John Locke, „Versuch über den menschlichen Verstand“ (Bd.1

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John Locke, „Versuch über den menschlichen Verstand“ (Bd.1, Auszüge)
Proseminar / Seminar – 3
3. Sitzung
Vorbemerkung:
Sätze sind Dinge mit einer Struktur. Sie bestehen zumindest aus einem Subjekt (= singulärer
Term: Eigenname oder definite Kennzeichnung oder Indexikal/ Demonstrativum) und einem
Prädikat (= allgemeiner Term/ Eigenschaftswort). Form eines Elementarsatzes: „Fa“.
Prinzipien werden durch Sätze ausgedrückt. Sie sind mit anderen Worten die Bedeutung von
(allgemeinen) Sätzen bzw. die mit solchen Sätzen verbundenen komplexen Ideen. Folglich
müssen auch sie strukturiert sein. D.h., sie müssen zumindest aus zwei Ideen, einer
partikulären und einer allgemeinen, zusammengesetzt sein.
3. Kap.: Weitere Betrachtungen über angeborene Prinzipien
Hauptthese Locke: Allgemeinste Prinzipien sind nicht angeboren, sondern erworben.
P1: Ein Prinzip kann nicht angeboren sein, wenn die Ideen, aus denen das Prinzip
zusammengesetzt ist, nicht angeboren sind.
P2: Bei neugeborenen Kindern zeigt sich „nicht die geringste Spur von tief eingewurzelten
Ideen, insbesondere nicht von Ideen, die den Ausdrücken entsprächen, aus welchen die als
angeborene Prinzipien betrachteten allgemeinen Sätze gebildet sind.“ (S. 80/81, seine
Hervorhebung)
K1: Der Geist von Kindern enthält keine angeborenen Prinzipien.
ABER:
P3: „Man kann wahrnehmen, wie später allmählich Ideen in ihren Geist gelangen und dass sie
weder mehr noch andere Ideen erwerben, als die, mit denen die Erfahrung und die
Beobachtung der ihnen begegnenden Dinge sie ausstatten.“ (S. 81, meine H.)
P4: Wenn alle Ideen aus der Erfahrung stammen bzw. erworben sind, dann sind auch
allgemeinste Prinzipien erworben.
K: Alle Ideen, seien sie einfach oder zusammengesetzt, sind erworben/ stammen aus der
Erfahrung.
Argumente für P2 anhand der Ideen von der Identität, von Gott und von der Substanz.
P5: Wenn der Begriff der Identität angeboren wäre, müsste die Frage nach der Identität von
Personen leicht zu beantworten sein.
P6: Selbst für Leute die sich von Berufs wegen mit dieser Frage beschäftigen (z.B. für
Philosophen) ist dies eine äußerst schwierige Frage und auf der Suche nach einer Antwort
zeigt sich überdies, dass die Idee selbst nicht einmal klar und bestimmt ist.
K: Die Idee von der Identität ist nicht angeboren. (S. 82/83)
P7: Wenn der Begriff Gottes angeboren wäre, müssten alle Menschen über einen klaren und
bestimmten Begriff von Gott verfügen.
P8: Es gibt ganze Völker, die keinen Gottesbegriff haben und selbst bei Menschen aus
Kulturen, in denen dieser Begriff eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielt, zeigt sich,
dass dieser Begriff häufig unklar ist.
K: Die Idee von Gott ist nicht angeboren. (S. 84-86)
P9: Der Begriff Gottes ist das Resultat gründlichster Überlegungen über die Ursachen der
Dinge bis hin zu ihrem Ursprung.
K: Die Idee von Gott ist erworben. (S. 86/87)
P10: Wenn selbst die Idee von Gott nicht angeboren ist, wird es auch keine andere Idee sein.
(S. 94)
P11: Die Idee von Gott ist nicht angeboren.
K: Keine Idee ist angeboren.
P12: „Wenn die Natur Sorge trug, uns mit gewissen Ideen zu versehen, so dürfen wir wohl
erwarten, dass es solche seien, die wir vermittels unserer eigenen Fähigkeiten zu erwerben
außerstande sind.“ (S. 95)
P13: Die Idee der Substanz gewinnen wir weder durch Wahrnehmung noch durch
Nachdenken.
K: Die Idee der Substanz könnte angeboren sein.
P15: Von der Substanz haben wir überhaupt keine klare Idee. Wir verfügen zwar über das
Wort „Substanz“, bezeichnen damit aber „etwas uns selbst Unbekanntes“, „etwas, wovon wir
keine besondere, deutliche, positive Idee besitzen und das wir als Substrat oder Träger der uns
bekannten Ideen ansehen.“ (S. 95, meine Herv.)
K: Die Idee der Substanz ist nicht angeboren.
P16: Wenn es angeborene Ideen gibt, müssen sie sich im Gedächtnis befinden oder sie
befinden sich nirgends im Geist. (S. 98)
P17: Im Gedächtnis befindliche Ideen erscheinen uns nicht neu und unbekannt, wenn wir uns
ihrer erinnern. Von solchen Ideen wissen wir in solchen Momenten vielmehr, dass sie früher
schon dagewesen sind. (S.99)
P18: Jeder, die die Wahrheit eines Prinzips oder das Prinzip selbst entdeckt, lernt etwas
Neues, macht eine neue Erfahrung.
K: Der menschliche Geist enthält keine angeborenen Prinzipien.
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