Die Arbeitswelt des Archäologen

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Museumspädagogischer Fortbildungskurs
„Die Sprache der Dinge“
Thema der schriftlichen Arbeit:
Die Arbeitswelt des Archäologen
Versuch einer museumspädagogischen Vermittlung
für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren
am Beispiel der keltischen Ringwall-Anlage an der Milseburg
in der Rhön (Osthessen)
des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr.
unter Einbeziehung der übrigen Aktionen
während der
Ferienfreizeit „Keltenlager“
vom 1. bis 6. Oktober 2001
von
Tania Schmitz M.A.
Iltisweg 3 a, 36041 Fulda, Telefon 06 61 / 2 42 89 69
Veröffentlichung und weitere Nutzung bitte nur mit Zustimmung der Autorin!
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Inhaltsübersicht
Seite
1. Thema
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2. Aktueller Bezug
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3. Erläuterungen zur Themenstellung
3
4. Beschreibung der Ausstellung im Vonderau Museum Fulda und
in der Kunststation Kleinsassen
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5. Beschreibung der Kindergruppe (mit Betreuern und Fachvermittlern)
4
6. Beschreibung der einwöchigen Ferienfreizeit „Keltenlager“ für Kinder
5
7. Das vorläufige Konzept zur Vermittlung der Archäologie vor Ort
9
8. Themen-Tag Archäologie: Die Vermittlung der Arbeitswelt des Archäologen
vor Ort am Beispiel der keltischen Ringwall-Anlage an der Milseburg
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9. Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis - Kritische Anmerkungen
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10. Fazit - Zusammenfassung - Ausblick
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Anhang: - Kopien der Grabungstagebücher
- Fotodokumentation zur Ferienfreizeit „Keltenlager“ auf 21 Tafeln
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1.
Thema:
Die Vermittlungsmethoden und Darstellungsmöglichkeiten für Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren stehen im Mittelpunkt dieser museumspädagogischen
Arbeit unter spezieller Berücksichtigung der Arbeitsweisen und Aufgaben von Archäologen am Beispiel der keltischen Ringwall-Anlage des 2. und 1. vorchristlichen
Jahrhunderts an der Milseburg in der hessischen Rhön. Ich habe eine Ferienfreizeitwoche zum Thema der untergegangenen Kultur der Kelten begleitet und aktiv mitgestaltet.
2. Aktueller Bezug:
Die einwöchige Kinderfreizeit „Keltenlager“ als Begleitprogramm zur Ausstellung
„Milseburg - ein Berg mit Profil“ im Vonderau Museum in Fulda fand während der
hessischen Herbstferien vom 1. bis 6. Oktober 2001 in der Jugendherberge in Oberbernhards, einem Rhön-Dorf direkt unterhalb der Milseburg, statt. Organisiert wurde
diese Veranstaltung als Gemeinschaftsprojekt der Stadt Fulda (Vonderau Museum)
und des Landkreises Fulda (Kunststation in Kleinsassen, einem Malerdorf in der
Nähe der Milseburg).
3. Erläuterungen zur Themenstellung:
Geplant war die pädagogisch aufgearbeitete Umsetzung dieses Themenbereichs
von der Präsentation in der Ausstellung (visuelle Vermittlung mit Modell und Erläuterungstexten) auf die Situation vor Ort (interaktive und handlungsorientierte Vermittlung mit Hilfe der praktischen Erarbeitung und Erfahrung von ausgewählten Aufgabenbereichen aus der Arbeitswelt des Archäologen). Dazu sollten die Kinder im Vorfeld der Ferienfreizeitwoche eine Führung durch die Ausstellung im Museum angeboten bekommen sowie auf einem Abschluss-Treffen einige Tage nach dem Ende
der Woche ihre Ergebnisse und Erfahrungen zusammenfassen („Was ist von den
Kelten bei den Kindern wirklich hängengeblieben“). Die Kinder könnten mit einem
gewissen zeitlichen Abstand noch einmal darüber nachdenken, was sie erlebt und
gelernt haben, was ihnen von den Aktionen am besten gefallen hat und was sie
weniger gut fanden. Für die Pädagogen und Veranstalter wäre dies außerdem eine
gute Gelegenheit zu reflektieren, was man beim nächsten Mal besser machen
könnte.
Der Anlass für meine Mitarbeit an dieser Ferienfreizeit bestand hauptsächlich darin,
dass ich für den Fortbildungskurs „Die Sprache der Dinge“ eine schriftliche Arbeit
verfassen wollte. Ich habe mir das Thema über die Vermittlung der Arbeitswelt von
Archäologen am dritten Tag der Freizeitwoche, speziell den Teil draußen an der Milseburg, ausgesucht, weil es mich als Kunsthistorikerin besonders interessiert, wie
man Kindern und Jugendlichen diese Art von Berufen (des Archäologen wie auch
des Kunsthistorikers), die mit Geschichte umgehen, näher bringen kann. Kultur und
Geschichte sowie die Berufe, die sich damit befassen, finden gerade in letzter Zeit
zunehmend Beachtung in den Medien und in der Gesellschaft.
Meine aktive Mitarbeit während der Freizeitwoche lag in der Vermittlung der Archäologie an der Milseburg in Zusammenarbeit mit dem Vor- und Frühgeschichtler, der
sich als Stadt- und Kreis-Archäologe von Fulda in dieser Region besonders gut auskennt. Doch im übrigen habe ich die Kinder während der ganzen Woche als Beobachterin begleitet, um die Einzelaktion in die gesamte Veranstaltung einordnen zu
können und um Notizen und Fotos für die Dokumentation zu machen.
Ein wichtiger Teil dieser Arbeit ist die Analyse zwischen Theorie und Praxis. Welche
von den theoretischen Ansätzen und Maßstäben, die man sich zum Ziel gesetzt
4
hatte, konnten vor Ort tatsächlich umgesetzt werden. Im Voraus konnte nur eine
grobe Konzeption festgelegt werden. Wir als Archäologen (bzw. als Kunsthistorikerin) für die Aktion draußen vor Ort mussten uns inhaltlich darauf einstellen, welchen
Kenntnisstand die Kinder von sich aus mitbrachten und was sie zusätzlich an Informationen vom anderen Archäologen in den Diskussionen erfuhren.
