dei Conservatori Fine Art Kaiser-Statue, 1. H. 5. Jh. n. Chr., Porträtkopf Konstantin des Großen, Barletta 330/40 n. Chr., Rom, Palazzo dei Conservatori Rom, Kolosseum, flavisches Rom, Kolosseum, flavisches Amphitheater, 80 n. Chr. Amphitheater, 80 n. Chr. Grabmal der Haterier bei Centocello: Timgad, Ansicht einer röm. Stadt, Grabbau und Baukran, Ende 1. Jh. n. gegründet Anfang 2. Jh. n. Chr. Chr., Rom Museu Profano Latino Rom, Ehrenbogen des Septimius Tivoli, Villa Hadriana, zw. 118-134 n. Severus, Forum Romanum, 203 n. Chr. Chr., Modell Thessaloniki, urspr. Mausoleum des Trier, Palastaula, um 310 n. Chr. Galerius, 4. Jh. n. Chr., heute: Hagios Georgios Rom, Mausoleum der Constantina, S. Rom, S. Maria Maggiore, 3. Jahrzehnt 5. Costanza, 2. Viertel 4. Jh. n. Chr. Jh. n. Chr. Triumphzug vom Triumphbogen des Ara Pacis, Tellus- und Rankenrelief, 13/9. Titus, nach 81 n. Chr., Rom v. Chr., Rom Römischer Soldat und Orientale am Konstantinsbogen, Kaiser Hadrian auf Ehrenbogen des Septimius Severus, 203 Löwenjagd, 128/38 n. Chr., Rom, Forum n. Chr., Rom, Forum Romanum Romanum Villa dei Misteri, Mysterienfries, um 50 v. Casa dei Vettii, sog. Ixionszimmer, zw. Chr., Pompeji 70/90 n. Chr., Pompeji Villa Farnesina, Cubiculum, um 19 v. Villa di Livia bei Primaporta, Chr., Rom, Museo NazionaleRomano Gartenlandschaft, um 30 v. Chr., Rom, Museo Nazionale Romano Mosaikzyklus in S. Maria Maggiore: Villa Hadriana, Tivoli, Landschaft mit Abraham und die drei Engel, zw. 432/440 Tierkampf, 1. H. 2. Jh. n. Chr., Rom, n. Chr., Rom Vatikan Mithras als Stiertöter, Santa Maria di Orpheus, Katakombe SS. Marcellino e Capua Vetere, Mitte 2. Jh. n. Chr. Pietro, Ende 4. Jh. n. Chr., Rom Malerei in der Katakombe SS. Marcellino Arcosolium mit 12 Aposteln, 2. Viertel 3. e Pietro, um 30 n. Chr., Rom Jh. n. Chr., Rom, Hypogäum, Viale Manzoni 30 Die byzantinische Kunst ist der „Kühlschrank der Antike“, sie bewahrt zunehmend trocken d.h. graphisch, linear werdende Kunstformen des römischen Reichs und des Hellenismus, die in Westeuropa von den Germanen zunächst vernichtet, dann aber aus Byzanz übernommen und adaptiert wurden, vor allem im 10. und 13. Jh. Die byzantinische Kunst ist imperial und spirituell, sie verherrlicht hoheitsvoll den Kaiser und entsteht im Hinblick auf das Himmelreich. Wichtigste Aufgabe der Architektur ist die Kreuzkuppelkirche (fünf Kuppeln auf dem Grundriß eines Kreuzes), die von Venedig bis Moskau das Gesicht unzähliger Städte und Dörfer bestimmt. Skulptur spielt im Vergleich zum westeuropäischen Mittelalter eine geringere Rolle, kommt fast nur im kleinen Format, als Elfenbein- oder Silberrelief vor, um so weiter ist das Feld der Malerei, an Wänden, Gewölben, als Fresko oder Mosaik, in der Buchmalerei und Tafelmalerei, vor allem den Ikonen. Ikonen, entstanden aus ägyptisch-römischen Mumienportraits, sind „Fenster zum Himmel“. Im Bilderstreit (Ikonoklasmus) setzt sich die Auffassung durch, daß im Abbild etwas vom Wesen des Urbilds gegenwärtig sei; deshalb werden Ikonen nach Vorbildern, unter Gebet geschaffen, beschriftet, geweiht und verehrt. Sie benützen, ebenso wie Mosaik und Buchmalerei, den Goldgrund als Zeichen des ewigen Lichts. 11. ISLAMISCHE KUNST Epochen und Räume 622 Hedschra, Mohammed flieht aus Mekka nach Medina, Beginn der islam. Zeitrechnung 632 Tod Mohammeds Omajaden, Kalifen in Damaskus, 661-750 Eroberung von Palästina, Syrien, Nordafrika, Spanien, Zentren Damaskus, Cordoba (-1010), Jerusalem Abbasiden, Kalifen in Bagdad, Eroberung von Iran, Turkmenistan Fatimiden in Ägypten 10-11 Jh. Mameluken 1250- 1500 (Ägypten, Syrien) Seldschuken 11.,12. Jh.(Iran, Anatolien) Timuriden 13. Jh. (Mongolen, Innerasien) Osmanen 14.-19. Jh. (Türkei, Nordafrika, Osteuropa) Moghulkaiser (Indien 1554-1877) Zeitlich beginnt die heutige Vorlesung mit dem Jahr 1 der islamischen Zeitrechnung, welches dem Jahr 622 nach Christi Geburt entspricht. In diesem Jahr floh der Prophet Mohammed von Mekka nach Medina, wo er 632 starb. Islam heißt auf Deutsch Ergebung an Gott. Er beruht auf fünf Pfeilern: dem Glaubensbekenntnis: Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist der Gesandte Allahs. Dem Gebet, das fünfmal am Tag in Richtung Mekka zu sprechen ist. Dem Almosen. Dem Fasten im Monat Ramadan und der Pilgerfahrt nach Mekka. Die heilige Schrift des Islam ist der Koran, indem die an Mohammed ergangenen Offenbarungen festgehalten sind. Wie das Judentum und das Christentum ist der Islam eine Buchreligion, gegründet auf heiliger Schrift und eine Offenbarungsreligion. Das heißt die heilige Schrift wird 31 als Wort Gottes verehrt. Das unterscheidet die drei Religionen von anderen, die sich auf weise Lehrer wie Buddha oder Zoroaster oder Karl Marx berufen. Mit Christentum und Judentum hat der Islam vieles gemeinsam und hebt sich in einer Weise davon ab, die seine Kunst wesentlich bestimmt. Geographisch umfaßt diese Stunde einen Raum der von Mekka aus nach Norden Syrien und die Türkei, nach Osten Irak, Iran, Afghanistan, Turkmenistan, Usbekistan , Pakistan, Indien, Malaysia, Indonesien, nach Süden Sudan und Sansibar, nach Westen Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko und Spanien umfaßt. In Spanien ging die islamische Herrschaft 1492 zu ende. Nach Indonesien kam der Islam erst im 18. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Alle diese Länder hatten vor der islamischen Eroberung eine reiche Geschichte und Kunst, die in jeweils anderen Zusammenhängen zu besprechen ist oder schon besprochen wurde. Ich möchte heute vor allem das Gemeinsame dieses großen islamischen Kulturraums betonen und die Frage nach den Wurzeln in der arabischen, griechischen, christlichen, altiranischen oder mongolischen Tradition zurückstellen. Man könnte die islamische Kunst wie übrigens fast jede Kunst auf der Welt als Summe ihrer Importe, Einflüsse, Inkulturationen darstellen. Die Kraft der Assimilierung ist eine wesentliche kulturelle Kraft und kein Zeichen von Schwäche, wie gelegentlich autoritär behauptet wird. Wir beginnen mit dem Schriftzeichen La ila illa Allah Es gibt keinen Gott außer Gott, geschrieben in der im 9. Jahrhundert ausgeprägten kufischen Schrift, bei welcher die Oberlängen der Buchstaben Lam und Alif ornamental verlängert sind. Aber das Wort ornamental ist zu schwach. Natürlich schmückt eine solche über die Distinktion der Lautzeichen hinausgehende Verlängerung. Aber zugleich gibt sie dem Geschriebenen Größe, Kraft, Feierlichkeit und eine Anbindung nach oben, so als wollte jeder Buchstabe zum Himmel vorstoßen. Schriftzeichen und gerade diese sind in der islamischen Kunst allgegenwärtig. Sie erscheinen in der Architektur, als farbiges Mosaik, als Stuckband, auf Ampeln, in Teppichen, Fayencen, in Holz geschnitzt in Gittern und Wandvertäfelungen und natürlich auch in Büchern. Aber dort erwarten wir Schrift; für die islamische Kunst charakteristisch ist das Hinauswachsen der Schrift aus der Heiligen Schrift, die Allgegenwart von Schrift. Sie nimmt eine weit größere künstlerische Bedeutung in Anspruch als bei den Christen, weil der Islam das Verbot von Gottesbildern in der jüdischen Torah, dem Alten Testament der Christen auf das Verbot von Bildern aller Lebewesen ausdehnt. Es ist dem Gläubigen verboten, Bilder von Lebewesen anzufertigen, weil er sie nicht lebendig machen kann und das wird beim Weltgericht von ihm gefordert. Ausnahmen vom Bilderverbot in der islamischen Kunst in Iran und Indien waren Zugeständnisse an herrscherliche Selbstdarstellung und adelige Repräsentation, die im Innern von teuren Büchern dem einfachen Volk nicht zugänglich waren. Dort wo Bilder von Tieren und Menschen in Teppichen oder Stuckarbeiten vorkommen, sind sie so ins Ornament verwickelt, daß sie keine eigene Lebenskraft, wenn auch oft große Schönheit haben. Die islamische Kunst ist also mit bemerkenswerten Ausnahmen bildlos, aber keinesfalls bilderfeindlich. Die Stadtbilder von Istambul und Isfahan gehören zu den schönsten Stadtbildern der Welt. Aber wenn wir Stadtbild sagen, gebrauchen wir einen anderen Begriff von Bild als wenn wir von Abbildungen von Lebewesen sprechen. Dieser andere islamische Bildbegriff ist von unserem westeuropäisch-christlichen zu unterscheiden. Er ist ebenso anders wie sich die islamische Vorstellung von Raum, von Innen und Außen, von unserer unterscheidet. Wir werden darauf noch zurückkommen. Die Moschee Cordoba Die im Durchblick endlosen Arkaden der Moschee sind im Grundriß leicht zu zählen. Es sind 30 x 16 Stützen. Im Raum selbst gelingt das Zählen bis 480 nur mit Mühe, 32 weil man im Herumgehen immer wieder vergißt, welche Säulen man schon gezählt hat. Historisch ist der Säulenwald leicht zu erklären aus dem Wettbewerb mit den christlichen Kirchen. In Damaskus ließen die Omajadenkalifen mehrschiffige Kirchen in Moscheen umbauen. Die Kirchen waren der aufgehenden Sonne zu, also nach Osten orientiert. Dorthin liefen die Säulenstraßen. Von Damaskus aus aber liegt Mekka im Süden, darum mußte das Mihrab, die Nische für den Vorbeter, welche die Gebetsrichtung angibt, in die Südwand eingebaut werden. Die Längsschiffe bisher blickführend zielbewußt hierarchisch ausgerichtet wurden zu Querschiffen, in denen sich der Blick verliert. Die Säulen hörten auf Stationen auf einem Prozessionsweg zu sein, sie wurden in Licht und Schatten modellierte Zeichen der Unfaßbarkeit des Göttlichen. Diese für unsere Sehgewohnheiten Unfaßbarkeit tendiert zur endlosen Wiederholung. Und damit haben wir ein Hauptmotiv islamischer Kunst. Wenn Sie arabische Musik kennen und schätzen, wissen Sie daß diese auch zur endlosen Form tendiert. Während wir im Westen musikalische Formen wie die Sonate, Symphonie oder Fuge entwickelt haben, in denen musikalische Motive nach tradierten Regeln bearbeitet werden, in denen aus einem Wechsel der Tonarten und Tempi Verläufe komponiert werden, die einen deutlichen Anfang, die Introduktion, eine Durchführung, eine Reprise und ein sich deutlich ankündigendes Ende im Finale haben, ist die islamische Musik wie der Gesang der Vögel oder das Plätschern eines Baches ohne Anfang, Steigerung und Ende, in immer wieder variierten Wendungen. Von den übrigen kunstgewerblichen Fähigkeiten, die gleichzeitige Leistungen in Europa übertreffen, seien Arbeiten in Holz, Glas und Keramik mit einigen Beispielen vorgestellt. Als erstes der Erker eines Hauses in Kairo, ein Muschrabije. Er ist aus Holzplanken, Latten und Stäbchen zu einem Gitterwerk gefügt, das Licht und Luft ins Innere des Hauses gelangen läßt, aber die Frau, die in diesem Erker den Straßenraum betritt, völlig unsichtbar bleiben läßt. Ein derart verfeinertes System von Öffnung und Verschluß gibt es in der europäischen Architektur nicht, auch nicht den Ausschluß der Frau aus dem öffentlichen Raum. Es fällt mir schwer Ihnen diese Vergitterung der Frau als ästhetischen Wert darzustellen. Und zugleich wird damit deutlich wenn ich in der ersten Stunde von Kunstwissenschaft als Bildanthropologie sprach. Ein solcher Erker ist auch ästhetisches Zeugnis eines Frauenbildes, das nicht das unsere ist. Aber zunächst einmal ist er blickdichte, für Licht und Luft durchlässige Holzarchitektur, rhythmisch geordnet, reich verziert mit Bogen, Rosetten, und ineinander gefügten Rechtecken, die sich aus der