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DER WESTERWALD
In einem alten Reitergedicht (ohne Autor oder Erscheinungsdatum) heißt es:
„Kompstu denn auf den Westerwald,
da ist es im Sommer und Winter kalt.“
Und in einem modernen Soldatenlied heißt es ähnlich….
Das Westerwaldlied:
Heute wollen wir marschier’n
Einen neuen Marsch probier’n
In dem schönen Westerwald
Ja da pfeift der Wind so kalt.
Refrain:
Oh, Du schöner Westerwald
Über Deine Höhen pfeift der Wind so kalt
Jedoch der kleinste Sonnenschein
Dringt tief ins Herz hinein.
Und die Gretel und der Hans
Geh’n des Sonntags gern zum Tanz
Weil das Tanzen Freude macht
Und das Herz im Leibe lacht.
Refrain
Ist das Tanzen dann vorbei
Gibt es meistens Keilerei
Und den Bursch den das nicht freut
Ja, man sagt der hat kein Schneid.
Refrain
Was ist nun der Westerwald? Wie bekam er einen so schlechten Ruf?
Es handelt sich um eine Region im Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz
und Hessen mit den Begrenzungsflüssen Rhein im Westen, Sieg im Norden, Dill im Osten
und der Lahn im Süden. Oder zwischen den Städten Limburg, Herborn, Siegen und
Neuwied. Der Name bezeichnete früher nur ein Gebiet direkt westlich von Herborn, seit Mitte
des 19. Jhd. hat sich die Bezeichnung für den heutigen Raum durchgesetzt. Auch das
Gladenbacher Bergland wird zum Westerwald gerechnet.
Der Westerwald hat eine Fläche von ca. 3000 km² (z. Vgl. Hessen 21.000 km²) und gehört
geomorphologisch zum Rheinischen Schiefergebirge. Nördlich befindet sich das Rothaargebirge und südlich der Taunus.
Die Region Westerwald lässt sich in 3 Teile gliedern: Unterer bzw. Vorderer Westerwald,
der südwestliche Teil mit der Dierdorfer und der Montabaurer Senke mit dem
Kannenbäckerland;
Oberer Westerwald im Bereich der Westerwälder Seenplatte und schließlich der Hohe
Westerwald, eine kahle, wellige Hochfläche mit rauem Klima, wo der Wind so kalt weht.
Hier befindet sich auch der höchste Berg, die Fuchskaute mit 657 m.
Geologie
Geologisch ist der Westerwald Teil des Rhein. Schiefergebirges und stellt wie dieses einen
stark erodierten Rest des großen variskischen Gebirgssystems dar, welches in der Urzeit und
im Erdaltertum große Teile Mitteleuropas prägte. Dieses Gebirgssystem war durch ähnliche
plattentektonische Vorgänge entstanden, wie auch die Plattentektonik seit 70 Mio Jahren (d.h.
seit Beginn des Tertiärs) die heutige Verteilung der Kontinente zustande gebracht hat.
Das gesamte Gebiet des Westerwaldes lag im Erdaltertum (vor 6oo – 270 Mio Jahren) unter
einem tropisch warmen Meeresarm. In diesem Meer wurden von Flüssen viele km mächtige
Sedimente abgelagert, die bei der Gebirgsbildung stark gefaltet wurden. Das Ergebnis waren
Hochgebirge, z. T. höher als die heutigen Alpen. Im Laufe der folgenden Jahrmillionen kam
es zu einer starken Abtragung bis zur Rumpfbildung wie sie sich heute darbietet. Das
abgetragene Material wurde in Senken und Becken (Meere) transportiert und bildete die
Gesteinsschichten , die wir heute mit Erdmittelalter bezeichnen, d.h. Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper, Jura und Kreide.