Schon am ersten Nachmittag in der Diskussion über das Volk der Kelten stellte sich
heraus, dass die Kinder ein für ihr Alter sehr hohes Wissensniveau haben. Die
Kenntnisse in Geografie (die Lage der Länder Europas) und Geschichte (das Jahr
der „Entdeckung“ Amerikas durch Columbus 1492) waren zum Teil weit fortgeschritten. Damit erübrigten sich auch manche der in meinem provisorischen Konzept gestellten, einführenden Fragen zu den Kelten, zur Milseburg oder zur Archäologie,
andere Fragen mussten lediglich als Erinnerungsstütze wiederholt werden. Außerdem zeigte sich beim Töpfern am Dienstag das für meine Begriffe erstaunlich stark
ausgeprägte Formgefühl vieler Kinder.
4. Beschreibung der Ausstellung im Vonderau Museum und in der Kunststation
Kleinsassen:
Die Ausstellung „Milseburg - Ein Berg mit Profil“ ist eine Zusammenarbeit zwischen
der Stadt Fulda und dem Landkreis Fulda. Dementsprechend wurde sie auf zwei
verschiedene Orte verteilt und behandelt sehr unterschiedliche Themengebiete.
In der Kunststation Kleinsassen (einem traditionellen Malerdorf in der Rhön ganz in
der Nähe der Milseburg) ist die vielfältige Darstellung in der Kunst aus der Frühzeit
des Malerdorfes im 18. Jahrhundert bis in die jüngste Zeit zu betrachten. Ausgestellt
sind in drei großzügigen Räumen vor allem Grafiken und Gemälde, aber auch einige
Plastiken.
Das Vonderau Museum Fulda präsentiert das Thema in zwei Ausstellungsräumen
unter verschiedenen kulturellen Aspekten. Dem realistisch wirkenden Modell eines
archäologischen Schnittes durch den keltischen Steinwall, der die Milseburg mit etwa
1300 Metern Länge auf der Nord-, Ost- und Südseite umgibt (auf der Westseite des
Berges befindet sich als natürlicher Schutz eine steile Felswand), ist die Naturkunde
mit einem ebenfalls sehr anschaulichen Modell einer typischen Waldszene
gegenübergestellt. Es zeigt viele der im Bereich der Milseburg lebenden Tiere und
Pflanzen. Wie bei der Archäologie unterstützt ein großes Hintergrundfoto ein optisches Realitätsempfinden. Ergänzend dazu sind in mehreren Vitrinen zum einen an
der Milseburg gefundene Tonscherben von Gebrauchsgefäßen sowie zahlreiche
Eisengegenstände und zum anderen an der Milseburg beheimatete seltene Moose
und Flechten ausgestellt. In der Mitte des Raumes zwischen den Bereichen der Archäologie und der Naturkunde steht ein farbig gefasstes, maßstabsgetreues Gipsmodell dieses markanten Berges.
Im zweiten Ausstellungsraum befinden sich neben alten Postkarten-Ansichten auch
mehrere Gemälde und Stiche aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Hauptanziehungspunkt ist aber der alte Klassenraum, der mit Originalmöbeln hier für die Ausstellung
eingerichtet wurde. Außerdem gibt es bäuerliche Truhen und landwirtschaftliche Geräte zu sehen.
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5. Beschreibung der Kindergruppe mit Betreuern und Fachvermittlern:
Die Gruppe bestand aus 20 Kindern im Alter zwischen acht und zwölf Jahren, neun
Mädchen und elf Jungen. Der Altersunterschied machte sich vor allem in der Bildung
diverser Cliquen bemerkbar, was allerdings nicht nur mit dem Alter der Kinder zu tun
hatte. Gruppen ergaben sich auch aus der Tatsache, daß viele Kinder aus einem
Wohnort stammten und gemeinsam zur Schule gingen. Ferner haben sich Jungen
und Mädchen jeweils getrennt zusammengetan, was in diesem teils noch kindlichen,
teils schon vorpupertären Alter wohl meistens üblich ist.
Zur Beaufsichtigung und Betreuung der Kinder standen rund um die Uhr vier Mitarbeiter vom Jugendamt zur Verfügung, drei Männer und eine Frau im Alter von ca. 20
bis 24 Jahren.
Die fachliche Vermittlung der verschiedenen Themenbereiche und Aktivitäten haben
vier Erwachsene aus unterschiedlichen Berufssparten übernommen. Einer der beiden Archäologen (Vor- und Frühgeschichte, d.h. zu seinem Fachgebiet gehören die
Kelten) und ich als Kunsthistorikerin haben keine pädagogische Ausbildung, jedoch
Erfahrungen bei Führungen von Kindergruppen im Museum. Wir hatten beide zusammen die Aufgabe, den Kindern direkt vor Ort am Beispiel des Steinwalls der Milseburg, wie er ähnlich im Museum nachgebaut wurde, Aspekte aus dem Berufsbild
des Archäologen näher zu bringen. Der zweite Archäologe (Klassische Archäologie,
d.h. sein Metier sind die Griechen und Römer der Antike) hat pädagogische Erfahrungen bei mehreren Kinderfreizeiten gesammelt. Das Töpfern vom Modellieren bis
zum Brennen stand unter der Obhut einer Pädagogin, die als Künstlerin auch selbst
moderne Plastiken gestaltet.
6. Beschreibung der einwöchigen Kinderfreizeit „Keltenlager“ an der Milseburg:
Die Kinderfreizeit begann in den Herbstferien am Montagnachmittag, dem 1. Oktober, mit der Begrüßung der Kinder, der Vorstellung aller Betreuer und Fachvermittler
sowie einem Kennenlernspiel und endete am Samstag, dem 6. Oktober mit einem
Wettspiel und einer „Siegerehrung“ (ohne Verlierer). Am frühen Nachmittag kamen
die Eltern, um ihre Kinder wieder abzuholen. Zuvor haben die Kinder ihnen ihre Ergebnisse und „keltischen“ Produkte der Woche vorgestellt.
