„Kompositionsübungen mit dem Computer“ – Darstellung eines Unterrichtsprojektes im Jahrgang 13 am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 1. Allgemeine Voraussetzungen 1.1 Komponieren mit dem Computer – Vorüberlegungen Der Computer kann im Musikunterricht in vielfältiger Weise eingesetzt werden. Er kann als individueller Hörplatz, als Tonstudio oder als Medium zur Internetrecherche verwendet werden. Seine Bedeutung als Hilfe eigene musikalische Ideen umzusetzen, eben zu Komponieren, soll im Folgenden genauer beschrieben werden. Man kann den schulischen Musikunterricht von diesen drei Säulen getragen sehen: Über Musik reden Musikpraxis Musikhören Diese drei globalen Herangehensweisen sind im besten Fall in jeder Musikstunde eng miteinander verzahnt. Dem Computer im Musikunterricht kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als dass er ein viel direkteren Zugang zur Musik ermöglicht: die SchülerInnen können viel öfter als es im Frontalunterricht möglich ist Musik hören. Das Gehörte kann in vielerlei Hinsicht bearbeitet werden. Im MIDI-Bereich können Töne in Bezug auf ihre Dauer, ihre Höhe und ihren Klang mit sehr viel Variation bearbeitet werden. Der Anwender eines Sequenzerprogramms ist immer ein Handelnder: Die Benutzeroberfläche ist einem großen Reißbrett vergleichbar, der Anwender arbeitet somit konzeptionell. Die Musikfragmente, also die Parts der Programmoberfläche, wollen erstellt, weitergeführt, geparkt, dupliziert, variiert (z. B. transponiert oder sequenziert) oder verworfen werden. Somit ist ein Sequenzerprogramm, wie z. B. eines der Cubasefamilie, der visuelle Ausdruck kreativen Umgangs mit Musik. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 2 Das Komponieren von Musik vertieft in besonderer Weise die Faktur ihrer selbst. Es wird gehört, wenn noch nicht so sehr mit innerer Tonvorstellung, und auch in praktischer Weise reflektiert. Das Komponierte spiegelt in irgendeiner Weise auch Musiktheoretisches. Nicht nur das: eine Komposition ist die praktische Reflexion einer Formidee, die einerseits regelhaft und andererseits nach individueller Ausgestaltung verlangt. Für die Schule bedeutet dies, dass mit dem Komponieren zunächst das Regelhafte von Musik geübt wird. Das Individuelle, Künstlerische, scheint im kompositorischen Handeln nur eingeschränkt möglich zu sein. Um dieses über die Regel Hinausgehende allerdings in der Musik zu erkennen, bietet sich die Betrachtung des Werkes großer Komponisten an. Eine sinnvolle Verknüpfung ist die Fortführung (als Schülerkomposition) einer kompositorischen Teilidee aus der Literatur, um dann im Nachhinein die Lösungen der Schülerinnen und Schüler mit denen der Literatur zu vergleichen. Beim Komponieren mit dem Computer im Unterricht tritt die obengenannte Säule der Musikpraxis zunächst in den Hintergrund, dafür wird aber in intensiver Weise den beiden anderen Säulen Rechnung getragen. 1.2 Beschreibung des Kurses Das zu dokumentierende Unterrichtsprojekt fand im Rahmen eines regulären dreistündigen Oberstufenkurses statt. Es sei betont, dass es sich hier nicht um eine außerunterunterrichtliche AG-Arbeit handelt. Damit erfüllt das Ganze die im Fachbereich Musik an unserer Schule vereinbarte Forderung, dass die Arbeit mit dem Computer, den Unterricht mit seinen herkömmliche Elementen stützen solle. Dem Kurs gehören lediglich sieben Schülerinnen und Schüler an. Damit sind ideale Bedingungen in Bezug auf die Arbeit mit dem Computer gegeben. Da leider am Gymnasium Papenburg wegen der fehlenden SchülerInnnen-Resonanz noch kein Musikleistungskurs angeboten werden kann, handelt es sich hier um einen Grundkurs, in dem drei Schülerinnen und Schüler Musik als 4. Prüfungsfach (mündliche Prüfung) gewählt haben. Recht viele SchülerInnen haben in den ersten beiden Kurshalbjahren (12/1 und 12/2) ihre Belegungsverpflichtungen im Bereich Kunst/Musik erfüllt, so dass die verbleibenden SchülerInnen dieses Kurses im Allgemeinen ein besonderes Interesse für die Unterrichtsarbeit mitbringen. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 3 Der Umgang mit dem Computer im Fach Musik ist nur punktuell in den drei vorangehenden Kurshalbjahren geübt worden (Audioaufnahme und eine kleine MIDI-Übung in ganz bescheidenem Rahmen). Die SchülerInnen verfügen über musikpraktische Erfahrungen, die sie außerhalb des schulischen Musikunterrichts erworben haben. Das ist eine wertvolle, aber im Sinne der Idee dieses Projektes eine musikdidaktisch nicht zwingend notwendige Voraussetzung. Für die Arbeit mit dem Computer besitzen die SchülerInnen die nötigen allgemeinen Kompetenzen (Umgang mit dem Betriebssystem und dem Schulnetz); sie sind dem Unterrichtsprojekt gegenüber sehr aufgeschlossen. 1.3 Computerraum Die Computer, die dem Musikunterricht an unserer Schule zur Verfügung stehen, befinden sich im Sprachlabor, in mittelbarer räumlicher Nähe zu den Musikräumen. Wir verfügen über 15 PCs für die SchülerInnen und eine mobile Station, die mit einer besonderen Soundkarte, einem Drucker und einem Beamer ausgestattet ist. Die Schülerinnen und Schüler können ihre Arbeitsergebnisse mit Hilfe des Schulnetzes im Arbeitsraum ausdrucken. Die Datenkommunikation via Schulnetz ermöglicht auch die sofortige Visualisierung der Schülerarbeiten. Eine kleines Keyboard sorgt für die klangliche Realisierung. Das Schulnetz ermöglicht einen Austausch von Daten. Der Lehrer kann die Aufgaben in dieses Intranetz stellen und auf gleichem Wege die Arbeitsergebnisse der Schülerinnen und Schüler dort auch abrufen. Diese Voraussetzungen sind begünstigend, aber eine Realisierung des Projektes wäre auch ohne das Schulnetz, mit hinnehmbaren Einschränkungen, möglich. Für die Klausur (s. Abschnitt 2.4) ist sinnvollerweise der Zugang zum Schulnetz zu unterbinden. Wegen der doppelten Nutzung des Raumes, als Sprachlabor und Computerraum, sind die Arbeitsplätze etwas eng. Im Moment verzichten wir aus Platzgründen auf die Aufstellung der kleinen MIDI-Tastaturen. Die SchülerInnen arbeiten also ausschließlich mit der Computertastatur. An jedem Musik-PC finden die SchülerInnen ein Headset vor. Die Programme Cubasis VST 4.0 und WaveLab-Lite sind installiert. Alle Arbeitsstationen befinden sich entlang der Wände; die Bildschirme zeigen in die Mitte des Raumes, so dass der Lehrer einen sofortigen, allgemeinen Einblick in die Arbeit hat. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 4 1.4 Verwendete Software (Cubasis VST 4.0, Fa. Steinberg) Die Benutzeroberfläche, das Arrange-Window, besteht aus den Tracks (Spuren), die links angeordnet sind. Rechts daneben befindet sich die Arbeitsfläche des Arrange-Windows mit seinen Parts. Die SchülerInnen können sich dieses Fenster ihren Wünschen entsprechend einrichten (Ausblendung leerer Tracks, komfortable Vergrößerung und farbliche Markierung der Parts). Abb. 1 Benutzeroberfläche Cubasis VST 4.0 Der per Mausklick aktivierte Part kann im Noteneditor geöffnet werden (Strg + R). Dieser Editor ist hier sehr einfach gestaltet, aber ausreichend. Man bedenke, in diesem Zusammenhang die wertvolle Eigenschaft von Cubasis als Sequenzer- und Notenprogramm. Im Falle der vorliegenden Kompositionsübungen können auch Ober- und Unterstimme als Partitur dargestellt werden. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 5 Abb. 2 Noteneditor Cubasis VST 4.0 (Beginn der Invention Nr. 8, J. S. Bach) In diesem Fenster können nun die Noten angeklickt und beliebig verändert werden. In diesem Fenster arbeiten die SchülerInnen hauptsächlich. Das Herausschneiden oder Einfügen von Takten geschieht am einfachsten im Arrange-Window. Die Arbeit mit diesem Programm hat gezeigt, dass die Schülerinnen und Schüler relativ rasch die Grundfunktionen beherrschen lernen. Vieles wird im Prozess hier gelernt. Diese intuitive, von der Lehrkraft unmittelbar begleitete Herangehensweise bietet sich bei einer sehr kleinen Gruppe an. Es sollte in der Mittelstufe anders vorgegangen werden, weil dort musiktheoretische und auf den Notensatz bezogene Kenntnisse noch nicht so gefestigt sind und somit ist eine intuitive Herangehensweise mit Cubasis in der Weise wie in der Oberstufe noch nicht möglich. Aufgrund der didaktisch-methodischen Idee, vorgegebene Musik zu ergänzen, können die Schüler bereits vorhandenes Material bearbeiten. Das Arrange-Window ist voreingestellt; es müssen nicht mehr so viele Noten eingegeben werden. Die Schülerinnen und Schüler dieses Kurses sind erstaunlich gut und schnell mit dem Programm zurecht gekommen. Beeindruckend ist die Virtuosität einiger Kursteilnehmer in Bezug auf die Software, mit der sie am Ende der Unterrichtseinheit an der mobilen Station ihre Ergebnisse präsentiert haben. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 6 2. Unterrichtseinheit Quintfallsequenz 2.1 Kursrahmen/Arbeitsweise/Bewertung Die fachlichen Voraussetzungen für dieses Unterrichtsprojekt ergeben sich aus der Tatsache der konsequenten Unterweisung in der Musiktheorie als ständiges Begleitkompendium. Diese Kompetenz haben die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der verschiedenen Kursthemen erworben. Die Themen lauten: Musik in historischer Entwicklung Original und Bearbeitung Musik und Sprache (12/1) (12/2) (13/1) Die Unterrichtseinheit ist in das Kursthema „Improvisation und Komposition“ (13/2) eingebettet. Im zweiten Kurshalbjahr (12/2) haben sich die Schülerinnen und Schüler einer größeren Gestaltungsaufgabe gewidmet, die sie in Gruppenarbeit, nicht computergestützt, sondern mit realem Instrumentarium, bewältigt haben. Die Unterrichtsarbeit ist in der gesamten Kursphase von musikpraktischen Einheiten, da wo sie sich anbieten, geprägt. Die SchülerInnen sind mit den Kennzeichen erweiterter Harmonik vertraut (Medianten, diverse Akkorderweiterungen). Der Vorhaltsquartsextakkord und die sixte ajoutée sind bekannt. Die Periodenbildung in Schuberts Winterreise ist intensiver betrachtet worden (vgl. mit Abschnitt 2.3.4). Die SchülerInnen sind in der Lage, vierstimmige Sätze regelgerecht anhand der Generalbassbezifferung zu erstellen. Die Arbeitsweise während dieses Computerprojektes wurde mit dem Kurs abgestimmt. So haben wir beschlossen, dass ein Großteil der Kursarbeit als Freiarbeit stattfindet. Nach einer einführenden Unterrichtsstunde (vgl. mit Abschnitt 2.2) wurden nacheinander Aufgaben gestellt, die von den SchülerInnen in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Güte erledigt wurden. Der Lehrer beobachtet und berät die Kursteilnehmer. Am Ende der Unterrichtseinheit steht die Präsentation der Arbeitsergebnisse. Alle Arbeiten werden auf digitalen Speichermedien und darüber hinaus in schriftlicher Form abgegeben. Die mündliche Mitarbeit während des Computerprojektes setzt sich aus folgenden Teilleistungen zusammen: Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 7 Beobachtungen des Lehrers während der Projektarbeit im Computerraum Umfang der bewältigten Aufgaben Fachliche Richtigkeit der Lösungen (richtige Stammtöne, Vorzeichen etc.) Güte der notwendigerweise individuell zu erstellenden Schlüsse. Diese kompositorischen Lösungen müssen sich in sinnvoller Weise auf das Vorhergehende beziehen. Es dürfen auch am Ende einer Quintfallsequenz keine satztechnischen Fehler, wie z. B. die Verwendung des Quartsextakkordes als Schlussakkord, auftreten. Die Analyseaufgabe ist in jedem Fall zu erledigen (schriftlich) Die Kompositionen können kommentiert werden (schriftlich) Präsentation Das Kursthema entfaltet sich vollends, wenn neben der Computerarbeit improvisatorische Formen besprochen werden und der Vergleich beider Prinzipien (Improvisation und Komposition) reflektiert wird. Die Kursarbeit wird mit einer gemeinsamen Improvisation abgeschlossen (den Schülern wird „Autumn Leaves“ vorgeschlagen werden; einige Jazzstandards basieren wegen der häufigen II-V-Verbindungen auf der Quintfallsequenz, bzw. wird diese nur angedeutet, denkbar wäre auch „Fly me to the Moon“) 2.2 Vorstellung des Modells der Quintfallsequenz Die Quintfallsequenz ist ein omnipräsentes barockes Kompositionsmodell. In der vorliegenden Arbeit wird nur die Fassung in Moll behandelt. Dabei werden ausschließlich leitereigene Klänge verwendet, die Dominante ist hier selbstverständlich in Dur. Harmonisch sieht das Modell so aus: Abb. 3 (Notenbeispiel 1) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 8 Wichtig ist die Reihenfolge: Tritonussprung (hier von F nach h (vermindert)) in den verminderten Dreiklang, der Quintfall in die