Am Ende dieses Erdmittelalters setzte mit dem Tertiär eine erneute plattentektonische Veränderung ein mit der Verlagerung der kontinentalen und ozeanischen Platten mit
Gebirgsbildung (z.B. Alpen, Himalaja). Die Zeit des Tertiärs war geprägt von ständiger
tektonischer Aktivität mit Hebungen und Senkungen und dem Auseinanderreißen ganzer
Kontinente (z.B. dem Ostafrikanischen Grabenbruch) und viel dichter bei uns, quasi vor der
Haustür, dem Entstehen des Oberrheingrabens zwischen Basel und Koblenz mit einer
Sprunghöhe von mindestens 3000 m.
Die Auswirkungen auf die Umgebung blieben nicht aus: An den Verwerfungs- und Störungslinien setzte eine starke vulkanische Tätigkeit ein mit z.B. den Basaltdecken des
Westerwaldes oder der Entstehung des Vogelsberges, der mit ca. 2500 km² Fläche der größte
Schildvulkan Europas ist. Hier hat sich der Schildvulkan allerdings auf den Buntsandstein
gesetzt.
Hier schließt sich der Kreis und deshalb der Exkurs durch einen großen Teil der Erdgeschichte: Der Westerwald ist einzigartig im Bereich der Mittelgebirge, weil sich hier tertiäre
vulkanische Deckschichten auf dem Grundgebirge ausgebreitet haben, die im Laufe der
Geschichte für die Besiedlung und Wirtschaft dieser Region entscheidend waren und noch
sind.
Klima
Wie in dem zitierten Gedicht und dem Lied schon angedeutet, ist das Klima im Westerwald,
und hier besonders im Hohen Westerwald rau und auch feucht.
Wir befinden uns im Bereich der Westwindzone, d.h. feuchte Luft vom Atlantik muß am
Gebirgsrand aufsteigen, es kommt zu Wolkenbildung und Niederschlägen. (Mittlere
Jahresniederschläge von 1000 – 1100 mm; am Kahlen Asten mit 841 m Höhe fast 1500 mm.
Dagegen haben die Bereiche im Regenschatten wesentlich geringere Werte (Marburg ca. 670
mm).
Auch im Temperaturbereich gibt es große Unterschiede:
Während die mittlere Jahrestemperatur in Köln 9,6 Grad Celsius beträgt, sind es im Westerwald nur 5 – 6 Grad (z.Vgl. Marburg = 8,7 Grad).
Besiedlung
Man könnte meinen, diese klimatische Ungunst hätte die Menschen davon abgehalten, hier zu
siedeln. Dagegen deuten Funde darauf hin, dass schon vor 5000 Jahren Siedlungen bestanden.
In der Nähe von Hadamar nördlich von Limburg wurde ein Steinkistengrab entdeckt, das auf
diese Zeit datiert wurde.(Kopie)
Die ersten dauerhaften Siedler waren wohl die Kelten (ca. 500 v. Chr.), denen sich hier die
Nutzung einer Waldweide und die Möglichkeit der Erzgewinnung bot. Daß die Kelten sich
auch hier breit machten ist nicht verwunderlich, haben sie doch im gesamten West-, Mittelund Osteuropa bis in die heutige Türkei gesiedelt. Außerdem kannten sie die Kunst der
Eisenverarbeitung.
Funde von Handmühlsteinen aus Eifeler Basalt, die der späteren Latènezeit zugeschrieben
werden (ca. 125 – Chr. Geb.) belegen auch landwirtschaftliche Tätigkeiten neben der
Viehhaltung.
Diese Mühlen wurden später von den Römern übernommen. (s. Saalburg) (Kopien)
Seit etwa 5oo n. Chr. ist der Westerwald kontinuierlich besiedelt. Zahlreiche Orte mit
Endungen auf –hain und –rod gehören in die Siedlungsperiode zwischen 800 – 1200.
Kurz darauf , im Jahr 1215, kommt es zur Gründung des Klosters Marienstatt durch die
Zisterzienser. Auch hier wird deutlich, dass dieser Orden seine Klostergründungen in
Gegenden vornahm, die besonders ungünstige wirtschaftliche Voraussetzungen hatten.