Für die Dauer der Freizeit wurden die 20 Kinder von den Fachvermittlern in zwei
Gruppen eingeteilt, So dass die beiden kleineren Gruppen zeitlich parallel in verschiedenen Aufgaben arbeiten konnten. Die theoretische Vermittlung der Archäologie, die später nachgestellte Ausgrabung und das Kochen hatte der Klassische Archäologe übernommen; für das Töpfern und den Meilerbrand war die Lehrerin zuständig; die praktische Anleitung zur archäologischen Arbeitsweise vor Ort an der
Milseburg war Aufgabe des Vorgeschichtlers und von mir als Kunsthistorikerin (mit
Ausgrabungserfahrung).
Im Folgenden möchte ich einen Überblick zur Zeitplanung der Freizeitwoche geben.
Montag, Vormittag:
Ankunft und Begrüßung der Kinder in der Jugendherberge
Oberbernhards, Zimmer beziehen, Kennenlernspiel
Montag, Nachmittag:
Theorie und Diskussion: Wer waren die Kelten? (Tafel 1)
Wie und wo lebten sie? Woher bekommen die Archäologen
ihre Informationen? Vorbereitung für das Töpfern
Dienstag, Vormittag / Nachmittag (die beiden Gruppen wechseln sich ab):
Töpfern: Gefäße formen (im Aufenthaltsraum der Jugendherberge) (Tafel 2)
Kochen: Äpfel sammeln und einen Brei daraus kochen
Mehl mahlen und Fladenbrot backen
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(jeweils draußen am offenen Feuer) (Tafel 3)
Mittwoch, Vormittag / Nachmittag (die beiden Gruppen wechseln sich ab):
nachgestellte archäologische Ausgrabung (im Aufenthaltsraum) (Tafeln 4 - 7)
Praxis der archäologischen Arbeitsweise (vor Ort an der
Milseburg) (Tafeln 8 + 9)
Mittwoch, Abend:
Puppentheater: Eine Geschichte vom Riesen Mils,
der in dem Felsen Milseburg wohnt
Donnerstag, Vormittag: Naturkunde-Wanderung auf der Milseburg
Donnerstag, Nachmittag: Nachempfinden einer „keltischen Mauer“ (vor dem Hintergrund bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse, aber
unter wesentlich vereinfachten Bedingungen)
(Tafeln 11 + 12)
Freitag, Vormittag:
Aufbau des Meiler (Tafeln 13 - 15)
Freitag, Nachmittag:
Abbrennen des Meilers (Tafeln 16 + 17) und am frühen
Abend das Bergen der Töpferware (Tafel 18)
Freitag, Abend:
Lagerfeuer
Samstag, Vormittag:
Zimmer aufräumen und Taschen packen
Ausstellungsaufbau für die Eltern (Tafel 19)
Wettspiele (in vier neu zusammengestellten Gruppen)
Samstag, Nachmittag: Ankunft der Eltern,
Preisverleihung für alle Kinder (Tafeln 20 + 21),
die Holz-„Mauer“ muss abgebaut werden, aufräumen
Der Vormittag des ersten Tages wurde nach der Ankunft der Kinder vom Beziehen
der Zimmer, vom gegenseitigen vorstellen und sich kennen lernen in Anspruch genommen. Nach dem ersten Mittagessen in der Jugendherberge wurde mit den Kindern darüber diskutiert, wer die Kelten waren, wie sie lebten, was sie, die Kinder,
schon über dieses Volk wissen und woher die Archäologen eigentlich so viel wissen.
Die Kinder haben sich durch die Auseinandersetzung mit den Fragen des Archäologen viele Hintergrundinformationen und Zusammenhänge erarbeitet. (Tafel 1) Mit
einem Maßband von fünf Metern Länge, das auf einem langen Gang ausgezogen
wurde, ist ihnen zum Beispiel die Bedeutung einer für Kinder unvorstellbar großen
Zeitspanne von 5000 Jahren bewußt geworden, wobei für ein Jahr ein Zentimeter
festgelegt wurde. Die Kinder sollten Daten nennen, wie zunächst ihr eigenes Alter,
dann das ihrer Eltern und Großeltern und schließlich ihnen bekannte Daten aus der
Geschichte (so die Entdeckung Amerikas durch Columbus und natürlich die Kelten).
Diese wurden am Maßband mit beschrifteten Klebestreifen auf dem Boden festgehalten. Auch der Beruf des Archäologen wurde bereits angesprochen, was aber als
Thema des dritten Tages vorgesehen war.
Nachdem die Kinder so viel nachdenken und reden mussten, wollten sie endlich
aktiv etwas tun. Am frühen Abend haben sie ihre Töpferarbeit für den nächsten Tag
vorbereitet, aus Ästen Kerbhölzer geschnitzt und einige haben sogar schon damit
begonnen, mit einem bestimmten Lehm Gefäße zu formen. Die Kerbhölzer dienen
zum Glätten der Oberflächen und zum Einritzen von Verzierungen. Vor dem Modellieren hatten die Kinder einige vorgeschichtliche Gefäßformen auf Zeichnungen, die
die Pädagogin mitgebracht hatte, kennengelernt. Während dieser praktischen Arbeit
mit den Händen, die ihnen sehr viel Spaß gemacht hat, wurde darüber gesprochen,
woher die Kelten den Lehm bekamen und wie er zusammengesetzt war (was die
Archäologen wiederum von aufgefundenen keltischen Scherben wissen).
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Der Dienstag war dem Töpfern und dem Kochen gewidmet (Tafeln 2 + 3). Während
die eine Gruppe vormittags in einem der Aufenthaltsräume versuchte, den Lehm, der
in seiner Zusammensetzung möglicherweise dem der Kelten geähnelt haben könnte,
in (Gefäß-)Form zu bringen, haben die übrigen Kinder die im Gartengelände der Jugendherberge selbst gesammelten Äpfel kleingeschnitten und zum Kochen eines
Breis am offenen Feuer vorbereitet. Einige haben drei starke Äste zu einem Dreifuß
zusammengebunden, um einen großen runden Tontopf an einer Eisenkette über der
Feuerstelle aufhängen zu können. (Die beiden letzteren Gegenstände wurden vom
Archäologen mitgebracht.) Die Kinder haben die Mühe erfahren, wie schwierig es
sein kann, den Apfelbrei im Topf einerseits und die eigenen Finger beim Umrühren
der Speise und Festhalten der Kette andererseits nicht anbrennen zu lassen.