Kreuzung der Gitterstäbe ergeben. Ähnlich kleinteilig und schmuckreich ist das meiste an Holzmobiliar in islamischen Städten. In Ägypten hat die Bearbeitung von Bergkristall und die Herstellung von Glas eine ins Altertum zurück reichende Tradition. Unter den Fatimiden blühte sie im 11.Jahrhundert wieder auf. Am meisten verbreitet sind die Moscheeampeln. Ich zeige ein Beispiel aus dem Berliner Museum, ein Glasgefäß mit Fuß und Henkeln zum Aufhängen mit einem Reliefdekor, der eine Inschrift auf den Sultan Nasr ed Din enthält. Die Schriftzüge sind blau emailliert, das heißt es ist blaues Glaspulver aufgeschmolzen. In Europa, das eine derartige Glaskunst im Mittelalter nicht kannte, hat man fatimidische Gläser oft für Edelsteine gehalten und in Schatzkammern aufbewahrt. Die venezianische Glasindustrie eiferte seit dem 15. Jahrhundert solchen islamischen Vorbildern nach. Keramik ist ein Sammelname für alle von Menschen aus Erde, Ton, Lehm, Kaolin u.a. hergestellten Produkte als erstes Gefäße vom Ölkrug bis zur Porzellantasse, dann Backsteine, Bodenplatten und Fliesen. In Ägypten und Mesopotamien stellte man seit dem 2. Jahrtausend vor Christus farbig glasierte Fliesen zur Verkleidung von Palästen und Tempeln her. Glasiert, das bedeutet der Scherben wird auf einer 33 Seite mit einer farbigen Schicht überzogen, die wie Glas aufgeschmolzen werden kann, den Scherben zum Glänzen bringt und wasserfest und staubabweisend macht. Ich zeige als Beispiel eine türkische Schale aus Iznik im Berliner Museum, in der auf weißem Grund in blau, rot und grün eine in der Natur nicht existierende, das Rund spannungsreich füllende Blütenpflanze aufgemalt ist. Ich zeige als Beispiel Aufnahmen aus Ispahan im Iran. Die Stadt war königliche Residenzstadt unter der Dynastie der Safawiden, im 16. und 17. Jahrhundert. Eine wahrhaft königliche Residenz, die es ohne weiteres mit dem Vorbild aller europäischen Residenzstädte mit Versailles aufnehmen konnte.Im Zentrum der Stadt liegt der Meidan i Shah der Königsplatz, ein langes Rechteck, eingerichtet für das königliche Polospiel mit heute vernachlässigten Wasserbecken und Gartenanlagen. An ihn schließt sich westlich ein königlicher Garten mit mehreren Schloßbauten, südlich die große Freitagsmoschee, deren Gebetsrichtung nicht mit der Platzrichtung übereinstimmt, Sie ist deshalb geknickt gebaut. Ihre hohe Fassade ist Teil der Platzwand, dahinter knickt der Bau Richtung Mekka ab. An der Ostseite die kleinere Frauenmoschee, an der Nordseite der Basar. Optisch wird das Stadtbild von glasierten Fliesen bestimmt. Neben der Moschee sind wesentliche Bauaufgaben islamischer Baukunst, die Medrese, die Koranschule, der Basar, ein Geviert überdeckter, meist überwölbter Straßen mit seitlichen Kammern und einem gemeinsamen Eingang, die Karawanserei, ein Hof mit einer Zellenumbauung in zwei oder drei Geschossen und Brücken. Der aus gefärbter Wolle geknüpfte Teppich ist in der islamischen Kunst keine Bodenauslegeware. Auf ihn tritt man nicht mit Straßenschuhen, auf ihn stellt man keine Möbel. In den Wohnungen ist der Teppich die Der aus gefärbter Wolle geknüpfte Teppich ist in der islamischen Kunst keine Bodenauslegeware. Auf ihn tritt man nicht mit Straßenschuhen, auf ihn stellt man keine Möbel. In den Wohnungen ist der Teppich die Sitzgelegenheit für Bewohner und Gäste, die mit Kissen und Decken leicht zur Ruhegelegenheit, zu Sofa, Diwan, Ottomane und Bett ausgebaut werden kann. Mit Teppichen bedeckt sind die Böden aller Moscheen, in denen sich der Moslem zum Gebet auf den Boden wirft. Auf Reisen hat der Moslem seinen Gebetsteppich dabei, den er fünfmal täglich nach Mekka ausrichtet um zu beten. Diese Gebetsteppiche mit dem Bild des Mihrabs, der Gebetsnische, sind quasi tragbare Moscheen. Damit haben wir einen der Hauptvorzüge des Teppichs vor unseren Holzmöbeln benannt. Teppiche kann man zusammenrollen und überall hin mitnehmen. In der Geschichte vom fliegenden Teppich wird diese Eignung zum mühelosen Transport ins Märchenhafte überhöht. Teppiche als Grundausstattung des Habitat sind ein Erbe der Nomaden. Nomaden ziehen mit ihren Herden und Zelten dem Vegetationszyklus nach wie Zugvögel. In den ariden Landschaften Arabiens und Mittelasiens konnte vor den Techniken der Landbewässerung nur der Nomade überleben. Das Erbe der wüstenbewohnenden Nomaden spielt in der Kultur des Islam eine entscheidende Rolle, neben dem Erbe aller eroberten Länder zwischen der Mongolei und Spanien. Der Reichtum des Nomaden sind seine Herden, von ihnen hat er Fleisch und Milch und Wolle im Überfluß von Kamelen, Schafen, Ziegen. In Ägypten stießen die islamischen Eroberer auf die Textilkunst der Kopten mit ihren farbigen Bildern, in Turkestan auf die Knüpftechnik, die durch die Dynastien der Seldschuken und Osmanen in Persien, Anatolien und Ägypten verbreitet wurden. Die ältesten Zeugnisse findet man im Westen, weil hier die Teppiche als kostbare Sammlerstücke vor Abnutzung und Verschleiß geschützt wurden. (Dia Holbeinteppich, Wiener Jagdteppich) 34 Außer für Teppiche wurden Stoffe für Zelte, Kissen, Decken und Kleider gebraucht. Ehrenkleider waren Geschenke der Herrscher vergleichbar unseren Orden. Die Textilwerkstätten der Sassaniden in Persien, der Syrer, Ägypter und Byzantiner wurden nach der islamischen Eroberung weiter entwickelt. Ihre Produkte weltweit gehandelt. Vom durchsichtigen Batist bis zum goldstrotzenden Prunkkleid wurde ein textiler Luxus betrieben, der für die in Leder, Leinen und Eisen gekleideten Kreuzritter unvorstellbar war. Vor allem in der Toscana, in Lucca und Florenz, und in Flandern, in Brügge, Ypern und Gent