Datum: 24. Oktober 2007 Thema: Gesunde Kniegelenke Ein Leben lang aufrecht bleiben Referenten: Prim. Univ.-Doz. Dr. Albert Kröpfl Unfallkrankenhaus Linz Prim. Dr. Josef Hochreiter Orthopädie, KH der Barmherzigen Schwestern Linz Prim. Dr. Rüdiger Kisling Physikalische Medizin und Rehabilitation, AKH Linz Kniegelenksverletzungen Prim. Univ.-Doz. Dr. Albert Kröpfl Die selbstverständlichsten Bewegungen sind an die Intaktheit unserer Gelenke gebunden. Das unbehinderte Gehen und das Laufen wären ohne ein bewegliches Kniegelenk undenkbar. Sein ausgesprochen komplexer Aufbau sorgt für eine hohe Beweglichkeit, macht es aber zugleich anfällig für Verletzungen. Insgesamt werden drei Knochen (Oberschenkel, Schienbein und Kniescheibe) durch eine Reihe von Sehnen und Bändern miteinander verbunden. Das Kniegelenk besteht aus drei Gelenken: dem Gelenk zwischen Oberschenkel und Kniescheibe sowie den beiden Gelenken zwischen den inneren und äußeren Gelenkknorren von Oberschenkelbein und Schienbein. Zwei halbmondförmige Bindegewebsscheiben (Menisken) gleichen die natürliche Asymmetrie zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein aus. Sie fungieren als körpereigene Stoßdämpfer und sorgen für zusätzliche Stabilität. Die Knochen des Kniegelenkes sind mit einer Knorpelschicht überzogen, welche das reibungslose Gleiten der Knochen gegeneinander ermöglicht. Im Kniegelenk kann man eine Beugung und Streckung um annähernd quere Achsen durchführen, in gebeugter Stellung auch eine Drehung um die Unterschenkelachse. Leider liegt in diesem Vorteil auch der wesentliche Schwachpunkt des Gelenks: Durch unglückliche (Ver-)Drehungen können Sehnen und Bänder, aber auch die Menisken reißen. Weiters kann es bei Unfällen mit entsprechend hoher Gewalteinwirkung zu Knochenbrüchen und Knorpelverletzungen im Kniegelenk kommen, wobei auch Kombinationen von Knochenbrüchen und Knorpelverletzungen mit Band- oder Menikusrissen auftreten können. Die Bänder des Kniegelenks haben eine stabilisierende Funktion für dieses Gelenk. Man unterscheidet dabei das vordere und das hintere Kreuzband, sowie das innere und das äußere Knieseitenband. Auch die Kniescheibe wird von stabilisierenden Bändern gesichert und geführt. Besonders häufig ist das vordere Kreuzband betroffen. Sehr häufig tritt diese Verletzung bei Unfällen im Sportbereich auf, wenn das Kniegelenk verdreht wird. Typische Sportarten mit einem hohen Risiko für Kreuzbandverletzungen sind der Fußballsport oder der Schisport. Bei sportlich weniger aktiven Personen kann bei einem Kreuzbandriss die Instabilität des Kniegelenkes durch gezielten Muskelaufbau ausgeglichen werden und es braucht keine Operation des Kniegelenkes durchgeführt werden. Ist der Patient durch die Knieinstabilität nach einem Kreuzbandriss jedoch beeinträchtigt, wird die Operation die besseren Ergebnisse bieten. Ziel dabei ist die Wiederherstellung des verlorenen Haltes durch eine möglichst genaue Rekonstruktion des Kreuzbandes, wobei das gerissene Band durch körpereigenes Sehnenmaterial (Sehnentransplantat) ersetzt wird. In Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren, wie Alter, Sporttätigkeit, Größe oder Gewicht des Patienten, entscheidet sich der Arzt für eines von zwei zur Zeit möglichen Transplantaten. Zum Einen hat sich die Kniescheibensehne (Patellarsehne) als