Der Umgang mit der Töpfermasse war insofern eine Herausforderung für die Kinder,
da der Lehm beim Bearbeiten leicht auseinander bröckelte, er aber beim Befeuchten
mit Wasser nicht zu nass werden durfte. Auch das Glätten der Gefäße, damit sie
beim Brennen nicht platzen, war - wie das anschließende Verzieren mit den Kerbhölzern - keine leichte Aufgabe für Kinderhände.
Wie zu erwarten kamen einige Kinder besser mit diesem „Hand-werk“ zurecht als
andere. Denen, die mehr Schwierigkeiten damit hatten, hat die Pädagogin besonders geholfen. So konnten größere Frustrationen und Neidgefühle unter den Kindern
vermieden werden. Allen ist es letztendlich gelungen, mindestens ein Gefäß herzustellen und zu verzieren. Dabei sind zum größten Teil sogar sehr schöne Objekte
entstanden, was ich bei Kindern in diesem Alter nicht gedacht hätte.
Am dritten Tag der Freizeitwoche standen die Arbeitsmethoden der Archäologen im
Vordergrund. Die Gruppeneinteilung vom Vortag wurde übernommen. Am vorherigen
Abend haben einige Erwachsene in einem Aufenthaltsraum auf dem Boden ein
Erdhaufen mit verschiedenen Schichten aufgebaut, in den mehrere Gegenstände
unterschiedlichen Materials (unter anderem gesetzte Ziegelsteine als vermeintlicher
Mauerrest, ein Sandstein, ein Milchkrug, Tonscherben und Eisenteile) vergraben
waren. Der äußerlich unscheinbare kleine Hügel wurde so als archäologische Fundstätte präpariert. Am Morgen des Mittwoch konfrontierte der Archäologe die Kinder
der einen Gruppe mit diesem Haufen zum ersten Mal und wollte zunächst von ihnen
wissen, was das sein könnte und was sie damit machen könnten. Anschließend
führte er sie an die Ausgrabungstechniken heran. (Tafeln 4 + 5) Obwohl die Fundbeispiele modern waren, konnten sie doch das Prinzip veranschaulichen. Wichtigstes Fazit für die Kinder war, dass sie bei dieser Arbeit besonders viel Geduld aufbringen müssen, weil man sehr langsam und genau vorzugehen hat. Aber sie haben
auch die anderen Aufgaben bei einer Ausgrabung kennengelernt: so zum Beispiel
das Einmessen der Funde und Erdschichten mit dem Nivelliergerät und der Messlatte (Tafel 6), das exakte Führen des Tagebuches oder das Bergen und Registrieren der Funde, wobei jeder einzelne zusammen mit einem Fundzettel in eine Fundtüte kommt. Außerdem haben zwei bis drei Kinder versucht, mehrere Scherben wie
in einem Puzzle zu einem Tontopf zusammenzusetzen. Eine kleine Sandkiste diente
als Hilfestellung beim Kleben der Einzelteile. (Tafel 7)
Während dieser nachgestellten Ausgrabungssituation, die aufgrund der unsicheren
Witterungsbedingungen im Haus stattfand, wanderte die andere Gruppe zur Milseburg hinauf. Es regnete zwar nur leicht, aber der starke Wind war sehr unangenehm,
was an der Milseburg aufgrund ihrer herausragenden topografischen Lage nicht ungewöhnlich ist. Die zum Teil schweren Grabungsgerätschaften wurden mit dem Auto
in die Nähe der Stelle gefahren, wo der Steinwall archäologisch untersucht werden
sollte. Die Kinder sollten, nachdem sie oben angekommen sind und verschnauft haben, sich erst einmal umschauen und sich Gedanken machen, was es mit diesem
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Steinwall auf sich hat und wie man ihn erforschen könnte. Dann sind wir alle zusammen am Wall entlang und durch ein ehemaliges, keltisches Befestigungstor zum
Auto gelaufen. Jedes Kind hat geholfen, die für eine Ausgrabung benötigten Sachen
zum Wall zu tragen. Doch alles weitere zum Ablauf an der Milseburg soll in einem
gesonderten Kapitel ausführlich beschrieben werden.
Am Abend gab es noch eine besondere Überraschung für die Kinder: ein Puppenspieler hat die Sage vom Riesen Mils auf sehr anschauliche und einprägsame Art
aufgeführt.
Am Donnerstag, dem vierten Tag der Ferienfreizeit, wurden die Kinder nicht in zwei
Gruppen geteilt. Vormittags nahmen sie alle zusammen an einer Naturkunde-Wanderung auf der Milseburg teil, bei der ich allerdings nicht mitgelaufen bin. Nach Erzählungen der Kinder und der Betreuer haben die Mitglieder des Biosphären-Reservates Rhön einige Spiele im Wald mit ihnen gemacht. Dazu gehörte unter anderem
ein Suchspiel, bei dem die Kinder nach dem Vorbild der Eichhörnchen Nüsse vergraben und kurze Zeit später nach und nach wieder ausgraben mussten. Es hat
ihnen wohl nicht besonders gut gefallen, da es eher ein Spiel für kleinere Kinder war
und der Lerneffekt mehr oder weniger ausblieb. Ich hätte eigentlich erwartet, dass
die Teilnehmer einer solchen Wanderung etwas über die Besonderheiten der Tierund Pflanzenwelt auf der Milseburg erfahren.
