Ralf Küßner DER GLÜCKSELIGE GOTT

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DER GLÜCKSELIGE GOTT
Ralf Küßner
Ralf Küßner
Der glückselige Gott
Selbstverlag
www.doxa-theou.de
INHALT
Einleitung ..................................................................................... 7
Die Herrlichkeit Gottes ................................................................ 9
Die Schöpfung als Spiegelbild der Herrlichkeit Gottes ................ 12
Gottes Herrlichkeit in der Gegenwart von Menschen des alten
Bundes ......................................................................................... 15
Abraham – der Vater der Menge ............................................ 16
Mose – der Herauszieher ....................................................... 16
David – der Geliebte und der Verbinder ................................. 23
Gottes Herrlichkeit offenbart sich Israel und anderen
Völkern ................................................................................... 24
Die Propheten......................................................................... 26
Offenbarung der Herrlichkeit Gottes im Sohn Jesus Christus ..... 28
Die Erniedrigung des Gottessohnes....................................... 29
Der Erweis der Herrlichkeit von Jesus Christus ..................... 31
Die Erhöhung und Verherrlichung durch den Vater ............... 36
Die Herrlichkeitserwartung der Herausgerufenen ................. 37
Die Herausrufung ........................................................................ 37
Christus – die Herrlichkeitserwartung der Herausgerufenen ...... 39
Teilhaber der göttlichen Natur in Christus .............................. 39
Die Umgestaltung in das Bild Gottes...................................... 42
Christus verherrlicht sich in seiner Herausgerufenen.................. 48
Die Herrlichkeitserwartung Israels .......................................... 50
Israels Stellung und seine Verheißungen.................................... 51
Die Umkehr Israels zu Gott ......................................................... 61
Israel: Das erneuerte Volk als Licht der Völker ........................... 63
Die Herrlichkeitserwartung der Nationen................................ 65
Gottes Gerechtigkeit und Erbarmen ............................................ 66
Die Herrlichkeitserwartung der Nationen ..................................... 68
Der glückselige Gott .................................................................. 72
Die Rechtfertigung des Lebens für alle Menschen in Christus ... 75
Die Ordnungen Gottes in der Erlösung und in der Vollendung ... 77
Abkürzungsverzeichnis ............................................................ 81
Literaturangaben ....................................................................... 82
Anhang: Begriffserläuterungen ............................................... 83
1. JHWH....................................................................................... 83
2. Äon und Äonisch...................................................................... 84
EINLEITUNG
Der Apostel Paulus spricht in seinem ersten Brief an Timotheus von dem Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen
Gottes, das ihm anvertraut wurde (1. Tim. 1, 11)1: „Cnach
dem Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes, das
mir anvertraut worden ist.“
Was beinhaltet diese gute und froh machende Botschaft?
Zunächst einmal spricht dieses Evangelium davon, dass wir
einen herrlichen Gott haben! Gott ist herrlich. Sein Wesen
ist von Schönheit, Macht und besonderer Ehre geprägt. Das
ist eine gewaltige Aussage! Dieses Evangelium lenkt meinen ich-zentrierten Blick auf Gott und seine Herrlichkeit. Ich
werde mit einer Sichtweise beschenkt, die mich vor einer
überzogenen Bewertung meiner Person, meiner Bedürfnisse oder Wünsche bewahrt. Ich lerne neu, über meinen herrlichen Gott zu staunen.
Es tut uns not und gut, von diesem herrlichen Gott zu reden
und zu hören.
Zum Anderen hat diese froh machende Botschaft von der
Herrlichkeit Gottes eine unmittelbare Relevanz für alle, die
wir unser Leben in Gottes Hand gelegt haben. Denn Herrlichkeit ist ein wertvoller Teil unserer Zukunftserwartung.
Gott möchte sich in uns verherrlichen – eine wunderbare
Heilstatsache, für die wir Gott nur loben und danken können.
Gott hat aber nicht nur uns im Blick, die wir durch Glauben
bereits gerettet sind. Er sieht seine gesamte gefallene
1
Zitierte Bibelstellen - soweit nicht anders angegeben - nach: Die
Heilige Schrift (2005). CSV.
7
Schöpfung. Sie ist sein Werk und so ist seine Retterliebe
nicht nur auf uns Christusgläubige gerichtet, sondern auch
auf die Menschen Israels sowie die nicht an Christus glaubenden Menschen aus den Nationen und auf die Kreatur
insgesamt.
So möchten wir uns in einem ersten Teil dieser Ausarbeitung mit der Herrlichkeit Gottes befassen. Die Herrlichkeit
Gottes wird erkennbar an seiner Schöpfung, in der Gegenwart von Menschen des alten Bundes und in herausgehobener, einzigartiger Weise in Jesus Christus, seinem Sohn.
Im Anschluss daran gehen wir darauf ein, worin die Herrlichkeitserwartung der aus der Finsternis zum Licht herausgerufenen Menschen besteht. Darauf betrachten wir das
Volk Israel sowie die nicht an Christus glaubenden Menschen aus den Nationen und die Zukunftserwartung der
Kreatur.
Der abschließende Teil beschäftigt sich mit Gott, der alles
nach dem Ratschluss seines Willens wirkt. Seinem Willen
entsprechend kam es durch das Opfer seines Sohnes zur
Gerechtsprechung aller. Schöpfungsseitig wird die Gerechtsprechung aller durch Gericht und Gnade ergänzt – sie
führen die Geschöpfe zur Umkehr und zur Gotteserkenntnis.
Schließlich macht Gott Alle in Christus lebendig und fasst
Alle in Christus zusammen. So wird Gottes Willen und
Heilsziel gemäß die gesamte Schöpfung zur Herrlichkeit der
Kinder Gottes befreit werden. Dafür werden ihn alle Geschöpfe im Geist und in der Wahrheit anbeten. Angesichts
dieser Herrlichkeitserwartung freut sich Gott aller seiner
Werke und ist glückselig, wenn seine Gnade und sein Erbarmen Allen zugute gekommen sind.
8
DIE HERRLICHKEIT GOTTES
Herrlichkeit im biblischen Sinne ist ein mehrdimensionaler
Begriff. „Herrlichkeit“ ist eine Wiedergabe des im griechischen Neuen Testament und in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) gebrauchten Begriffs „doxa“ (griechisch: δόξα). Das mehrdimensionale
Ausmaß der Herrlichkeit Gottes wird deutlich, indem wir die
von dem Begriff „doxa“ umfassten Inhalte betrachten:
1. Herrlichkeit ist ein Ausdruck für besondere Ehre
Der enge Zusammenhang zwischen Herrlichkeit und Ehre wird an verschiedenen Lobpreisstellen des Neuen
Testaments deutlich; beispielhaft sei hierzu der Lobpreis
Gottes aus dem 1. Timotheusbrief (1, 17) aufgeführt2:
„Dem König der Zeitalter aber, dem unverweslichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in
alle Ewigkeit! Amen.“ In der Übersetzung des Kurzkommentars zum Neuen Testaments (EINERT) lautet dieser
Vers folgendermaßen: „Dem Regenten der Äonen aber,
dem unverderblichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, ist
Ehre und Herrlichkeit hinein in die Äonen der Äonen.“
Die häufige Verwendung von Herrlichkeit und Ehre als
Wortpaar (1. Tim. 1, 17; 2. Petr. 1, 17; Off. 4, 9+11 u.a.)
verdeutlicht, dass Herrlichkeit ein Ausdruck besonderer
Ehre ist. Entsprechend bezeugt uns der Hebräerbrief,
dass der Vater seinen Sohn Jesus Christus aufgrund
seines Gehorsams und seines Erniedrigungswegs mit
Herrlichkeit und Ehre gekrönt hat (Heb. 2, 7+9). Hier
dient die Verleihung von Herrlichkeit und Ehre auch als
Ausdruck der Anerkennung und der Übertragung von
Rechten auf den Gekrönten.
Schließlich fordert Paulus die Christen in Rom auf, einander „zu Gottes Herrlichkeit“ aufzunehmen (Rö. 15,
2
Zum Begriff „Ewigkeit“ bzw. „ewig“ siehe Anhang.
9
7). Es ehrt Gott und mehrt seine Herrlichkeit, wenn seine
Kinder so aneinander handeln, wie Christus an ihnen
gehandelt hat.
2. Herrlichkeit ist erkennbare Schönheit und Pracht
Schönheit, Glanz oder Pracht sind äußerlich erkennbare
Herrlichkeitserscheinungen (Hes. 10, 4). In diesen Fällen ist Herrlichkeit an einen irdischen oder geistleiblichen
Körper gebunden. Besonders deutlich wird dies an der
Zusage Gottes, dass unsere Körper der Niedrigkeit einmal umgestaltet werden zur „Gleichgestalt mit seinem
Leib der Herrlichkeit“ (Phil. 3, 21). Der auferstandene
Kyrios, Jesus Christus, hat einen Körper von besonderer
Schönheit - einen Herrlichkeitsleib. Auch seine Augen und damit sein Angesicht - sind Ausdruck seiner Herrlichkeit. So berichtet uns Judas (24), dass Gott uns
durch unseren Retter Jesus Christus einmal tadellos vor
die „Augen seiner Herrlichkeit“ hinstellt3.
An dieser Stelle ist es jedoch auch wichtig zu sehen,
dass eine Wesensherrlichkeit durch einen äußerlich
unattraktiven, gar abstoßenden Körper verborgen sein
kann. Denken wir hierbei an die Beschreibung der
Knechtsgestalt des kommenden Messias aus dem Propheten Jesaja (Jes. 52, 14).
3. Herrlichkeit ist Autorität und Vollmacht
Wie uns der Apostel Johannes berichtet (Jo. 2, 11), offenbarte Jesus Christus seine Herrlichkeit zu Beginn
seines Wirkens, indem er in der Autorität und Vollmacht
Gottes Zeichen wirkte. Seine Herrlichkeitsautorität stellte
Jesus Christus wohl am eindrucksvollsten bei der Auferweckung des verstorbenen Lazarus unter Beweis (Jo.
3
So nach eigener Übersetzung; der in der revElb mit "vor seiner
Herrlichkeit" wiedergegebene griechische Text kann wortnäher mit
"vor die Augen seiner Herrlichkeit" (κατενώπιον τῆς δόξης αὐτοῦ)
übersetzt werden, da der Terminus „katenoopion“ nach SCHIRLITZ
"vor Jemandes Augen" bedeutet.
10
11, 40): „Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt,
wenn du glaubtest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes
sehen?“ Jesus handelt hier mit derselben Herrlichkeitsautorität, mit der der Vater den Sohn später auferweckte
(Rö. 6, 4). Schließlich spricht der Kolosserbrief von der
„Macht seiner Herrlichkeit“ (1, 11).
Herrlichkeit kann - wie bei Gott - aus sich heraus vorhanden sein oder als Zeichen der Ehre verliehen werden.
4. Herrlichkeit ist eine Wesenseigenschaft
Zutiefst ist Herrlichkeit eine Wesenseigenschaft, also ein
innerer Wertzustand und eine untrennbar mit einer Person verbundene Charaktereigenschaft. Als Mose den
Wunsch äußerte, Gottes Herrlichkeit zu sehen, antwortete Gott (2. Mo. 33, 19): „CIch werde all meine Güte an
deinem Angesicht vorübergehen lassen und den Namen
Jahwe vor dir ausrufen: Ich werde gnädig sein, wem ich
gnädig bin, und mich erbarmen, über wen ich mich erbarme."
Gott geht auf den Wunsch Moses ein, Gottes Herrlichkeit zu sehen, indem er seine Güte an seinem Angesicht
vorübergehen lässt und den Namen JHWH vor ihm ausruft. Und schließlich weist er ihn auf seine göttliche Souveränität hin: Gott ist frei in seiner Wahl, wem gegenüber er gnädig und barmherzig ist. Gnade und
Barmherzigkeit sowie Souveränität - so verdeutlicht es
uns diese Begebenheit - gehören als Wesenseigenschaften somit auch zur Herrlichkeit Gottes.
Im Johannesevangelium wird in Hinblick auf Jesus
Christus bezeugt (Jo. 1, 14): „Cund wir haben seine
Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“
11
Gnade und Wahrheit, die der Liebe Gottes entspringen,
sind der Kern und die Quelle der Herrlichkeit Gottes, wie
sie sich im Sohn zeigt. Jesus Christus selbst war angefüllt mit Gnade und Wahrheit – sie bildeten sein Wesen
und kamen in seiner sichtbaren Herrlichkeit voll zum
Ausdruck.
Herrlichkeit ist demnach eine auf Güte, Barmherzigkeit,
Gnade und Wahrheit beruhende Wesenseigenschaft, die
sich einerseits in Souveränität, Autorität und Vollmacht und
andererseits in einer äußerlichen Schönheit darstellt. Sie
umfasst somit die gesamte Persönlichkeit. In schöner Weise
drückt dies der Psalmist (104, 1+2) aus, wenn er Gott in
seiner Majestät und Pracht sowie mit einer Lichthülle umkleidet sieht: „Preise den HERRN, meine Seele! HERR,
mein Gott, du bist sehr groß, mit Majestät und Pracht bist du
bekleidet. <Du,> der in Licht sich hüllt wie in ein Gewand8“
Die Schöpfung als Spiegelbild der Herrlichkeit Gottes
Gottes Herrlichkeit offenbart sich bereits in den ersten Versen unserer Bibel. Der Schöpfergott ruft durch sein machtvolles Wort4 die Dinge in das sichtbare Dasein. In diesem
Rufen Gottes liegt und zeigt sich sein Vermögen, alles sichtbar zu machen, zu ordnen und zu gestalten. Dieses schöpferische Vermögen ist Teil der Herrlichkeit Gottes. Herrlichkeit beinhaltet demnach auch das Vermögen, aus der Autorität heraus etwas zu schaffen - oder gar den Tod zu besiegen (Jo. 11, 40; Rö. 6, 4).
Die Schöpfung ist somit ein Ergebnis der schöpferischen
Herrlichkeit Gottes. Die Schöpfung fand die Zustimmung
Gottes in dem Ausspruch: „Cund siehe es war sehr gutC“
(1. Mo. 1, 31). Der Schöpfergott schafft etwas, was in seinen
4
Sein Wort (gr.: logos) ist Christus, durch den der Vater redet und
durch den alles gemacht wurde (Jo. 1).
12
Augen das Prädikat „sehr gut“ verdient. Es ist die Schöpfung
vor dem so genannten Sündenfall, die Schöpfung im Zustand der absoluten Gotteszustimmung und Gottesbestimmung. Allerdings wurde allein der Mensch als Bild Gottes (1.
Mo. 1, 26) und damit als ein Spiegelbild der Herrlichkeit Gottes erschaffen. Dies betrifft zum Einen seine Körperlichkeit –
hatte Adam doch zunächst einen Körper, der nicht der Sünde und damit auch keinem Alterungsprozess unterlag. Die
Nachkommen Adams und Evas profitierten insofern von
dem herrlichen körperlichen Zustand ihrer Stammeltern, als
dass deren Lebenszeit in den ersten Generationen nach
Adam sehr lang war.
Zum Anderen erkennen wir die Herrlichkeit des Menschen in
seiner Berufung. Adam wurde beauftragt, den Tieren Namen zu geben. Das ist eine herausgehobene Herrlichkeitsstellung. Denn mit dem Recht, Namen zu verleihen, war
nicht nur eine Vorrangstellung des Menschen vor den Tieren
verbunden. Es lag darin auch die Vollmacht, den Tieren mit
der Namensgebung eine Berufung und Bestimmung zu geben.
Selbst heute staunen wir immer wieder über die Schönheit
der Natur und des Menschen – auch wenn es eine gefallene, der Sünde und der Vergänglichkeit unterworfene Schöpfung ist. Wir bewundern die in die Schöpfung hinein gelegten hochkomplexen Prozesse – denken wir etwa an das
menschliche Immunsystem, das Krankheitserreger erkennt
und bekämpft. Wir stehen bewundernd vor einem gewaltigen Bergmassiv, freuen uns an einem munter daher strömenden Bach und sind von der scheinbaren Endlosigkeit
des Meeres überwältigt. Wenn wir heute noch die Herrlichkeit der Schöpfung bewundern können, lässt uns dies ahnen, wie großartig die nicht gefallene Schöpfung die Herrlichkeit Gottes widerspiegelte.
Die Menschen des alten Bundes sahen den menschlichen
Körper und die Schönheit der Schöpfung nicht nur als ein
13
Spiegelbild der Herrlichkeit Gottes. Sie verbanden die
Schönheit der Schöpfung auch mit ihrem eigenen Ergehen.
Etwas von der Herrlichkeit Gottes, wie sie in der Schöpfung
zu sehen ist, würde auch denjenigen zu Gute kommen, die
Gott lieben. Das Buch der Richter (5, 31) spricht davon:
„Aber die, die ihn lieben, <sollen sein,> wie die Sonne aufgeht in ihrer Kraft!“
Die Übersetzung der Bibel von MENGE verwendet an dieser
Stelle den Indikativ, also die Wirklichkeitsform, um die Realität dieser Herrlichkeitswirkung auf die Gott-Liebenden herauszustellen: „Doch die ihn lieben, sind wie der Sonne Aufgang in ihrer Kraft (oder: Pracht).“
Die Herrlichkeit Gottes, die sich in der Schöpfung insbesondere im Licht, in der Kraft und in der Sonne darstellt, wird
den Gott-Liebenden zuteil werden.
Debora und Barak, die diesen eben angeführten Ausspruch
an das Ende ihres Liedes gestellt haben, wussten um die
Schönheit und den Glanz der Sonne und um ihre Leben
spendende Kraft. Sie sahen aber nicht nur die Herrlichkeit
der Sonne. Sie hatten auch die Erwartung, dass diejenigen,
die Gott lieben, auferstehen werden in Herrlichkeit – so wie
die Sonne in ihrer Kraft aufgeht und sinnbildlich aus dem
Todesdunkel ins Lebenslicht übergeht. Die Feinde Gottes
kommen dagegen um. Die aber, die ihn lieben, sind wie die
aufgehende Sonne in ihrer Kraft und Pracht. Aus der Gegenüberstellung des zu Tode Kommens der Gottesfeinde
einerseits und der aufgehenden Sonne andererseits wird
deutlich, dass hier eine große Auferstehungserwartung lebt.
Auch David greift die Auferstehungs- und damit Herrlichkeitserwartung in seinen letzten Worten auf (2. Sam. 23,
3+4): „Es hat gesprochen der Gott Israels, der Fels Israels
hat zu mir geredet: Wer gerecht herrscht über die Menschen, wer in der Furcht Gottes herrscht, <der ist> wie das
Licht des Morgens, wenn die Sonne aufstrahlt, eines Morgens ohne Wolken; von ihrem Glanz nach dem Regen
<sprosst> das Grün aus der Erde.“
14
David gibt einen Zuspruch wider, der ihm vom Felsen Israels geschenkt wurde. Wer anders als Christus selbst hat
ihm diesen Zuspruch gegeben? Ist doch Christus der Fels
Israels, der mit durch die Wüste zog (1. Kor. 10, 4). In diesem tröstenden Zuspruch setzt Christus den gottesfürchtigen Menschen mit dem Licht des Morgens gleich. Nach der
Nacht, einem Bild auf den Tod, ist der Mensch, der in der
Furcht Gottes lebt, wie das Licht des Morgens, wenn die
Sonne aufstrahlt. Dabei verdunkelt keine Wolke das morgendliche Licht - alles ist licht und klar.
