Grußwort des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin

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Begrüßung des
Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin
Ralf Wieland
anlässlich der Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille 2012
an Frau Dr. Christine Bergmann
am 17. April 2012, 18 Uhr
- Es gilt das gesprochene Wort. –
Heute ist es wieder soweit: Mit der Verleihung der Louise-Schroeder-Medaille gedenken
wir einer großen Berliner Politikerin der Nachkriegszeit: Wir erinnern an die einstige
Oberbürgermeisterin Louise Schroeder. Und wir zeichnen die ehemalige
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann für Ihre politische Leistung und Arbeit aus.
Ich freue mich, dass Sie alle aus diesem Anlass ins Berliner Abgeordnetenhaus
gekommen sind. Und ich möchte Sie ganz herzlich hier begrüßen.
Meine Damen und Herren, Louise Schroeder wäre in diesem Jahr 125 Jahre alt
geworden. Das gibt unserer heutigen Veranstaltung nochmals zusätzlichen Glanz und
Würde. Nicht nur Männer haben in Deutschland, haben in Berlin Geschichte geschrieben
aufgrund herausragender politischer Leistungen. Auch Frauen gehörten immer dazu.
Louise Schroeder ist so eine weibliche Persönlichkeit, auf die jedes Land, jede Stadt
stolz wäre.
Louise Schroeder hatte eine proletarische Herkunft. Sie wurde am 2. April 1887 hinein
geboren in eine Zeit, als das Leben vieler Arbeiter-Familien ein ständiger
Überlebenskampf war – Tag für Tag. „Not und Elend“, so sagte sie selbst einmal in
einem Interview, wären ständige Begleiter im Alltag ihrer Familie gewesen. Acht Kinder
mussten die Eltern ernähren. Der Vater war Maurer.
Aufgewachsen ist Louise Schroeder im schleswig-holsteinischen Altona, einer Stadt vor
den Toren Hamburgs. Heute ist es ein Stadtteil von Hamburg. Dort war sie beheimatet
bis 1933. Dann war sie der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt.
Als sozialdemokratische Reichstags-Abgeordnete war sie zur „Volksfeindin“ geworden.
Nach Berlin zog es Louise Schroeder 1938. In der Anonymität der Großstadt wollte sie
untertauchen. Es wurde für sie zu gefährlich, in ihrer Heimat zu bleiben. Später äußerte
Louise Schroeder, dass es die Hilfe und Unterstützung durch die Berlinerinnen und
Berliner gewesen sei, weshalb sie nach Kriegsende in der Stadt blieb. Sie wollte am
Wiederaufbau der zerstörten Stadt politisch mitwirken.
Und das tat sie, wie wir wissen, mit ganzer Kraft und mit großem Erfolg. Louise
Schroeder war ein Glücksfall für Berlin. Sie bewies, dass Frauen sehr wohl kompetent
und umsichtig politisch führen können.
Frauen an der politischen Spitze einer Stadt, an der Spitze eines Staates – das ist für
heutige Generationen nichts Besonderes mehr. Es ist inzwischen zur Normalität in
unserer politischen Kultur geworden. Dass aber diese Normalität über viele Jahrzehnte
hinweg von Frauen erstritten und erkämpft werden musste, gerät dabei allerdings leicht
in Vergessenheit.
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Zweifellos: Als 1918 im Zuge der demokratischen Revolution das aktive wie passive
Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde, da wurde ein Weg frei geebnet für weibliche
Politiker-Karrieren. Auch Louise Schroeder konnte 1919 ein Mandat für die SPD bei der
Wahl zur Nationalversammlung erringen. Ihr eilte ein Ruf als profilierte Sozialpolitikerin
voraus. Bis 1933 zog sie von Wahl zu Wahl – es waren nicht wenige in der Weimarer
Republik –
immer wieder in den Reichstag ein. Das zeigt, dass sie diesem Ruf gerecht wurde.
Wie sehr allerdings die konkrete Regierungsarbeit in den Weimarer Kabinetten eine
Männer-Domäne blieb, zeigt sich daran, dass keine Frau in der Weimarer Zeit Ministerin
wurde. Die Exekutive blieb Frauen auf nationaler Ebene verschlossen.
Umso bedeutender war dann die Entscheidung der Berliner Nachkriegs-SPD, Louise
Schroeder für eine wichtige Regierungsfunktion in Berlin selbst vorzuschlagen. Sie wurde
1. Bürgermeisterin, zeitweise auch kommissarische Oberbürgermeisterin in Vertretung
für Ernst Reuter. Diese Aufgabe meisterte sie mit Bravour. Sie zeigte allen, auch der
Welt-Öffentlichkeit, die nach Berlin blickte, dass Frauen exzellent und kompetent
regieren können.
Unvergessen sind aus dieser Zeit ihre Durchhalte-Reden an die Berliner Bevölkerung der
West-Sektoren während der Berlin Blockade. Und unvergessen ist ebenso ihr mutiges
und couragiertes Auftreten gegenüber dem Militär-Rat der Alliierten. Louise Schroeder
fand so ihren Weg in die Herzen der Berliner.
Es ist immer schwierig, historische Parallelen zu ziehen. Jeder Mensch steht als
Persönlichkeit für sich. Und dennoch gibt es ein paar Übereinstimmungen zwischen
Louise Schroeder und Ihnen, sehr geehrte Frau Dr. Bergmann, die recht auffällig sind.
Auch Sie kamen ohne politische Funktion nach Berlin. Auch Sie wurden anlässlich eines
gewaltigen politischen Umbruchs zur Politikerin. Auch Sie dienten der Stadt als
Bürgermeisterin. Und genauso wie bei Louise Schroeder interessierte Sie besonders die
Sozialpolitik – zunächst als Berliner Senatorin, später dann als Bundesministerin in der
Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder.
In Ihrer Zeit als Berliner Bürgermeisterin und Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und
Frauen ging es hauptsächlich um die innerstädtische Wiedervereinigung. Aus zwei
Stadthälften musste wieder eine zusammenhängende Stadt entwickelt werden.
All die Verwerfungen, die eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft mit sich bringt,
waren auch hier in Berlin zu meistern, waren politisch und sozial so auszusteuern, dass
innerer Frieden und Zuversicht nicht verloren gingen. Dazu haben Sie ganz sicher mit
Ihrer politischen Überzeugung, die christlich fundiert ist, beigetragen. Dass Berlin heute
im Bewusstsein der hier Lebenden keine geteilte Stadt mehr ist, dass sich diese Stadt als
Ganzes präsentiert und darstellt, das haben wir auch Ihrer Arbeit und Ihrer politischen
Einflussnahme zu verdanken. Zu Recht werden Sie dafür heute mit der LouiseSchroeder-Medaille geehrt. Es wird mir eine Freude sein, Ihnen diese Auszeichnung
später zu überreichen.
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