Nach dem Mittagessen konnten die Kinder mit ihrer Hände Arbeit das in die Praxis
umsetzen, was sie in den letzen Tagen über den Aufbau und die Konstruktion einer
keltischen Mauer gelernt haben. Das Ergebnis unterscheidet sich natürlich von den
wissenschaftlichen Rekonstruktionsversuchen der Archäologen, aber mit den hier
zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten (es gab z.B. keine Steine, mit
denen die Holzkonstruktion hätte ausgefüllt werden müssen) wurde das Prinzip beim
Aufbauen durchaus erfasst. (Tafeln 11 + 12)
Am Freitag wurde die Arbeit des Töpferns fortgesetzt, denn das Formen der Lehmmasse war nur der erste Teil. Der Vormittag wurde dazu benötigt, den Meiler aufzubauen (Tafeln 13 - 15). Zunächst wurde eine im Durchmesser ca. zwei Meter große
und ca. zwanzig Zentimeter tiefe Grube in die Erde gegraben. In die Mitte dieser
runden Grube stellte die Pädagogin, die den Meileraufbau leitete, vier Ziegelsteine in
bestimmten Abständen auf, um eine gewisse Luftzufuhr für den Brand zu gewährleisten. Darauf schichtete sie möglichst dicht die in der Zwischenzeit seit dem Formen am Dienstag durchgetrockneten Gefäße aufeinander. Die Kinder hatten währenddessen verschiedene andere Aufgaben übernommen: Einige mussten die gesammelten Äste auf bestimmte Längen zurecht sägen; Andere haben Laub gesammelt, das später für die Regulierung des Brandes gebraucht werden sollte. Die abgemessenen Äste wurden kegelartig an und über die aufeinander geschichteten Gefäße gestellt, wobei die kürzesten zuerst und dann die jeweils nächst längeren verwendet wurden. Zum Schluss lehnte man dünnere, belaubte Äste an den fertigen,
nun ca. 1,70 Meter hohen Meiler und verteilte etwas Stroh und Zeitungspapier, damit
er besser anbrennt.
Nach dem Mittagessen wurde mit dem Brand begonnen. Es durfte aber kein großes
Feuer mit hohen Flammen entstehen. Statt dessen sollte sich im Inneren eine Glut
entwickeln, deren Temperatur langsam bis auf 700°/800° Celsius anstieg, um nachher wieder genauso langsam abzusinken. Deshalb musste der Meiler ständig mit
angefeuchtetem Laub, Sägespänen oder frisch gemähtem Gras reguliert werden,
was natürlich eine starke Rauchentwicklung zur Folge hatte. (Tafeln 16 + 17) Nach
ungefähr vier Stunden war er abgebrannt und zu Asche zusammengefallen. Die
Pädagogin schob die Asche mit einer langen Eisenstange vorsichtig auseinander
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und die ersten Gefäße wurden sichtbar (Tafel 18). Dies war ein spannender Moment,
denn die Töpferware hätte während des Brennens jederzeit platzen können, aber
glücklicherweise blieben alle Stücke heil. Jetzt konnten die Gefäße aus der noch
heißen Asche genommen und zum Abkühlen beiseite gestellt werden. Jedes Kind
hat seine Keramik identifiziert und wiedergefunden, obwohl manche über das
schwarze Aussehen enttäuscht waren.
Der sechste und letzte Tag der Ferienfreizeit an der Milseburg war von der Atmosphäre des Abschieds geprägt. Nach dem Frühstück mussten die Kinder ihre Sachen zusammenpacken und die Zimmer aufräumen. Danach haben sie auf der
Wiese vor der Jugendherberge im Rahmen einer „Ausstellung“ ihrer Ergebnisse und
Produkte der Woche aufgebaut, die sie den am frühen Nachmittag eintreffenden Eltern präsentieren wollten. Dazu gehörte neben der Keramik, die die Pädagogin auf
zwei Holztischen verteilte und mit Beerenzweigen und Blättern herbstlich dekorierte
(Tafel 19), auch die Ausgrabung im Aufenthaltsraum, die auf einer großen Plane
nach draußen auf die Wiese transportiert wurde, sowie die am Donnerstag dem
Vorbild einer „keltischem Mauer“ nachempfundene Holzkonstruktion.
Am Nachmittag wurde abschließend ein Wettspiel in vier Gruppen gespielt, bevor die
ersten Eltern ankamen. Später fand im Beisein aller Eltern eine Preisverleihung
(ohne Sieger und Verlierer; Tafel 20) statt, bei der alle Teilnehmer am „Keltenlager“
eine Holzscheiben-Medaille (Tafel 21), einen historischen Roman und die von ihnen
erstellten archäologischen Protokolle als Kopie überreicht bekamen.
7. Das vorläufige Konzept zur Vermittlung der Archäologie an der Milseburg:
Für die Vermittlung des archäologischen Arbeitsalltags draußen am historischen
Steinwall habe ich in Zusammenarbeit mit dem Archäologen der Vor- und Frühgeschichte lediglich ein vorläufiges Konzept erarbeitet, damit wir vor Ort flexibel und
spontan auf die Fragen - und Antworten! - der Kinder reagieren konnten. Dabei ging
es mehr um die grundsätzliche Herangehensweise, also um die Methode der Vermittlung, als um genau festgelegte Fragen, denn wir kannten den Wissensstand der
Gruppe vorher nicht.
Meiner Meinung nach sollten die Kinder vorher etwas über das erfahren, was sie
anschließend aktiv tun werden. Sie handeln dann bewusster, weil sie eher wissen,
warum sie etwas tun. Indem man ihnen dieses Vorwissen in einem Frage-AntwortSpiel vermittelt, werden sie gleichzeitig schon zum Nachdenken angeregt. Bei dieser
theoretischen Erarbeitung, die danach auch noch praktisch umgesetzt wird, bleibt
längerfristig mehr von dem Erlernten im Gedächtnis haften. Haben die Kinder später
auch die Möglichkeit zu einer Reflexion (z.B. am nächsten oder übernächsten Tag),
so ist der Lernerfolg noch effektiver. Aber letzteres ist nicht immer zu realisieren und
vielleicht in pädagogischer Hinsicht auch nicht immer sinnvoll. Nach einer solchen
erlebnisreichen Woche wie das „Keltenlager“ an der Milseburg sind viele der Kinder
wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, sich zu konzentrieren.