versuchten europäische Weber vergeblich gleichwertige Waren zu produzieren. Von dieser Textilindustrie ging ein wesentlicher Innovationsschub für die europäische Wirtschaft, für Geldwesen und Städtebau aus, der innerhalb der Kunst zur Renaissance und damit zur Neuzeit führte. Jerusalem, Felsendom, 691/92 Jerusalem, Felsendom, 691/92 (Innenansicht) Eberjagd, Tāq-i Bustān, sog. großer Ivān, Stilisiertes Pflanzenmotiv, Jerusalem, Felsrelief, 5. Jh. Felsendom, Mosaik, 691/92 Badende Frau, Wandmalerei in Qusair Fassadendekor in Qasr al-Mšattā, 2. ‘Amra, Tepidarium, 2. Viertel 8. Jh. Viertel 8. Jh., Berlin, Staatl. Museen, Islamisches Museum Qasr al-Mšattā, Basilikale Halle, 2. Viertel Qusair ‘Amra, 2. Viertel 8. Jh. 8. Jh. Rom, S. Sabina, 1. Hälfte 5. Jh. n. Chr. Fustāt (Alt-Kairo), Moschee des ‘Amr, Gebetssaal, 827 Córdoba, ehem. große Moschee, Córdoba, Große Moschee, Anlage Gründungsbau, 785-787 Hakam II., Fassade vor dem Mihrab, 965 Damaskus, Große Moschee, um 715 Kairo, Moschee des Sultans Ibn Tūlūn, Mihrab und Minbar, 876/77-879 Istanbul, Süleymaniye Cami, begonnen Istanbul, Hagia Sophia, 532-537 1550 Arabisches Relief Istanbul, Hagia Sophia, Innenansicht, 532-537 Sultānīya, Grabmal des Tlhāns Olğaitü, Kairo, Moschee des Sultans Ibn Tūlūn, 1307-1313 876/77-879 Ansichten aus Isfahan, safawidische Ansichten aus Isfahan, safawidische Residenzstadt Residenzstadt Rosenwasser-Spritzflasche, Siraz, 18./19. Am Hof des Prinzen Bāysungur, „Kalifa Jh., New York, Metropolitan Museum wa Dimna“, Istanbul, Topkapi Bibliothek Ansichten aus Isfahan, safawidische Residenzstadt Vasenteppich, Iran, 17. Jh., London, Victoria and Albert Museum 12. MITTELALTER Der Begriff Mittelalter stammt aus der Neuzeit, aus einer Zeit, die sich überlegen dünkte und gleichrangig an die Kultur des Altertums anschließen wollte. Den Zeitgraben, der sie vom Altertum trennte, nannten die Intellektuellen der Neuzeit 35 Mittelalter. Auf Westeuropa bezogen kann man die Jahre 500-1500 als Grenzen angeben: 500 Völkerwanderungszeit: Franken besetzen das nördliche Gallien, werden Christen, Dynastie der Merowinger. In Italien herrschen die Goten (Theoderich), dann die Langobarden, in Deutschland bilden sich die Stammesherzogtümer der Schwaben, Franken, Thüringer, Sachsen, Baiern. In England wandern Angeln und Sachsen ein. In Spanien herrschen die Westgoten bis 711 dann die Omajaden, langsame christliche Rückeroberung von Norden her. Die Slawen siedeln in Polen, Böhmen, auf dem Balkan. Aus Osten fallen die Hunnen ein,(5.Jh.) später die Awaren (7.Jh.) schließlich die Ungarn, die seit 955 im Donauraum ( Dacien) seßhaft werden, aus Norden die Normannen (Wikinger), die seit 900 in der Normandie seßhaft werden und von dort aus England, Sizilien und Unteritalien erobern und den russischen Staat gründen (Kiewer Rus). Christianisierung Europas, Ausbau von Bischofssitzen, Klöstern und Pfarreien. Klöster sind die wesentlichen Träger einer lateinischen Schriftkultur. Die Klosterregel des hl. Benedikt von Nursia führt zur Heiligung der Arbeit, erzwingt Organisation des Zusammenlebens und der Architektur. Sie wird von Kaiser Karl für alle Klöster im Reich vorgeschrieben: Musterplan von St. Gallen. 800 Karolingische Renaissance. Römische Kultur als Vorbild im ganzen Reich Karl des Großen. Angeregt durch politische und kirchliche Strukturen entstehen Kunstlandschaften um Klöster, Bischofssitze und Städte, die nicht mit heutigen Grenzen übereinstimmen. Die Kunst, die wir im heutigen Italien finden, ist römisch, lombardisch, toskanisch, venezianisch, neapolitanisch. Die Kunst im Raum von Maas, Mosel, Schelde wäre nach heutigen Maßstäben belgisch, deutsch, französisch, niederländisch: Ihre Hauptwerke heute in Lüttich, Köln und Klosterneuburg bei Wien. Auch der Bodenseeraum bildete mit dem Oberrhein eine Kunstlandschaft von St.Gallen über die Reichenau, Konstanz, Basel, Colmar, Freiburg bis Straßburg. Kirchen erhalten Türme, werden hoch und eng, viele Altäre in stark differenzierten Teilräumen: Chören, Schiffen, Emporen. 900 Ottonische Kultur, Frankreich und England von Normannen verwüstet, Deutschland von Ungarn. Verfall und Neubeginn. Vergeistigung des Menschenbildes. (Nieder-)Sachsen wird zum Kulturraum, Beziehung zu Ostrom (Magdeburg, Hildesheim, Naumburg) Buchmalerei der Reichenau. 1000 Romanische Kunst. Dome in Speyer, Worms, Mainz, Im Kirchenbau, dreischiffige Basiliken mit Wandmalerei und bemalten Holzdecken, setzt sich um 1100 die Wölbung (Tonne/Kuppel) durch. Bauskulptur an Portalen und Kapitellen, seit 1000 vor allem auf der Pilgerstraße nach Santiago de Compostela, Galizien, Asturien, Kastilien, Katalonien, Provence; Kirchen sind Gottesburgen mit starken Mauern (Massenbau). Wandmalerei. Feudalisierung der europäischen Gesellschaft: Adel, Ritter, Wappen, Minnedienst, Kreuzzüge und Wallfahrten verbinden die europäischen Länder untereinander in regem Austausch aber auch mit der islamischen Welt. In der gregorianischen Reform und im Investiturstreit treten Kirche und Staat auseinander, Unterscheidung von Religion und Politik (nur in Westeuropa). In der seit 1054 getrennten Ostkirche wird Kaiser zum Kirchenherrn, in Rußland bis 1917, ähnlich Kalif, Herrscher aller Gläubigen. 1200 Gotische Kunst In der Ile de France entsteht aus normannischen, burgundischen und provenzalischen Vorbildern die gotische Kirchenkunst mit Kreuzrippengewölbe über Spitzbogen und Strebepfeilern im Wettbewerb der Klöster und Bischofskirchen in und um Paris, St. Denis, Reims, Laon, Chartres, Amiens. Sie 36 wird zum Vorbild für ganz Westeuropa von Schottland bis Böhmen und Kastilien. Kirchen stellen das Himmelreich dar, so leicht und licht wie möglich. Die Wände durch Pfeiler und Fenster ersetzt (Gliederbau): Glasmalerei, das farbige Licht erzählt von Gott und den Heiligen. Zisterzienser verbreiten Gotik und landwirtschaftliche Techniken (Weinbau etc.) über Europa. Systematisierung von Architektur und Bildung (Scholastik), arbeitsteilige Gesellschaft. Städte lösen Klöster als Kulturträger ab. Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner) betreiben Stadtseelsorge durch Predigt. Kunst wird zum differenzierten Gewerbe. In Rom, Florenz und Venedig setzt sich die Gotik nur oberflächlich durch: Erneuerung der Wandmalerei (Cavallini, Giotto) und der narrativen Reliefkunst (Pisano). 1347 Spätgotische Kunst.(Der Pest fällt ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer.) Die religiöse Bewegung der Mystik führt zu Individualisierung, Emotionalisierung und Vergeistigung. Hallenkirchen mit Netzgewölben. 1400 Internationaler, Schöner Stil in ganz Europa, dann wieder landschaftliche Differenzierung. In Florenz Frührenaissance: Brunelleschi (A) Alberti (A+T) Donatello (B) Masaccio(M). Linearperspektive. In Florenz wird das Wort Gotik=Barbarisch geprägt. In Flandern Farbperspektive, Oberflächenrealismus in der Malerei (van Eyck, Rogier van der Weyden). In Deutschland große Schreinaltäre Multscher, Pacher, Riemenschneider, Leinberger, Veit Stoß. Druck von Bildern seit 1400, von Büchern seit 1445. Karte: Völkerwanderung Karte: St. Galler Klosterplan, um 800, St. Gallen Klosterbibliothek (Umzeichnung) Aachen „Münster“, um 800, Oktogon (von Aachen „Münster“ mit Kreuzgang, S/W), 798 im Rohbau vollendet, 805 Grundriß geweiht Book of Kells, Gefangennahme Christi, Prager Meister, Sechstagewerk, sog. Ende 8. Jh., Dublin, Trinity College Korczek-Bibel, um 1405, Wien ÖNB Library Evangeliar des Erzbischofs Ebo, der Codex Aureus von St. Emmeram, Evangelist Matthäus, Hautvillers (Reims), Zierseite, Hofschule Karls des Kahlen, vor 835, Epernay Bibliothèque Municipal 870, München, Bayer. Staatsbibl. Antiphonar von St. Peter, Hl. Drei Könige Codex Aureus Epternacensis, Illustration und Taufe, Salzburg um 1160, Wien, zum Matthäus Evangelium, Echternach Österreichische National Bibliothek um 1030, Nürnberg, Germanisches National Museum Meister der Katharina von Kleve, Hll. Evangelistar des Speyrer Doms, Traum Kornelius und Cyprian, Stundenbuch und Heimreise der Hl. drei Könige, Katharinas von Kleve, 1435/45, New Mittelrhein um 1197, Karlsruhe, Badische York, Pierpont Morgan Library Landesbibliothek Meister des Königs René, Sonneaufgang Meister der Maria von Burgund, am Glücksbrunnen, Livre du Coeur Kreuzigung Christi, Gebetbuch der Maria d’amour épris von René d’Anjou, um von Burgund, 1477-1482, Wien ÖNB 1465, Wien ÖNB Lorsch, Torhalle, Ansicht von West, 774 Reichenau, Oberzell, St. Georg, Blick von Ost, 890-896 (?) oder um 1000 37 Caen, St-Etienne, Südwand des Mittelschiffs, Blick von Nordwest, um 1065-1081 Maursmünster (Marmoutier), ehem. Abteikirche, Westfassade, Mitte 12. Jh. Périgueux, Kathedrale, nach 1120 Santiago de Compostela, Kathedrale, Südfassade des Querhauses, um 11001128 León, San Isidoro, Pantéon de los Reyes, Blick von Südost, 1054/67 Fassade von St. Trophime in Arles, um 1170 Chartres, West-Portal (Portal Royal), 12. Jh. Vézelay, Ste.-Madeleine, Blick von West, um 1120-1150 Luca, S. Michele in Foro, Ansicht von West, 1143-Anfang des 13. Jh. Prophetenfenster David und Hosea, Süddeutsch, 1. Drittel 12. Jh., Augsburg Hoher Dom Chartres Kathedrale Notre-Dame, Westfassade, 1134 – nach 1194 Chartres Kathedrale Notre-Dame, Aufriß und Querschnitt, 12. und 13. Jh. Chartres Kathedrale Notre-Dame, Strebepfeiler am Langhaus, 1134 – nach 1194 Grundrisse gotischer Kathedrale: Chartres (1194), Reims (1211), Amiens (1220) Chartres, Außenansicht Paris, Kathedrale Notre-Dame, Westfassade, um 1200- um 1245 Paris, Kathedrale Notre-Dame, Blick von West, um 11630- um 1225 Amiens, Kathedrale Notre-Dame, Mittelschiff-Südwand, Blick von Nordost, 1220-1233/36 Stift Heiligenkreuz im Wienerwald, 12. Jh., Luftbild Kloster Eberbach Wells, Som. Kathedrale, Block von West, geweiht 1239 Köln, Dom St. Peter und Maria, Ansicht von Ost, begonnen 1248 Naumburg, Dom St. Peter und Paul, Caen, St.-Etienne, Ansicht von West, um 1065-1081 Speyer, Dom, Ansicht von Ost, um 1030/61 und um 1080-1106 Worms, Dom, 11. Jh. und um 1200 Avila, Nordflanke der Stadmauer, Ansicht von Südwest, um 1090-1101 Santo Domingo de Silos, Kreuzgang, Nordflügel, Ende 11. Jh. Chartres, West-Portal (Portal Royal), 12. Jh, Mitte. Majestas Domini und Apostel Vézelay, Ste.-Madeleine, Hauptportal zwischen Vorkirche und Mittelschiff, um 1130 Florenz, Baptisterium S. Giovanni, um 1060-1150 Lesepult, Süddeutsch, Mitte des 12. Jh., Freudenstadt, Evang. Stadtkirche Saint-Denis, ehem. Abteikirche, Chorumgang, Südseite, 1141-44 Zeichnung: Gotisches Gewölbe Chartres Kathedrale Notre-Dame, Mittelschiff am Langhaus, 1134 – nach 1194 Chartres Kathedrale Notre-Dame, Strebebögen, 1134 – nach 1194 Zeichnung: Gotische Kathedrale, Schnitt Paris, Kathedrale Notre-Dame, Außenansicht, 12./13. Jh. Reims, Kathedrale Notre-Dame, Blick von West, 1211-um 1300 Stift Heiligenkreuz im Wienerwald, Klosteranlage Stift Heiligenkreuz im Wienerwald, Klosteranlage Salisbury, Wilts-Kathedrale, Ansicht von Südwest, begonnen 1120 Cambridge, King’s College Chapel, Blick von West, 1446-1515 Paris, Sainte-Chapelle, Oberkirche, Blick 38 Portal des Westlettners, um 1250 Naumburg, Dom St. Peter und Paul, Westchor, Stifterfiguren Ekkehard und Uta, um 1250 Straßburg, Münster Unserer Lieben Frau, Westbau, 1277-1439 Giotto, Verkündigung