Wie wunderbar, dass unser Gott bereits den Menschen des
alten Bundes die Erwartung eines Lebens in Herrlichkeit
zugesprochen hat. Wie wunderbar, dass Gottes Kraft als
auch sein unsichtbares Wesen von der Erschaffung der
Welt an in dem Gemachten erkannt werden können (Rö. 1,
20). Die Schöpfung legt Zeugnis von der Herrlichkeit Gottes
ab.
Gottes Herrlichkeit in der Gegenwart von Menschen des
alten Bundes
Gottes Wesen ist reines Licht (1. Jo. 1, 5). Aus diesem
Grund kann Gott keine Gemeinschaft mit der Finsternis haben. So ist es für Gott unmöglich, geistlich Gemeinschaft mit
einem von der Finsternis beherrschten Sünder zu haben. –
Den Menschen, die ihm vertrauen, offenbart Gott seine
Herrlichkeit allerdings in einer direkten Weise, die über seine Herrlichkeitsoffenbarung in dem Gemachten hinausgeht.
Schauen wir uns einige Personen des alten Bundes an, denen Gott seine Herrlichkeit offenbarte.
15
Abraham – der Vater der Menge
Eine der ersten Personen, mit dem Gott intensiv Gemeinschaft hatte und dem er seine Herrlichkeit zeigte, war Abraham, der Vater der Menge5. Abraham glaubte Gott (Rö. 4,
3) und Gott rechnete es ihm als Gerechtigkeit an (1. Mo. 15,
6). Gott begegnet diesem Glaubensmann als der Allmächtige, als El-Schaddai6 (1. Mo. 17, 1). Gott offenbart sich Abraham als derjenige, dem nichts unmöglich ist. Allmacht im
Sinne eines umfassenden Vermögens, einen Gedanken
oder Vorsatz entgegen aller Widerstände in die Realität umzusetzen, ist ein wichtiger Aspekt der Herrlichkeit Gottes
(vgl. Jo. 2, 11). Gott vermag Abraham zum Vater einer
Menge von Nationen zu machen (1. Mo. 17, 4) und ihm das
Land seiner Fremdlingschaft zum Besitz zu geben (1. Mo.
17, 8).
Diesem allmächtigen Gott vertraute Abraham – er hielt es
sogar mit Bestimmtheit für möglich, dass Gott Isaak aus
dem Tod erwecken könne. Abraham war sich nicht unsicher:
Er hatte eine feste Erwartung – er rechnete7 mit der Herrlichkeitsautorität Gottes, Tote zu erwecken (Heb. 11, 19)!
Gott hatte sich ihm gegenüber als der Allmächtige offenbart
und dies hatte Abrahams Glauben geprägt.
Mose – der Herauszieher
In besonderer Weise durfte auch Mose die Herrlichkeit Gottes erleben: Bei seiner Berufung zum Führer Israels, in der
Machterweisung Gottes beim Auszug aus Ägypten wie auch
in der Gottesbegegnung auf dem Berg Sinai.
5
Namensbedeutung aus: SCHUMACHER (1995).
El-Schaddai bedeutet wörtlich: Gott, welcher vermag.
7
In Heb. 11, 19 verwendet der griechische Text das Verb
„λογίζοµαι“ (logizomai), das mit „damit rechnen“ widergegeben
werden kann. Das „Rechnen“ weist auf ein Ergebnis hin, das aus
einem logischen Denkprozess resultiert.
6
16
Mose hatte zunächst aus eigenem Antrieb und aus eigener
Kraft versucht, sich auf die Seite des versklavten Volkes
Israel zu stellen und dabei einen Ägypter getötet (2. Mo. 2,
11-15). Daraufhin musste er fliehen, weil der Pharao ihm
nach dem Leben trachtete. Nach diesem Misserfolg diente
Mose seinem Schwiegervater als Hirte. Eine lange Zeit verstrich, in der Mose in einem ihm fremden Land lebte. Sein
Leben erfuhr jedoch schlagartig eine Wende, als ihm eines
Tages der Gott seiner Väter erschien (2. Mo. 3). Gott gab
sich Mose als JHWH8 zu erkennen, das heißt als der Seiende und als der Gericht ausübende9.
JHWH beauftragte Mose, das Volk Israel aus Ägypten zu
führen. Dieser reagierte jedoch skeptisch und gab zu bedenken, dass ihm das Volk nicht glauben werde (2. Mo. 4,
1). In seiner Güte – und um der Schwachheit der Menschen
willen, die nur auf der Grundlage sichtbarer Zeichen vertrauen können – gab Gott seine Macht und damit seine
Herrlichkeit durch drei verschiedene Zeichen zu erkennen
(Stab, Hand, Wasser des Nils).
Dies war der Anfang vieler folgender Ereignisse, in denen
sich Gott machtvoll und damit herrlich gegenüber Mose,
dem Volk Israel und auch gegenüber den Ägyptern erwies.
Israel erlebte die Treue und die Macht Gottes, als Gott sein
Volk aus der Knechtschaft der Ägypter befreite. Durch die
Gerichte Gottes wurde Pharao dazu bewegt, das bislang
versklavte Volk Israel ziehen zu lassen. Und so zog das
Volk mit den Reichtümern Ägyptens in Richtung Schilfmeer.
Die Wolken- und Feuersäule wies ihnen den Weg. Doch das
Herz Pharaos wandte sich erneut gegen Israel und er jagte
mit 600 Streitwagen und seiner Armee hinter den Israeliten
8
„JHWH“ ist in der revidierten Elberfelder-Übersetzung in Großbuchstaben als „HERR“ wiedergegeben (siehe Anhang).
9
Da der Vater dem Sohn alle Gerichte übergeben hat (Jo. 5,
22+27), können wir in JHWH nicht nur den Vater, sondern – je
nach Zusammenhang – auch den Sohn Jesus Christus sehen
(siehe Anhang).
17
her. Als diese das ägyptische Heer nahen sahen, erhoben
sie ein Geschrei zum HERRN (2. Mo. 14, 11) und wandten
sich gegen Mose (V. 12): „Warum hast du uns das angetan,
dass du uns aus Ägypten heraus geführt hast?“ Doch Mose
antwortete ihnen: „Der HERR wird für euch kämpfen, ihr
aber werdet stille sein.“ Und Gott sprach zu Mose: „Du aber
erhebe deinen Stab und strecke deine Hand über das Meer
aus und spalte es, damit die Söhne Israel auf trockenem
Land mitten in das Meer hineingehen! 8 Und ich will mich
verherrlichen [i.S.v. mächtig erweisen] am Pharao und an
seiner ganzen Heeresmacht8 Dann sollen die Ägypter erkennen, dass ich der HERR bin8“
Zur Verherrlichung Gottes gehorchten die Naturelemente
dem Gebieten Moses und das israelitische Volk konnte
durch das Schilfmeer aus Ägypten ausziehen. Das ägyptische Heer dagegen ging im Meer unter. Gott hatte sich stark
erwiesen und sich und seinen Namen dadurch verherrlicht.
In all dem Geschehen und Handeln Gottes sollte Israel Gottes Macht erfahren, stille sein und auf Gottes starke Hand
vertrauen.
Im Rückblick konnte der anfangs so glaubensschwache
Mose bezeugen (2. Mo. 15, 6+7): „Deine Rechte, o HERR,
ist herrlich in Kraft; deine Rechte, o HERR, zerschmettert
den Feind. Und in der Fülle deiner Hoheit wirfst du nieder,
die sich gegen dich erheben. C“
Mose hat JHWH als einen machtvollen Gott erfahren, als
einen Gott, der in der Fülle seiner Hoheit unumschränkt
herrscht und seine Feinde niederwirft. Seine Rechte, also
seine ausführende rechte Hand, ist herrlich in Kraft. In seiner Kraft offenbarte sich die Herrlichkeit Gottes.
Als Israel nach dem Auszug aus Ägypten auf dem Weg in
das verheißene Land war, rief der HERR Mose zu sich auf
den Berg Gottes. „Und die Herrlichkeit des HERRN ließ sich
auf den Berg Sinai nieder, und die Wolke bedeckte ihn
sechs Tage; und am siebten Tag rief er Mose aus der Mitte
18
der Wolke <zu sich>. Das Aussehen der Herrlichkeit des
HERRN aber war vor den Augen der Söhne Israel wie ein
verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges. Mose jedoch ging mitten in die Wolke hineinC“ (2. Mo. 24, 16-18).
Die Herrlichkeit Gottes war für das Volk Israel sichtbar. Mose durfte in die Herrlichkeitsgegenwart JHWHs eintreten. Er
durfte ihm nahen. Gott unmittelbar zu begegnen, ist jedoch
kein Vorrecht, das nur Mose vorbehalten blieb. Es entspricht
Gottes Willen, dass Menschen Gemeinschaft mit ihm haben
und Gott hat alles getan, dies zu ermöglichen. Im Moment
des stellvertretenden Sterbens von Jesus, dem Christus,
zerriss Gott den Vorhang des Tempels, der uns von seiner
Gegenwart im Allerheiligsten trennte. Seitdem ist es für jeden Menschen möglich, sich durch das Blut des Sohnes von
aller Schuld reinigen zu lassen und in die unmittelbare Gegenwart Gottes zu treten (Heb. 4, 16) – genau so wie Mose
es durfte. Wie wunderbar ist es, diesem gnädigen Gott als
geretteter Mensch zu begegnen.
Nachdem Mose auf dem Berg Gottes JHWH begegnet war,
stieg Mose zu dem Volk Israel herab. Sein Angesicht spiegelte auch jetzt noch die Herrlichkeitsgegenwart JHWHs
wider. Denn Moses Eintreten in die Herrlichkeitsgegenwart
JHWHs auf dem Berg Sinai hatte seinem Gesicht eine solch
starke Leuchtkraft verliehen, dass er sein Gesicht verhüllte
(2. Mo. 34, 29-35; 2. Kor. 3, 7). Ist dies nicht eine wunderbare, frühzeitige Darstellung der neutestamentlichen Aussage,
dass wir als Kinder Gottes die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln (Jo. 17, 22; Rö. 8, 21)? Paulus stellt dies den Gläubigen in Korinth auf folgende Weise vor Augen (2. Kor. 3, 18):
„Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die
Herrlichkeit des Herrn an und werden <so> verwandelt in
dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie <es> vom
Herrn, dem Geist<, geschieht>.“
Bei der Begegnung auf dem Berg Sinai stand neben der
Gesetzgebung auch der tiefe Wunsch Gottes im Mittelpunkt,
19
bei den Menschen zu sein. Deswegen beauftragte JHWH
Mose, ein Heiligtum zu errichten, damit er in ihrer Mitte sein
könne (2. Mo. 25, 8). Gott sucht uns Menschen und kommt
uns entgegen – haben wir nicht einen einzigartigen Gott, der
uns in Jesus Christus entgegen kommt? Gott kommt auf uns
zu – daher erklärt sich auch der Name „Zelt der Begegnung“, wie er für das Heiligtum des Volkes Israel immer
wieder verwendet wird (z.B. 2. Mo. 27, 21). Hier begegnet
Gott den Menschen (3. Mo. 4, 7+18).
Der irdische Dienst im Zelt der Begegnung war von einer
ungeahnten Herrlichkeit gekennzeichnet. Alles - der Tempeldienst mit seinen Opfergeboten, die Gegenstände und
die Feste Israels als symbolhafte Darstellungen – sollte auf
das Wesen, die Heiligkeit und die Herrlichkeit Gottes hinweisen. So war das Heiligtum nach dem Urbild der himmlischen Wohnung Gottes errichtet und gestaltet worden (2.
Mo. 25, 9). Auch der Dienst des Volkes Israel ist dem Geschehen und den Örtlichkeiten im Himmel nachempfunden.
Gott ließ es sich nicht nehmen, die Vorgänge und die Gestaltung der Gegenstände des Tempels bis in die Einzelheiten hinein dem Mose vorzugeben, damit das Irdische ein
Abbild und damit ein Hinweis auf das Himmlische sei (Heb.
8, 5; 9, 23).
Nachdem Mose das Heiligtum genau nach dem göttlichen
Bauplan errichtet hatte, bedeckte die Wolke das Zelt der
Begegnung (2. Mo. 40, 34). Die Herrlichkeit JHWHs erfüllte
das Zelt – wie auch später den salomonischen Tempel (2.
Chr. 5, 14). Gott war in Gestalt JHWHs gegenwärtig und in
Form der Wolke in seiner Herrlichkeit sichtbar. Sooft sich die
Wolke erhob, setzte das Volk Israel seine Wanderung fort,
und wenn sich die Wolke nicht erhob, brach das Volk nicht
auf. Ist dies nicht Weg weisend für unser Glaubensleben?
Geht Gott voran, folgen wir ihm. Gibt Gott uns nicht zu erkennen, dass eine Zeit des Aufbruchs und eine Zeit der
20
Glaubensschritte gekommen ist, so warten wir geduldig auf
sein Reden in unser Leben hinein.
Innerhalb des dreigeteilten Heiligtums befand sich das Allerheiligste. Diesen Raum durfte lediglich der Hohepriester
einmal im Jahr - am Versöhnungstag - betreten. An diesem
Tag besprengte er die Bundeslade mit Blut, um die Reinigung von Sünden zu erwirken (3. Mo. 16, 14-16). Auf dem
Sühnedeckel der Bundeslade standen sich zwei Cherubim
gegenüber. Sie überschatteten den Sühnedeckel mit ihren
Flügeln und hatten ihre Gesichter auf den Sühnedeckel gerichtet. Die aus Gold getriebenen Cherubim werden im Hebräerbrief (9, 5) als „Cherubim der Herrlichkeit“ bezeichnet.
Mehrmals bezeugt die Heilige Schrift, dass JHWH zwischen
den Cherubim thront (2. Mo. 25, 22; 3. Mo. 16, 2; Ps. 80, 2;
99, 1) – fürwahr ein angemessener Ort für den Thron Gottes
und eine Abbildung der nicht sichtbaren Wirklichkeit Gottes.
Ist Gottes Thron doch ebenfalls von Engelswesen umgeben
(Off. 4; 5, 11).
Die Bundeslade war somit innerhalb des Heiligtums der eigentliche Ort der Gegenwart JHWHs. Der Allerheiligste war
im Allerheiligsten im Bereich der Bundeslade anwesend. Die
Bundeslade ist als Ort der Vergebung der Schuld zugleich
eine Darstellung des Christus, der die Schuld des Kosmos
trug und Sühnung erwirkte (Heb. 1, 3; 9, 11-15). Dieses
Hinweisen der Bundeslade - genauer des Sühnedeckels auf Christus hin, geht eindeutig aus Rö. 3, 25 hervor: „Ihn
[Christus] hat Gott hingestellt als einen Sühneort durch den
Glauben an sein Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden.“
Die Bibel sagt uns hier, dass Gott seinen Sohn Jesus Christus als ein Sühneopfer öffentlich und damit erkennbar auf-
21
gestellt hat. - Das an dieser Stelle mit „Sühneort“10 wiedergegebene griechische Wort „ἱλαστήριον“ ist mit dem in Heb.
9, 5 für den Deckel der Bundeslade („Versöhnungsdeckel“
nach revElb) gebrauchten Begriff identisch.
Die Bibelstellen des Römerbriefs wie des Hebräerbriefs weisen uns auf Christus als den im Alten Testament auf ihn
deutenden „Sühnedeckel“ hin, der uns durch den Glauben
an sein Blut rechtfertigt. Wir dürfen infolgedessen einen direkten Zusammenhang sehen zwischen JHWH, der in seiner Herrlichkeit im Allerheiligsten zwischen den Cherubim
der Herrlichkeit auf dem Thron der Gnade gegenwärtig ist,
und Christus, der vom Vater als Sühneopfer („Versöhnungsdeckel“) aufgestellt wurde und die Sündentilgung erwirkte. Weil Christus die Sühnung erwirkt hat, können wir
zum Thron der Gnade hinzutreten, um Barmherzigkeit und
Gnade zu empfangen (Heb. 4, 15+16). Ihm sei hierfür Lob
und Dank!
Kommen wir auf Mose zurück. Gott sprach zu Mose. Gott
weihte Mose in seine Gedanken ein, ließ ihn teilhaben an
dem Ratschluss seines Willens – auch in Hinsicht auf die
zukünftigen Ereignisse. Wie weit der Blick Moses in die
Heilsgeschichte ging, lässt uns die Schrift erahnen, wenn
sie einen Ausspruch des Mose über einen kommenden Propheten in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erscheinen des Gottessohnes Jesus Christus stellt (Apg. 3, 22; 7,
37).
So erleben Menschen seit jeher, wie herrlich Gott ist. Gottes
Wesen und sein Handeln sind offenbar gewesen: Er hat die
Schöpfung wunderbar gestaltet, sodass David auch in Bezug auf seinen Körper und sein Entstehen staunend ausruft
(Ps. 193, 14): „Ich preise dich darüber, dass ich auf eine
erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunder-
10
„Gnadenstuhl“ (unrevidierte Elberfelder 1905)
22
bar sind deine Werke, und meine Seele erkennt es sehr
wohl.“
Gott hatte das Volk Israel aus der Sklaverei befreit und ihm
in Gestalt der Feuer- und Wolkensäule den Weg gewiesen.
In dem Zelt der Begegnung hatte das Volk Israel ein sichtbares Abbild der Herrlichkeit Gottes, ja, Gott selbst war im
Allerheiligsten gegenwärtig. Die mächtigen Feinde des Gottesvolkes wurden beim Einzug in das zugesagte Land allein
durch die Kraft und das Vermögen Gottes besiegt.
Gottes Herrlichkeitswesen drückt sich nicht nur in der
Schönheit der Schöpfung oder in der Pracht des Tempels
aus. Gottes Herrlichkeitswesen verbindet sich mit seiner
Gerechtigkeit auf der einen Seite: So hat er die Macht, Gericht an Völkern und Einzelpersonen zu üben. Auf der anderen Seite ist sein Herrlichkeitswesen nicht ohne seine fürsorgende Liebe denkbar. Gerade in der Lebensführung des
Einzelnen erwies Gott immer wieder, wie barmherzig und
gnädig er ist.
David – der Geliebte und der Verbinder
Der erste König Israels, Saul, hatte sich von Gott abgewandt. Gott erwählte sich an seiner Stelle den Hirten David
als neuen König über Israel. Er schenkte ihm in seiner Gnade Gelingen, als David sich dem gut gerüsteten Goliat mit
fünf Steinen entgegen stellte. Er bot ihm Zuflucht, als Saul
ihm nach dem Leben trachtete. Er ließ ihn König werden.
Fiel David in Sünde, so strafte ihn Gott. Dennoch verwarf
Gott seinen Auserwählten nicht. David hatte das Herrlichkeitswesen Gottes in seiner Lebensführung in all seinen
Facetten kennen gelernt. Deswegen lobt David seinen Gott
und HERRN zum Lebensende mit folgenden Worten (1.
Chr. 29, 10-13):
23
„Und David pries den HERRN vor den Augen der ganzen
Versammlung, und David sprach: Gepriesen seist du,
HERR, Gott unseres Vaters Israel, von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Dein, HERR, ist die Größe und die Stärke und die Herrlichkeit und der Glanz und die Majestät; denn alles im Himmel
und auf Erden ist dein. Dein, HERR, ist das Königtum, und
du bist über alles erhaben als Haupt.
Und Reichtum und Ehre kommen von dir, und du bist Herrscher über alles. Und in deiner Hand sind Macht und Stärke,
und in deiner Hand <liegt es>, einen jeden groß und stark
zu machen. Und nun, unser Gott, wir preisen dich, und wir
loben deinen herrlichen Namen.“
David lobt den herrlichen Namen Gottes. Er preist den Namen Gottes, weil der Name Gottes von seinem Wesen, also
von seinem Denken, Wollen und Vollbringen, zeugt. So offenbart uns Gottes Namen beispielsweise seine Bündnistreue (wie im Namen Elohim) und seine Allmacht (wie im
Namen El-Schaddai)11. Ist das nicht Grund genug, den herrlichen Namen Gottes zu loben?