Ich hatte mir einige Fragen für den Moment einfallen lassen, in dem die Kinder am
Steinwall ankommen. Alle sollten sich erst einmal in der Landschaft umsehen und
sich überlegen, was ihnen auffällt. Dann wären sie vielleicht auf den riesigen Felsen
gekommen, der sich vor ihnen mit einem steilen Geröll-Abhang erhebt - das ist die
Milseburg -, vielleicht wären sie aber auch auf die Idee gekommen, dass der sich
lang durch die Landschaft hinziehende Steinhaufen ungewöhnlich sei. Als weitere
Fragen sollten dann gestellt werden: Wie könnte dieser lange Steinhaufen entstanden sein (auf natürliche Weise oder von Menschenhand)? Wer könnte ihn gebaut
haben? Sah dieser Steinwall immer so aus? Warum ist die ehemalige Mauer zu
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einem Steinwall zusammengefallen? Was wisst ihr über die Milseburg? Was wisst ihr
über die Kelten? Woher weiß man eigentlich, dass hier früher Menschen gewohnt
haben? Mit der Frage: Woher wissen wir und die Archäologen überhaupt etwas über
die Kelten (oder andere vergangene Kulturen und Epochen)? wollte ich auf das
Thema Archäologie zu sprechen kommen: Was macht der Archäologe? Welche Geräte und welches Werkzeug braucht der Archäologe zur Ausgrabung?, um dann zur
praktischen, archäologischen Arbeit überzugehen. Die Kinder sollten beispielsweise
den Wall ausmessen und gleichzeitig überlegen, warum sie dies tun, außerdem die
Führung eines archäologischen Tagebuches und den Umgang mit Nivelliergerät und
Messlatte lernen. Außerdem sollten zwei oder drei Kinder in jeder Gruppe die
Mauer, wie sie früher ursprünglich einmal ausgesehen haben könnte, von einer Informationstafel abzeichnen, um das Prinzip ihrer Konstruktion besser verstehen zu
können. Hier im Gelände geht es weniger um die eigentlichen Ausgrabungstechniken mit Spitzkelle und Handbesen, sondern um all die anderen wichtigen Arbeiten,
die ein Archäologe auch tun muss.
Im Unterschied zu der Gruppe am Vormittag kennen die Teilnehmer der zweiten
Gruppe am Nachmittag schon einige Aufgaben und Geräte von der nachgestellten
Ausgrabung in der Jugendherberge, die für sie am Vormittag stattfand. Darauf sollten wir als Leiter der Aktion im Gelände natürlich eingehen, indem wir die Kinder nun
vorerst ohne Erklärungen mit der Situation und den Gerätschaften konfrontieren und
sie selbst in etwa wissen müssten, was zu tun ist. Sie könnten erzählen, was sie am
Vormittag gelernt haben und dies dann in der neuen Situation im Gelände noch einmal anwenden (Transferleistung).
Ich hatte die Absicht, in einer gemeinsamen, abschließenden, etwa 20-minütigen
Besprechung des Tages alle Kinder zu fragen, ob sie eine Vorstellung davon haben,
was mit den vielen Funden, die auf professionellen Ausgrabungen geborgen werden,
geschieht. An dieser Stelle könnte man zur Ausstellung „Milseburg - Ein Berg mit
Profil“ im Vonderau Museum Fulda überleiten, die die Kinder idealerweise kurz vor
der Ferienfreizeit gemeinsam besucht haben. Dort hatten sie in einer Vitrine einige
keltische Scherben von der Milseburg betrachten können. In diesen Zusammenhang
passt auch die Frage, was mit einem so großen (Kultur- und Natur-) Denkmal wie der
Milseburg passiert.
Für den Fall, dass das Wetter zu schlecht gewesen wäre, um mit den Kindern raus
auf die Milseburg zu gehen (wie z.B. bei strömendem Regen), hatten wir uns ein
Alternativprogramm ausgedacht, das man im Haus hätte durchführen können. Der
Archäologe brachte aus dem Vonderau Museum zwei Modelle von Ausgrabungssituationen zu keltischen Funden mit, die in Originalgröße einmal ausgestellt waren
oder noch sind. In einem der Modelle sind kleine, menschliche Figuren integriert.
Anhand dieser Modelle, die gerade für Kinder sehr ansprechend sind (Vergleich
Puppenstube, Matchbox-Autos oder Lego-Modelle), sowie der archäologischen Geräte, hätten wir die Aufgaben und die Arbeitsweisen des Archäologen anschaulich
gemacht. Die Fragen wären zum größten Teil die gleichen gewesen, wie ich sie oben
bereits aufgeführt habe. Allerdings hätten sie den Steinwall dann nicht mit eigenen
Augen erlebt. Jedes Kind hätte die Höhe eines anderen Gegenstandes im Raum
(Fußboden, Stuhl, Tisch, Karton auf dem Fußboden) mit dem Nivelliergerät
einmessen dürfen, während jeweils ein anderes Kind die Messlatte gehalten hätte.
8. Themen-Tag Archäologie: Die Vermittlung der Arbeitswelt des Archäologen
/ Die Umsetzung des provisorischen Konzeptes
Während der Archäologe und ich morgens mit Geräten und Werkzeug im Auto von
der Jugendherberge aus zum Steinwall gefahren sind, hat sich eine Gruppe der Kin-
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der zu Fuß auf den Weg dorthin gemacht. Das Wetter zeigte sich von seiner düsteren Seite: es herrschte Nieselregen und dazu wehte ein starker, unangenehmer
Wind. Aber das ist eben das Los eines Archäologen - er muss bei „Wind und Wetter“
raus. Oben am Wall angekommen, fragten wir die Kinder zunächst, wie denn der
Aufstieg war - eher anstrengend oder eher leicht. Natürlich stöhnten fast alle, wie
schwer die Wanderung von ca. einer halben Stunde war. Dann fragten wir, ob der
Aufstieg der steilen Geröllwand, die sie gerade vor sich sahen, wohl noch schwerer
oder leichter sei. Das Staunen war groß. Letztendlich wurde damit doch klar, dass
die Seite des Berges, die sie gerade hoch gelaufen sind, relativ leicht einzunehmen
sei und deshalb befestigt werden musste. Diese Art der Einführung war im Konzept
nicht vorgesehen, doch es hat sich spontan so ergeben. Nun wollten wir wissen, ob
ihnen irgend etwas Ungewöhnliches in der Umgebung auffiel. Aber die Kinder
wussten schon, dass der Steinwall einmal eine keltische Mauer war. Sie wussten
jedoch nicht, wie diese Mauer ursprünglich ausgesehen hat und wie es dazu kam,
dass sie heute so anders aussieht. Das wurde mit Fragen über die Kelten, wann sie
lebten und wie sie sich vor Feinden schützten, geklärt. Da die Mauer über zwei
Jahrtausende nicht mehr gebraucht und instand gehalten wurde, verfiel zuerst das
Holz der Konstruktion und die ehemals ordentlich gesetzten Steine blieben als zusammengefallener Haufen übrig. Zur Vorstellung der großen Zeitspanne haben wir
daran erinnert, was wir am Montag nachmittag mit dem im Flur der Jugendherberge
ausgezogenen Maßband gemacht haben. Nicht alle der im vorläufigen Konzept notierten Fragen konnten gestellt werden, weil diese Art von Diskussion immer etwas
anders verläuft und nicht bis ins Detail geplant werden kann.
