Im Sturm (Die Geschichte des Flüchtlingsschiffes „Chana Senesch“) Mitte Dezember 1945 verließ ein kleines italienisches Schiff die Küste Italiens mit 252 Flüchtlingen an Bord, um den Versuch zu machen, unbemerkt die Küste Erez Israels zu erreichen. Kurz nach der Abfahrt bekam das Schiff einen neuen Namen „Chana Senesch“, zu Ehren der mutigen Fallschirmspringerin, die von den Deutschen in einem ungarischen Gefängnis erschossen wurde. Dem englischen Geheimdienst kam ein Gerücht über dieses Schiff zu Ohren, und als es schon in der Nähe der Küste war, fanden und umkreisten es britische Jagdflugzeuge. Doch die Engländer waren sich ihrer Sache nicht sicher und da sie sahen, dass das Schiff Kurs auf Beirut hielt, unterbrachen sie die Beobachtung. Mit Einbruch der Nacht wendete das Boot und nahm Kurs auf die Küste Erez Israels. Im Schutze der Finsternis glückte es ihm den Wachtschiffen durchzuschlüpfen und näherte sich dem Ufer Naharijas. Zu dieser Stunde war Naharija von Palmacheinheiten abgesichert. Die Zufahrtsstraßen waren blockiert und am Strand lagen kleine Boote bereit die Maapilim von der „Chana Senesch“ an Land zu bringen. Das Schiff ankerte 300 Meter vor der Küste und die kleinen Boote näherten sich ihm, um die Flüchtlinge aufzunehmen. Das Schiff sollte noch in derselben Nacht die Küste Naharijas verlassen. Das Meer war sehr stürmisch und große Wellen schüttelten die kleinen Boote und das Schiff. Das erste Boot, welches das Schiff erreichte, hatte gerade 5 Menschen an Bord genommen als es kenterte. Dank dem Mut und der Geschicklichkeit der Matrosen ertrank niemand dabei. Wenige Minuten später näherte sich eine Riesenwelle und hob das Schiff an, warf es gegen den Strand, wo es auf einen Riff stecken blieb und sich langsam zur Seite neigte. Die kleinen Boote umschwärmten es, konnten aber nicht nah genug heran um die Passagiere zu retten. Das Schiff neigte sich immer mehr zur Seite und die Gefahr für die Leute wuchs von Minute zu Minute. Da hatte der junge Kommandant der Operation einen Einfall: Ein langes starkes Seil wurde gebracht. Ein Pfahl wurde tief in den Boden geschlagen und das Seil daran befestigt. Die kühnsten Schwimmer der Palmacheinheit ergriffen das andere Ende des Seils schwammen durch das eiskalte Meer zum Schiff. Endlich erreichten die Schwimmer ihr Ziel und banden das Seil an Deck fest. Weitere Palmachnikim und junge Helfer aus den nahen Siedlungen sprangen in das kalte Wasser um das Seil zu halten. So gelang es den Flüchtlingen mit Hilfe der Palmach das Land zu erreichen. Unter großer Anstrengung wurde ein Oleh nach dem andern zum Ufer geführt. Die starken Wellen schlugen das Seil immer wieder hin und her. Manchmal versank es, dann flog es wieder hoch auf. Immer wieder peitschte das nasse Seil ins Wasser und entglitt den Händen der Retter. Wie ein Wunder kam aber kein Oleh ums Leben. Sobald sie das Ufer erreichten wurden sie schnell in Decken und Säcken eingehüllt und an im Voraus bestimmte Plätze gebracht. Nach zwei Stunden war auch der letzte Einwanderer wohlbehalten am Ufer. Zwei Stunden verbrachten die Helfer im eiskalten Meer in dieser stürmischen 1 Dezembernacht! Bei Anbruch der Morgendämmerung war die Operation beendet. Als letzter verließ der italienische Kapitän das Schiff. Am Strand angekommen hielt er eine kurze Ansprache, in der er die jungen Männer zum Gelingen ihrer Operation beglückwünschte. Der Dichter Nathan Altermann veröffentlichte darauf „eine Antwortrede an den italienischen Kapitän nach der Ausschiffung“ worin er unter anderem schrieb: Über uns zieh’n die Wolken, mag der Wind noch so weh’n, Beim Himmel! Das Werk ist vollendet! Heb das Glas, Käpten, Dir zum Wohl, Käpten, Wir treffen uns noch auf den Wogen! Dieser Weg ist geheim und unbekannt, Brauchst ihn nicht im Register zu suchen, Ist er auch nicht auf den Karten bekannt, Wird doch die Geschichte ihn buchen. Die Tat unserer Jungen umhüllt Schweigen der Macht, Doch ihren Segen wir wollen laut sagen; Sahst Du doch selbst, wie durchs Wasser mit Macht, Sie ihr Volk auf den Schultern tragen, Zum Wohl dieser kalten und stürmischen Nacht Zum Wohl der Gefahr und der Plage! Zum Wohle der Boote, zum Wohl ihrer Fracht, Zum Wohle der Schiffe auf dem Wege! Am Morgen kamen die britischen Armeeeinheiten zur Stelle. Sie fanden einen leeren Strand, ein aufgelaufenes, halb zerstörtes Schiff und auf seiner Kommandobrücke, die noch über dem Wasser ragte, war eine hebräische Inschrift, die mitteilte, dass ein Maapilimschiff die Blockade durchbrochen und seine Passagiere glücklich ans sichere Land gebracht hat. 2