Josua 1, 5 am 27.07.2008 Petri homepage

Werbung
1
Pfr. Ernst-Eduard Lambeck
Am Finkenbach 13
33609 Bielefeld
Tel.: 0521 / 38766
Predigt über Josua 1, 5 anlässlich der Taufe von Anna Müller1
am 27.07.2008 in der Ev. Petrikirchengemeinde
Liebe Familie Müller!
Liebe Gemeinde!
Passend zum heutigen Israelsonntag erhält Anna einen Taufspruch, der in die Geschichte
Israels hinein weist.
Es ist ein Wort, das ermutigt aber auch ein Wort, das zum Widerspruch reizt und zum
Nachdenken anregt.
Josua 1, 5: Gott spricht: „Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose
gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.“
So lautet der Zuspruch damals an Josua und heute nun durch die Taufe auch an Anna.
Es ist ein großartiger Zuspruch. Wir erinnern uns an die Jahreslosung 2006, die ein
Ausschnitt dieses Verses war: Gott spricht: „Ich will dich nicht verlassen noch von dir
weichen.“
Sozusagen am Anfang ihres Lebensweges bringen nun Thorsten und Martina ihre Anna zu
Gott und wollen sie mit der Taufe in den Segensfluss Gottes stellen. Das, was sich für Israel
über Jahrhunderte hinweg bewahrheitet hat, soll nun auch der kleinen Anna gelten. Gott ist
da und will sie begleiten. Sie muss nicht ängstlich und verloren ihren Lebensweg alleine
gehen. Gott ist an ihrer Seite und will sie nicht fallen lassen. Gott will auch in ihrem Leben in
Treue zu seinen Verheißungen stehen.
Was ist das für ein Generationenvertrag, der hier geschrieben wird?
1
Die Namen wurden anonymisiert.
2
Die Atmosphäre des Gottvertrauens darf sich fortpflanzen. Das, was Vater und Mutter
erleben, darf auch seine Bedeutung im Leben von Anna haben.
Auch damals war es ein Stabwechsel. Mose trat ab und gab die Verantwortung an Josua
weiter.
Hinter dem Volk Israel lag die bedrückende Erfahrung der Versklavung in Ägypten - aber
dann auch die Erfahrung, dass Gott sie in Ägypten abholte und ihre Klagen vernahm. Mose
bekam von Gott den Auftrag zugemutet, das Volk in der Flucht aus Ägypten zu führen. Und
Gott stellte sich an die Seite des zu Anfangs zaghaften Mose. Er half ihm beim Reden vor
dem Pharao. Er half ihm in den kritischen Momenten, als sie am Schilfmeer in die Enge
getrieben wurden durch die Übermacht der ägyptischen Armee. Und dann die befreiende
Erfahrung, dass sie unter der Hand Gottes trockenen Fußes durch das Schilfmeer ziehen
konnten.
Gott begegnete seinem Volk über Moses auf dem Berg Sinai, auf dem er ihnen 10 Bausteine
der Freiheit schenkte, 10 Gebote, die helfen sollten, im Glauben zu wachsen und sich im
Leben zu bewähren.
Es folgte dann – wie wir wissen – ein langer Marsch durch die Wüste: Israel machte dabei
Erfahrungen mit beglückenden Gottesbegegnungen und Zweifeln, mit Glauben und
Anfechtung, mit Vertrauen und Rebellion gegen Gott.
All das waren Erfahrungen der Anfangszeit. Und kurz vor der Erfüllung des Versprechens, im
Land der Verheißung anzukommen, dankte Mose ab und starb, nicht ohne zuvor den Stab
an Josua weiterzugeben.
Das war nun ein Paar große Schuhe für Josua, in die er erst hineinwachsen musste: Was
war das für eine gewaltige Aufgabe: das Volk zu führen – dem Volk ein Priester zu sein und
ihnen ein Land zu erobern, dass ihnen noch nicht gehörte.
Josua spürte, dass er dieser Aufgabe aus menschlichen Gesichtspunkten nicht gewachsen
war. Er brauchte die Ermutigung Gottes. Und das war die Ursprungssituation, in die hinein
Gott sprach: „Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.“
3
Dieses Versprechen bedurfte Josua, um der Schwere der Aufgabe gewachsen zu sein. Auf
der Schwelle von der Wüste ins Neue Land, brauchte er die Rückenstärkung, dass Gott
mitgeht und ihm hilft, sich auf einem neuen Terrain zu bewegen.
Auf Anna bezogen heißt dies: Wer weiß heute, welchen Lebensprüfungen Anna einmal
ausgesetzt sein wird? Welchen Weg sie nimmt und was sie in ihrem Leben zu bestehen hat?