Ersatzmaterial bewährt. Während der arthroskopischen OP entnimmt der Chirurg ein ca. 1 cm breites Stück Sehne, dem an beiden Enden zusätzlich ein Knochenblock anhaftet. Diese fixiert er dann mit selbstauflösenden Schrauben in vorgebohrten Kanälen am Knochen. Einen besonders reißfesten Ersatz bildet zum Anderen ein Substitut aus Semitendinosus- und Gracilissehne (Oberschenkelbeugesehne), welches ebenfalls in Bohrkanälen befestigt wird. Beide Techniken erzielen in etwa das gleiche Ergebnis. Bereits wenige Wochen nach der OP kann der Patient das Knie wieder voll bewegen. Allerdings dauert es mit Hilfe von Krankengymnastik und Reha-Maßnahmen etwa drei Monate bis der Betroffene wieder mit leichtem Sport beginnen kann. Noch häufiger als Kreuzbandrupturen treten Meniskusrisse auf. In mehr als 50 Prozent der Fälle entstehen sie im Laufe der Jahre als Folge von erhöhter, manchmal berufsbedingter Beanspruchung (Profifußballer, Schirennläufer, Fliesenleger, Pflasterer etc). Aber auch plötzliche Überstreckungen und Verdrehungen führen zu Verletzungen des Meniskus. Da diese Bindegewebsscheiben nicht überall gleichermaßen durchblutet sind, hängt die Vorgehensweise des Unfallchirurgen von der Stelle des Risses ab. In einem arthroskopischen Eingriff (Kniegelenksspiegelung) näht der Arzt das betroffene Gewebe entweder zusammen oder entfernt die abgerissenen Teile. Eine so genannte Meniskusnaht lohnt sich nur bei frischen Verletzungen in den gut durchbluteten Regionen des Meniskus. Dort stehen die Heilungschancen am besten. Nach einer Meniskusnaht ist eine gezielte Nachbehandlung in der Physiotherapie notwendig. Ist eine Naht nicht möglich oder nicht sinnvoll, werden die abgerissenen Meniskusteile entfernt. Das abgerissene Stück scheuert oft am Knorpel und würde ihm so schaden. Eine sparsame Entfernung vermeidet Folgeschäden und erhält in den überwiegenden Fällen ausreichend Restmeniskus, um die notwendige Schutzfunktion aufrecht zu erhalten. Schon wenige Tage nach diesem Eingriff belasten die Betroffenen ihr Bein wieder voll. Die Knochenbrüche des Kniegelenkes stellen, da sie Gelenksbrüche sind, schwere Verletzungen dar. Ziel in der Behandlung der Kniegelenksbrüche ist, nach Heilung der Brüche wieder eine weitgehend freie Beweglichkeit als auch eine ungehinderte Belastbarkeit des Kniegelenkes zu erreichen. Unverschobene Brüche des Kniegelenks können konservativ, d.h. ohne Operation behandelt werden. Das Kniegelenk wird dabei mit einer Schiene oder einem Gipsverband bis zur Heilung des Knochenbruches ruhiggestellt. Sind die Knochbrüche verschoben, so ist die Operation mit Ausgleich der Gelenksstufenbildungen und die stabile Fixation der Brüchstücke mit Knochenschrauben, Platten oder Nägel angezeigt. Ist dabei eine stabile Fixierung der Knochenstücke möglich, kann mitunter auf eine zusätzliche Ruhigstellung des Kniegelenkes nach der Operation verzichtet werden und gleich mit dem Training der Kniegelenksbeweglichkeit begonnen werden. Knorpelverletzungen stellen eine sehr schwerwiegende Verletzung des Kniegelenkes dar. Der Knorpel hat einen sehr langsamen Stoffwechsel und zugrundegegangener Knorpel bildet sich leider nicht mehr selbstständig nach. Die Folge davon ist eine vermehrte Gelenksabnützung und die Entstehung einer schmerzhaften Arthrose. Aus diesen Gründen wird