an die Hl. Anna, Padua, Arena-Kapelle, um 1304/05 Ulrich von Ensingen und Johannes Hültz: Münster in Straßburg, Nordturm, vollendet 1439 Masaccio: Schattenheilung, Fresko, Florenz, S. Maria del Carmine, um 1428 Rogier van der Weyden, Bildnis einer jungen Frau, um 1455/60, London, National Gallery Wirkteppich aus der Folge „Dame mit Einhorn“, Brüssel, um 1480/90, Paris Musée de Cluny Christus-Johannes-Gruppe, Oberschwaben, um 1330, Berlin, SMPK Nürnberg, Schöner Brunnen und Frauenkirche, Ansicht von Südwest nach 1349 von West, 1243/48 Triumphkreuz, Halberstadt Dom St. Stephan, um 1220 Bamberger Reiter am Georgenchor, Bamberg, Dom St. Peter, um 1225/37 Freiburg i. Br., Münster Unserer Lieben Frau, Westturm und Helm, nach 1301 Florenz, S. Croce, Blick von West, beg. 1294/95 Duccio, Die Passion Christi, Ausschnitt aus Maestas-Altar, 1308/11 urspr. im Dom S. Maria in Siena, heute Siena, Museo dell’Opera Filippo Brunelleschi, S. Maria del Fiore, Florenz, Ansicht von Südost, vollendet 1434 (bis zur Laterne) Jan van Eyck, Arnolfinihochzeit, 1434, London, National Gallery Rogier van der Weyden, Jüngstes Gericht, vor 1450, Beaune, Hôtel-Dieu Jehan Josès, Lesepult, Dianant, um 1370, Tongeren Bernt Notke, Hl. Georg, Stockholm Storkyrka, geweiht 1489 Hans Leinberger, Maria mit Kind, um 1515, St. Martin, Landshut Lorenz Helmschmied, Harnisch Herzog Sigmund von Tirol, Augsburg um 1470/80, Wien KHM 13. RENAISSANCE 1500 Renaissance Wiedergeburt der antiken römischen Kultur ist das Ziel der italienischen und deutschen Humanisten. Rom löst Florenz als Kunstzentrum ab. Hier wirken Raffael (+1520) und Michelangelo (+ 1564). Die Hochrenaissance endet mit dem Tod Raffaels, länger war das klassische Gleichgewicht von Farbe und Zeichnung, Ruhe und Bewegung, Antike und Christentum nicht durchzuhalten; danach wird es interessantkompliziert: Ausfahrende Bewegung, unruhiger Stand, zugespitzte Charaktere, schrille Farbigkeit. Die Künstler wollen sich unterscheiden, übertreffen, ihre Handschrift (ital. Maniera) betonen: Manierismus. Wichtigstes Bauwerk des neuen Stils ist der Petersdom in Rom, begonnen von Bramante 1506, fortgeführt von Raffael, Sangallo, Michelangelo, Giacomo della Porta, vollendet von Carlo Maderno 1614. Neben Florenz und Rom sind Zentren der manieristischen Kunst Mantua und Fontainebleau. Im Veneto, zwischen Verona und 39 Venedig entsteht eine eigene Stilrichtung der Architektur (Theater, Kirchen, Villen) im Werk der Architekten Sanmicheli und Andrea Palladio (1508-80) mit großem Einfluß auf die englische und amerikanische Architektur. In Venedig wirken die Maler Tizian 1477-1576, Paolo Veronese 1528-1588 und Tintoretto 1518-1594, deren farbenprächtigen Werke(Öl auf Leinwand) in ganz Europa verbreitet wurden. In Deutschland wird der Bau von Schlössern (Heidelberg, Aschaffenburg) und Rathäusern (Augsburg, Paderborn) zur künstlerisch führenden Bauaufgabe, da der Kirchenbau wegen der Reformation zurücktritt: Ausnahme die Jesuitenkirche St. Michael in München 1583-97, die neue Maßstäbe in der mittelalterlichen Stadt setzt. 14. BAROCK 1600 BAROCK In Deutschland setzt sich der Barock erst nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 durch, da ist er in Rom schon beinahe zu Ende. Die Franzosen nannten diese Epoche (Ludwig XIV.,Versailles) Style classique. Erst seit kurzem geben sie zu, daß ihr style classique eine nationale Variante einer europäischen Barockkultur ist, die von Sevilla bis St.Petersburg, von Irland bis Ungarn reicht. Aber diese Kultur ist nicht eeinheitlich, sie unterscheidet sich nach Konfessionen und Landschaften oft in dichter Gemengelage: Antwerpen Katholisch, Peter Paul Rubens 1577-1640; Amsterdam, reformiert Rembrandt1606-1669. Bamberg, Würzburg katholisch; Bayreuth, Ansbach evangelisch. Frankreich (bedeutendster Maler Nicolas Poussin 1593-1665), Spanien( bedeutendster Maler Diego Velazquez 1599-1660), Italien (bedeutendster Bildhauer Gian Lorenzo Bernini 1598-1680) bleiben katholisch. In Freising wird der romanische Dom 1624-29 zum erstenmal barockisiert, einheitlich stuckiert und der Hochaltar mit dem Bild von Peter Paul Rubens aufgerichtet, der zum Vorbild für hunderte von Kirchen in Bayern wurde. 1724 erhält der Dom durch den Maler Cosmas Damian Asam und den Bildhauer Egid Quirin Asam zur 1000 Jahrfeier ein neues Festkleid aus Malerei und Stuck. Die Asams arbeiten zwischen der Schweiz, Mannheim, Prag und Schlesien im ganzen Süden des katholischen Deutschland, zur selben Zeit wie J.S.Bach in Leipzig. 1740 Rokoko Nach einem asymmetrischen felsenförmigen Ornament (Rocaille) benannte Stilvariante des Barock in einigen Kunstlandschaften: Sizilien, Altbayern, Mainfranken, Oberrhein, Potsdam, Venedig. Hauptwerk die Wallfahrtskirche Wies, erbaut von Dominikus Zimmermann 1746-54. Stukkatorenarchitektur. 1770 Klassizismus Rückkehr zu klassischen Formen, Raffael als Vorbild der Malerei, römische Architektur mit Säulen und Kuppeln wird dank Napoleons Style Empire zum Staatsstil von Washington bis Moskau. André Le Nostre, Vaux-le-Vicomte bei Idealplan des Stifts Göttweig, 18. Jh. Melun, 1653/60 Michelangelo, Erschaffung Adams, 1511, Paul Troger, Apotheose Karls VI., Fresko, Sixtina, Vatikan Stift Göttweig, 1739 Velàzquez, Die Spinnerinnen, 1650, Madrid, Prado 40 15. 