Nach dieser Einführung, die sowohl vormittags als auch nachmittags etwa eine halbe
Stunde dauerte, sind wir alle am Wall entlang zum in der Nähe stehenden Auto
gegangen. Dabei durchschritten wir einen erhaltenen, schräg verlaufenden,
schmalen Pfad (ehemals das keltisches Ost-Tor) durch den Steinwall und haben
nochmals die Wehrhaftigkeit der Kelten angesprochen. Am Auto bekam jedes Kind
ein Gerät oder Werkzeug in die Hand, um es zum Ort unserer archäologischen Untersuchung, einem modernen Durchbruch im Wall, zu tragen. Nun wurde das Nivelliergerät aufgebaut und die einzelnen Aufgaben verteilt (Tafel 8): zum Führen des
Tagebuches erklärte der Archäologe, welche Informationen in welcher Reihenfolge
notwendig sind; den Querschnitt des Walls haben vier Kinder, jeweils zu zweit mit
einem Maßband, an mehreren Stellen in Breite und Höhe vermessen und der Tagebuchführerin die Werte zugerufen; drei (bzw. nachmittags zwei) Kinder bekamen den
Auftrag, die Mauer, wie sie früher ausgesehen haben könnte, von einer der Informationstafeln am „keltischen Rundwanderweg“ abzuzeichnen (Tafel 9); zwei andere
Kinder haben verschiedene Höhen eingemessen, indem einer die Messlatte gerade
halten musste, während der andere den Wert durch das Nivelliergerät abgelesen
hat. Am Schluss durfte jedes Kind noch einmal durch das Messgerät schauen. Das
fanden alle sehr spannend. Insgesamt hat jede der beiden Aktionen im Gelände ungefähr zwei Stunden gedauert.
Das oben kurz beschriebene Alternativprogramm brauchte zum Glück aufgrund des
relativ guten Wetters nicht durchgeführt zu werden - nachmittags kam sogar die
Sonne raus -, aber zum Abschluss des Archäologie-Tages haben wir allen Kindern in
der Jugendherberge doch noch die beiden Modelle aus dem Vonderau Museum
gezeigt und erklärt (Tafel 10).
9. Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis - Kritische Anmerkungen
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Nicht alles, was man sich in seiner Konzeption vornimmt, lässt sich immer realisieren, entweder weil die äußeren Bedingungen es nicht erlauben oder weil sich eine
Aktion in der Praxis anders entwickeln könnte.
Der Ausstellungsbesuch im Vonderau Museum, den ich vor Beginn der Ferienfreizeit
„Keltenlager“ angedacht hatte, war aus organisatorischen Gründen leider nicht
durchführbar. Die größte Schwierigkeit hätte darin bestanden, daß fast 20 Kinder aus
verschiedenen Orten in der Rhön (nur wenige stammten aus Fulda) nach Fulda
gebracht werden mussten. Dazu hätte ein Bus für 20 bis 25 Personen gemietet werden müssen, was für die Veranstalter zu teuer geworden wäre. Die einzig vorstellbare Alternative war, dass Eltern in Fahrgemeinschaften die Kinder gebracht und
wieder abgeholt hätten. So wurde der Plan, die Ausstellung im Vonderau Museum in
die Ferienfreizeit einzubeziehen, aufgegeben. Das hatte zur Folge, dass die Freizeitwoche, die als Begleitprogramm zur Ausstellung „Milseburg - Ein Berg mit Profil“
konzipiert war, den museumspädagogischen Bezug verloren hatte. Wir versuchten,
dies wenigstens verbal etwas auszugleichen, indem wir die Kinder fragten, wer
schon einmal im Vonderau Museum war, und ihnen bei mehreren Gelegenheiten
Teile der Ausstellung beschrieben. Die beiden Ausgrabungs-Modelle ergänzten die
Erinnerung an das Museum. Damit konnten und wollten wir natürlich den Ausstellungsbesuch nicht ersetzen. Aber es sollte ein Anreiz sein, nach der Freizeit doch
einmal in die Ausstellung zu gehen. Aufgrund der vorgegebenen, maximalen Seitenzahl für diese Arbeit ist es hier nicht möglich, detaillierter auf das eigentliche museumspädagogische Konzept dieser geplanten Kinderführung im Museum einzugehen.
Auch ein Nachtreffen ließ sich nicht einrichten, wobei es in diesem Fall vielleicht
auch fraglich ist, ob das Sinn gemacht hätte. Die Kinder haben die ganze Woche
jeden Tag sehr viel erlebt und waren überfüllt mit Eindrücken, die sie erst einmal
verarbeiten mussten. Sie hätten sich möglicherweise nicht mehr auf die Sache,
nämlich das Erlernte zu reflektieren, konzentrieren können.
Im Kapitel zum vorläufigen Konzept zur Vermittlung der Archäologie im Gelände
habe ich mögliche Fragestellungen an die Kinder aufgezählt. Zum großen Teil
konnte man sich an dieses Konzept halten, zum Teil haben sich aber auch neue,
unvorhersehbare Situationen ergeben. Im nachhinein ist mir aufgefallen, dass ich zu
viel von dem bereits erzählt hatte, was ich eigentlich als Fragen formulieren und als
Antworten von den Kindern hören wollte. Eine weitere Schwierigkeit bei der Umsetzung des Konzeptes in die handlungsorientierte Aktion vor Ort bestand vor allem
darin, den Überblick über die Aufgabenverteilung zu behalten. Während der Archäologe und ich einigen Kindern etwas zum Umgang mit dem Nivelliergerät oder über
die Führung des Tagebuches erklärten, haben sich andere mit ihrem Maßband am
Wall beschäftigt. Dabei hatten sie die ihnen von uns gestellte Aufgabe falsch verstanden und wollten den Wall der Länge nach messen. Obwohl wir den Fehler bemerkt hatten, konnte keiner von uns helfend eingreifen. Eigentlich hätten wir die
Kinder in diesem Moment nach dem Sinn ihres Tuns fragen müssen. Aufgrund der
räumlich weit ausgedehnten Aktion im offenen Gelände mit einer Gruppe von zehn
Kindern und unserer mangelnden pädagogischen Routine bekamen wir diese Situation nur unzureichend in den Griff.