Gottes Herrlichkeit offenbart sich Israel und anderen Völkern
Nun sollte in uns nicht der Eindruck entstehen, dass Gott
nur hoch gestellten Menschen begegnete und sich nur ihnen
gegenüber herrlich erwies. Sicherlich lebten Abraham, Mose
oder David in einer intensiven Gottesbeziehung. Sie durchlebten allerdings auch Zeiten, in denen Gott nicht zu ihnen
sprach. So ging Mose über viele Jahre hinweg seiner Arbeit
als Hirte bei seinem Schwiegervater Jitro nach. Uns wird
nicht berichtet, dass Gott sich ihm durch einen Traum oder
eine Offenbarung zuwandte (2. Mo. 3, 1). Es war wohl eine
Zeit des Schweigens Gottes. Für Mose mag dies eine Zeit
ohne äußerlich bewegende Gottesbegegnungen, zugleich
aber eine Zeit der inneren Zubereitung gewesen sein.
11
Der Name “Elohim” kann u.a. mit der „Bundesgott“ widergegeben werden. Zum Namen „El-Schaddai“ siehe Fußnote 6.
24
Gottes Herrlichkeit zu erleben, war kein exklusives Recht
wichtiger Führungspersönlichkeiten Israels. Die Wolkenund Feuersäule, in der Gott vor Israel bei der Befreiung aus
Ägypten herzog, war für alle Israeliten sichtbar (1. Mo. 13,
21). Die Herrlichkeit Gottes lag über dem Zelt der Begegnung und über dem Tempel (3. Mo. 9, 23) – auch dies war
eine für alle Israeliten erkennbare Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. Gott ist kein sich zurück ziehender Gott. Gott
offenbart sich allen seinen Geschöpfen – den hoch Gestellten wie auch den Niedrigen. Gott will erkannt und infolge
seiner Herrlichkeitsoffenbarung auch anerkannt werden.
Gott begründet sein Eingreifen zur Befreiung Israels aus der
ägyptischen Sklaverei ja gerade damit, dass Israel seinen
Gott durch die Machterweisungen erkennen soll. So redete
Gott zu Mose (2. Mo. 6, 6+7): „Ich bin der HERR; Ich werde
euch herausführen unter den Lastarbeiten der Ägypter hinweg, 8, und euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und
durch große Gerichte. Und ich will euch mir zum Volk annehmen und will euer Gott sein. Und ihr sollt erkennen, dass
ich euer HERR, euer Gott, bin, der euch herausführtC“
Auch den Völkern sollte Gottes Macht und damit seine Herrlichkeit deutlich werden. Gott sprach zu Mose (2. Mo. 14,
15-18): „Du aber erhebe deinen Stab und strecke deine
Hand über das Meer aus und spalte es, damit die Söhne
Israel auf trockenem Land mitten in das Meer hineingehen!
8 Und ich will mich verherrlichen [i.S.v. mächtig erweisen]
am Pharao und an seiner ganzen Heeresmacht8 Dann
sollen die Ägypter erkennen, dass ich der HERR bin8“ Und
so erfüllte es sich: Das ägyptische Heer ging im Meer unter.
Gott hatte sich stark erwiesen und sich und seinen Namen
dadurch verherrlicht.
Wir sehen: Israel sollte Gottes Macht erfahren, stille sein
und auf Gottes starke Hand vertrauen. Dieses Handeln Got-
25
tes war darüber hinaus zugleich ein Machterweis gegenüber
Ägypten. Sie sollten erkennen, dass Gott ist. Auch andere
Völker hörten von dem mächtigen, das heißt herrlichen Gott
Israels. So berichtet Rahab den israelitischen Kundschaftern, dass alle Bewohner Jerichos und des Landes mutlos
geworden sind, weil Gott so wunderbar an Israel gehandelt
hat. Sie bekennt (Jos. 2, 11): „CAls wir es [das Handeln
Gottes an Israel] hörten, da zerschmolz unser Herz, und in
keinem blieb noch Mut euch gegenüber. Denn der HERR,
euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf der Erde.“
Gottes Herrlichkeit war auch anderen Völkern offenbar geworden – und löste bei Rahab Furcht und Gotteserkenntnis
aus.
Gott offenbarte seine Herrlichkeit in Taten und in sichtbaren
Erscheinungen wie der Wolke. Von Beginn der Menschheitsgeschichte an weist uns das Wort Gottes jedoch auch
auf den Einen, den Retter hin. Der Retter von Sünde und
Tod hat Macht und Autorität. Auf die Retterautorität des
Kommenden wird bereits kurz nach dem Ungehorsam von
Adam und Eva hingewiesen (1. Mo. 3, 15): Der Retter hat
die Macht, der Schlange, dem Feind Gottes, den Kopf zu
zermalmen.
Seit dieser Zusage, dass die Macht der Finsternis gebrochen wird, schauten Menschen immer wieder nach dem
Retter und seiner Herrlichkeit aus. Insbesondere waren dies
die Propheten.
Die Propheten
Einer der Propheten, die einen weiten Blick auf den kommenden Retter geschenkt bekamen, war Jesaja. Der Prophet Jesaja spricht zum Einen in seine Zeit hinein: Er zeichnet das kommende Gericht am Volk Israel. Ihm ist jedoch
zum Anderen auch ein weiter Blick in die Zukunft seines
Volkes und der Völker geschenkt worden. Er spricht von
26
dem Retter. Er sieht ihn als den, der die Sünde der Welt auf
sich nimmt und dafür verachtet wird (Jes. 50, 6; 53). Jesaja
sieht den Retter auch in seiner Herrlichkeit. Er sieht ihn als
den, der heilen wird. Und Jesaja schaut die Verschlossenheit seines Volkes für die werbende Liebe Gottes. Es ist die
Verschlossenheit und Verstocktheit12, die die Mehrheit des
Volkes Israel kennzeichnet, als der Retter Jesus Christus zu
seinem Volk kommt.
Der Apostel Johanes erklärt diesen Unglauben des Volkes
gegenüber Jesus Christus, indem er hierbei Bezug auf Jesaja nimmt (Jo. 12, 37-41): „Darum konnten sie nicht glauben, weil Jesaja wieder gesagt hat: »Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, dass sie nicht mit den Augen
sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren
und ich sie heile.« Dies sprach Jesaja, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete.“
Johannes sagt, dass Jesaja die Herrlichkeit des Kommenden sah und von ihm redete. Die Propheten des alten Bundes wie Jesaja schauten demnach nicht nur das Leiden des
kommenden Messias. Der Geist des Christus, der in ihnen
war, deutete auf die Leiden des Gesalbten und auf seine
Herrlichkeit danach hin (1. Petr. 1, 11).
Fassen wir zusammen: Das Alte Testament berichtet uns,
wie Gott sich in unterschiedlichster Weise zu erkennen gab.
Dies geschah in der Schöpfung, durch wundervolle Taten
und durch seine sichtbare Gegenwart in Form der Wolkenund Feuersäule. Die Menschen wussten durch die Propheten von dem kommenden Erlöser, dem Gesalbten Gottes.
Die Propheten sprachen von der Niedrigkeit, der Verwerfung
und der Herrlichkeitsoffenbarung des kommenden Gesalbten. Und so kam es: Gott gab sich in unvergleichlicher Weise durch das Menschwerden seines einzig gewordenen
12
„Verstocktheit“ bedeutet, infolge einer Herzenshärte für Gottes
Reden unzugänglich zu sein.
27
Sohnes Jesus Christus in seiner Herrlichkeit zu erkennen.
Der „Gott der Herrlichkeit“ (Apg. 7, 2) offenbarte sich als
„Vater der Herrlichkeit“, als Vater unseres Herrn Jesus
Christus (Eph. 1, 17).
Offenbarung der Herrlichkeit Gottes im Sohn Jesus
Christus
In einzigartiger Weise offenbart sich Gott in seinem Sohn
Jesus Christus. Er ist das Bild des unsichtbaren Gott-Vaters,
der Erstgeborene aller Schöpfung (2. Kor. 4, 4+6; Kol. 1,
15). In Jesus Christus haben wir ein unverfälschtes Abbild
des Vaters – an ihm sehen wir Gottes Liebe und Güte, Gottes Wahrheit und Gnade. Darum wird jeder, der die Person
und das Wirken von Jesus Christus aufmerksam betrachtet,
auf den hingewiesen, der den Sohn gesandt hat (Jo. 12,
45).
Gottes Herrlichkeit kommt in seinem Sohn zum Ausdruck.
Ja, Paulus spricht sogar von einem Evangelium „8von der
Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist“ (2. Kor. 4, 4).
Von der Herrlichkeit des Sohnes Jesus Christus zu sprechen, heißt demnach, eine froh machende, gute Nachricht
auszubreiten.
Der Sohn ist hierbei immer derjenige, der die ursprüngliche
Herrlichkeit und das Wesen des Vaters in unser irdisches
Leben hinein spiegelt. Er strahlt die Herrlichkeit des Vaters
aus und bringt dessen Wesen zum Ausdruck (Heb. 1, 3): „C
er [der Sohn], der Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und Abdruck seines Wesens ist und alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt, hat sich, nachdem er die Reinigung von den
Sünden bewirkt hat, zur Rechten der Majestät in der Höhe
gesetzt; C“
28
Die Bibel sagt uns durch dieses Wort nicht allein, dass der
Sohn ein Abdruck des Vaterwesens ist. Das in der deutschen Übersetzung mit „Abdruck“ widergegebene griechische Wort „χαρακτὴρ“ (im Deutschen: Charakter!) geht nach
SCHIRLITZ auf das Werkzeug zurück, mit dem geprägt und
damit ein Abbild, also eine getreue Kopie des Originals, gefertigt wurde. So ist der Sohn nicht nur der Abdruck des
Wesens des Gott-Vaters. Er ist zugleich auch der „Prägestock“, mit dem wir als seine Werkstücke originalgetreu geprägt und so dem Wesen des Vaters und des Sohnes
gleichgestaltet werden (Rö. 8, 29; Gal. 4, 19; 1. Jo. 3, 2).
Jesus Christus ist der einzige geborene Sohn Gottes, des
Vaters. Da er aus Gott ist, hatte er von dem Moment seines
Werdens an göttliche Herrlichkeit – die „Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“
(Jo. 1, 14). Deswegen kann Jesus für seine Jünger zum
Vater bitten (Jo. 17, 5): „Und nun verherrliche du, Vater,
mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte,
ehe die Welt war!“
Die Erniedrigung des Gottessohnes
Diese vorweltliche, göttliche Herrlichkeit legte der Sohn freiwillig ab. Der Apostel Paulus zeichnet uns den Weg der Erniedrigung des Gottessohnes nach (Phil. 2). Uneigennützig
und aus Liebe zu den Menschen machte Christus sich
selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den
Menschen gleich wurde. Er wurde der äußeren Gestalt nach
als ein Mensch angesehen, obwohl er nach wie vor göttlicher Natur war. In dieser äußeren Gestalt war für einen Gottes fernen Menschen keine Herrlichkeit zu sehen - ganz im
Gegenteil. Die Menschen seiner Zeit hielten ihn gerade in
seinem Leiden und Sterben für „bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt“ (Jes. 53, 4). Hätten sie die im Leiden des Knechtes verborgene Weisheit Gottes erkannt, so
hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt (1.
29
Kor. 2, 8). - Nur die Menschen, die sich dem Evangelium
von der Herrlichkeit des Christus öffneten, sahen seine wirkliche Herrlichkeit.
Zu den Menschen, die die Herrlichkeit des in die Niedrigkeit
gekommenen Gottessohnes erkennen konnten, gehörten
die Hirten, die bei Bethlehem nachts die Wache über ihre
Herde hielten (Lk. 2, 8). In dem Moment, in dem ein Engel
des Herrn zu ihnen trat, umleuchtete sie die Herrlichkeit des
Herrn – und sie fürchteten sich. Gottes Herrlichkeit kann
Furcht hervorrufen. Dies ist durchaus positiv, da die Furcht
vor Gott ein erster Schritt zur Erkenntnis des Höchsten ist
(Spr. 1, 7). Der Engel jedoch beruhigte die Hirten und wies
sie auf den neugeborenen Retter hin. Später, nachdem sie
Jesus Christus gesehen hatten, priesen und lobten sie Gott
über alles, was sie gehört und gesehen hatten.
Auch der alte Simeon gehörte zu den Menschen, die das
Heil Gottes mit eigenen Augen sehen konnten (Lk. 2, 30).
Als Jesus nach Jerusalem gebracht wurde und Simeon ihn
auf seine Arme nahm, sprach er zum himmlischen Vater,
dass Jesus Christus „ein Licht zur Erleuchtung der Nationen
und zur Herrlichkeit deines Volkes Israel“ sei (Lk. 2, 32).
Den Hirten und Simeon war es geschenkt, die wirkliche
Herrlichkeit des erniedrigten Gottessohnes zu erkennen.
So unterschiedlich können Menschen Jesus Christus sehen
– auch heute noch. Für die einen ist er der Sohn Gottes,
voller Gnade und Wahrheit. Er ist derjenige, der aus der
göttlichen Liebe heraus bereit und im Stande war, sein Leben zur Sühnung der Sünde dieses Kosmos´ zu lassen. Für
die anderen ist er nicht mehr als ein guter, letztlich aber
doch gescheiterter Mensch. Sie deuten auf sein Sterben am
Kreuz und sehen darin nicht den größten Sieg der Heilsgeschichte Gottes, sondern nur das schmähliche Ende eines
weit gehend Verlassenen.
30
Der Erweis der Herrlichkeit von Jesus Christus
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen. In einer Zeit,
in der die Menschen Israels sich nach einer inneren und
äußeren Befreiung sehnten, trat auf einmal ein junger Prediger auf. Er sprach von der Liebe Gottes. Seinen Worten
verlieh er durch machtvolle Zeichen und Wunder eine hohe
Bedeutung.
Den Anfang seiner Zeichen vollbrachte Jesus Christus in
einem kleinen Ort namens Kana, das in Galiläa lag. Jesus
Christus ließ auf einer Hochzeitsfeier Wasser zu Wein werden. Der Apostel Johannes, der uns dieses berichtet, erklärt
im Rückblick hierauf (Jo. 2, 11):
„Diesen Anfang der Zeichen machte Jesus zu Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit; und seine Jünger
glaubten an ihn.“
In dieser Handlung offenbarte Gottes Sohn seine Herrlichkeit - sie war sichtbar geworden. Seine Jünger glaubten an
ihn. Es wird uns nicht berichtet, dass dieser Erweis seiner
Herrlichkeit andere Hochzeitsgäste als die Jünger an Jesus
Christus glauben ließ. Die Demonstration göttlicher Autorität
- so deutlich erkennbar sie auch sein mag - ruft nicht automatisch einen Prozess hervor, der uns zur Erkenntnis Gottes und zum Glauben an Jesus Christus führt.
Ein sichtbarer Erweis der Herrlichkeit Gottes führt nicht bedingungslos zum Glauben. Sehen und Glauben stehen in
einer wechselseitigen Beziehung. Es ist gerade so, dass
sich „Glaube“ und „Sehen der Herrlichkeit Gottes“ gegenseitig bedingen. Die Jünger sahen seine Herrlichkeit, als Jesus
das Zeichen in Kana wirkte, weil sie bereits erste Schritte
des Vertrauens und damit des Glaubens getan hatten. Sie
hatten alles verlassen, was ihr bisheriges Leben ausmachte:
Ihren Beruf und ihre Familien. Sie waren mit Jesus gegangen, der sie in seine Nachfolge gerufen hatte. Sie hatten ein
Grundvertrauen in den, von dem Johannes der Täufer bezeugt hatte (Jo. 1, 36): „Siehe, das Lamm Gottes!“ Ihr Herz
31
war geöffnet, ihre Augen waren schon aus einer Position
des Glaubens auf Jesus Christus gerichtet. Das Zeichen in
Kana verstärkte ihr Vertrauen und so glaubten sie an ihn
und sahen seine Herrlichkeit. Andere erkannten das Zeichen und den Wirkenden nicht. Ihnen fehlte Glauben. So rief
das Zeichen in ihnen keinen Glaubensanfang hervor. Wir
wissen, dass der Weg über das Zeichen zum bleibenden
Glauben führen kann – sicher ist dies nicht.
Gehen wir auf ein weiteres Beispiel dafür ein, dass das Sehen der Herrlichkeit Gottes ein bestimmtes Maß an Grundvertrauen und ein offenes Herz voraussetzt. Als Lazarus, ein
Freund des Herrn Jesus Christus, gestorben war, ging Jesus zu dem Grab. Er befahl, den Stein wegzunehmen, der
das Grab versperrte. In dieser Situation entwickelte sich ein
kurzes Gespräch zwischen Jesus und Martha, einer
Schwester des Verstorbenen. Sie sprach zu ihm (Jo. 11, 39
- 40): „Herr, er riecht schon, denn er ist vier Tage hier. Jesus
spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glaubtest,
so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen?“
An dieser Stelle bekräftigt Jesus Christus, dass Glaube eine
Voraussetzung dafür ist, die Herrlichkeit Gottes zu sehen:
Wenn Du glaubst - im Glauben selbst -, kannst Du die Herrlichkeit Gottes sehen. Im Glauben nehmen wir die Schönheit
wie auch die Autorität Gottes wahr.
Umgekehrt lässt uns die Bibel auch wissen, dass diese herausgehobene Art und Weise, wie Jesus Christus in der Auferweckung des Lazarus seine machtvolle Herrlichkeit erwies, bei vielen Beobachtern Glauben hervorrief. So heißt
es (Jo. 11, 45): „Viele nun von den Juden, die 8 sahen, was
er [Jesus Christus] getan hatte, glaubten an ihn.“
Sie hatten seine Herrlichkeit gesehen und glaubten. Aber
nicht alle, die das Zeichen gesehen hatten, glaubten.
Nun wissen wir, dass dieser Glaube weitergeführt werden
muss. Er darf nicht in einem Glaubensstadium stehen blei-
32
ben, das auf dem Sichtbaren wie dem Wirken von Zeichen
beruht. Der Glaube muss gegründet werden, damit er fest
wird. Dazu muss unser Glaube im Glauben unseres Herrn
Jesus Christus gegründet werden. Denn zutiefst geht unser
Glaube auf das Vertrauen (=Glaube) unseres Herrn zurück,
das er zum Vater hatte. Unser Glaube ist ohne den Glauben
des Gottessohnes undenkbar. So kann beispielsweise Rö.
3, 22: „Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus
Christus für alle, die glaubenC“ auch mit „Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben [unseres Herrn] Jesus Christus für
alle, die glauben8“ übersetzt werden. In diesem Sinne liegt
die Grundlage unseres Glaubens im Glauben unseres
Herrn, dem Herrn der Herrlichkeit (Jak. 2, 1).
Nach der Gründung in Jesus Christus darf unser Glaube
befestigt werden und wachsen (Kol. 1, 23). So wird der
Glaube aus dem Sehen heraus in ein Vertrauen auf die
nicht sichtbaren Glaubenstatsachen hineingeführt. Deswegen schreibt der Verfasser des Hebräerbriefes (11, 1), dass
der Glaube ein überführt Sein von Dingen ist, die man nicht
sieht. Gleichermaßen hebt der Apostel Paulus hervor, dass
wir das Unsichtbare anschauen sollen - da das Sichtbare
zeitlich, und damit vorübergehend ist (2. Kor. 4, 18). So gehen wir unseren Lebensweg nicht durch Schauen, sondern
durch Glauben (2. Kor. 5, 7). Damit bewegen wir uns auf
derselben Ebene wie die im 11. Kapitel des Hebräerbriefes
genannten Glaubenszeugen, die nicht „durch Schauen“
sondern „durch Glauben“ große Dinge bewegten. Zu glauben, ohne zu schauen, ist ja gerade nach den Worten unseres Herrn Jesus Christus das Größere (Jo. 20, 29).