19. JAHRHUNDERT Der Klassizismus kann auch als erste Form des Historismus verstanden werden: Für die dank der technisch-industriellen Revolution notwendigen neuen Bauaufgaben: Verkehrsbauwerke, Fabriken, Verwaltungszentren, Ausstellungsgebäude sucht man historische Bauformen, mit denen man die neuen Zwecke und Techniken verbergen, vermitteln kann. Innerhalb des Historismus unterscheidet man Neugotik, Neuromanik, Neubarock, die nacheinander und seit 1870 auch nebeneinander auftreten. Dem entsprechend müßte man den Klassizismus dann als Neuantik bezeichnen, aber das ist nicht üblich. Der Historismus bleibt in der Architektur für das ganze 19. Jahrhundert maßgebend, im Kirchenbau auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In Malerei und Skulptur treten mehrere Stile auf und lösen sich ab: Romantik Der Maler Caspar David Friedrich 1774-1840 macht die Landschaftsmalerei zur führenden Gattung und zum Spiegel der menschlichen Seele. In Frankreich hält Eugene Delacroix 1798-1863 am Historienbild fest und malt auch zeitgenössische Szenen (Barrikadenkämpfe) als großes Figurentheater, entdeckt den farbigen Reiz des Orients. In England beobachtet William Turner 17751851 in seinen Landschaftsbildern wechselnde Lichtstimmungen, Nebel, schildert den Kampf von Licht und Dunkel. Realismus Gustave Courbet 1819-1877 wandte sich der Beobachtung und malerischen Dokumentation von Realität zu, begründet den Realismus mit großer Wirkung auf Adolph Menzel 1815-1905, Wilhelm Leibl und die nächste Generation. Gleichzeitig entsteht in Ausflugsorten südlich von Paris (Barbizon) die Freiluftmalerei: Millet, Corot, Daubigny William Turner, Bergsee in Morgennebel, um 1830, London, British Museum Claude Monet, Rouen 1894, Paris William Le Baron Jenney, Home Life Insurance Company Building, Chicago 1883/1885 Caspar David Friedrich, Kreuz an der Ostsee, um 1808, Köln, Wallraf-Richartz Museum Eugène Delacroix: Chlormide befreit Olinde und Sophranisbe, 1854/56, München, Bayer. Staatsgemälde Sammlungen Jean François Millet, Ährenleserinnen, 1857 Paris 16. 20. JAHRHUNDERT Impressionismus In den 60 er Jahren bildete sich in Paris eine Gruppe von jungen Malern: Edouard Manet, Claude Monet, Camille Pissaro, Paul Cezanne u.a. deren Werke als „impressionistisch“ beschimpft wurden, weil sie keine klaren Konturen haben, welche die Farbflächen von einander abgrenzen, sondern einem flüchtigen Augeneindruck (Impression) entsprechen. 41 Im 20. Jahrhundert wird die westeuropäische Kunst zur Weltkunst; sie nimmt Anregungen vom japanischen Holzschnitt, der afrikanischen Skulptur, der russischen Kunst auf und wird dank der wirtschaftlichen und technischen Kommunikation (Radio, Telefon, Eisenbahn, Schiffahrtslinien, später Fernsehen und Flugverbindungen) auf der ganzen Welt verbreitet und als Vorbild empfunden. Dies ändert sich in den dreißiger Jahren, als die russische und die deutsche Kunst durch staatliche Verbote und Gebote gelenkt, aus der Kommunikation der Moderne ausscheiden und in dem seit 1950 New York Paris als Kunstzentrum ablöst. Die moderne Kunst entstand um 1910 in Paris (Kubismus: Pablo Picasso, Georges Braque, Henri Matisse), Dresden (Künstlergruppe Brücke: Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Emil Nolde), München (Künstlergruppe Der Blaue Reiter: Franz Marc, Wassili Kandinsky, Alexei Jawlensky, Paul Klee) Amsterdam (Künstlergruppe De Stijl: Piet Mondrian, Georges Vantongerloo, Theo van Doesburg) St.Petersburg Kasimir Malewitsch (Suprematismus) Die Revolution der modernen Kunst ist zeitgleich (und für das Gesicht der Welt auch gleich wichtig) mit Atomphysik, Quantenlehre, Relativitätstheorie und Psychoanalyse. Sie löst sich vom Primat der Nachahmung, „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“(Paul Klee). Sie behandelt Farben und Formen frei als Mittel des Ausdrucks und der seelischen Wirkung, wie die Musiker (schon seit 1700) frei mit Tönen, Klängen und Rhythmen umgehen, ohne Naturlaute nach zu ahmen. Die Architektur des 20. Jahrhunderts entwickelt als beherrschende Baustoff Beton und Glas, seit 1960 zunehmend auch Kunststoffe wie Plexiglas und Glasfiber. Neue Bauaufgabe ist seit der Erfindung des Personenaufzugs 1880 das Hochhaus (zunächst mit Säulen und Giebeln historisch verkleidet), sowie Verkehrsbauten und Sportstadien. Die Abkehr vom Bauen in historischen Formen vollzog am radikalsten das Bauhaus, eine Hochschule für Gestaltung, gegründet 1918 in Weimar von Walter Gropius, später in Dessau und Berlin angesiedelt, 1933 von der nationalsozialistischen Regierung aufgelöst. Die führenden Lehrer, vor allem Architekten (Mies van der Rohe) und Maler (Kandinsky, Klee, Albers) gingen in die Emigration, und verbreiteten die Ideen des Bauhauses weltweit. In den 50er Jahren kehrte ihr Stil als internationale Moderne nach Deutschland zurück, seit 1975 von der sogenannten Postmoderne, die viele Architekten heute noch als Schimpfwort betrachten, abgelöst. In Malerei und Skulptur treten mehrere Stilrichtungen neben und nach einander auf: Jugendstil (Symbolismus) Dekorativer Stil der Jahrhundertwende mit pflanzlichen Formen, in der Malerei vielfach religiöse, esoterische Themen und Symbole Kubismus, erfunden 1906 von Picasso und Braque, Malerei ist Farbe auf Fläche und kein Fenster zum Raum, deshalb Verzicht auf Perspektive, Montage verschiedener Ansichten eines Gegenstandes nebeneinander. Expressionismus, kritische Bezeichnung für eine Kunst, die den Ausdruck seelischer Zustände sucht und deshalb als subjektiv abgelehnt wurde. Pathos von Schrei und Gebärde. Begründet von der Künstlergruppe Die Brücke 1905, Zentrum im Berlin der 20 er Jahre. Abstraktion, begründet 1912 in München von Künstlergruppe Der Blaue Reiter, kurz darauf in Amsterdam und St. Petersburg, Verzicht auf die Abbildung von Gegenständen und Personen, reine Farbigkeit, reine Fläche, bzw. reine 42 stereometrische Formen in der Plastik, in Weihenstephan, Stelen von Fritz König, Ernst Herrman