Wird sie gesund durchs Leben kommen? Wird sie verlässliche Freundinnen und Freunde
finden? Wird sie wie wir in der glücklichen Lage sein, zu einer Generation zu gehören, die
keinen Krieg erlebt hat?
Viele Fragen tun sich auf und doch wollen wir hoffen, dass Anna ihren Weg im Vertrauen auf
den Rückhalt Gottes geht, dass Er sein JA über sie spricht und ihr in Liebe begegnet.
In seine Liebe und in seine Wahrheit dürfen wir uns bergen. Bei ihm finden wir Schutz und
Orientierung.
Wie bereits bei Josua wird die bedingungslose Zusage des Mitgehens Gottes an die
Bedingung geknüpft, auf das Wort Gottes zu achten und seine Gebote zu befolgen.
Sie haben es vermutlich gemerkt, in dieser Formulierung liegt eine unauflösliche Paradoxie.
Die bedingungslose Zusage Gottes knüpft sich an die Beobachtung und Befolgung des
Wortes Gottes:
Beides beinhaltet einen Zuspruch und einen Anspruch.
Der Zuspruch besteht darin, dass Gott aus seiner Verborgenheit heraustritt und mit seinem
Wort uns entgegentritt. Er knüpft über das Wort eine Beziehung zu uns. Und wenn dann Gott
in unserem Leben da ist, dann bedeutet das Leben, Leben mit tiefem Sinngehalt, nämlich
Vertrauen, Geborgenheit und Hoffnung.
Aber umgekehrt kann seine Gegenwart auch brandgefährlich sein. Als Gott nämlich Mose
begegnete, brannte der Dornbusch, und Mose musste auf Geheiß seine Schuhe ausziehen,
weil er auf heiligem Land stand.
Gottes Zusage ist nicht ohne seinen Anspruch zu haben. Man kann Gott sich nicht klein und
gefällig machen.
4
Er bleibt der große allmächtige Gott, der für uns eingenommen ist und an unserer Seite
bleibt.
Und noch etwas:
Als ich zum ersten Mal den Taufspruch von Anna bedachte und ihn durchbuchstabierte, bin
ich – ich will es nicht verschweigen – auch erschrocken.
Es heißt nämlich: „Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang.“
Spiegelt sich hier bereits etwas von der Brachialgewalt, die Josua an den Tag legte, als er
mit Israel das Westjordanland einnahm? Hier wurden Menschen und Tiere niedergemetzelt,
nur um den Bann Gottes zu vollstrecken.
Ist das die Art und Weise, mit der wir Christen heute leben sollen? Soll tatsächlich Anna eine
neue Jeanne d’Arc werden, die mit Gewalt die vermeintlich gute Sache durchsetzen soll.
Hier sind Fragen an das Josuabuch zu stellen, inwieweit das fünfte Gebot: „Du sollst nicht
töten!“ ernst genommen wurde.
Ob das Josuabuch vielleicht nur eine späte Reflexion darstellt, wie Israel hätte auch auf
anderer Weise das Land einnehmen können, ohne den fremden Kulten und Göttern zu
verfallen? Hier scheint in der Reflexion die Idee verfolgt zu werden: Lieber grausam den
Bann zu vollstrecken als von Gott abzufallen und fremden Götter zu dienen.
Ob es sich so verhält, wissen wir nicht. Aber immerhin war dieses Modell der kriegerischen
Landeinnahme höchst geschichtswirksam. Wir brauchen hier nur an die Kreuzritter denken.
Spätestens durch das Neue Testament wird noch Mal neu die Geschichte Gottes
geschrieben, in dem der Sohn Gottes, Jesus Christus, machtlos und in Friedensabsichten in
Jerusalem einzieht.
Der Einzug Jesu in Jerusalem wird mit Sacharja 9, 9 in Verbindung gebracht. Da heißt es:
„Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König
kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen
der Eselin.“
5
Gott kommt in Friedensabsichten, wehrlos und mit offenen Händen. Diese Haltung darf uns
Christen bis heute prägen.
Keine Brachialgewalt für eine vermeintlich gute Sache! Vielmehr: Achtung und Ehrfurcht vor
dem Leben!
Jesus heißt die Friedfertigen glücklich: Mt 5, 9: „Selig sind die Friedensstifter, denn sie
werden Gottes Kinder heißen!“
Das ist das Holz, aus dem wir geschnitzt sein dürfen.
Diese Haltung der Liebe und des Vertrauens dürfen wir einnehmen, weil Gott treu ist: treu zu
uns Menschen und treu zu seinen Verheißungen.
Von daher darf das Taufwort für Anna auch einen durch und durch zärtlichen und
mitfühlenden Klang haben. Gott sagt sich an, Anna in ihrem Leben zu begleiten als der
liebende und barmherzige und wahrhaftige Gott.
Er spricht: „Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin,
so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.“
Amen.
Herunterladen