Bleibt der Glaube dagegen auf das Äußere wie auf das
Wunder gerichtet, ohne dass ein Mensch eine durch den
Geist Gottes herbeigeführte Hinwendung zu Gott erfährt, so
kann dieser auf das Vergängliche ausgerichtete Glauben
wieder vergehen. Deswegen verließen Viele Jesus Christus,
als er zu harte Worte sprach und er damit den Bedürfnissen
33
der Menschen nicht genügte. Deswegen waren keine Menschenmengen um das Kreuz versammelt, als Jesus starb –
der Glaube der Vielen, die die Worte des Herrn gehört und
seine Zeichen gesehen hatten, war zwar ein guter Anfang.
Sie hatten „das gute Wort Gottes und die Kräfte des zukünftigen Zeitalters geschmeckt“ (Heb. 6, 5). Ihr Glaube war
jedoch nicht auf das Unsichtbare und auf das Bleibende
gegründet. So verließen sie den Herrn.
So sehr Jesus Christus zur Zeit seines Erdenlebens seine
Herrlichkeit durch Zeichen offenbarte, so kommt der Glaube
in der jetzigen Zeit in erster Linie aus dem Wort Gottes (Rö.
10, 17). Dieser auf das nicht Sichtbare gegründete Glaube
führt in Verbindung mit der durch den Geist gewirkten Wiedergeburt zu einem unvergänglichen Leben in der Gegenwart Gottes (1. Petr. 1, 23).
Es waren allerdings nicht nur für alle sichtbare Zeichen, die
die Herrlichkeit des Gottessohnes bezeugten. Ein weiterer
besonderer Erweis der Herrlichkeit von Jesus Christus wird
uns in Verbindung mit der so genannten „Verklärung“ geschildert.
Wenige Tage nach seiner ersten Leidensankündigung führte
Jesus Christus drei seiner Jünger auf einen hohen Berg (Mt.
17, 2+3): „Und er wurde vor ihnen umgestaltet. Und sein
Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht; und siehe, Mose und Elia erschienen ihnen und unterredeten sich mit ihm.“
Mit wenigen Worten beschreibt hier der Evangelist Matthäus, wie sich die Herrlichkeit unseres Herrn in äußerer
Schönheit widerspiegelte. Jesus Christus wurde sichtbar für
die drei Jünger umgestaltet, sein Angesicht leuchtete wie
die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Dieses Weiß war eine Lichtfarbe, wie sie von Menschenhand nicht gemacht werden kann (Mk. 9, 3). Für die Jünger
war dies ein unvorstellbares und unvergleichbares Erlebnis,
so dass Petrus an diesem Ort eine Anbetungsstätte errich-
34
ten wollte. Während Petrus deswegen noch zu Jesus sprach
(Mt. 17, 5), „Cüberschattete sie eine lichte Wolke, und siehe, eine Stimme <kam> aus der Wolke, welche sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Ihn hört!“
Zu der sichtbaren Herrlichkeit kam nun die Bestätigung der
Autorität des Sohnes durch den Vater hinzu. Der Vater bestätigte und bevollmächtigte den Sohn seiner Liebe, an dem
er sein Wohlgefallen hat, indem er die Jünger aufforderte,
auf ihn zu hören. Petrus schreibt rückblickend hierzu (2.
Petr. 1, 16+17): „Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, nicht indem
wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern weil wir Augenzeugen seiner herrlichen Größe gewesen sind. Denn er
empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von
der erhabenen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: »Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.«“
Petrus war Augenzeuge der herrlichen Größe seines Herrn
Jesus Christus geworden! Jesus Christus empfing auf dem
Berg der Verklärung von seinem Vater Ehre und Herrlichkeit. Die Folge für den Sohn Jesus Christus war nicht nur,
dass sein Angesicht wie die Sonne leuchtete. Der Sohn
empfing auch eine Stärkung für das vor ihm liegende Leiden.
Bei dieser Begegnung auf dem Berg wurde nicht nur Jesus
Christus zu einer Herrlichkeitserscheinung umgestaltet.
Auch Mose und Elia erschienen in Herrlichkeit (Lk. 9, 31).
Sie, die längst verstorben waren, waren offenkundig schon
in ein neues Leben hinein gegangen und zeigten sich nun
auf diesem Berg in Herrlichkeit, um mit dem Gottessohn den
Ausgang seines irdischen Lebenswegs zu besprechen. Nehmen wir diese Tatsache als einen Hinweis auf unsere
eigene Herrlichkeitserwartung, als einen Hinweis auf die
wunderbare Herrlichkeit, die wir einmal bei unserem Herrn
35
haben werden, und die auch eine Umgestaltung unseres
Körpers beinhaltet.
Herrlichkeit offenbart sich in Macht und Autorität. Göttliche
Macht ist allerdings - meist im Gegensatz zur menschlichen
Macht - willens und im Stande, diese Macht zu Gunsten
anderer aufzugeben. So liegt die Größe von Jesus Christus
auch darin, dass ihm alle Machtmöglichkeiten zur Verfügung
standen, er sich aber dennoch in eine Ohn-Machts-Situation
begab, um die Sühnung der Sünde des Kosmos zu erwirken. Jesus Christus hätte ohne weiteres Legionen von Engeln zu Hilfe rufen können, als er ans Kreuz geschlagen
dem Sterben und dem Tod entgegensah (Mt. 26, 53). Er
hätte vom Kreuz herab steigen können. Zu unserem Gewinn
jedoch ging er gehorsam den Weg weiter und bezahlte mit
seinem Blut den geforderten Preis, um uns von der Folge
der Sünde, dem Tod, freizukaufen.
Die Erhöhung und Verherrlichung durch den Vater
Auch wenn der Leidensweg, den Mose und Elia mit Jesus
Christus besprachen, den Gottessohn zunächst als einen
geschlagenen Knecht erschienen ließ, so diente er doch
dazu, dass der Sohn dadurch verherrlicht würde und der
Vater in ihm. Denn durch seinen Gehorsam bis zum Tode
ehrte Jesus Christus seinen Vater und verherrlichte ihn damit (Jo. 13, 31-33). Umgekehrt bestand der Lohn für seinen
Gehorsam in der Verherrlichung durch den Vater. Die erste
Verherrlichung bestand darin, dass der Vater den Sohn vom
Tode auferweckte und in Herrlichkeit aufnahm (Eph. 1, 20;
1. Tim. 3, 16; 1. Petr. 1, 21). In einem weiteren Verherrlichungsschritt erhielt der Sohn den Ehrenplatz zur Rechten
des Vaters (Eph. 1, 20; Apg. 7, 55). Der Sohn hat nun seinen Thron der Herrlichkeit eingenommen (Mt. 19, 28). Somit
ging Jesus Christus durch das Leiden in seine Herrlichkeit
beim Vater hinein (Lk. 24, 26).
36
Wenn die Zeit erfüllt ist, wird Jesus Christus in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln kommen und Gericht
halten (Mt. 16, 27; 2. Tim. 4, 1). Diese Herrlichkeit wird jedem Menschen offenbar sein (2. Thes. 1, 7).
Wir, die wir jetzt schon zu Jesus Christus gehören, freuen
uns auf seine Wiederkunft, denn er rettet uns vor dem
kommenden Zorn (1. Thes. 1, 10). Wir bitten darum, dass er
bald und schnell wiederkommt (Off. 22, 20 zweiter Versteil).
Dieses Kommen des Herrn zu den Seinen vollzieht sich
nicht im Sichtbaren. Dieses für die Ungläubigen nicht erkennbare Wiederkommen ist daher von dem sichtbaren
Wiederkommen unseres Herrn zum oben erwähnten Gericht
an dieser Welt zu unterscheiden. Zunächst kommt Jesus
Christus zu den Seinen und führt sie von der Erde weg mit
sich mit (1. Thes. 4, 17). Dann kommt er mit ihnen in Macht
und Herrlichkeit sichtbar auf die Erde wieder (Mt. 24, 30; 25,
31), um in ihnen, seinen Heiligen, verherrlicht und in all denen bewundert zu werden, die geglaubt haben (2. Thes. 1,
10). – So erwarten wir die Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus (Titus 2,
13). Im Folgenden wollen wir betrachten, worin unsere Herrlichkeitserwartung im Einzelnen liegt.
DIE HERRLICHKEITSERWARTUNG DER
HERAUSGERUFENEN
Die Herausrufung
Es gehört zu Gottes Prinzipien, dass er in seiner Heilsgeschichte zunächst immer mit einer Auswahl aus einer größeren Menge arbeitet. So wählte er aus allen Völkern der Erde
ein einziges Volk zu seinem Eigentum aus: Israel. Dies geschah nicht mit der Absicht, die nicht auserwählten Völker
37
auszugrenzen. Nein, das auserwählte Volk sollte Heilsbringer für alle Völker werden (5. Mo. 7, 6; Jes. 42, 6; Hes. 37,
28; 38, 23; 39, 7).
Nachdem der verstockte Teil Israels den Gesalbten Gottes
nicht angenommen hatte, brach nach dem Heilsplan Gottes
ein neues Zeitalter an. Das Evangelium von der Gnade und
das Evangelium von der Herrlichkeit Gottes gingen von diesem Teil Israels aus auf die Menschen der anderen Nationen über - ohne dass der verstockte Teil damit von Gott für
immer abgeschrieben wäre (Rö. 9, 24+25; 11, 25+26).
Unter den Nationen arbeitet Gott wiederum mit einer Auswahl. Er ruft Einzelne aus der Menge heraus - ohne dass
damit die nicht Auserwählten für immer „verloren“ wären.
Die Herausrufung einzelner Auserwählter ist eng mit einer
besonderen Beauftragung verbunden (1. Petr. 2, 9). So wie
Jesus Christus Einzelne zu seinen Jüngern und damit zu
einem besonderen Auftrag berief (z.B. Mk. 3, 14), ruft Gott
im jetzigen Zeitalter Einzelne aus der Finsternis heraus und
versetzt sie in das Reich des Sohnes seiner Liebe (Kol. 1,
13). Beispielhaft sehen wir es an den Jüngern und auch an
dem Apostel Paulus. Paulus stellt sich den Christen in Rom
als „berufener Apostel, ausgesondert für das Evangelium
Gottes“ vor (1, 1). Durch den Ruf Gottes wurde er berufen
und aus der Menge heraus für einen speziellen Auftrag
„ausgesondert“. Mit dieser Herausrufung ist keine Zurücksetzung der nicht Berufenen im Sinne von „verworfen“, „verloren“ oder „dahingegeben“ verbunden. Sie wurden lediglich
im Rahmen der souveränen Auswahl Gottes zu dem bestimmten Zeitpunkt und für den definierten Auftrag nicht
berücksichtigt.
Alle Menschen, die dem Ruf Gottes folgen, sich zu Gott bekehren und sich mit ihm versöhnen lassen, erleben eine
neue Geburt und empfangen den Heiligen Geist. Sie stellen
38
den Leib des Christus dar - sie sind die Herausgerufenen13.
Die Herausgerufenen bilden die im griechischen Neuen Testament als ekkläsia bezeichnete und im Deutschen mit
„Gemeinde“ wiedergegebene Gruppe. Da in unserem heutigen Sprachgebrauch der Begriff „Gemeinde“ teilweise als
politische Gemeinde oder als Ortskirchengemeinde verstanden wird, und Letztere nicht mit der Herausgerufenen als
dem Leib des Herrn identisch sein muss, wird im folgenden
der Begriff der „Herausgerufenen“ für die ekkläsia und als
Bezeichnung des Leibes des Herrn verwendet.
Christus – die Herrlichkeitserwartung der Herausgerufenen
Die Frage, worin die Herrlichkeitserwartung der Herausgerufenen besteht, lässt sich kurz beantworten: Christus ist die
Herrlichkeitserwartung der Herausgerufenen. In ihm haben
wir alles. Alle Zusagen Gottes an die Herausgerufene finden
ihre Erfüllung in Jesus Christus. Daher heißt es in Rö. 8, 32:
„C Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat – wie wird er uns mit
ihm nicht auch alles schenken?“
Alles, was wir sind und haben, sind und haben wir in dem
Sohne. Mit ihm schenkt uns Gott alles.
Teilhaber der göttlichen Natur in Christus
Was umfasst das – alles geschenkt zu bekommen? Petrus
schreibt (2. Petr. 1, 3+4; SCHUMACHER): „Da seine göttliche
Kraft uns alles geschenkt hat, was zum Leben und zur Gottesfurcht (gehört), durch die Erkenntnis dessen, der uns
13
Die Schritte der Herausrufung sind: a) Ruf Gottes: Mt. 3, 3; Lk.
5, 32; 2. Tim. 1, 9 b) Annahme des Rufs, Glauben & Neugeburt:
Jo. 1, 13; 3, 3 c) Empfang des Heiligen Geistes: Eph. 1, 13 d) Zum
Leib des Christus hinzugefügt werden: Eph. 4, 15 + 16; Kol. 1, 18;
2, 19.
39
berufen hat zu (seiner) eigenen Herrlichkeit und Tugend durch die er uns die kostbaren und unvergleichlich großen
Verheißungen geschenkt hat, damit ihr durch sie der göttlichen Natur teilhaftig werdet, nachdem ihr dem in der Welt
durch die Lust (herrschenden) Verderben entflohen seid -,
8“
Nun, zunächst heißt alles mit Christus geschenkt zu bekommen, Anteil an seiner Herrlichkeit zu haben! Wir sind zur
Herrlichkeit des Christus berufen. Haben wir das je gehört?
Haben wir dies im Herzen erfasst? Können wir Petrus und
Paulus darin zustimmen, dass Gott uns dazu berufen hat,
die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus zu erlangen
(2. Thes. 2, 14; 2. Petr. 1, 4)? Wir erwarten die Herrlichkeit
in Christus Jesus. Das ist wahrlich ein Grund zum rechten
Rühmen (Rö. 5, 2): „8und rühmen uns in der Hoffnung der
Herrlichkeit Gottes.“
Gott hat uns zu seiner eigenen Herrlichkeit berufen. Somit
nehmen wir auch an seiner Pracht und Schönheit teil. Wie
heißt es in Ri. 5, 31 (zweiter Versteil)? Wir lesen: „C Aber
die, die ihn lieben, <sollen sein,> wie die Sonne aufgeht in
ihrer Kraft! C“
Und Achtung! Petrus geht in dem gerade zitierten Text noch
weiter: Wir werden in Christus Teilhaber der göttlichen Natur. Ja, wir werden ihm gleich sein (1. Jo. 3, 2) – allerdings
weiterhin in der Haupt-Körper-Beziehung, die nicht aufgelöst
wird. In dieser Stellung zu Jesus Christus, unserem Haupt,
haben wir als Körper, als ausführendes Organ unseres
Herrn, weit reichende Aufgaben. Diese Aufgaben erstrecken
sich über die kommenden Zeitalter (Eph. 2, 7). Gemäß 1.
Kor. 6, 2+3 werden wir als die Heiligen Gottes die Welt
(wörtlich: den Kosmos) und Engelswesen richten14. So
14
Weitere Aussagen zu den zukünftigen Aufgaben der Herausgerufenen finden sich in 2. Tim. 2, 12; Off. 2, 26+27; 3, 21.
40
nimmt uns der Herr in seine Gerichte, sein Zurechtbringen
und damit in sein Heilshandeln mit hinein. An allem, was
unserem Haupt und Herrn als Stellung und Aufgabe zukommt, haben wir Anteil: Das bedeutet es, alles mit dem
Sohn geschenkt zu bekommen (Rö. 8, 32).
Dies geschieht jedoch nicht, damit wir einmal gut dastehen,
nachdem wir auf der Erde von den Menschen manches Mal
verlacht und schlecht gemacht wurden. Nein, dies alles geschieht, „Cdamit er [Gott-Vater] in den kommenden Zeitaltern den überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte an
uns erwiese in Christus Jesus“ (Eph. 2, 7). An uns erweist
und beweist sich die Gnade Gottes – sie wird an uns sichtbar, Gott zur Ehre in Christus Jesus. Gott erweist seine
Herrlichkeit ja gerade in der Verwirklichung seines Heilsratschlusses, so auch darin, dass er uns in dem Geliebten
begnadigt hat nach dem Wohlgefallen seines Willens und
zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph. 1, 5+6; siehe auch Rö. 9, 23). Gott wirkt alles nach dem Rat seines
Willens, damit wir zum Preise seiner Herrlichkeit seien (Eph.
1, 12; siehe auch Jes. 46, 10).
Sind wir als eine Auswahl die begnadigten Erstlinge (Rö. 8,
23; Heb. 12, 23), so sind diejenigen nicht automatisch für
immer vom Heil ausgeschlossen, die das Gnadenangebot in
diesem Zeitalter nicht erfassen und nicht annehmen. Denn
die Gnade Gottes, so schreibt Titus, ist erschienen, heilsbringend allen Menschen (2, 11). Nicht nur, dass das Heilsangebot allen Menschen gilt – nein, die Gnade Gottes bringt
allen Menschen Heil: Jetzt den Auserwählten und Herausgerufenen als den Erstlingen der Schöpfung und später dem
Volk Israel, den Nationen und der Kreatur. Kaum wurde im
Zusammenhang mit der Auswahl der Herausgerufenen zu
Erstlingen erkannt, welche Dimension folgende Aussage
des Jakobus hat (1, 18): „Nach seinem Willen hat er uns
durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir eine Art
Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien.“
41
Ausgangspunkt für diese Feststellung des Jakobus ist Gottes Souveränität („Nach seinem Willen“). Der finale Charakter („damit“) verdeutlicht den Zweck der Geburt durch das
Wort der Wahrheit: Damit wir eine Erstlingsgabe seiner Geschöpfe sind. Die Erstlinge werden zuerst neu geboren, bevor die Schöpfung eine Neugeburt durch das Wort der
Wahrheit (dem Christus) erfährt. Noch aber liegt die Schöpfung gleichermaßen in „Geburtswehen“, bevor sie durch die
Geburt zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes gelangt (Rö. 8, 20-23).
Die Umgestaltung in das Bild Gottes
Kommen wir zurück zu der Aussage des Petrus, dass wir
der göttlichen Natur teilhaftig werden. Bis zu dem Zeitpunkt,
an dem wir dem Christus vollständig gleich sein werden,
durchlaufen wir als Herausgerufene eine göttlich gewirkte
Metamorphose. Wodurch kommt diese Umgestaltung in
Gang und was beinhaltet dieser Prozess? Lesen wir die
Aussage der Heiligen Schrift in 2. Kor. 3, 18: „Wir alle aber
schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des
Herrn an und werden <so> verwandelt in dasselbe Bild von
Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie <es> vom Herrn, dem
Geist<, geschieht>.“
Dadurch, dass wir Christus anschauen15, werden wir von
Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt. Das griechische Wort
für „verwandelt werden“16 kann auch mit „umgestaltet werden“ ins Deutsche übertragen werden. Es verdeutlicht, dass
wir in das Bild (und damit das Wesen) des Christus umgestaltet werden.
Sehen wir auf Christus, wird uns einerseits sein auf seiner
Liebe beruhendes Erlösungswerk deutlich. Andererseits
15
Dabei kann die Aussage in 2. Kor. 3, 18 „Wir C schauen C an“
auch übersetzt werden mit „Wir C spiegeln C wider“.