Durdominante, die sich anschließend in die Tonika auflöst. Die Quintfallsequenz ist an fallenden Quinten im Bass erkennbar. Hier wurde zunächst die Darstellung gewählt, die diese Klangverbindungen nach der Regel der möglichst kleinen Schritte realisiert (gleiche Töne bleiben liegen). Die Stimmführungsregeln sind den SchülerInnen gut bekannt. Um den übermäßigen Schritt zu verhindern, der konsequenterweise in der Oberstimme beim Klang h-vermindert von f nach gis (E-Dur) zu setzen wäre, ist die Stimmführung verändert. Mit den Schülern wurde die Quintfallsequenz in der Art, wie in Notenbeispiel 1 gezeigt, erarbeitet. Dabei wurden die Klänge bewusst in der den SchülerInnen gewohnten Art verbunden. Der Aspekt der Sequenzierung der Motivik trat hier erst einmal zurück. In der einführenden Stunde wurde das harmonische Gerüst (Abb. 3, Notenbeispiel 1) in einer „traditionellen“ Hörübung erarbeitet, deren Methodik hier nur stichpunktartig erfasst sei: Tafelarbeit, Klavier, sukzessiver Übungsaufbau, Auffälligkeit des Tritonus in der Reihe reiner Quinten?, Akkorde stets in Grundstellung? Nun folgte eine motivische Konkretisierung dieses harmonischen Modells. Hier kann der Fachlehrer ganz einfache Figuren vorgeben, z. B.: Abb. 4 (Notenbeispiel 2) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 9 Anhand dieser spärlichen motivischen Ausgestaltung können die Schülerinnen und Schüler die Fortführung erschließen; wenn der Fachlehrer diese Fortführung als Gehördiktat auf dem Klavier vorträgt, sind die Schülerinnen und Schüler, in Kenntnis des harmonischen Modells (s. Abb. 3, Notenbeispiel 1), in der Lage das Gehörte zu notieren. Das Ergebnis sind dann so aus: Abb. 5 (Notenbeispiel 3) Aus harmonischen Gründen müssen hier die Versetzungszeichen in Anlehnung an das melodische Moll notiert sein. Hier zeigt sich sehr deutlich die Faktur einer solchen Quintfallsequenz: Die diatonische Sequenzierung ist gewissermaßen streng regelhaft, die Komposition des Schlusses ist individuell. Die SchülerInnen erweitern hier enorm ihr harmonisches Verständnis. In den folgenden Übungen (s. Abschnitt 2.3) zeigen die SchülerInnen ihre kreativen, kompositorischen Schlüsse und ihr Verständnis von der Harmonik. Die Vorgehensweise soll mit einem außermusikalischen Beispiel illustriert werden: Die vorgegebenen zwei Takte entsprechen dem Muster eines Strickpullovers. Das Durcharbeiten, also die Durchsequenzierung bis zur Ausgangstonart entspricht dem Duplizieren des Musters. Der Schluss könnte mit dem Saum erklärt werden, der naturgemäß vom Muster abweicht. Wie beim Stricken, so ist auch beim Komponieren von Quintfallsequenzen eine individuelle Lösung an jeder Stelle möglich. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 10 Die Individualität einer Sequenz greift meistens schon weit vorher, da die unterrichtlichen Beispiele von der Motivik her nicht auf die komplette Durchsequenzierung hin angelegt sind. Der Computer ermöglicht die unmittelbare Korrektur von satztechnisch-motivischen Problemen, Dissonanzen, wie z. B. die der übermäßigen oder verminderten Intervalle. Die SchülerInnen haben sich diesem Problem gekonnt und positiv kritisch gestellt. In der Literatur gibt es zwar unzählige Beispiele für die Quintfallsequenz, aber es ist kaum ein Fall zu finden, in dem das harmonisch-motivische Modell komplett durchsequenziert wird, so wie in der Übung oben gezeigt. Meistens wird die Sequenz vorher abgebrochen oder in eine andere Tonart geführt. Diese „harmonische Umleitung“ wurde den Schülerinnen und Schülern vorgestellt, allerdings nicht in der einführenden Stunde zur Unterrichtseinheit. Im Folgenden soll ausgehend vom Modell in Notenbeispiel 2 (Abb. 4) ein solcher Ausstieg in eine andere Tonart gezeigt werden. Abb. 6 (Notenbeispiel 4) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 11 Man erkennt hier die motivische Abweichung in Takt 5 aus Gründen der Dissonanz. Streng genommen müsste die Fortführung so gehen: Abb. 7 (Notenbeispiel 5) Die strenge Fortführung (Abb. 7, Notenbeispiel 5) ist klanglich nicht so akzeptabel. Beim Studium der Literatur fällt überdies die recht große individuelle Handhabung der