Andere Klostergründungen dieses Ordens, allerdings um einiges früher, waren
chronologisch Schulpforta, bei Naumburg a. d. Saale 1132, Eberbach 1135, Maulbronn
1147, Haina im 12. Jhd..
Die Entwaldung des Westerwaldes (meist Laub-Mischwald) wurde durch Beweidung und
Köhlerei bis zur frühen Neuzeit vorangetrieben.
Sehr stark wirkte sich der spätmittelalterliche Wüstungsprozeß im 14./15. Jhd. aus, bei dem
fast die Hälfte aller Ortschaften aufgegeben wurde, wiederum ein Beweis für die Schwierigkeit, für das Überleben genügend zu produzieren.
Aus der Literatur ist der Hohe Westerwald für vorherrschende Gründlandwirtschaft bekannt
vor allem von Kleinbauern, die oft kaum davon existieren konnten. Zusatzverdienste kamen
aus der Heimarbeit, durch das Arbeiten als Tagelöhner oder durch das Pendeln in z. T. weit
entfernt gelegene Industriestandorte.
Um die landwirtschaftliche Situation auf den entwaldeten und nassen Höhen zu verbessern,
wurden von den Grundherren Maßnahmen ergriffen. Dazu gehörte die Trockenlegung der
Flächen und Aufforstung, meist in Form von Windschutzstreifen (meist Fichten; man spricht
daher von einer “Verfichtung“).
In vielen Mittelgebirgsregionen haben sich besondere Wirtschaftsformen entwickelt.
Im Siegerland z.B. gab es die Haubergwirtschaft, eine Art Wechselwirtschaft von Wald- und
Ackerfläche. Knieholz wird geschlagen und zur Holzkohleproduktion genutzt. Nach dem
Abbrennen des Unterholzes erfolgte eine Nutzung für 4 – 5 Jahre als Feld, dann durfte der
Wald wieder wachsen.
Auch im Westerwald hat sich eine Wechselwirtschaft entwickelt: In Dorfnähe gab es meist
nur Grünland, darin verstreut wenige Ackerflächen, die 3 – 5 Jahre als Feld und dann wieder
als Grünland genutzt wurden.
Dieses System wurde Trieschwirtschaft genannt. Hauptanbauprodukte waren Hafer und
Kartoffeln, mehr gab der Boden nicht her.
Der diese Art Wirtschaft betrieb war wohl ein Trieschmann.
Die Westerwälder Seenplatte
Wenn man über den Westerwald fährt, fallen viele kleine Teiche und Weiher auf. Tatsächlich
spricht man hier von einer Teichlandschaft. Anders als in anderen Gebieten, wo die Teiche
abwechselnd als Ackerfläche und zur Fischzucht dienten, werden die Teiche hier ausnahmslos
zur Fischzucht, meist Karpfen genutzt.
Bereits nach dem 30 – jährigen Krieg ließen die Fürsten zu Wied zur besseren Ausnutzung
des geringwertigen Landes Teiche anlegen, indem sie in den Bach- und Quellmulden ohne
großen Aufwand Staudämme errichten ließen und so eine Teichlandschaft schufen, die meist
der Karpfenzucht diente.
Der Beginn der Urlaubs- und Campingwelle Ende der 50 – er Jahre des letzten Jhd. stellte für
diese Landschaften einen ungeheuren Bedeutungszuwachs dar. Verstärkt wurde das noch
durch die Entdeckung des Erholungs- und Freizeitangelns.
Inzwischen kämpfen Umweltschützer gegen die so genannte Inwertsetzung durch immer
stärker werdenden Fremdenverkehr.