16
µεταµορφόω
42
erfassen wir zunehmend, welches Opfer und welche Leiden
Christus damit auf sich genommen hat. Durch das Sehen
auf Christus können wir auch eine neue Einstellung zu unserem eigenen Leiden gewinnen. Wir können entdecken,
dass unser Leiden einen Grund und ein Ziel hat.
Der wohl wichtigste Grund für das Leiden von wiedergeborenen Menschen ist das Leiden um Christus willen. Vieles
geschieht um unser selbst willen. Gott möchte uns aber
durch sein Wort deutlich machen, dass wir manches Leid
erfahren, weil wir zu Christus gehören. Jesus Christus wies
seine Jünger bereits darauf hin, dass seine Nachfolger von
der Welt genauso gehasst und verfolgt würden wie er (Jo.
15, 20). So leiden wir mitunter, weil wir den Namen des
Christus tragen (Lk. 21, 12) und dafür verspottet oder angefeindet werden. Der Grund für diese Anfeindungen und das
daraus folgende Leid liegt in Christus selbst: Die Finsternis
hat das Licht nicht erfasst (Jo. 1, 5). Die Menschen haben
die Finsternis (und damit deren Mächte) mehr als das Licht
(und damit das eine Licht) geliebt (Jo. 3, 19). Diejenigen, die
die daraus erwachsenden Spannungen und Anfeindungen
tragen, leiden um Christus willen.
Unser Leiden ist in diesen Fällen nicht nur nicht grundlos,
sondern auch nicht ziellos. Paulus führt uns in seinem Brief
an die Römer in die Gedanken Gottes in Bezug auf das Leiden ein. Er schreibt (Rö. 8, 17): „Wenn aber Kinder [Gottes],
so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir
wirklich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden.“
Das Ziel des Leidens um Christus willen ist, mit ihm verherrlicht zu werden. Rö. 8, 17 bezeugt uns, dass wir, die wir
mitleiden, an der Herrlichkeit von Jesus Christus teil haben
werden. Wir partizipieren! Mit unserer Rettung, die in Christus Jesus ist, haben wir bereits Anteil an seiner Herrlichkeit
(2. Tim. 2, 10). Das Leiden bewirkt jedoch darüber hinaus
gehend ein unmessbares Gewicht von Herrlichkeit (2. Kor.
4, 17): „Denn das schnell vorübergehende Leichte der
43
Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überreiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, 8“17 (zum Begriff „ewig“ bzw.
„äonisch“: siehe auch Anhang).
Dass wir Anteil an Gottes Herrlichkeit – auch über den Weg
des Leidens – haben dürfen, führt uns in die Dankbarkeit
und den Lobpreis. Der Apostel Petrus preist Gott dafür und
schreibt (1. Petr. 1, 3+4): „Gepriesen sei der Gott und Vater
unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen
Barmherzigkeit uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen
Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, das in den Himmeln aufbewahrt ist für
euch, C“
Weiter führt Petrus aus (1. Petr. 4, 13): „Csondern freut
euch, insoweit ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid,
damit ihr euch auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit
mit Frohlocken freut.“ Und schließlich schreibt der Apostel
(1. Petr. 5, 10): „Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, er selbst
wird <euch>, die ihr eine kurze Zeit gelitten habt, vollkommen machen, stärken, kräftigen, gründen.“
Petrus stellt in seinem Brief das Zeitliche des Leidens einerseits der Herrlichkeit in Christus andererseits gegenüber.
17
Der Begriff „ewiges“ Gewicht von Herrlichkeit kann hier bedeuten, dass es ein in diesem Zeitalter verborgenes Gewicht von
Herrlichkeit ist (vgl. Begriffserläuterung im Anhang). „Ewig“ (äonisch) kann das Verschweigen und damit das Verbergen während
eines bestimmten Zeitalters ausdrücken (Bsp. Rö. 16, 25: „Dem
aber, der euch zu stärken vermag nach meinem Evangelium und
der Predigt von Jesus Christus, nach der Offenbarung des Geheimnisses, das ewige Zeiten hindurch verschwiegen war8“).
Nachdem das Geheimnis nun offenbart wurde, kann es vorher
nicht unbegrenzt („ewige Zeiten hindurch“) verschwiegen worden
sein. Die äonischen Zeiten dienten der Verheimlichung des Geheimnisses bis zu dessen Enthüllung.
44
Diese Herrlichkeit ist äonisch („ewig“) im Sinne von „in
Christus verborgen“ und damit in diesem Zeitalter (Äon)
nicht sichtbar für die Finsterniswelt. Diese Herrlichkeit ist
zudem „ohne Ende“, weil sie in Christus selbst verankert ist.
Lassen wir uns in Zeiten des Leidens durch diese Worte
Gottes und durch die Erwartung der Herrlichkeit in Christus
trösten und innerlich stärken. Denn wie Paulus und Petrus in
völliger Übereinstimmung miteinander betonen, geht das
vorüber, was uns bedrückt. Das Herrliche kommt – auch in
Hinblick auf unsere Körper (1. Kor. 15, 43-44): „Es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit; es wird
gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft; es wird
gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistlicher
Leib.“ Dieser neue, geistliche Leib trägt die Merkmale der
Herrlichkeit, in der wir auferweckt werden.
Das Leiden kann also durchaus ein wichtiger Bestandteil
des Umgestaltungsprozesses sein, den wir durchlaufen,
wenn wir Christus ansehen. Halten wir uns immer wieder
vor Augen, dass auch unser Herr vom Leiden nicht ausgenommen war. Sein Leiden erwirkte nicht nur die Sühnung
der Schuld des Kosmos. In Hinblick auf Christus formuliert
der Verfasser des Hebräerbriefes (Heb. 2, 10): „Denn es
geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den
alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit führte,
den Urheber ihrer Rettung durch Leiden vollkommen zu
machen.“
Demnach hat das Leiden auch für den Gottessohn eine hohe Bedeutung gehabt, da er unter den schwierigsten Bedingungen dem Vater gegenüber gehorsam blieb (Heb. 5, 8)
und seinen Heilsauftrag vollendete.
Dieser Umgestaltungsprozess, der sich an uns durch das
Anschauen des Christus vollzieht, wird einmal abgeschlossen sein – wenn wir dem Sohneswesen und dem Sohnesbild gleich gestaltet sind: Er als das Haupt und wir als sein
45
Körper. Der Umgestaltungsprozess ist nicht beispiellos. Diese Umgestaltung in das Bild seiner Herrlichkeit hinein führt
uns zurück an den Anfang der Menschheitsgeschichte. Im
Anfang hatten Gott-Vater und der Gottessohn beschlossen,
Menschen zu schaffen. So geschah es (1. Mo. 1, 27): „Und
Gott schuf den Menschen nach seinem Bild ,8“
Das Bild, d.h. das Aussehen und das darin zum Ausdruck
gebrachte Wesen Gottes, war das Original, nach dem der
Mensch gebildet wurde. Dieser ursprüngliche Gott-gemäße
Zustand und das Gott-gefällige Wesen („Cund siehe, es
war sehr gut.“ 1. Mo. 1, 31) gingen in Folge der Trennung
von Gott durch Sünde verloren. – Und doch: Gott ist gnädig.
Gott ist barmherzig. Er erbarmt sich aller seiner Werke (Ps.
145, 9; Rö. 11, 32). Er will, dass alle Menschen gerettet
werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1. Tim.
2, 4). Gott möchte uns das von der Sünde entstellte Angesicht, das bittere und böse Herz wegnehmen und uns
schrittweise von Herrlichkeit zu Herrlichkeit in das Bild seines Sohnes umgestalten. Ist das nicht wunderbar? Freut
sich nicht unser Herz, wenn wir dies verinnerlichen? Bekommen unsere Augen und unser Gesicht nicht eine neue
Strahlkraft, die von der Liebe und Güte Gottes spricht?
Als Herausgerufene sind wir Kinder und damit Erben Gottes
(Jo. 1, 12; Rö. 8, 16+17; Gal. 3, 26). Dadurch haben wir
eine gewaltige, hohe Herrlichkeitserwartung: Durch das Anschauen des Christus von Herrlichkeit zu Herrlichkeit in
dasselbe Bild verwandelt zu werden (2. Kor. 3, 18)!
Grundlage und Ziel unserer Herrlichkeitserwartung ist Jesus
Christus allein – nicht unser Bemühen. Gott hat uns berufen,
Gott hat uns gerechtfertigt und Gott hat uns verherrlicht (Rö.
8, 30). Genau das hat Gott seinen Heiligen mitgeteilt: Christus wohnt in uns, er ist unsere Erwartung der Herrlichkeit
(Kol. 1, 27). Und erst wenn Christus offenbart wird, werden
wir zusammen mit ihm (nie ohne ihn!) in Herrlichkeit offenbart werden (Rö. 8, 19; Kol. 3, 4).
46
Jesus Christus ist unsere Erwartung der Herrlichkeit. Unsere
Erwartung liegt darin, mit ihm, unserem Haupt, vereinigt und
zur Fülle des Christus vervollständigt zu werden (Eph. 1, 22;
3, 19). Christus ist jedoch nicht nur das Ziel, auf das wir zusteuern. Er ist auch der eine Weg zum Vater und damit die
Grundlage unserer Herrlichkeit.
Es ist allein die sich im Heilshandeln des Sohnes auswirkende Gnade Gottes, die uns aus unserer Sünde und dem
Tod gerettet hat. Gott tat dies, weil er barmherzig über jedes
seiner erschaffenen Wesen ist (Ps. 145, 9; Rö. 11, 32). Gott
handelt nicht an uns, wie wir es verdient hätten! Wir dürfen
leben, weil Gott gnädig und von großer Güte ist! Über allem
ist es somit Gottes souveräne Gnade und in keiner Weise
unser Verdienst, dass wir gerechtfertigt wurden. Denn unsere Rechtfertigung geschah, als wir noch Sünder waren (Rö.
5, 8). Wir konnten daher nichts zur Erlösung beitragen. Wir
brauchen lediglich die uns angebotene Rettung in Anspruch
nehmen und uns mit Gott durch Christus aussöhnen zu lassen – dann hat sich unsere Stellung zu Gott grundlegend
verändert: Wir sind neu geborene Kinder Gottes.
Noch sehen wir, dass wir dem Ziel Gottes, unumschränkt
Gemeinschaft mit ihm zu haben, nicht genügen können.
Nicht allein wegen unserer Bindung an unseren irdischen
Leib, sondern auch, weil wir dem Willen Gottes nicht immer
in unserem Denken oder Tun entsprechen. Wenn uns das
drückt und zur Last wird, so dürfen wir auf Christus sehen:
Er ist der Anfänger unseres Glaubens (Heb. 12, 2). Und wir
dürfen zuversichtlich sein, dass er, der Anfänger unseres
Glaubens, unseren Glauben auch vollenden wird (Heb. 12,
2). Das machen wir im Glauben fest: Er wird es bis dahin
vollenden, wenn er uns dem Vater gegenüber darstellen
wird (Eph. 5, 27): „Cdamit er die Gemeinde sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas
dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“
47
Wir werden dem Vater durch den Sohn als heilige und tadellose Herausgerufene dargestellt (1. Kor. 1, 8). In dem Moment sind wir dem Bild des Christus, das bedeutet seinem
Wesen, gleichgestaltet. Dafür sei ihm Lob und Ehre.
Wenn Du persönlich dunkle Stunden des Zweifels, der
Angst oder der Trostlosigkeit erlebst, dann richte Deinen
Blick auf Christus. Er kann Dich verwandeln, er kann Dich
erneuern und Dich verändern. Blicke auf, „Cdenn erschienen ist die Gnade Gottes, allen Menschen Heil und Rettung
bringend, 8 in der Erwartung der glückseligen Hoffnung
und leuchtenden Erscheinung der Herrlichkeit des großen
Gottes und unseres Retters Jesus Christus8“ (Titus 2, 1113; SCHUMACHER). Ihn, Christus unseren Retter, erwarten
wir und ihm in seiner Herrlichkeit gleichgestaltet zu werden.
Ihn erwarten wir – ich hoffe, mit ganzem Herzen.
Christus verherrlicht sich in seiner Herausgerufenen
Wir werden in Christus verherrlicht. Er ist unsere Herrlichkeitserwartung. Die Herausgerufene ist umgekehrt aber
auch die Herrlichkeitserwartung des Christus. Christus verherrlicht sich in uns. Dies geschieht bei seiner sichtbaren
Wiederkunft auf die Erde in Macht und Herrlichkeit (2. Thes.
1, 10). Die Herausgerufene ist des Christus Herrlichkeit (2.
Kor. 8, 23). Sie ist zum Lobe seiner Herrlichkeit (Eph. 1,
6+12). Darum stellt er die Herausgerufene einmal makellos
neben sich (Eph. 5, 27; Kol. 1, 22). Die ekkläsia ist sein Erbe (Eph. 1, 18).
Ja, unsere Erlösung ist nach dem Reichtum seiner Gnade
und aus Liebe zu uns geschehen – aber zugleich ist unsere
Erlösung zum Lobpreis seiner Herrlichkeit (Eph. 1, 14) erfolgt. Die von Gott ausgehende und durch Jesus Christus
vollbrachte Erlösung dient seiner Verherrlichung, der Vermehrung seiner Ehre durch die Menschen. Judas drückt
48
dies aus, indem er Gott dafür preist, dass er uns zu bewahren und vor seine Herrlichkeit tadellos hinzustellen vermag
(V. 24+25; SCHUMACHER): „Dem aber, der die Macht hat,
euch vor jedem Fehltritt zu bewahren und (euch) angesichts
seiner Herrlichkeit untadelig und jubelnd hinzustellen, dem
alleinigen Gott, unserm Retter durch Jesus Christus, unsern
Herrn, (gebührt) Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt –
bevor es (überhaupt) Zeitalter gab und auch jetzt und für
alle (kommenden) Zeitalter! Amen.“
Gott stellt uns durch Christus als Untadelige vor das Angesicht seiner Herrlichkeit – er hat sich in uns verherrlicht, indem er uns durch seine Vollmacht seinem Wesen gleichgestaltet hat. Dafür gebührt ihm Herrlichkeit. Dass Gott und
Christus sich in der Herausgerufenen verherrlichen, ist noch
nicht die Vollendigung. Gott erweist sich an seiner gesamten
Schöpfung herrlich (mächtig, gnädig, gerecht, wahrhaftig).
Dies trägt zur Glückseligkeit Gottes bei – hat Gott doch
Wohlgefallen an der Gnade (Micha 7, 18) und fasst alles in
Christus zusammen (Eph. 1, 9+10). Dafür sei unserem Gott
die Herrlichkeit nicht nur vor der Schöpfung („vor aller Zeit“)
und jetzt, sondern auch in die kommenden Zeitalter hinein.
An der Aussage des Paulus, dass alles (wörtlich: das Alles18) in dem Christus zusammengefasst werden wird, wird
deutlich: Christus ist nicht exklusiv unsere Erwartung der
Herrlichkeit! Paulus führt in seinem Brief an die Christen in
Kolossä aus, dass er und seine Mitarbeiter jeden Menschen
ermahnen und jeden Menschen in aller Weisheit lehren, um
jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen (Kol.
1, 28). Gott hat bei der Verkündigung seines Evangeliums
durch seine Mitarbeiter immer jeden Einzelnen und zugleich
alle Menschen im Blick: Jetzt die Auswahl, später die Ge18
In Eph. 1, 10 steht für „das All“, das die Gesamtheit aller Dinge
umfasst, der mit einem bestimmten Artikel versehene griechische
Begriff „τὰ πάντα“. Zur Bedeutung des mit „zusammenfassen“
wiedergegebenen griechischen Begriffs schreibt SCHIRLITZ:
„Calles 8 zu vereinigen unter Christus als Herrn und Haupt.“
49
samtheit. Ja, so einen wunderbaren Gott haben wir. Er hat
wie ein guter Baumeister vorab alle Kosten und Risiken seines Schöpfungsvorhabens planmäßig durchdacht und sich
auf alle Eventualitäten eingestellt. Und er ist bereit, die gefallene Schöpfung in den ursprünglichen Zustand der Gottesebenbildlichkeit zurück zu führen – und dafür den höchst
denkbaren Preis zu bezahlen. Unserem Gott sei Lob und
Dank! Gott vollzieht seinen Heilsplan etappenweise. Er beginnt mit den herausgerufenen Erstlingen. Danach wendet
er sich in Gericht und Gnade seinem auserwählten Volk
Israel, dann den Nationen und schließlich der Kreatur zu.
Dem biblischen Gedanken der Auswahl und dem Begriff des
Erstlings im Verhältnis zur Gesamtheit wollen wir im kommenden Abschnitt am Beispiel des auserwählten Erstlingsvolkes Israel nachgehen. Das Ziel ist klar: Alles hat Gott
dem Sohn gegeben – denn aus ihm, durch ihm und zu ihm
hin ist das All19 (Rö. 11, 36; Kol. 1, 16).
Die Herausgerufenen erwarten, der Herrlichkeit des Christus
gleichgestaltet zu werden. Kommt Gott auch mit seinem
auserwählten Volk Israel zum Ziel?
DIE HERRLICHKEITSERWARTUNG
ISRAELS
Mit großem inneren Schmerzen stellt der Apostel Paulus
fest, dass Israel mit Ausnahme eines Überrestes zum Teil
verstockt wurde (Rö. 11, 7+25). Sein Trost ist, dass Gott
sein Volk dennoch nicht verstoßen hat (Rö. 11, 1). Denn die
Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar –
auch dann nicht, wenn der Bündnispartner Israel den Bund
19
In Rö. 11, 36 und Kol. 1, 16 steht für „das All“ der griechische
Begriff „τὰ πάντα“ (siehe Fußnote 18).
50
mit Gott treulos bricht (Rö. 11, 29). Die Verstockung dauert
an, bis die Vollzahl (Vervollständigung) der Nationen eingegangen sein wird. So wird ganz Israel errettet werden (Rö
11, 25+26).
Demnach hat der verstockte Teil Israels ebenfalls eine Herrlichkeitserwartung - wenn auch eine andere als die Herausgerufene. Doch schauen wir erst einmal zurück. Israel hat
nicht nur eine in die Zukunft gerichtete Herrlichkeitserwartung. Paulus zählt in seiner schmerzhaften Auseinandersetzung mit dem Zustand Israels auf, was diesem Volk bereits
von Gott gegeben ist. Er nennt hierbei die Sohnschaft, die
Herrlichkeit, die Bündnisse und die Gesetze, den Dienst und
die Verheißungen (Rö. 9, 4). Betrachten wir einige dieser
Punkte, denn sie sind bedeutsam in Hinblick auf die zukünftige Herrlichkeitserwartung Israels.
Israels Stellung und seine Verheißungen
1. Die Sohnschaft
Gott ist souverän und damit unabhängig von dem Willen
oder den Beurteilungen seiner Geschöpfe. Aus seiner Souveränität heraus und bewegt von seiner Liebe hat sich Gott
aus allen Völkern der Erde ein einziges Volk zu seinem Eigentum auserwählt. Dieses Volk ist Israel (5. Mo. 7, 6–8
(erster Versteil)): „Denn du bist dem HERRN, deinem Gott,
ein heiliges Volk. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt,
dass du ihm zum Volk <seines> Eigentums wirst aus allen
Völkern, die auf dem Erdboden sind. Nicht weil ihr mehr
wäret als alle Völker, hat der HERR sich euch zugeneigt und
euch erwählt – ihr seid ja das geringste unter allen Völkern –
, sondern wegen der Liebe des HERRN zu euchC“
Dieser Text beleuchtet kurz die Auswahlkriterien Gottes.