Quintfallsequenz auf. Die sich aus der Siebentaktigkeit für das klassische Ohr ergebene Unwucht sei hier nicht weiter thematisiert. Das harmonische Prinzip des Ausstiegs beruht auf folgender Überlegung: Die angestrebte neue Tonart wird über den Tritonussprung in den verminderten Dreiklang erreicht, dem Quintfall in die Dominante (Dur!), die sich wiederum in die neue Tonika auflöst (Notenbeispiel 4: C → Tritonussprung nach fis → Quintfall in die Dominante H (Dur!) → neue Tonika Em). Man erkennt an diesem Ausstieg, dass die Motivik gleichsam verschoben ist. Die vorletzte harmonische Station besitzt in Notenbeispiel 4 eine andere Motivik als die vorletzte harmonische Station in Notenbeispiel 3. Diese Verschiebung kann bei der Komposition des Schlusses in individueller Weise berücksichtigt werden. 2.3 Aufgaben und Arbeitsergebnisse der Freiarbeitsphase Nachdem in der einführenden Stunde die Quintfallsequenz vorgestellt wurde (vgl. mit 2.3, jedoch ohne den letzten Abschnitt → Ausstieg), wurde die Arbeit in den kommenden Stunden im Computerraum fortgesetzt. Während dieser Arbeitsphase wurden die verschiedenen Aufgaben im Laufe der Zeit in persönlicher Absprache mit dem Fachlehrer gestellt. So haben die SchülerInnen in ihrem Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 12 Arbeitstempo und –vermögen das Pensum bewältigen können. Die Hinweise zum Ausstieg sind in Form eines Arbeitsblattes im Laufe der Zeit gegeben worden. Im Laufe der Freiarbeitsphase haben alle SchülerInnen in Form eines Arbeitsblattes einen Überblick über die verschiedenen Aufgaben bekommen. Dieses Arbeitsblatt (AB 2) ist zweimal aktualisiert worden. Da die Klausur ausführlicher dokumentiert ist, ist hier auch die Bewertung von solchen Kompositionsaufgaben zu erkennen. Im Folgenden sollen einige ausgewählte Arbeiten gezeigt werden. Die Bewertung der gesamten Schülerleistung in der Freiarbeitsphase ergibt sich aus allen Arbeiten, die abgegeben werden. Die Kompositionen, die hier vorgestellt werden, sollen kurz kommentiert werden. Die Grundlage der Bewertung entnehmen sie, bitte, dem Abschnitt 2.1. 2.3.1 Erste Übungen Hierbei haben die SchülerInnen ein Modell vorgegeben bekommen, welches sie weiterführen müssen. Die dann folgenden Aufgaben sind anders geartet; dort muss in einem Werk, also im musikalischen Kontext, eine Sequenz erkannt und kompositorisch – anders als im Original - verarbeitet werden (s. Abschnitte 2.3.2, 2.3.3 und 2.3.5). Der folgenden Übung ging eine Schreibübung mit dem Musikprogramm voraus. Dabei wurde das Modell der einführenden Stunde, welches an der Tafel herkömmlich notiert wurde, in Cubasis eingegeben. Es schloss sich diese Übung an. Abb. 8 (Notenbeispiel 6, Ausgangsmodell) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 13 Abb. 9 (Notenbeispiel 7, Lösung 1, Schülerkomposition) Diese Lösung ist harmonisch korrekt, wobei der Schluss im Satz zu dick geraten ist (→ Schlusstakt ZZ 3 Unterstimme). Die vielen leiterfremden Töne, die schon im Ausgangsmodell enthalten sind, hat der Schüler hier gut bewältigt. Das gleiche Modell ist ebenso auch in eine andere Tonart geführt worden. Abb. 10 (Notenbeispiel 8, Lösung 2, Schülerkomposition) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 14 In dieser Komposition wird das Ausgangsmodell in eine andere Tonart geführt (Am → Em). Die Individualität des Schlusses ist groß, die Vorbereitung geschieht bereits ab T 6. Dissonanzen sind besonders bei der harmonischen Station „fis verm.“ ausgeglichen worden. 2.3.2 Inventionen (J. S. Bach) Die Inventionen sind von Bach als Spiel- und Kompositionsübung gedacht. Den Schülerinnen und Schülern ist eine der Inventionen aus dem Unterricht im Jahrgang 10 bekannt (Thema: Fuge/Polyphone Formen). Dort lag der Schwerpunkt im Verstehen der polyphonen Technik. Im Rahmen dieses Unterrichtsprojektes sollte der Quintfallsequenz kompositorisch nachgegangen werden. Mir scheint diese Art der kompositorischen Reflexion der Inventionen einfacher in der Durchführung als der Versuch, eine eigenen Invention zu schreiben, unter Anwendung polyphoner Techniken. Den SchülerInnen wurden die zweistimmigen Inventionen 8 und 4 vorgeschlagen. Aus