u.a. Surrealismus, begründet 1918 in Zürich, dann in Paris, eng mit Literatur (A.Breton) und Psychoanalyse verbundene Bewegung, die „Überwirklichkeit“ in Traumbildern und Projektionen des Unbewußten sucht, Maler und Bildhauer Max Ernst (18911976) Neue Sachlichkeit, Gegenbewegung gegen Abstraktion und Expressionismus, seit 1923, z.T. sozial engagiert, Grosz, C.Schad, Otto Dix, z.T. konservativ bis faschistisch Sozialistischer Realismus, von den kommunistischen Parteien verordnete Kunstdoktrin in den Ländern des Ostblocks, in der Sowjet Union seit Stalin, im übrigen Osteuropa und in China seit 1950, z. T. von hoher malerischer Qualität z.B. W.Sitte. Pop art, knallig, volkstümliche Kunstrichtung in England seit 1953 R.Hamilton, später auch in USA Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Tom Wesselman, bezieht Reklame, Warenwelt und Comic in einem teils heiteren, teils kritischen und sehr erfolgreichen Ansatz ein. Op art, Kunstrichtung, die Seh-vorgänge, die Wahrnehmung von Hell-Dunkel, sich kreuzenden und überlagenden Linien sowie Farbflächen thematisiert, Hauptvertreter Reginald Neil, Viktor Vasarely, etwas später und parallel zur Pop art, vor allem in 70 er Jahren Minimalismus, künstlerische Reaktion auf Pop und Op, äußerste Reduktion der plastischen Formen ohne jeden erzählenden oder deutenden Zusammenhang, Hauptvertreter Donald Judd, Carl Andre Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Weltkunst zum erstenmal in allen Domänen stark von Künstlerinnen geprägt. Neben Baukunst, Malerei, Zeichnung, Plastik entstanden im 20. Jahrhundert als neue Kunstgattungen: Photographie, Film, Video, Installation, Happening, Lichtkunst, Kinetik, Land art Photographie wird als Portrait von Menschen, sozialen Zuständen, oder als abstrakte Kunst betrieben. Seit 1980 gibt es große (3x4 m) Leuchtkästen mit Farbdiapositiven vor allem von Jeff Wall. Ob der Film zur darstellenden Kunst, dem Theater, oder zur bildenden Kunst zu zählen ist? Er erzeugt Bilder nach den Regeln des Bildermachens und des Theaters und wirkt auf beide zurück. Er produziert Werke seichtester Unterhaltung und von höchstem künstlerischen Anspruch und wirkt auf Malerei, Mode und Architektur. Happening ist eine Mischform aus Theater und Bildender Kunst und Musik: mit vorgefundenen oder vom Künstler gestalteten Formen z.B. Yves Klein: ein Streichquartett spielt, dazu wälzen sich zwei nackte Frauen in blauer Farbe und auf Leinwand. Die Abdrücke kommen ins Museum. Wichtige Happening-Künstler in Deutschland waren Wolf Vostell und Josef Beuys. Vor allem in den 70er Jahren. Die Künstlerin Gloria Friedmann nennt heute ihre „Happenings“ „Lebende Bilder“. Lichtkunst wird mit weißen oder farbigen Scheinwerfern oder Leuchtstoffröhren oder Leuchtdioden von Künstlern wie Dan Flavin, Keith Sonnier(MUC), Mischa Kuball seit den 70 er Jahren als flächige, raumbezogene oder städtebauliche Arbeit betrieben. Installation nannte Dan Flavin 1967 seine Lichtraumarbeiten. Heute werden mit dem Begriff künstlerische Arbeiten bezeichnet, die Räume umfassen und nicht nur aus vom Künstler gestalteten Werken sondern auch aus vorgefundenen und künstlerisch verfremdeten Gegenständen (Badewanne, Bahre, Bett usw.) bestehen. Auch die Überreste eines Happenings können, wenn sie im räumlichen Zusammenhang 43 bleiben oder wieder versetzt werden, zur Installation erklärt werden, z.B. Joseph Beuys (1921-86). Sie können sozialkritisch aktuelle Themen aufgreifen, aber sich auch zeitlos mit Körpergefühl, Wahrnehmung und psychischen Wirkungen auseinandersetzen. Installationen dominieren seit 1990 neben den Videoarbeiten den internationalen Kunstbetrieb. Video wurde als Kunstform von Nam June Paik 1963 erfunden, in dem er Fernsehbilder künstlerisch manipulierte. Seither entwickelte sich Video zu einer der wichtigsten Kunstgattungen, zuerst mit Videokameras und Schwarzweißmonitoren (oft viele neben und über einander: Videoskulpturen), heute oft mit hochauflösenden Farbbeamern, die ganze Räume (black boxes) allseitig erfassen. Besonders Künstlerinnen arbeiten mit Video: Ulrike Rosenbach, Pippilotti Rist, Sam TaylorWood, Sherin Neshat unter den Videokünstlern sind Bruce Naumann und Bill Viola zur Zeit am bekanntesten. Kinetik, das Kunstwerk oder seine Teile bewegen sich, sei es im Mobile durch Luftbewegung, Alexander Calder, sei es durch Motoren, wie bei Grävenitz und J.Tinguely, Vorläufer Laszlo Moholy-Nagy seit 1920, dann vor allem in 60 er Jahren. Land art, künstlerische Eingriffe in die Landschaft seit 1968, in USA oft von riesigen Ausmaßen Michael Heizer, Walter de Maria, in England zart und vergänglich Richard Long. Beispiel in Weihenstephan Albert Weis, der Hochschulanger südlich der Mensa. Pablo Picasso, Demoiselles d’Avignon, 1907, New York, MOMA Kasimir Malewitsch, Blaues Rechteck über purpurfarbenem Balken, 1916, Amsterdam, Stedelijk Museum David Wark Griffith, Way Down East, USA, 1920, Stummfilm Barnett Newman, Who’s afraid of Red, Yellow and Blue III., 1966, Amsterdam, Stedelijk Museum Dan Flavin: Primary Picture, 1964, Paris, Galerie Sonnabend Niki de Saint Phalle, Schwarze Nana, 1968/69, Köln, Sammlung Ludwig Bruce Naumann, Joseph Beuys Raymond Mathewson Hood, Daily News Building, New York 1930 Franz Marc, Die kleinen gelben Pferde, 1912, Stuttgart, Theo van Doesburg, Kontra-Komposition mit Dissonanzen, Nr. 16, 1925, Den Haag, Gemeentehuis Umberto Boccioni, Dynanismus eines Fußballspielers, 1913, New York, MOMA Michelangelo Pistoletto, Comizio Nr. 2, 1965, Köln, Museum Ludwig Pablo Picasso, Das Absinthglas, 1914, Philadelphia, Museum of Art Fritz König, Votiv 59 und Flora II, 1970 44