Danach nimmt Gott sich der Schwachen an, der Menschen,
die Hilfe bedürfen. Wie hier am Beispiel Israels wird dies
51
insbesondere am Wirken unseres Herrn Jesus Christus auf
dieser Erde deutlich. Konsequenterweise finden sich gerade
in der Gemeinschaft der Herausgerufenen viele Menschen,
die in der Gesellschaft keine Anerkennung finden (1. Kor. 1,
26-29).
Gott ist souverän. Das heißt, er ist durch nichts und niemanden beschränkt. In seiner Souveränität hat Gott bereits
sehr früh eine Auswahl getroffen - etwa wenn wir an Seth
denken (1. Mo. 4, 25; Seth = der Gesetzte). Oder denken
wir an Abram (später: Abraham). Abram war ein Mensch wie
viele Andere um ihn herum, als er von Gott mitten in seiner
götzendienerischen Umwelt angesprochen wurde. Er wurde
entsprechend der Auserwählung Gottes herausgerufen und
bekam einen klaren Auftrag (1. Mo. 12, 1). Diese Auserwählung setzt sich in der Nachkommenschaft Abrahams bis
hin zu Jakob (= Israel) fort. So stellt das gesamte Haus Israel als Volk eine Auswahl aus vielen Völkern dar.
Gott erwählt. Er erwählt Einzelne, er erwählt ein ganzes
Volk. Er erwählt und beauftragt. Er erwählt, beauftragt eine
Auswahl aus einer größeren Menge und erreicht damit seine
Ziele in Bezug auf die Gesamtheit. Das erkennen wir an
Abram. Abram wurde als Einziger unter Vielen ausgewählt.
Er bekam einen Auftrag und eine Verheißung. Dieser eine
Mensch aber sollte nun nicht allein für sich und seine Nachkommen von dieser Auswahl „profitieren“ – nein. Seine
Nachkommenschaft sollte allen Menschen zum Segen werden. Daher spricht Gott zu Abraham (1. Mo. 12, 2): „C und
in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“
Alle Geschlechter! Die Auswahl ist der Anfang, die Gesamtheit das Ziel. Die Auswahl dient letztlich Anderen, die
nicht zur Auswahl gehören, zum Heil oder zum Segen. Das
ist eines der Prinzipien unseres Gottes.
Dies geschieht nicht ohne eine Zielgebung für dieses Volk
(2. Sa. 7, 24; 1. Chr. 17,22; 1. Kö. 8, 51). So ist mit Gottes
52
Erwählung ein Auftrag für das Volk Israel verbunden. Israel
sollte als das auserwählte Volk zum Licht für alle Völker
werden. Dies war seine Berufung. Die Berufung Israels, zum
Licht für alle Völker zu werden, zeigt sich auf zweierlei Weise. Zum Einen hat das Volk Israel einen Missionsauftrag an
allen anderen Völkern und soll diesen das Heil bringen (Jes.
49, 6). Zum Anderen wurde Israel zum Licht für alle Völker,
indem „das Licht der Welt“ (Jo. 8, 12) in dieses Volk hinein
geboren wurde.
Mit diesem Volk hat Gott einen unauflösbaren Bund geschlossen (1. Mo. 17, 7; 2. Mo. 2, 24). Gott steht zu diesem
Volk allerdings nicht nur in einem sachlichen „Vertragsverhältnis“. Die innere Bindung Gottes an dieses Volk drückt
sich gerade darin aus, dass Gott Israel „mein Sohn“ nennt.
Israel ist Gottes Sohn, sogar der Erstgeborene (unter vielen
Söhnen). So beauftragt JHWH den Mose, dem Pharao
Ägyptens folgendes zu sagen (2. Mo. 4, 22):
„Und du sollst zum Pharao sagen: »So spricht der HERR:
Mein erstgeborener Sohn ist IsraelC“
Demnach gehört diesem Volk die Sohnschaft (vgl. Jer. 31,
9; Hos. 11, 1; Mal. 1, 6). Israel hat Gott selbst zum Vater (5.
Mo. 32, 6). So wie die Herausgerufenen Kinder und Söhne
Gottes sind, so ist Israel auf der Ebene der Nationen als
einer Auswahl die Sohnschaft zugesprochen20. Die Sohnschaft Israels hat eine tiefe Bedeutung. Unter den vielen
Völkern der Erde ist Israel der Erstgeborene (2. Mo. 4, 22).
Gott bezeichnet sein Volk Israel als „Erstling“ unter den Völkern (Jer. 2, 3). Was haben wir unter diesem Begriff des
Erstlings zu verstehen?
20
Dennoch sorgt Gott auch väterlich für die anderen Völker, wie
wir es am Beispiel Ismaels (1. Mo. 21, 18) sehen. Alles ist sein
Eigentum (2. Mo. 19, 5) und Israel unter allen Gott gehörenden
Völkern der Erstlingssohn.
53
Die gesamte Schöpfung gehört Gott. Sie ist sein Eigentum
(2. Mo. 19, 5; 5. Mo. 10, 14). So gehört auch unser Leben
nicht uns selbst, sondern dem, der es uns geschenkt hat.
Abel brachte erstmals eine Opfergabe von den Erstlingen
seiner Herde – lange bevor das mosaische Gesetz gegeben
wurde (1. Mo. 4, 4). Meinem Verständnis nach ehrte Abel
den Geber aller Gaben mit der Opfergabe der Erstlinge
stellvertretend für alles, was er von Gott empfangen hatte
(vgl. 5. Mo. 26, 2+10; Spr. 3, 9).
Weil alles Gott gehört, hat er Anspruch auf alles. Auch um
diesen Anspruch zu verdeutlichen, gab Gott seinem Volk
Israel das Gebot, ihm die Erstlinge zu heiligen (2. Mo. 13,
2). Hierbei standen das erstgeborene Kind oder das erstgeborene Tier als Erstling stellvertretend und als Ersatz für alle
später Geborenen. Der Erstling verdeutlicht durch seine
Stellvertreterfunktion, dass alles Gott gehört (2. Mo. 19, 5).
Der Erstling wurde stellvertretend für die Gesamtheit Gott
geweiht oder als Opfer dargebracht.
Die Stellvertreterfunktion des Erstlings wird auch am Gericht
Gottes an den Erstlingen Ägyptens zur Zeit Moses deutlich
(2. Mo. 12, 29). Vor Gott hatte sich das gesamte Volk Ägypten schuldig gemacht, da es das Volk Israel unterdrückt hatte. Das Strafgericht vollzieht Gott in seiner Barmherzigkeit
jedoch ausschließlich an den Erstgeborenen in Ägypten –
stellvertretend für das gesamte Volk.
Nun wird Israel in der Heiligen Schrift als „Erstling“ unter den
Völkern bezeichnet (Jer. 2, 3): „Israel war heilig dem
HERRN, der Erstling seiner Ernte. Alle, die davon aßen,
machten sich schuldig: Unglück kam über sie, spricht der
HERR.“ Jeremia macht neben dem, dass alle dem Strafgericht Gottes unterlagen, die sich am Erstling schuldig machten, Eines besonders deutlich. Israel ist der Erstling der Ernte – alle anderen Völker stellen zusammen mit Israel die
„Ernte“ dar, aus der das eine Volk stellvertretend erwählt
54
wurde. Der Prophet Amos bestätigt dies (6, 1). Aber nicht
nur der Erstling der Ernte gehört Gott: Die komplette Ernte
ist des Herrn, ist er doch der Herr der Ernte (Mt. 9, 38; Off.
14, 15) und damit der Herr des Erstlings Israel und der Herr
aller Völker (der Gesamternte).
Vordergründig betrachtet verwarf das Volk Israel zwar das
Heilsangebot, verwarf das Volk den Sohn Gottes und wurde
seiner Erwählung als Erstling damit nicht gerecht. Ja, Gott
spricht von Israel als von einem ungehorsamen und widerspenstigem Volk (Rö. 10, 21). Deswegen hat Gott Israel
aber nicht für immer verstoßen!
In seiner Weisheit hat Gott aus der Verwerfung seines Sohnes durch Israel etwas Wunderbares werden lassen. Das
Heil (die Rettung durch Glauben an Jesus Christus) kam zu
den Nationen (Rö. 11, 11): „Sind sie etwa gestrauchelt, damit sie fallen sollten? Das sei ferne! Sondern durch ihren
Fall ist den Nationen das Heil geworden, um sie zur Eifersucht zu reizen.“
Und noch ein größerer Gedanke bewegt den Apostel Paulus
in Hinblick auf seine Brüder aus Israel (Rö. 11, 15): „Denn
wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was wird
die Annahme anders sein als Leben aus den Toten?“
Entscheidend für das Verständnis der Auswahl Gottes ist
das, was Paulus nun direkt im Anschluss äußert (V. 16):
„Wenn aber das Erstlingsbrot [wörtlich: der Erstling] heilig
ist, so auch der Teig; und wenn die Wurzel heilig ist, so
auch die Zweige.“ Wenn der Erstling heilig ist, so ist dies ein
Garant dafür, dass die Gesamtheit heilig sein wird.
Dass der Erstling ein vorangestellter Garant für die Gesamtheit ist, zeigt uns anschaulich die Schilderung der Auferstehung in ihren unterschiedlichen Ordnungen. Christus ist als
Erstling der Entschlafenen aus den Toten auferweckt worden (1. Kor. 15, 20). Alle anderen Entschlafenen werden
55
ebenfalls auferweckt, aber streng in der jeweiligen Ordnung
zur von Gott bestimmten Zeit. So wie in Adam alle starben,
werden in Christus alle lebendig gemacht – der Erstling
steht stellvertretend und als Pfand für die Gesamtheit. So
führt Paulus aus (1. Kor. 15, 22-24; zitiert nach EINERT):
„Denn ebenso wie in Adam alle sterben, also werden auch
in Christus alle lebend gemacht werden. Jeder aber in der
eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; darauf die, die des
Christus sind in seiner Anwesenheit; dann die Vollendigung,
wann er die Regentschaft dem Gott und Vater gibt; wann er
alles Anfangseiende und alle Autorität und Vermögenskraft
unwirksam gemacht hat.“
Beachten wir, dass Paulus bei der Aufzählung der Gruppen,
die lebendig gemacht werden, hinsichtlich der Lebensqualität keine Unterscheidung zwischen den Gruppen vornimmt.
Selbst die Gruppe, die bei der Vollendung (dem „Ende“ gemäß der revidierten Elberfelder) lebendig gemacht wird, ist
hier unterschiedslos mit eingeschlossen und wird ebenfalls
„in dem Christus“ lebendig gemacht.
Zu diesem Bibeltext (V. 24) und zu dem mit „Vollendigung“
übersetzten griechischen Wort „telos“ merkt JUGEL21 an:
„Dies ist nicht »das Ende«, sondern die »Vollendung« der
Wege Gottes (griech.: telos). Es ist zugleich das »Ziel«, das
Er erreichen will und wird. Das griechische »telos« ist in der
Septuaginta aber auch die Übersetzung des hebräischen
»kazir« = Vollernte.“
Israel ist der Erstling der Ernte und Modell dafür, dass Gott
auch in der Vollernte das Ziel seines Heilsratschlusses mit
allen Völkern erreicht.
Israel ist das Volk, das - stellvertretend für alle Völker - Gott
in besonderer Weise zugewandt und geheiligt ist. Es ist Gott
21
Jugel, W. (1999). S. 77.
56
gegenüber ein „heiliges Volk“ in dem Sinne, dass es aus
allen Völkern auserwählt und ihnen gegenüber abgesondert
wurde, um seinen besonderen Auftrag an den anderen Völkern auszuführen.
Der Erstling ist schließlich auch ein Modell, ein Anschauungsobjekt. Gott demonstriert am Erstling Israel
exemplarisch, wie er mit den zunächst nicht berücksichtigten Völkern umgehen wird. Schafft Gott es, mit dem störrischen Volk Israel zum Ziel zu kommen, so ist die Rettung
des Erstlings ein Garant für die Rettung der übrigen Völker.
Neben der Sohnschaft ist Israel die „Herrlichkeit des Dienstes“ gegeben, wie uns der Apostel Paulus berichtet.
2. Die Herrlichkeit des Dienstes
Der Dienst des Volkes Israel im alten Bund war von äußerlicher Herrlichkeit gekennzeichnet. Aus der Sicht des Apostels Paulus war der auf dem Gesetz beruhende Dienst des
Gottesvolkes ein Dienst des Todes und der Verdammnis –
kann doch kein Mensch auf der Grundlage des Gesetzes
gerechtfertigt werden (Rö. 3, 20; Gal. 3, 11). Dennoch geschah dieser Dienst in äußerlicher Herrlichkeit. Paulus zeigt
hierbei fein den Gegensatz zwischen äußerer Herrlichkeit
und dem - dem Gesetz inne wohnenden - Todeswesen auf
(2. Kor. 3, 7-11): „Wenn aber <schon> der Dienst des Todes, mit Buchstaben in Stein eingegraben, in Herrlichkeit
geschahC Denn wenn der Dienst der Verdammnis Herrlichkeit ist, so ist der Dienst der Gerechtigkeit noch viel reicher
an Herrlichkeit.“
Demnach verrichtete Israel einen prächtigen Dienst im Zelt
der Begegnung und im späteren Tempel. Paulus weist in
diesem Zusammenhang auf den Gegensatz zum Dienst der
Gerechtigkeit hin, der aus dem Evangelium von der Gnade
Gottes erwächst. Uns interessiert an dieser Stelle jedoch
mehr die Frage, worin die Herrlichkeit des Dienstes in Israel
57
bestand. Diese Herrlichkeit hatte ja verschiedene Ausprägungen: Denken wir an die Zeremonien, die von Würde und
Ehrerbietung gegenüber dem Gott Israels gekennzeichnet
waren. Oder beachten wir, dass die Priester, um bestimmte
Dienste im Heiligtum verrichten zu können, keinen körperlichen Makel aufweisen durften (3. Mo. 21, 16-23). Oder sehen wir uns die prachtvollen Geräte und Kleider an, die für
den Dienst im Heiligtum verwendet wurden. Die Geräte und
Gegenstände waren teilweise aus massivem Gold gefertigt,
die Kleider der Hohepriester mit Edelsteinen bestickt (2. Mo.
28). Dies alles war Teil der Herrlichkeit des Dienstes in Israel.
Diese Herrlichkeit des Dienstes Israels legte Zeugnis von
der himmlischen Herrlichkeit ab. So waren die Geräte und
das Zelt der Begegnung beziehungsweise der Tempel den
Originalen in der Himmelswelt nachgebaut (Heb. 8, 5; 9,
11). Die irdischen Nachbildungen wiesen auf die Herrlichkeit
der himmlischen Vorbilder hin.
Der Dienst der Herrlichkeit war auch ein Dienst in der Gegenwart des Gottes der Herrlichkeit und ein Dienst für Gott.
In 2.Chr. 5, 13 wird uns berichtet, dass der salomonische
Tempel bei seiner Weihe mit einer Wolke erfüllt wurde – ein
Zeichen für die Gegenwart Gottes in seinem Heiligtum.
Wegen der Wolke konnten die Priester nicht hinzutreten,
um den Dienst zu verrichten, denn „Cdie Herrlichkeit des
HERRN erfüllte das Haus Gottes.“
Neben der Sohnschaft und dem Dienst der Herrlichkeit sind
dem Eigentumsvolk Gottes viele Verheißungen geschenkt.
3. Die Verheißungen
Obwohl Israel das auserwählte Volk ist, wandte es sich immer wieder von seinem Gott ab. Gerade darum sehen wir
an diesem Erstling, wie Gott ein widerspenstiges Volk zurechtbringt. Von diesem Zurechtbringen – auch durch Ge-
58
richte – sprechen viele der dem Volk Israel gegebenen Zusagen Gottes.
Lesen wir beispielhaft einige Verheißungen, die dem Propheten Jesaja für Israel gegeben wurden. So spricht Jesaja
als Mund Gottes (46, 13): „Ich habe meine Gerechtigkeit
nahe gebracht, sie ist nicht fern, und mein Heil zögert nicht.
Und ich gebe in Zion Heil, für Israel meine Herrlichkeit.“
Auch von dem Zorn und dem Erbarmen Gottes gegenüber
seinem Volk spricht Jesaja (Kapitel 60: 1+2+10):
„Steh auf, werde licht! Denn dein Licht ist gekommen, und
die Herrlichkeit des HERRN ist über dir aufgegangen. Denn
siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völkerschaften; aber über dir strahlt der HERR auf, und seine
Herrlichkeit erscheint über dir. 8 Und die Söhne der Fremde werden deine Mauern bauen und ihre Könige dich bedienen; denn in meinem Zorn habe ich dich geschlagen, aber
in meiner Huld habe ich mich über dich erbarmt.“
Nach den Zorngerichten und dem Erbarmen Gottes kann
Israel seiner Berufung gemäß leben (Jes. 61, 6): „Ihr aber,
ihr werdet Priester des HERRN genannt werden; Diener
unseres Gottes wird man zu euch sagen. Ihr werdet den
Reichtum der Nationen genießen und mit ihrer Herrlichkeit
euch brüsten.“
Heilsgeschichtlich gesehen fällt auf, dass sich die Verheißungen Israels insbesondere auf das kommende Friedensreich unter der Herrschaft des Gottessohnes richten. In dieser Zeit, das auch „Millennium“ oder als die Zeit der Königsherrschaft bezeichnet wird, kommen dem lange verachteten
Volk Israel besondere materielle Segnungen zugute. Israel
ist in der kommenden Zeit nicht nur der Verheißung nach,
sondern auch tatsächlich ein dem Herrn geheiligtes Volk.
59
Von dem erneuerten Volk Israel sprechen weitere Bibelstellen:
• Jes. 62, 2+3: „Und die Nationen werden deine Gerechtigkeit sehen und alle Könige deine Herrlichkeit. Und du
wirst mit einem neuen Namen genannt werden, den der
Mund des HERRN bestimmen wird. Und du wirst eine
prachtvolle Krone sein in der Hand des HERRN und ein
königliches Diadem in der Hand deines Gottes.“
• Micha 4, 1+2: „Und am Ende der Tage wird es geschehen, da wird der Berg des Hauses des HERRN fest stehen als Haupt der Berge, und erhaben wird er sein über
die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen, und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt, lasst
uns hinaufziehen zum Berg des HERRN und zum Haus
des Gottes Jakobs, dass er uns aufgrund seiner Wege
belehre! Und wir wollen auf seinen Pfaden gehen. Denn
von Zion wird Weisung ausgehen und das Wort des
HERRN von Jerusalem.“
Gott hält seine Zusagen. Die eben genannten Verheißungen
werden sich bewahrheiten. In Hesekiel (34, 12-13) heißt
es22: „Wie ein Hirte sich seiner Herde annimmt am Tag, da
er unter seinen zerstreuten Schafen ist, so werde ich mich
meiner Schafe annehmen und werde sie retten aus allen
Orten, wohin sie zerstreut worden sind am Tag des Gewölks
und des Wolkendunkels [Finsternis = Gericht!]. Und ich
werde sie herausführen aus den Völkern und sie aus den
Ländern sammeln und sie in ihr Land kommen lassen...“
Auf wunderbare Weise hat der Herr diese Verheißung wahr
werden lassen. Wir sehen heute etwas, was in der jüngeren
Vergangenheit noch nicht vorstellbar war: Nachkommen
Abrahams, Isaaks und Jakobs sind im Land der Väter und
die Heimkehr der Israeliten dauert an. Die endgültige Heimkehr aller Israeliten in das Land ihrer Väter wird jedoch erst
nach Antritt der Königsherrschaft Christi erfolgen: Wenn das
22
so auch Jes. 11, 11-12; Jes. 25, 9.