dem Internet haben die SchülerInnen sich die entsprechenden MIDI-Dateien besorgt (s. auch Abschnitt 2.3, Arbeitsblatt 2). Wegen der Einbettung der Quintfallsequenz in einen größeren kompositorischen Zusammenhang, sind auch motivische Varianten stärker möglich als dies bei der Übung zuvor der Fall war (Abschnitt 2.3.1). Abb. 11 (Notenbeispiel 9, Ausschnitt aus der Invention Nr. 8, T 22 bis zum Schluss, Original) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 15 Abb. 12 (Notenbeispiel 10, Lösung 1, Komposition einer Schülerin) Bis auf die Tatsache, dass einige enharmonische Verwechslungen vorgenommen werden müssten, schließt sich die Idee des Schlusses recht sinnvoll an. Die Motivik des Modells ab T 24 wird bei dieser Komposition beibehalten. Abb. 13 (Notenbeispiel 11, Lösung 2, Schülerkomposition) In dieser Komposition ist die Ausgangstonart Dm nach Am geführt worden. Auch sind enharmonische Verwechslungen zu korrigieren. Dieser Fehler rührt wahrscheinlich daher, dass die SchülerInnen sich an der Notenstatuszeile in Cubasis orientiert haben. Die Angabe der Tonhöhe dort kann vom Notenbild abweichen; das Klangergebnis bleibt aber gleich. Hier ist die kleine Kadenz im Schlusstakt gelungen (ZZ 2 (Dm und E sind angedeutet)). Der Schlussakkord wäre auf der schweren Zählzeit 1 besser plaziert. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 16 Abb. 14 (Notenbeispiel 12, Lösung 3, Komposition einer Schülerin) In dieser Lösung erkennt man die Beibehaltung der originalen Motivik, die Harmonik wurde verändert. Die Schlussidee leidet ein wenig unter der metrischen Ungeschicklichkeit, dass der Schlussakkord auf die dritte Zählzeit gesetzt wurde. Allerdings ist hier die bachsche Praxis des Dur-Schlussakkordes gekonnt angewandt worden. 2.3.3 Vier Jahreszeiten (A. Vivaldi) Anhand der originalen Partitur und der Audiodatei haben die SchülerInnen den ersten Satz aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ gehört. Hier erweist sich der Computer im Musikunterricht als besonders vorteilhaft. Es kann individuell gehört und auch gespult werden, viel komfortabler als mit einem CD-Spieler. Man kann mit Cubase-Programmen die Audiodatei hören oder aber auch mit dem Programm WaveLab-Lite (Mastering-Programm, welches mit Cubase mitgeliefert wird). Die SchülerInnen haben eine konventionelle Einspielung gehört; im weiteren Verlauf wurde mit einer MIDI-Datei gearbeitet, die klanglich zwar enorm abfällt, aber sie bietet die unschätzbare Möglichkeit der Notenbearbeitung und somit der weiteren kompositorischen Behandlung mit Hilfe des PCs. Die SchülerInnen erkannten folgende Passage als den Beginn einer Quintfallsequenz: Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 17 Abb. 15 (Notenbeispiel 13, Ausschnitt aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, „La Primavera“ ab T 66, Original) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 18 Abb. 16 (Notenbeispiel 14, Komposition einer Schülerin) Diese Lösung ist regelgerecht und streng durchsequenziert. Die Schlussidee besteht nur aus einem Klang und weist keine weiteren kompositorischen Besonderheiten auf. Dennoch ist eine solche Übung, gerade in einem Grundkurs, sinnvoll. Man bedenke hier auch die relativ vielen verschiedenen Stimmen und den Umgang mit dem Bratschenschlüssel. 2.3.4 Analyse (J. S. Bach, Brandenburgisches Konzert Nr. 2) Dieser Aufgabentyp diente der Vorbereitung der Klausur und wurde als Hausaufgabe gestellt. Das Notenbeispiel, auf das sich die Hausaufgabe bezog, die Lösung einer Schülerin und der Kommentar des Fachlehrers können einem Link der Hauptseite entnommen werden. Die SchülerInnen sollten die harmonische und motivische Abweichung vom Original schriftlich analysieren. 