zugrundegegangener Knorpel in der Unfallchirurgie bei Verletzungsformen, welche dafür geeignet sind, durch Knorpeltransplantate ersetzt. Diese Transplantate stammen dabei dann aus Knorpelregionen, welche nicht so sehr belastet sind und werden in die Knorpeldefekte eingesetzt. Eine andere Methode ist die Knorpelzellzüchtung. Dabei entnimmt man bei der Erstoperation eine kleine Menge an Knorpelzellen, diese werden im Labor gezüchtet und vermehrt und nach einigen Wochen kann man dann die nun vermehrten Knorpelzellen im Rahmen einer Zweitoperation in die Knorpeldefekte einsetzen. Bei allen Verletzungen des Kniegelenkes, seien es Band-, Meniskus-, Knorpelverletzungen oder Knochenbrüchen ist es sowohl bei konservativer als auch operativer Behandlung wichtig, eine entsprechendes Augenmerk auf eine zusätzliche Physiotherapie zu haben, um ein gutes funktionelles Ergebnis nach einer Kniegelenksverletzung zu erzielen. Gesunde Kniegelenke ein Leben lang Prim. Dr. Josef Hochreiter Das Kniegelenk Das Kniegelenk stellt die flexible Verbindung zwischen Unterschenkel und Oberschenkel dar. Es wird durch Muskeln, einem komplizierten Bänderapparat und Zwischengelenkscheiben (Menisken) stabilisiert. Ein gesundes Knie kann Streck- und Beugebewegungen ausführen und die Kräfte, die beim Gehen entstehen dämpfen und abfedern. Die tragenden Gelenkflächen sind von einer spiegelglatten Knorpelschicht überzogen, die mit Hilfe der Gelenks schmiere (Synovialflüssigkeit) einen geräusch- und reibungsarmen Bewegungsablauf gewährleistet. Die Abnützung Die häufigste verschleißbedingte Erkrankung des Kniegelenkes ist die Abnützung des Gelenksknorpels, beim Knie „Gonarthrose“ genannt. Das Hauptproblem des Knorpelgewebes besteht darin, dass es keine bis sehr wenig Selbstheilung besitzt. Ist der Knorpel einmal geschädigt, ist eine vollständige Wiederherstellung nicht mehr möglich. Für die Entstehung einer Abnützung des Kniegelenkes gibt es viele Ursachen, in jüngeren Jahren sind es vornehmlich Zustände nach Verletzungen und in späteren Lebensjahren ist es eine Mischung aus genetischer Veranlagung, jahrelanger beruflicher oder sportlicher Überlastung sowie zu hohes Körpergewicht und falscher Ernährung. Alle diese Ursachen führen dazu, dass die Menisken und der Knorpel sich zurückbilden und im Endstadium die Knochen ohne schützende Knorpelschicht aufeinander reiben. Das Zustandsbild Die Abnützung des Kniegelenkes resultiert je nach Krankheitsverlauf und Patient früher oder später in erheblichen Schmerzen, einer Schwellung und Verformung des Gelenkes sowie in einem Verlust an Bewegungsfreiheit. Die Schmerzhaftigkeit ist mit einem entzündlichen Reizzustand verbunden der wechselnd ausgeprägt sein kann. Die Schmerzentstehung bei der Arthrose ist im Wesentlichen unerforscht, da der Knorpel selbst ohne Nervenversorgung ist und reine Knorpeldefekte lange auch schmerzlos bleiben können. Erst die im Krankheitsverlauf zunehmende Einbeziehung von sekundären Gelenksstrukturen, wie Band- und Sehnenansätze und der Befall des unter dem Knorpel liegenden Knochengewebes bewirken das Auftreten von relevanten Symptomen. Die Behandlung Die Behandlungsmethoden sind vielfältig und beschränken sich nicht nur auf physio-therapeutische Maßnahmen, schützende Heilbehelfe sowie Injektionsbehandlungen (z. B. Hyaloronsäure). Bei