60
Zeichen des Sohnes des Menschen am Himmel sichtbar
wird, und alle Stämme wehklagen, dann werden Engel die
Auserwählten von allen Enden der Himmel her sammeln
(Mt. 24, 29-31).
Noch sind nicht alle Verheißungen Realität geworden, die
sich auf das auserwählte Volk beziehen. Der Schreiber fährt
in Hesekiel (34, 23-24) fort: „Und ich werde einen Hirten
über sie einsetzen, der wird sie weiden: meinen Knecht David, der wird sie weiden, und der wird ihr Hirte sein. Und ich,
der Herr werde ihr Gott sein, und mein Knecht David wird
Fürst in ihrer Mitte sein...“ Wir sehen, dass die Erfüllung
dieses Wortes Gottes noch aussteht – auch hinsichtlich der
Person Davids. Die Erfüllung geht über das jetzige Zeitalter
hinaus.
Die Sohnschaft, die Herrlichkeit des Dienstes und die Verheißungen sind dem Volk Israel gegeben. Die Verheißungen
reden davon, dass Israel zu Gott umkehren wird.
Die Umkehr Israels zu Gott
Der Umkehr des Volkes Israel zum lebendigen Gott bei der
sichtbaren Wiederkunft von Jesus Christus gehen bestimmte heilsgeschichtliche Ereignisse voraus:
Der Anti-Christus wird am Ende des jetzigen Zeitalters über
die Erde herrschen. Diese Zeit wird als eine Zeit der großen
Bedrängnis beschrieben (Mt. 24, 21 in Verbindung mit Dan.
10, 1). Der Anti-Christus wird gegen das auserwählte Volk,
ja gegen den Höchsten selbst kämpfen. Daraufhin tritt Christus ihm sichtbar mit den Seinen entgegen und besiegt alle
widergöttlichen Kräfte (Sach. 12, 9; Off. 19, 11-21). Christus
beendet die große Bedrängnis (Mt. 25, 31).
Der größte Teil des Volkes Israel, das ein heiliges Volk sein
sollte, hatte sich bis dahin gegen Gott und seinen Gesalbten
61
gestellt. Nur ein übrig gebliebener Rest des Volkes war seinem Herrn treu geblieben. Bei der Wiederkunft des Christus
erlebt das ungehorsame Israel einen schrecklich-schönen
Augenblick: „Schrecklich“, da Israel den durchbohrten Messias erkennt. Die Verstockung Israels ist beendet und die
Decke, die gleichsam auf Israels Gesicht lag, wird weggenommen (Rö. 11, 23; 2. Kor. 3, 16). „Schön“, da nun das
lang ersehnte messianische Königreich anbricht.
Vertiefen wir diese Ausführungen anhand einiger Bibelstellen:
Sach. 12, 9-10: „Und es wird geschehen an jenem Tag, da
trachte ich danach, alle Nationen zu vernichten, die gegen
Jerusalem heran kommen. Aber über das Haus David und
über die Bewohnerschaft von Jerusalem gieße ich den Geist
der Gnade und des Flehens aus, und sie werden auf mich
blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn
wehklagen, wie man über den einzigen Sohn wehklagt, und
werden bitter über ihn weinen, wie man bitter über den Erstgeborenen weint.“
Mt. 24, 29-30: „Aber gleich nach der Drangsal jener Tage 8
Und dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen am
Himmel erscheinen; und dann werden wehklagen alle
Stämme des Landes, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit
großer Macht und Herrlichkeit.“
Off 1, 7: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge
wird ihn sehen, auch die, welche ihn durchstoßen haben,
und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme der Erde.
Ja, Amen.“
Das Wehklagen aller Stämme über den Zerstochenen führt
dazu, dass sich ganz Israel einschließlich des verstockten
Teils zum Gesalbten Gottes, zu Jesus Christus, hinwendet
und bekehrt.
62
Israel: Das erneuerte Volk als Licht der Völker
Beginnend in der großen Drangsal, in der Gott dem bis dahin verstockten Israel einen Geist des Flehens schenkt, und
fortgesetzt mit dem Wehklagen über den Durchstoßenen
erfährt das Volk Israel eine vollständige Erneuerung. Israel
wird zu einem heiligen Volk von Priestern, wie es seiner
Bestimmung entspricht (2. Mo. 19, 6): „Und ihr sollt mir ein
Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein! Das
sind die Worte, die du zu den Söhnen Israel sagen sollst.“
Dieses priesterliche Dienen wird möglich sein, da der Geist
aus der Höhe auf das ganze Volk ausgegossen sein wird
(Jes. 32, 15). Dann gehen auch die Weisungen von Jerusalem zu den Nationen aus (Micha 4). Das erneuerte Volk
Israel wird zum Licht der Nationen gemäß der dem Propheten Jesaja gegebenen Verheißung Gottes (Jes. 42, 6):
„Ich, der HERR, ich habe dich in Gerechtigkeit gerufen und
ergreife dich bei der Hand. Und ich behüte dich und mache
dich zum Bund des Volkes, zum Licht der Nationen,8“
Ja, Gott ist groß. Er hat die Auswahl und die Gesamtheit im
Blick. Er wirkt durch die Auswahl in die Gesamtheit. Sein
Heil wird bis an die Enden der Erde reichen (Jes. 49, 6) –
durch Israel als Lichtträger und Lebensvermittler. Israel
bringt das Heil zu den Nationen, zu den Enden der Erde,
und erfüllt damit den Missionsbefehl gemäß Mt. 28, 19.
Das erneuerte Israel ist das Haupt und die Zierde der Nationen, wie es Gottes Ziel der Auserwählung und Berufung
Israels entsprach (2. Mo. 19, 5+6; 5. Mo. 7, 6). Deswegen
kommen Nationen, um im Lichte zu wandeln, das durch
Gottes Gegenwart über Israel gekommen ist (Jes. 60, 3).
Nicht nur auf die Menschen auch auf das Land Israel wirkt
sich die Wiederkunft des Christus aus. Das Land Israel wird
derart erblühen, dass es wie „der Garten Eden“ aussehen
63
wird und verödete Städte werden wieder aufgebaut und befestigt (Jes. 51, 3; Hes. 36, 35).
Inwieweit wird das erneuerte Israel nun zum Segensträger,
zum Heilsbringer?
Das Kommen des Messias zu seinem auserwählten Volke
wird für alle Menschen sichtbar sein. Das Eingreifen des
Gottessohnes am Ende der großen Drangsal zugunsten
seines Volkes und der Sieg gegen eine nie da gewesene
militärische Macht werden das Interesse der Menschen
wecken. Sie wollen nun von Israel mehr über diesen Gott
erfahren (Sach. 8, 23): „In jenen Tagen, da werden zehn
Männer aus Nationen mit ganz verschiedenen Sprachen
zugreifen, ja, sie werden den Rockzipfel eines jüdischen
Mannes ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen,
denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.“
In Israel und in Jerusalem werden die Menschen Zugang zu
dem lebendigen Gott finden.
In Jerusalem selbst wird eine Quelle für das Volk Israel gegen Sünde sein (Sach. 13, 1) und aus Jerusalem werden
lebendige Wasser bis zu den Meeren fließen (Sach. 14, 8) –
beides weist darauf hin, dass in Jerusalem die Quelle des
Lebens, das ist der Christus, zu finden ist. Wasser ist Leben
– im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne (Jo. 4, 10).
Wasser reinigt – so reinigt uns Jesus Christus, der das
Wasser des Lebens ist, von aller Sünde (1. Jo. 1, 7). Aus
dieser Wasserquelle des Lebens wollen auch die Menschen
aus den Nationen neue Lebenskraft schöpfen.
Die Erstlinge aus Israel sind ein Anfang. Sie stehen für die
gesamte Völkerwelt, aus der sie erwählt wurden. Gott arbeitet zunächst mit einer kleinen Auswahl von Erstlingen, um
später das Ganze zum Ziel zu bringen. So wurde die Ablehnung des Messias durch den verstockten Teil Israels den
Nationen zum Heil. Aus diesen Nationen hat sich Gott wiederum Erstlinge erwählt (Rö. 8, 23; Jak. 1, 18): Menschen,
64
die nach seinem Willen sein Gnadenangebot angenommen
haben (siehe Abschnitt „Die Herrlichkeitserwartung der Herausgerufenen“).
Die Herrlichkeitserwartung des untreuen, verstockten Teils
Israels besteht darin, von Gott zur Umkehr bewegt zu werden und den Messias Israels, Jesus Christus, zu erkennen
(Hes. 37, 6). Gott nimmt sich seines auserwählten Volkes
wieder an (Jes. 45, 17; Rö. 11, 26-29), gibt ihnen einen
neuen Geist (Hes. 11, 19; 36, 26) und JHWH wird ihnen
zum Gott sein (Hes. 11, 20). Auf diese Weise verherrlicht
sich Gott auch an Israel – der Völkerwelt zum Zeugnis der
Herrlichkeit Gottes (Jes. 49, 3)!
DIE HERRLICHKEITSERWARTUNG
DER NATIONEN
Gott hat in seiner Souveränität aus allen Völkern ein Volk
(Israel) auserwählt und aus allen Nationen einzelne Menschen herausgerufen. Israel und die Herausgerufenen haben das Heil – infolge der Berufung Gottes und infolge seiner Gnade, die wir als Herausgerufene annehmen durften.
Welchen Weg geht Gott jedoch mit den Menschen, die weder Israel angehören noch in diesem Gnadenzeitalter sein
Heilsangebot annehmen?
Betrachten wir die Herrlichkeitserwartung dieser Menschen,
die im Folgenden unter dem Begriff „Nationen“ zusammengefasst werden.
Alle Menschen unterliegen seit dem Sündenfall der Herrschaft der Sünde und des Todes (Rö. 5, 12). Sünde muss
von Gott gerichtet werden. Die Gerichte sind jedoch für jede
von Gottes Heilsplan umfasste Gruppe unterschiedlich – je
65
nachdem, ob es sich um Israel, die Herausgerufenen oder
um die Nationen handelt. Israel erfährt nach dem strengen
Schuld-Strafe-Prinzip (5. Mo. 11, 26-28) vielfache Gerichte
Gottes. Die Herausgerufenen sind mit Christus gekreuzigt
(Rö. 6, 6) und somit gerichtet. Daher heißt es im Johannesevangelium mehrfach (3, 16+18; 5, 24), dass die Glaubenden nicht mehr gerichtet werden. Den gottlosen Menschen
aus den Nationen allerdings stehen Gerichte Gottes noch
bevor.
So unterschiedlich die Gerichte Gottes für diese Gruppen
sind, so unterschiedlich sind auch deren Herrlichkeitserwartungen. Kinder Gottes haben nicht dieselbe Herrlichkeitserwartung wie das Volk Israel. Israel hat eine andere Herrlichkeitserwartung als die Nationen.
Worin besteht nun die Herrlichkeitserwartung derjenigen
Menschen, die sich in diesem Zeitalter nicht zur Umkehr zu
Gott leiten lassen? Bevor wir auf diese Frage eingehen, ist
es notwendig, sich mit Gottes Wesen in Hinsicht auf seine
Gerechtigkeit und sein Erbarmen auseinanderzusetzen.
Gottes Gerechtigkeit und Erbarmen
Gott ist gerecht. Er nimmt daher die Sünde des Menschen
nicht folgenlos hin. Seine Gerechtigkeit verlangt, dass Sünde gerichtet wird. Eine schwere Art der Sünde ist der Ungehorsam der Menschen – etwa, wenn andere Götter verehrt
werden und nicht der eine, der wahre Gott (2. Mo. 20, 3).
Über diesen Ungehorsam entbrennt der Zorn Gottes und
Israel beispielsweise wurde infolge dieser Sünde mehrfach
gerichtet (Jer. 25, 6-11).
Die Zorngerichte Gottes haben dabei richtenden Charakter:
Sie bewegen Menschen dazu, umzudenken und Gott zu
suchen, ja, in der Not zu Gott zu schreien (Ps. 34, 18). Ist
66
das Umdenken und Umkehren als Zweck des göttlichen
Gerichts erreicht, kann sich Gott seiner Geschöpfe wieder
erbarmen, sogar dann noch, wenn sie bereits im Totenreich
sind (Hiob 12, 22; Ps. 107, 10-14; Jona 2, 3). Dann triumphiert die Barmherzigkeit Gottes über das Gericht (Jak. 2,
13) – sind Gerichte doch Wege göttlichen Handelns (5. Mo.
32, 423), aber nicht endlos dauernder Zielzustand. Mit dem
Triumph der Barmherzigkeit kommt Gottes Liebe letztlich
zum Ziel, ohne dass Gottes Gerechtigkeit übergangen wurde.
Gottes Gerichte sind schwer. Sie erstrecken sich über einen
„Tag des Gerichts“ (Mt. 11, 24; 2. Petr. 2, 9) oder hinein in
ein oder mehrere Zeitalter (Äonen). Gott vollzieht diese an
die Zeitalter gebundenen Gerichte an Völkern wie an Edom
(Mal. 1, 4), an einzelnen Menschen (Mk. 3, 29) und an Finsternismächten (Off. 20, 10). Wir sehen also auf der einen
Seite Gottes schwere und auf Äonen bezogene Gerichte.
Andererseits müssen wir den Zorn Gottes, der seiner Gerechtigkeit entspricht, immer in Verbindung mit seiner Gnade und seinem Erbarmen sehen. Gottes Gerichte sind
zweckgerichtet – ist der Gerichtszweck erfüllt, so enden
seine Gerichte (Jer. 3, 12; Micha 7, 18+19).
Dass Gott nicht immer richtet, stellt der Psalmist David in
allgemein gültiger Form fest (Ps. 103, 9-13): „Er wird nicht
immer rechten, nicht ewig zürnen. Er hat uns nicht getan
nach unseren Vergehen, nach unseren Sünden uns nicht
vergolten. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so
übermächtig ist seine Gnade über denen, die ihn fürchten.
So fern der Osten ist vom Westen, hat er von uns entfernt
unsere Vergehen. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt,
so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.“
23
5. Mo. 32, 4 nach LXX: „Cund alle seine Wege [des Felsens,
das ist Christus] sind Gericht8“ und damit auch gerecht.
67
Aufgabe der Gerichte Gottes ist es, diese (Ehr-)Furcht vor
ihm hervorzurufen und die Herzen der Ungehorsamen zu
demütigen. Diese Gerichtsaufgabe und seine Wirkung werden beispielhaft an den Seeleuten deutlich, die mit Jona
unterwegs waren. Sie beteten Gott infolge der Gerichtshandlungen an und sprachen Gott gegenüber Gelübde aus
(Jona 1). Ebenso befiel den Statthalter Felix eine Furcht, als
Paulus über Gerechtigkeit und das kommende Gericht Gottes zu ihm redete (Apg. 24, 25).
Für die Zukunft spricht die Bibel davon, dass sich die Nationen an Gott wenden und ihn fürchten werden, wenn sie sehen, wie mächtig und wunderbar er an Israel handelt (Micha
7, 17). Eine solche durch Gerichte Gottes hervorgerufene
Furcht ist der Anfang der Erkenntnis Gottes (Sprüche 1, 7).
Aus den Gerichten Gottes und seinem machtvollen Handeln
– etwa an Israel – erwachsen Ehrfurcht gegenüber Gott,
Erkenntnis seiner Souveränität sowie letztlich Anbetung
seiner selbst. Gott zu fürchten, zu erkennen und anzubeten
stellt eine typische Abfolge dar, wie sie sich aus der Wirkung
der Gerichte und des Tuns Gottes ergeben. Den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit Gottes, die sich in Gerichten offenbart, der daraus resultierenden Furcht der Menschen und der Anbetung Gottes durch alle Nationen bezeugen uns auch die Überwinder des Widersachers Gottes, die
ihn als den König der Nationen preisen (Off. 15, 4):
„Wer sollte nicht fürchten, Herr, und verherrlichen deinen
Namen? Denn du allein <bist> heilig; denn alle Nationen
werden kommen und vor dir anbeten, weil deine gerechten
Taten offenbar geworden sind.“
Die Herrlichkeitserwartung der Nationen
Bis dahin erfahren die Nationen Gerichte. Die Gerichte Gottes an den Nationen erfahren einen Höhepunkt bei der sichtbaren Wiederkunft unseres Herrn, mit der die Zeit der gro-
68
ßen Bedrängnis endet. Jesus Christus selbst beschreibt uns
ausführlich die erste große Gerichtsverhandlung bei seiner
Wiederkunft (Mt. 25, 31-46), wenn alle Nationen vor dem
Thron seiner Herrlichkeit versammelt werden.
Wer die Aussagen unseres Herrn aufmerksam liest, merkt,
dass das Gericht an den Nationen einem Maßstab unterliegt, der für die Rechtfertigung der Herausgerufenen keine
Bedeutung hat. Während die Herausgerufene allein aufgrund der Gnade Gottes und dem Opfer des Gottessohnes
gerechtfertigt ist und nicht ins Gericht kommt, werden die
Menschen der Nationen nach dem Maßstab der tätigen
Nächstenliebe beurteilt. Demnach werden die Ungerechten
im kommenden Zeitalter Strafe24 erleiden. Sie erfahren das
Gericht Gottes, bis sie in ihrer Not zu Gott schreien, und er
sich ihrer erbarmt (siehe vorhergehender Abschnitt „Gottes
Gerechtigkeit und Erbarmen“). Die Gerechten dagegen erben das Reich Gottes – sie gehen in das kommende Friedensreich unseres Herrn Jesus Christus ein. In diesem
kommenden Zeitalter haben sie die Möglichkeit, sich Gott
ganz zuzuwenden und das Heilsangebot in Jesus Christus
anzunehmen. Wie eröffnet Gott diese Möglichkeit?
Die Menschen der Nationen, die das Reich Gottes erben,
werden belehrt. Bei dieser Belehrung kommt dem Volk Israel eine hohe Bedeutung zu (Jes. 2, 2-4). Israel bringt den
Nationen das Licht und damit das neue Leben durch das
eine Licht, Jesus Christus. Gottes Heil wird durch diese Missionstätigkeit Israels bis an die „Enden der Erde“ reichen
und alle Nationen umfassen (Jes. 49, 5+6; vgl. Abschnitt
„Israel: Das erneuerte Volk als Licht der Völker“).
24
„Strafe“ (gr.: κόλασις): Das dazugehörige Verb „strafen“ (gr.:
κολάζω) bedeutet nach SCHIRLITZ: „beschneiden, jedes Übermaß
hindern,8, dann strafen“. Auch dies ist ein Hinweis auf den Charakter der Strafgerichte Gottes.
69
Keinen Zweifel lässt die Bibel daran, dass Gott sich aller
seiner Geschöpfe erbarmt (Rö. 11, 32). Dem Zeugnis der
Bibel nach werden einmal alle Nationen Gott anbeten (Ps.
86, 9+15; Off. 15, 4). Eine Beschränkung auf bestimmte
Nationen oder auf eine Auswahl von gottesfürchtigen Menschen aus den Nationen trifft die Heilige Schrift nicht. Die
Herrlichkeitserwartung der Nationen – gerichtet, erneuert zu
werden und Gott anzubeten – ist in ihrer Tragweite allgemein gültig und in ihrer Ausgestaltung differenziert, insbesondere was die Schwere und die Dauer der Gerichte Gottes betrifft. Gott hat bei sich selbst geschworen, dass einmal
jedes Geschöpf bekennen wird, dass nur in Gott, dem
HERRN, Gerechtigkeit ist (Jes. 45, 20-24). Bedenken wir –
wenn wir diesbezüglich Einwände haben oder Widerspruch
vernehmen –, dass der Schwur das Ende allen Widerspruchs ist (Heb. 6, 16). Sollten wir daher angesichts des
Eidschwurs Gottes nicht erst recht auf jeden Widerspruch
verzichten?
