Islamische Theologie als -akademische Aufgabe Von: PD Dr. Peter Haigis, erschienen im Deutschen Pfarrerblatt, Ausgabe: 10 / 2010 Der erste große Auftritt des im Juni gekürten Bundespräsidenten Christian Wulff, seine Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit, hat weithin positives Echo ausgelöst. Vielfach wurde in der Presse zustimmend vermerkt, dass Wulff eine gute Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen ließ: nämlich darauf hinzuweisen, dass die Frage der Einheit in Deutschland am Zusammenwachsen von West- und Ostdeutschland allein ihre Antwort nicht findet. Indessen hat ihm die Aussage, der Islam gehöre zur deutschen Kultur auch Kritik eingebracht. Mit dem Stichwort der "Integration" verbindet sich das Bewusstsein um eine Gesellschaftsstruktur, die komplexer ist als es das Band einer gemeinsamen mehrhundertjährigen Geschichte, einer gemeinsamen Sprache oder gar eines - woher auch immer abgeleiteten - Nationenbegriffs zu suggerieren vermag. Ob die Bezeichnung "Integration" und das dahinter stehende Modell hier schon der Weisheit letzter Schluss sind, mag man diskutieren. Wir hatten auch schon weniger geeignete Leit-Termini in der Diskussion. Gewiss hat auch das unsägliche Buch Thilo Sarrazins die Folie für Wulffs Ausführungen geboten. Die hierdurch angestoßene Debatte war ihrerseits übrigens keineswegs unsäglich, doch dafür kann Sarrazin ja nichts, denn seine populistischen Thesen und Absichten waren offenbar mehr auf einen durch polternde Tabubrüche erzielten monetären Erfolg ausgerichtet als an einer zukunftsweisenden politischen Lösung interessiert. Unabhängig davon aber zeigt sich ein Gesprächsbedarf über die weiteren Schritte in der Einheit einer Gesellschaft, die sich vor dem Hintergrund von Mobilität, Migration und internationalen wie globalen Verflechtungen erst neu (er)finden muss. Diese Herausforderung hat Wulff am 3. Oktober angenommen. Welche Weichen auf dem Weg in eine solche Zukunft zu stellen sind, wird sich zeigen. Mit Sicherheit gehören die Empfehlungen des Wissenschaftsrats "zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen" dazu, die Anfang des Jahres der Politik, den Hochschulen und der Öffentlichkeit vorgelegt wurden. Eine dieser Empfehlungen besteht im Ausbau islamischer Studien und deren Institutionalisierung außerhalb der bereits bestehenden religionswissenschaftlichen (und damit oft auch dem Bekenntnis zum Islam fremden) Institute. Dass für 700.000 muslimische Schüler an deutschen Schulen und für die benötigten 2.000 Fachlehrkräfte für islamischen Religionsunterricht aufgeklärte islamische Theologie an Universitäten angeboten werden muss, ist politischer Konsens. Wie das Konzept sinnvoll umgesetzt werden kann, muss allerdings erst noch entwickelt werden. Da stellt sich nicht nur die Frage geeigneter Standorte, sondern auch diejenige nach geeigneten Hochschullehrern sowie die nach geeigneten Formen der Entscheidungsbefugnisse bei Besetzungen und bei der Erstellung von Curricula und Prüfungsordnungen. Zu Recht fragt Ömer Özsoy, Direktor des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Goethe-Universität Frankfurt: "Wie sind die elementaren Bestandteile einer autonomen Universitätstheologie, die Freiheit der Forschung und die Authentizität der Lehre miteinander in Einklang zu bringen?" (FAZ v. 7.4.2010, S. N5) und warnt vor Schnellschüssen bei der Etablierung und Vergabe eines akademischen Labels "Islamische Theologie". Doch der Weg weist in die richtige Richtung, und wenn es gelänge, hier einige Schritte voranzukommen, wäre auch für die Einheit in einer komplexer werdenden bundesrepublikanischen Gesellschaft viel gewonnnen. Herzlich grüßt Ihr Peter Haigis. PS.: Mit diesem Heft verabschiede ich mich von den Mitarbeitern der "Agentur" (früher "3G"), die für das "Deutsche Pfarrerblatt" jahrelang die Satz- und Layoutarbeit geleistet haben. Gemeinsam konnten wir in den zurückliegenden Jahren das Erscheinungsbild des "Deutschen Pfarrerblatts" stetig optimieren und leserfreundlicher gestalten - zuletzt durch die Umsetzung der Linie des neuen Corporate Design. Nun wird diese Arbeit in den Händen von Herrn Martin Hohmann beim Verlagshaus Speyer liegen, worauf ich mich freue. Für die allseits gute Zusammenarbeit mit Frau Nadja Mannerz, Herrn Jörg Alle Rechte vorbehalten, Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Deutschen Pfarrerblatts. Seite 1/2 Schimpf und Herrn Fabian Wippert von der "Agentur" darf ich mich indessen herzlich bedanken. Deutsches Pfarrerblatt, ISSN 0939 - 9771 Herausgeber: Geschäftsstelle des Verbandes der ev. Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V Langgasse 54 67105 Schifferstadt Alle Rechte vorbehalten, Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Deutschen Pfarrerblatts. Seite 2/2