Fortschreiten des Arthroseprozesses kommen endoskopische operative Verfahren mit dem Ziel des Knorpelerhaltes und der Regeneration zum Einsatz. Natürlich werden auch Korrekturen von Fehlstellungen (z.B. Umstellungsosteotomie) sowie Eingriffe an den Menisken und Bändern zur Verbesserung der Gelenksfunktion und Erhaltung des eigenen Gelenkes angewandt. Bei nicht mehr ausreichender Schmerzreduktion werden heute Kniegelenke durch künstliche Implantate ersetzt und bringen damit dem Patienten Schmerzfreiheit, Beweglichkeit und Selbstständigkeit zurück. Konservative Behandlung u. postoperative Rehabilitation des Kniegelenkes Prim Dr. Rüdiger Kisling Die Ursachen von Schmerzen und Funktionsstörungen des Kniegelenkes sind vielfältig. Sie können einerseits primär von organischen Ursachen wie Entzündungen, Verletzungen oder degenerativen Erkrankungen verursacht werden, andererseits können sie auch primär von funktionellen Störungen, wie muskuläre Dysbalancen, Achsenfehlstellungen oder Fehlfunktionen anderer Gelenke (Hüfte, Wirbelsäule, etc.) herrühren. Die medizinische Untersuchung stützt sich in erster Linie, neben einer ausführlichen Anamnese, auf eine intensive klinisch funktionelle Untersuchung des betroffenen Gelenkes und der umgebenden Strukturen. Daraus und aus evtl. notwendigen apparativen Zusatzuntersuchungen und Laborparametern ergibt sich dann eine Diagnose, auf deren Basis über konservative oder operative Behandlung entschieden wird. Die konservative Behandlung besteht neben einer evtl. notwendigen Medikamentengabe, vor allen Dingen aus einer komplexen physikalischen Therapie, welche sich aus verschiedenen Modalitäten zusammensetzt. Grundsätzlich sind die Therapien bei konservativer Behandlung und Rehabilitation ähnlich; sie entscheiden sich im Wesentlichen in der zeitlichen Anwendung. Im Mittelpunkt stehen die Leitsymptome Schmerz und Funktion. Die Schmerzreduktion kann mit Thermotherapie, Entstauungsmaßnahmen, Elektrostimulation und Gelenksentlastung erfolgen. Eine möglichst kurze Immobilisation des Gelenkes ist dabei wichtig. Zur Wiedererlangung einer normalen Kniegelenksfunktion stehen aktive Behandlungen wie Heilgymnastik, Unterwassertherapie sowie in der Folge medizinische Trainingstherapie im Mittelpunkt. Dabei muss auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten Rücksicht genommen werden (ein Leistungssportler benötigt einen anderen Therapieaufbau als z. B. der Bewohner eines Altersheimes). Der individuelle Therapieverlauf ist regelmäßig zu kontrollieren und die Behandlung zu adaptieren. Das Ziel der konservativen Behandlung ist eine rasche Schmerzreduktion, eine Verbesserung der funktionellen Situation, wenn möglich eine Operationsverzögerung oder Vermeidung, eine rasche Wiederherstellung der normalen Gelenksfunktion und damit eine rasche Rückkehr ins normale Alltagsleben. Weitere Informationen: Prim. Univ.-Doz. Dr. Albert Kröpfl Unfallkrankenhaus Linz Garnisonstr. 7 4020 Linz Email: [email protected] Tel: +43 (0) 732/6920-0 Prim. Dr. Josef Hochreiter KH der Barmherzigen Schwestern Abteilung für Orthopädie Seilerstätte 4 4010 Linz Email: [email protected] Tel: 0732/7677-7136 Prim. Dr. Rüdiger Kisling AKH Linz Physikalische Medizin und Rehabilitation Krankenhausstr. 9 4020 Linz Email: [email protected] Tel: +43 (07)732/7806-6186