Die Vermittlung von historischen, kulturellen oder auch archäologischen Themen für
Kinder ist keine leichte Aufgabe - weder für Pädagogen, die nicht unbedingt ein umfassendes Geschichts- und Kulturwissen besitzen müssen, noch für Historiker oder
Archäologen, die meistens keine pädagogische Ausbildung gemacht haben. Während Wissenschaftler ihre Themen oft zu ausführlich und kompliziert vortragen, gehen viele Pädagogen zu oberflächlich vor. Bei der Ferienfreizeit an der Milseburg war
das kaum anders. Ich habe selbst erfahren, wie schwierig es ist, sowohl die Kultur
der Kelten als auch die archäologischen Arbeitsmethoden kindgerecht und
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verständlich zu vermitteln. Denn bei aller Vereinfachung und Reduzierung des Themas ist grundsätzlich darauf zu achten, dass ein Sachverhalt nicht verfälscht wird,
nur weil es darum geht, das Prinzip zu veranschaulichen. Wenn beispielsweise wie
in dieser Freizeitwoche an der Milseburg die keltische Kultur und Lebensweise im
Vordergrund steht, ist es meiner Ansicht nach nicht akzeptabel, den Kindern Gefäßformen aus anderen (viel früheren) Epochen als typisch keltisch zu vermitteln. Die
Erklärung der Pädagogin während des Meiler-Aufbaus, dass diese Art des Brennens
von Töpferware wohl nicht keltisch sei, ist für meine Begriffe in Ordnung. Ich denke,
die Kinder verstehen so etwas eher, als wenn sie von anderer Seite (z.B. später in
der Schule) eine andere Version erfahren. Der Aufbau der Holzkonstruktion hätte
den Kindern gegenüber besser nicht als „keltische Mauer“ bezeichnet werden sollen,
da eine Mauer immer aus gemauerten und gesetzten Steinen besteht. Steine fehlten
aber hier, weil sonst die ganze Aktion zu aufwendig geworden und an einem einzigen Nachmittag nicht machbar gewesen wäre. Den Kindern müsste deutlich vermittelt werden, dass es sich bei dieser Holzkonstruktion nur um das „Nachempfinden
des Baus einer keltischen Mauer“ handelt. Meiner Meinung nach zeigte sich, dass
für die Vermittlung solcher Inhalte eine enge Abstimmung zwischen Pädagogik und
Wissenschaft notwendig ist und beide dabei voneinander profitieren würden.
10. Fazit - Zusammenfassung - Ausblick
Die Freizeitwoche „Keltenlager“ an der Milseburg war meines Erachtens ein großer
Erfolg. Den Kindern hat es offensichtlich viel Spaß gemacht und auch die Eltern
können sicher zufrieden sein, dass ihre Schützlinge bei all dem Spaß auch noch
etwas Sinnvolles gelernt haben. Die Pädagogen und Veranstalter dürfen wohl davon
ausgehen, dass eine Ferienfreizeit in dieser Form beim nächsten Mal wieder solch
große Beliebtheit finden würde.
Die zeitliche Einteilung der Woche mit den einzelnen Aktionen war geschickt gewählt. Am ersten Tag sollte eigentlich noch nicht viel passieren, weil man abwarten
wollte, wie sich die Kinder eingewöhnen. Das verlief so gut, dass der Nachmittag
schon genutzt werden konnte, ihnen etwas über die Kultur der Kelten zu erzählen.
Die Aufteilung der Kinder in zwei Gruppen erwies sich als sehr vorteilhaft, so konnte
parallel gearbeitet werden. Das Töpfern musste am Anfang der Woche stehen, weil
die Gefäße mehrere Tage zum Trocknen brauchten, bevor sie dann am vorletzten
Tag gebrannt werden konnten. Aber es hätte wenig Sinn gemacht, damit am ersten
Tag anzufangen. Genauso hätte sich der letzte Tag nicht für das Brennen geeignet.
Somit waren die Tage für die Töpferei zwangsläufig festgelegt. Nur die Aktionen des
dritten und vierten Tages wären vermutlich austauschbar gewesen. Die beiden verschiedenen Aktionen zur Archäologie sollten an einem Tag gemeinsam stattfinden,
weil die Gruppenteilung dafür günstig schien und dadurch gleichzeitig der Lerneffekt
höher war. Dagegen war es weder für die Naturkunde-Führung auf der Milseburg
noch für den Bau der Holzkonstruktion nötig, die Gruppe zu teilen. Für den Holzbau
gab es so viele verschiedene Dinge zu tun, dass alle zwanzig Kinder leicht zu beschäftigen waren. Insofern war es aber sinnvoll, diese beiden voneinander unabhängigen Aktionen an einem Tag zu machen. Es war sehr schade, dass der museumspädagogische Bezug nicht herzustellen war. Ein Besuch mit allen Kindern in der
Ausstellung „Milseburg - Ein Berg mit Profil“ im Vonderau Museum Fulda wäre die
Voraussetzung dafür gewesen.
Eine Perspektive für eine museumspädagogische Umsetzung des Themas Archäologie wäre zum Beispiel eine Projektwoche mit Kindern, bei der der Weg der Funde
von der Ausgrabung bis zur Ausstellung (oder ins Depot) im Museum nachvollzogen
wird.
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Abschließend sei noch erwähnt, dass im kommenden Jahr eine archäologische
Ausgrabung direkt am Steinwall der Milseburg, eben dort, wo die Kinder gemessen
haben, geplant ist. Der Archäologe hat den Kindern versprochen, an einem Tag
diese „echte“ Grabungsstelle besuchen zu dürfen, um so die Arbeitswelt eines
Archäologen hautnah zu erleben.
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Zur Ausstellung ist ein umfassendes, reich bebildertes Begleitbuch erschienen, in
dem alle Themenbereiche ausführlich und interessant beschrieben werden:
Marion Feld, Dirk Englert (Hrsg.): Milseburg - Ein Berg mit Profil (Ausstellung Fulda
und Kleinsassen vom 26.08. - 28.10.2001), Petersberg 2001
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