2.3.5 Exkurs: Klassische Periode (J. Haydn) Die klassische Periode, die auf harmonische, motivische und metrische Entsprechung hin angelegt ist, lädt zum Komponieren ein. Sie ist ein kurzes und abgeschlossenes Formmodell. Ihre Allgegenwärtigkeit und ihr liedhafter Charakter kommen dem Komponieren im schulischen Musikunterricht entgegen. So bietet es Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 19 sich an, den Vordersatz einer Periode vorzugeben, und den Nachsatz komponieren zu lassen. Die Literatur ist hier unerschöpflich. Aufgrund der Architektur einer klassischen Periode können die SchülerInnen auch nicht im Nachsatz beliebig verfahren. Die Arbeiten können somit grundsätzlich transparent bewertet werden. Im Vergleich zur Quintfallsequenz erfordert eine Komposition eines Periodennachsatzes mehr Kreativität. Da die Schülerinnen und Schüler sich im vergangenen Kurshalbjahr intensiv mit diesem Formmodell beschäftigt haben, bot sich die kompositorische Umsetzung in diesem Computerprojekt an. Die SchülerInnen erhielten als MIDI-Datei die ersten vier Takte des dritten Satzes aus Haydns C-Dur-Klaviersonate (Hob XVI/35). Da der Noteneditor in Cubasis sehr in den Möglichkeiten des Layouts begrenzt ist, konnten die SchülerInnen den Vordersatz lediglich so hören und sehen (Quintfallsequenzen lassen sich wegen der konsequent gleichen Anzahl der Stimmen besser darstellen): Abb. 17 (Notenbeispiel 15, Vordersatz einer klassische Periode) Die SchülerInnen haben Nachsätze kompositorisch entwickelt und wurden im weiteren Verlauf des Projektes mit der originalen Lösung konfrontiert. Die methodisch-didaktische Vorgehensweise ist in diesem Punkt auch von der Vorgehensweise beim Erstellen von Quintfallsequenzen verschieden, da die kompositorischen Lösungen dort nicht mit dem Original verglichen werden können. Das hängt mit der meist fehlenden vollständigen Durchsequenzierung zusammen. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 20 Abb. 18 (Notenbeispiel 16, Lösung 1, Komposition eines Schülers) Man erkennt hier deutlich die Idee der Entsprechung, wobei der Schlussakkord ungeschickterweise auf unbetonter Zählzeit endet. Die Verwendung der Dominante und die Vorhaltsbildung in T 7 sind passend. Abb. 19 (Notenbeispiel 17, Lösung 2, Komposition eines Schülers) In dieser Arbeit ist der Schlussakkord metrisch richtig gesetzt, wobei die Stimmführung der unteren Stimme zu verbessern wäre. Die deutliche Kadenz in T 7, sogar mit sixte ajoutée und einem („klassischen“) Quartvorhalt der Dominante, sowie das Aufgreifen der Dominante in T 5 (harmonische Entsprechung: Vordersatz, Tonika → Dominante; Nachsatz, Dominante → Tonika), verleihen dieser Lösung besondere Individualität. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 21 Abb. 20 (Notenbeispiel 18, Original mit Vorder- und Nachsatz) 2.4 Klausur – Computergestützte Durchführung Die Schülerinnen und Schüler fertigten die Kompositionsaufgabe (Teilaufgaben 1.2 und 1.3) mit dem PC an. Die Vorbereitung dieser Art der schriftlichen Prüfung erforderte die Speicherung des Ausgangsmodells der Quintfallsequenz (Notenbeispiel 1 der Klausur) auf der lokalen Festplatte auf dem PC der SchülerInnen. Die Arbeitsplätze wurden im Raum stringent verteilt, anders als im regulären Unterricht. Hinsichtlich der Aufgaben 1.1. bis 1.3 gab es tonartlich verschiedene, aber gleichwertige Gruppen (dm und em). Die Aufgabe 1.1 setzt die Praxis der musiktheoretisch abgegrenzten Aufgaben einer Klausur dieses Kurses fort. Hier werden Noten unrhythmisiert als Ganze Noten herkömmlich von Hand notiert. Die letzte Aufgabe (Aufgabe 2) ist eine Analyseaufgabe, die mit einem zusammenhängenden Text gelöst wird. Im Sprachlabor ließen sich improvisierte Schreibgelegenheiten neben den PC-Arbeitsplätzen finden. Für diese Aufgabe 2 stand den SchülerInnen eine Audiodatei zur Verfügung, die ebenfalls auf der lokalen Festplatte gespeichert war. Das einfache Hören von Audiodateien auf dem Computer, also ohne deren weitere Bearbeitung, kennen die SchülerInnen seit sie sich mit der Aufgabe „Vier Jahreszeiten“ (s. Abschnitt 2.3.3) beschäftigt haben. Die Hauptseite dieser Projektdarstellung enthält drei Links zur Klausur (Schülerexemplar, Erwartungshorizont und Hörbeispiel). Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 22 Die Klausur ist bezogen auf die Aufgabe 1 (Teilaufgaben 1.1. bis 1.3) folgendermaßen ausgefallen: Von insgesamt 25 Bewertungseinheiten (BE), die hier erreicht werden konnten, sieht die Verteilung so aus: 23 BE (92% → 13 Punkte) 22 BE (88% → 12 Punkte) 20 BE (80% → 11 Punkte) 10 BE (40% → 03 Punkte) 6 BE (24% → 01 Punkte) 1x 1x 3x 1x 1x An dieser Stelle seien zwei Lösungen der Kompositionsaufgabe 1.2 (mit 1.3) mit der kommentierenden Bewertung gezeigt: Abb. 21 (Notenbeispiel 19; Lösung 1): Die handschriftlichen Anmerkungen der Korrektur sind hier nur angedeutet! Kommentar und Bepunktung zu Lösung 1: T6: Durdominante nicht beachtet, wohl aber die Erhöhung der 6. Stufe auf fis (hier als ges notiert), → melodisches Moll richtig angedeutet T5/6: enharmonische Verwechslung fehlt! (statt ges, wäre fis zu notieren) T5 ff.: Verrückung um eine Achtelpause hätte rückgängig gemacht werden müssen T5 „h verm.“ hätte mit hm bezeichnet werden müssen T3/4: „es“, „as“ hier falsch (vgl. auch hier mit Aufgabe 1.1) Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 23 ungeschickte Verteilung der Notenwerte im Schlussakkord abgesehen von den „handwerklichen Fehlern“ ist die Idee des Schlusses gut die Anordnung der Stammtöne ist richtig Aufg. 1.2/1.3: - entspricht noch den Anforderungen – 7/15 BE Abb. 22 (Notenbeispiel 20; Lösung 2): Die handschriftlichen Anmerkungen der Korrektur sind hier nur angedeutet! Kommentar und Bepunktung zu Lösung 2: 1) unklare harmonische Beziehung 2) „fis“ sollte erhalten bleiben, weil Em und Hm diesen Ton aufweisen 3) großer Sprung! (Alternative: Schlusston kleines h durch h’ ersetzen Schluss ist recht lang (unverhältnismäßig?), aber dennoch recht logisch harmonische Stationen sind richtig bezeichnet Aufg. 1.2/1.3: - insgesamt gut gelöst – 13/15 BE Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 24 3. Perspektiven Die Arbeit in diesem Unterrichtsprojekt ist insgesamt sehr lohnenswert gewesen. Die Schülerinnen und Schüler haben davon profitiert. Der Erfolg der Anwendung des Computers im Musikunterricht hängt sicher auch von der Vorbildung, die im herkömmlichen Unterricht erworben wurde, ab. Der Computer sollte nicht zum Selbstzweck Gegenstand des Musikunterrichts sein (allenfalls in der Instrumentenkunde: der PC als Musikinstrument), sondern er sollte als kreatives Medium das komplexe Geschehen „Musikunterricht“ stützen und ergänzen. Diese Sichtweise über die Bedeutung des Computers teilen die Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Musik am Gymnasium Papenburg. Für die künftigen Einsatz des Computers seien einige Bedingungen genannt: Wir werden intensiv überlegen müssen, wie die Arbeit mit größeren Gruppen aussehen kann. Hier ist mehr Platz im Computerraum erforderlich, so dass auch zwei SchülerInnen Platz haben. Die Headsets müssten eine Weiche haben, sodass auch zwei SchülerInnen gleichzeitig hören können. Überdies sind auch die kleinen MIDI-Tastaturen noch anzuschließen. Die Arbeit erfordert besonders bei jüngeren Schülerinnen und Schülern die vorherige Unterweisung im Umgang mit der Software. Dieser Kurs sollte von der 7. Klasse an systematisch durchgeführt werden. Die Arbeit in der Oberstufe kann nur davon profitieren. Der Computerraum ist für ein Unterrichtsgespräch bei laufenden PCs denkbar ungeeignet. Ansagen für die ganze Lerngruppe, also in die Arbeit der Schülerinnen und Schüler hinein, sind zum Scheitern verurteilt. Im Computerraum kann man leicht in ein ständiges Rufen verfallen, was vermieden werden sollte. Es gibt zwei Möglichkeiten, dem zu begegnen: a) Man kann zentral die PCs kurzfristig deaktivieren (technische Lösung) b) Die Arbeit wird gut vorbereitet, so wie es bei einer erfolgreichen Gruppenarbeit der Fall ist (methodische Lösung). Durch das hohe Maß an Schüleraktivität, tritt im Computerprojekt das gemeinsame und erarbeitende Unterrichtsgespräch zurück. Hier ist die didaktisch-methodische Kreativität Unterrichtenden gefordert. Kompositionsübungen mit dem Computer- Unterrichtsprojekt am Gymnasium Papenburg Stephan Zeltwanger, April 2004 25 Das Komponieren am PC wird uns nach weiteren kompositorischen Modell Ausschau halten lassen. Für die unteren Klassen ließen sich Übungen im Fünftonraum erfinden, die der Notenkenntnis und der inneren Tonvorstellung förderlich sind. Es ist zu wünschen, dass der Computer sich so etabliert, dass er selbstverständlich den Unterricht ergänzt und sogar in Lehrprobenstunden eingesetzt wird.