Industrie
Wie in vielen alten Gebirgen gibt es im Westerwald natürlich auch Bodenschätze. Wie bereits
erwähnt handelte es sich um Eisenerz aus dem Erdaltertum, das schon die Kelten ausbeuteten
und Braunkohle aus dem Tertiär. Beide Vorkommen waren nicht sehr ergiebig. Die letzte
Erzgrube wurde in den 60 – er Jahren aufgegeben. Was immer noch abgebaut wird ist
natürlich Basalt in Steinbrüchen und vor allem Schiefer, meist im Tiefbau zur Hausbedachung. Der Schiefer auf den Hausdächern von Marburg kommt z.T. aus dem
Westerwald.
Das Kannenbäckerland
Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich auf eine Besonderheit eingehen, die Keramikherstellung im Kannenbäckerland. Fast jeder, auch ohne Biertrinker zu sein, kennt die
Bierseidel, und jeder, der gern Äppelwoi trinkt kennt den Bembel.
Das Kannenbäckerland ist ein Gebiet im südwestlichen Teil des Westerwaldes früher um
Höhr-Grenzhausen, heute um Dernbach – Baumbach – Wirges. Schon seit dem Mittelalter
werden in zahlreichen Familienbetrieben Töpferwaren hergestellt aus einem Material, das
während des Tertiärs entstanden ist. Dieser Ton, der als das „weiße Gold des Westerwaldes“
bezeichnet wird, wird heute im Tagebau, früher im Tiefbau abgebaut. Diese Tonschichten
sind aus Seeablagerungen in kleinen strömungsarmen Seen und Becken entstanden. Die
Mächtigkeit der abbauwürdigen Schichten schwankt zwischen 2 – 40 m, die Ausdehnung der
einzelnen Grubenfelder ist sehr unterschiedlich. Die Entstehung muß man sich so vorstellen:
Im feuchten, tropischen Klima der Tertiärzeit wurde das Grundgebirge tief zersetzt und
kaolinisiert, wodurch Tone mit einem sehr hohen Schmelzpunkt von über 1600 Grad C
entstanden sind. Diese werden wegen ihrer hohen Formbarkeit auch als plastische Tone
bezeichnet. (Kaolin ist das Ausgangsprodukt von Porzellan).
Der größte Teil des gewonnenen Materials wird heute exportiert, der Rest wird hier zu
feuerfesten Industriekeramikwaren verarbeitet. An erster Stelle im Gewerbe steht nach
wie vor die Keramikindustrie. Dazu kommen heute die Glasverarbeitung und die Kunststoffindustrie als Nachfolgeindustrie, die sich auf Grund der bestehenden Geschäftsbeziehungen mit den Tonwaren eingespielt hat. Noch heute werden im Kannenbäckerland
viele Artikel der Bierwerbung hergestellt.
Fährt man heute durch den Westerwald so fällt als erstes eine Fülle von Windrädern auf.
Weiterhin sind viele Ortsrandlagen geprägt durch ausgedehnte Gewerbegebiete, die z.T. Holz
verarbeiten. Eine weitere Veränderung im Landschaftsbild ist der zunehmende Anteil von
Laubwäldern, gegenüber den früher vorherrschenden Nadelwäldern.
Was die Verkehrsverbindungen angeht, so wurde der Westerwald schon in früheren Zeiten
von Fernstraßen durchzogen. Heute führen verschiedene Bundesstraßen, bzw. Autobahnen
durch dieses Gebiet, bzw. daran vorbei.
Berühmte Persönlichkeiten aus dem Westerwald
Ganz zum Schluß noch 2 berühmte Persönlichkeiten aus der Region (neben vielen anderen):
Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein
Geb. 26. 10. 1757 in Nassau
Gest. 29. 6. 1831 in Cappenberg/Westfalen
Friedrich Wilhelm Raiffeisen
Geb. 30. 3. 1818 in Hamm a. d. Sieg
Gest. 11. 3. 1888 in Neuwied
Über letzteren werden wir etwas von Barbara Elsaß und Hans – Werner Rautenberg hören.
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