David schildert uns prophetisch, wie Gottes´ Schwur in Erfüllung geht (Ps. 22, 28-30): „Es werden daran gedenken
und zum HERRN umkehren alle Enden der Erde; vor dir
werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen. Denn
dem HERRN <gehört> das Königtum, er herrscht über die
Nationen. Es aßen und fielen nieder alle Fetten der Erde;
vor ihm werden sich beugen alle, die in den Staub hinabfuhren, und der, der seine Seele nicht am Leben erhalten konnte.“
Psalm 22 ist als Leidenspsalm bekannt. Er verweist prophetisch auf das Leiden des Gottessohnes. Diese prophetische
Aussage Davids hat sich erfüllt. Die Verheißung, dass „alle
Enden der Erde“ zu Gott umkehren werden, wird sich ebenso erfüllen. In diese Umkehr zu Gott sind die Verstorbenen
eingeschlossen, die „in den Staub hinabfuhren“. Das in Jes.
70
45 und in Psalm 2225 angesprochene Bekennen und Anbeten durch alle Nationen kann nur im Geist und in der Wahrheit geschehen – alles andere wäre Schein und damit ein
betrügerisches Anbeten, an dem Gott kein Wohlgefallen hat.
Damit sich diese Zusage Gottes erfüllen kann, müssen die
Nationen von der Krankheit der Sünde gereinigt und geheilt
werden. Diese Heilung geht von dem Baum des Lebens aus
(Off. 22, 2): „In der Mitte ihrer Straße und des Stromes,
diesseits und jenseits, <war der> Baum des Lebens, der
zwölf<mal> Früchte trägt und jeden Monat seine Frucht gibt;
und die Blätter des Baumes <sind> zur Heilung der Nationen.“ Dieser heilbringende Baum des Lebens ist Jesus
Christus selbst, denn nur in ihm ist das Heil (Apg. 4, 12).
Die Herrlichkeitserwartung der Nationen besteht demnach
darin, durch die gerechten Gerichte Gottes zur Umkehr bewegt und durch Jesus Christus geheilt zu werden. Christus
ist auch für die Menschen der Nationen der Heilbringer. Ist
Gott doch ein Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen (2. Tim. 4, 10).
25
In der LXX wird das auch in Off. 5, 14 mit „anbeten“ übersetzte
griechische Verb „proskyneo´o“ verwendet; Anbetung: s. S. 79.
71
DER GLÜCKSELIGE GOTT
Unser Ausgangspunkt bei der Betrachtung der Herrlichkeit
Gottes und der Herrlichkeitserwartung unterschiedlicher
Gruppen war 1. Tim. 1, 11. Hier spricht Paulus vom glückseligen Gott: „C nach dem Evangelium der Herrlichkeit des
seligen [auch: glückseligen26] Gottes, das mir anvertraut
worden ist.“
Vielleicht ist uns der Gedanke fremd, dass Gott glückselig
sein könnte? Gehen wir dem Gedanken nach, was Gott
glückselig machen könnte. Dabei wollen wir das einbeziehen, woran Gott Wohlgefallen hat – ist das Wohlgefallen
doch ein Auslöser für das Glückseligsein.
Das Buch der Sprüche beschreibt uns, woran sich ein Vater
erfreut (Spr. 23, 24):
„Triumphierend jubelt der Vater eines Gerechten, 8“
Gott jubelt über einen Gerechten! Sein Sohn ist gerecht (Lk.
23, 47; Apg. 3, 14). Gott-Vater hat Wohlgefallen an seinem
gerechten Sohn. Und der eine Gerechte ist die Rechtfertigung aller Menschen (Rö. 5, 18): „Wie es nun durch eine
Übertretung für alle Menschen zur Verdammnis <kam>, so
auch durch eine Gerechtigkeit [auch: Gerechtsprechung;
Rechtstat] für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens.“
Am Kreuz von Golgatha hat Jesus Christus für alle Menschen eine Gerechtsprechung erwirkt – mit welcher Folge
hinsichtlich des glückseligen Gottes? So wie Gott über den
einen Gerechten jubelt, wird er ebenso triumphierend jubeln,
wenn die bereits juristisch erwirkte Rechtfertigung des Le26
Gr.: „κατὰ τὸ εὐαγγέλιον τῆς δόξης τοῦ µακαρίου θεοῦ, ὃ
ἐπιστεύθην ἐγώ“; zum Adjektiv „makarios“ schreibt SCHIRLITZ:
„glücklich, selig“ - so auch als Beschreibung Gottes in 1. Tim. 6,
15.
72
bens auch faktisch allen Menschen zugute gekommen ist.
Damit haben wir eine erste Antwort darauf, worin die Glückseligkeit Gottes besteht: Es ist der Jubel über den einen
Gerechten (den Sohn) und der Jubel Gottes über die durch
den Sohn erwirkte Rechtfertigung zum Leben für alle Menschen. Ermöglicht diese Rechtfertigung doch, dass alles in
dem Christus zusammengefasst und dadurch eine unumschränkte Liebesgemeinschaft erreicht wird. Und: Gott hat
es wohl gefallen, uns dieses Geheimnis mitzuteilen und damit seinen Kindern zu enthüllen (Eph. 1, 9+10): „Er hat uns
ja das Geheimnis seines Willens zu erkennen gegeben nach
seinem Wohlgefallen, das er sich vorgenommen hat in ihm
für die Verwaltung <bei> der Erfüllung der Zeiten; alles zusammenzufassen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist – in ihm.“
Woran hat Gott noch Wohlgefallen? Gott hat Gefallen an der
Gnade (Micha 7, 18): „Wer ist ein Gott wie du, der Schuld
vergibt und Vergehen verzeiht dem Rest seines Erbteils!
Nicht für immer behält er seinen Zorn, denn er hat Gefallen
an Gnade.“ Gottes Gefallen an der Gnade ist Teil seiner
Glückseligkeit – hat er doch kein Gefallen am Tod seiner
Geschöpfe (Hes. 18, 32): „Denn ich habe kein Gefallen am
Tod dessen, der sterben muss, spricht der Herr, HERR. So
kehrt um, damit ihr lebt!“ Stattdessen führt Gott genau das
aus, woran er Gefallen hat (Jes. 46, 10): „Cder ich spreche:
Mein Ratschluss soll zustande kommen, und alles, was mir
gefällt, führe ich aus, 8“
Gott führt alles aus, woran er Gefallen hat. Hier gilt keine
Einschränkung, keine Ausnahme. Gott hat Gefallen an
Gnade, Recht und Gerechtigkeit (Jer. 9, 23). Gott hat nicht
nur Gefallen an Gnade, Recht und Gerechtigkeit. Er führt
diese Dinge so aus, dass sie zu umfassenden Heilstatsachen werden. Er kommt zum Ziel. Die Verwirklichung seiner
Gerechtigkeit und seiner Gnade erreicht er durch sein Wort,
das ist sein Sohn, der Christus (Jes. 55, 11): „Cso wird
73
mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird
nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken,
was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe.“
Sein Sohn ist die Gerechtigkeit und die Rechtfertigung zum
Leben – durch Gericht und durch Gnade! Jetzt freut sich
Gott an seinem erstgeborenen Sohn und an den Söhnen,
denn sie sind angenehm vor dem Vater (Eph. 1, 627). Dabei
behält Gott alle anderen im liebenden Blick, die das Heilsangebot in Jesus Christus noch nicht angenommen haben.
Gott ist in vollem Maße glückselig, wenn er alles nach seinem Ratschluss durch sein richtendes und rettendes Wort
ausgeführt und zum Ziel gebracht hat. Dazu dienen seine
Gerichte, da sie die Gerichteten zur Erkenntnis Gottes und
zum Anrufen seines Namens führen. Infolgedessen erbarmt
sich Gott auch der dem Gericht unterliegenden Geschöpfe
(Rö. 11, 32). Ist er doch ein Gott des Erbarmens und sein
Zorn währt nicht endlos. So ist Gott letztlich auch in den
Gerichten gütig gegenüber den Bösen (Lk. 6, 35).
Gott erreicht seine Ziele – ganz so, wie er es in seinem unwandelbaren Ratschluss (Heb. 6, 17) zusammengefasst hat.
Wenn sich Menschen in ihrer begrenzten Freiheit zunächst
von Gott lossagen, so führt er sie doch durch Gerichte in die
Gottesfurcht und zur Buße. Schreien sie in ihrer Not zu ihm
und rufen sie seinen Namen an, so erbarmt er sich ihrer. So
erfüllt sich auch an den gefallenen Geschöpfen Gottes Retterwille und seine Retterliebe. Denn Gott verfährt mit den
Engeln wie auch mit den Menschen nach seinem Willen
(Dan. 4, 32). Gott hat Gefallen daran, Engel und Menschen
und gemäß Rö. 8, 20+21 auch die übrige Schöpfung in
Christus mit sich zu versöhnen. So gefiel es der ganzen
Gottesfülle, in Christus zu wohnen und (Kol. 1, 20) „C durch
ihn alles mit sich zu versöhnen – indem er Frieden gemacht
27
„begnadigt“ = angenehm gemacht.
74
hat durch das Blut seines Kreuzes – durch ihn, sei es, was
auf der Erde oder was in den Himmeln ist.“
Die Grundlage dafür, dass Gott uneingeschränkt glückselig
sein kann, ist der gerechte Sohn, über den der Vater jubelt
(Spr. 23, 24). Dieser eine Gerechte hat für alle Menschen
die Rechtfertigung des Lebens erwirkt (Rö. 5, 18). Diese
Aussage wollen wir im Folgenden kurz im Textzusammenhang des Römerbriefs betrachten.
Die Rechtfertigung des Lebens für alle Menschen in
Christus
Im Römerbrief zeigt uns Paulus auf, dass wir als Herausgerufene durch die Treue des Gottessohnes und durch den
Glauben an Jesus Christus Zugang zu Gott haben (Rö. 5).
Durch Christus haben wir Frieden mit Gott.
Im selben Kapitel des Römerbriefs wendet sich der Apostel
auch dem Verhältnis von Leben und Tod, von Sünde und
Rechtfertigung in Bezug auf die Schöpfung zu. Er betrachtet
nicht mehr eine einzelne Gruppe wie die Herausgerufene
oder wie Israel. Paulus widmet sich der grundsätzlichen und
allgemeingültigen Frage, wie sich der durch Adam in die
Welt gekommene Tod und das Leben durch Christus zueinander verhalten.
Paulus sieht dabei einen einfachen Zusammenhang zwischen Adam und Christus. Danach kam durch die Sünde
eines (einzelnen und bestimmten) Menschen der Tod zu
allen Menschen (Rö. 5, 12). Gleichermaßen kommt es nun –
wie es durch eine Übertretung für alle Menschen zur Verur-
75
teilung28 kam – durch eine Gerechtigkeit für alle Menschen
zur Rechtfertigung des Lebens (Rö. 5, 18).
Die Übertragung und die Logik sind einfach und in sich
schlüssig: So wie niemand von der Herrschaft der Sünde
und des Todes ausgenommen ist, ist niemand von der
Rechtfertigung des Lebens in Christus ausgenommen. Inhaltlich erklärt sich die Aussage der auf alle Menschen
kommenden Rechtfertigung aus dem vollkommenen Opfer
unseres Herrn. Er hat die komplette Schuld des Kosmos ans
Kreuz getragen und die gesamte Kreatur für sich erkauft
(Jo. 1, 29; 1. Jo. 2, 2; 1. Tim. 2, 6; Off. 5, 9).
Gottes Wille ist, dass alle Menschen gerettet werden und
zur Erkenntnis der Wahrheit (Wahrheit = Jesus Christus)
kommen (1. Tim. 2, 4). Diesen Willen setzt Gott um – bewirkt er doch alles nach dem Ratschluss seines Willens
(Eph. 1, 11; Jes. 46, 10). Kann sich dem Willen Gottes irgendetwas wirkungsvoll entgegenstellen und damit den
Heilsplan Gottes undurchführbar machen - sei es der Eigenwille des Menschen oder eine Finsternismacht?
Nein, Gott ist El-Schaddai29, der Alles-Vermögende (1. Mo.
17, 1). Und so schafft Gott mit dem Wollen auch das Vollbringen (Ps. 115, 3; 135, 6; Phil. 2, 13) – sei es durch Gnade oder durch Gerichte als Bestandteil seiner Pädagogik. Er
wirkt das Heil für die Herausgerufenen, für Israel, für die
Nationen und für die gesamte Kreatur. Sein Sieg auf Golgatha ist ein vollkommener und ein ein für allemal gültiger Sieg
(Heb. 7, 27), von dem kein geschaffenes Wesen im Himmel,
auf der Erde oder unter der Erde ausgenommen ist (2. Tim.
4, 10; Off. 5, 13).
28
Verurteilung (gr.: κατάκριµα) statt „Verdammnis“. „κατά“ = herab; „κριµα“ nach SCHIRLITZ: „Cdas göttliche richterliche Urteil
über die Menschen, so Jo. 9, 39C“
29
Siehe Fußnote 6.
76
Die Ordnungen Gottes in der Erlösung und in der Vollendung
Weil Gottes Heilsplan die gesamte Schöpfung – also alle
erschaffenen Wesen – umfasst, sind auch die Tiere und die
Engel nicht davon ausgenommen. Noch seufzt die Kreatur
unter der Vergänglichkeit. Sie erwartet aber die Offenbarung
der Herrlichkeit der Söhne Gottes (Rö. 8, 19). Denn nachdem Christus als Erstling der Entschlafenen auferstand (1.
Kor. 15), wird zunächst die Herausgerufene von der Versklavung durch die Vergänglichkeit erlöst – die gesamte
Schöpfung erst danach (Rö. 8, 20-22; SCHUMACHER):
„Die Schöpfung wurde ja der Nichtigkeit unterworfen, nicht
nach eigenem Willen, sondern durch den, der (sie) unterworfen hat, auf Hoffnung hin, dass auch sie selbst, die
Schöpfung, (einmal) befreit werden wird vom Sklavendienst
der Vergänglichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder
Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis
auf den heutigen Tag zusammen seufzt und zusammen in
Geburtswehen liegt;“
Die Schöpfung wird zur Herrlichkeit der Kinder Gottes befreit
werden. Dabei lassen diese Verse des Römerbriefs erkennen, dass die Söhne Gottes als Erstlinge vor der Gesamtheit der Schöpfung von der Vergänglichkeit befreit werden
(vgl. Jak. 1, 18).
Über der Herausgerufenen steht als Erstgeborener aller
Schöpfung – also aller Menschen und aller Tiere sowie Engel30 – der Sohn Gottes selbst. Sein Werden durch den Vater ist das Modell für die Gesamtheit, denn er ist der Erstgeborene aller Schöpfung (Kol. 1, 15-20):
„Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene
aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles in den Himmeln und
30
Engel und Tiere loben Gott gemäß Psalm 148, 5+13. Siehe
auch Phil. 2, 10+11 (Himmlische = Engel).
77
auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das
Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: Alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht durch ihn.
Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde. Er ist der
Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem
den Vorrang habe; denn es gefiel der ganzen Fülle, in ihm
zu wohnen und durch ihn alles mit sich zu versöhnen – indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes
– durch ihn, sei es, was auf der Erde oder was in den Himmeln ist.“
Jesus Christus als dem Erstgeborenen folgt die gesamte
Schöpfung in einem Prozess der wesensbezogenen Neuwerdung gemäß Off. 21, 531. Sie wird in ihm gerechtfertigt
und in ihm lebendig gemacht werden (1. Kor. 15). Dann ist
auch die Kreatur in ein neues Leben gezeugt worden – wofür die Herausgerufene wiederum eine Erstlingsgabe ist. In
kurzer Form fasst Paulus den Gedanken der Erneuerung in
Christus gemäß den göttlichen Ordnungen in 1. Kor. 15, 2028 (Übersetzung von SCHUMACHER) zusammen:
„Denn wie in dem Adam alle sterben, so werden auch in
dem Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber
in (seiner) eigenen Ordnung: als Erstling Christus, danach
die zu Christus gehören, bei seiner Wiederkunft, dann der
Abschluss, wenn er die Königsherrschaft dem Gott und Vater übergibt, nachdem er jede (andere) Herrschaft und jede
(andere) Gewalt und Kraft beseitigt hat. Denn er muss (so
lange) königlich herrschen, bis er alle Feinde unter seine
Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod entmachtet.
Denn alles hat er seinen Füßen untergeordnet. Wenn es
aber heißt: »Alles ist untergeordnet«, so ist offenbar der
ausgenommen, der ihm alles untergeordnet hat. Wenn ihm
31
vgl. Abschnitt: „Israels Stellung und seine Verheißungen“: „1.
Die Sohnschaft“.
78
aber alles untergeordnet ist, dann wird auch der Sohn selbst
sich dem unterordnen, der ihm alles untergeordnet hat, damit Gott alles in allen sei.“
Die Vollendung der Zeitalter ist erreicht, wenn der Sohn jede
Herrschaft, Gewalt und Macht abgetan hat. Als letzten Feind
wird er den Tod unwirksam werden lassen – insofern kann
auch kein immer währender Tod über Menschen herrschen.
Stattdessen macht Gott alle Geschöpfe des Alls lebendig in
Christus (Rö. 5, 17; 1. Tim. 6, 1332).
Alles ist dann dem Sohn und damit dem Vater unterworfen.
So wird einmal jedes Geschöpf, sei es im Himmel, auf der
Erde, unter der Erde oder auf dem Meer, den Gott-Vater
und das Lämmlein lobpreisen (Off. 5, 13). Dann ist Gott alles in allen und die Vollendung ist erreicht.
Denn so, wie es eine Zeit „vor aller Zeit“ (1. Kor. 2, 7; Judas
25) gab, so gibt es auch eine Vollendung der Zeitalter (1.
Kor. 15, 24). Dann sind Gottes an die Zeit gebundenen Gerichte zum Ziel gekommen. Jedes Knie, der Himmlischen
und Irdischen und Unterirdischen, wird sich in dem Namen
Jesus anbetend beugen33 und jede Zunge wird bekennen,
dass Jesus Christus Kyrios (d.h. Herr) ist. Diese Anbetung
und das Bekennen ist zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil. 2,
10+11; SCHUMACHER): „Cdamit in dem Namen Jesu jedes
Knie sich beuge – der Himmlischen und Unterirdischen –
und jede Zunge bekenne: »Herr (ist) Jesus Christus!« zur
Ehre Gottes, des Vaters.“
32
Gott lässt lebendig werden: a) das All bei der Schöpfung (Wiederherstellung) nach 1. Mo. 1, 31; b) alle bei der Auferstehung der
Toten gemäß 1. Kor. 15, 21 und c) alle zur Rechtfertigung des
Lebens für alle gemäß Rö. 5, 12+18.
33
Hinweis: „anbetend beugen“ ist dasselbe Verb, das in Rö. 11, 4
für die Anbetung des Baal verwendet wird. Es bedeutet nach
SCHIRLITZ: „Die Kniee vor Jem. beugen (um anzubeten)“.
79
Was können wir angesichts der Herrlichkeitserwartung der
gesamten Schöpfung noch sagen, staunt der Apostel Paulus (Rö. 8, 31).
Eines jedoch bleibt: Der Vater wird eins mit dem Sohn in
Verbundenheit mit dem Heiligen Geist sein (Jo. 17, 11+22;
14, 26; 15, 26). Innerhalb der Gottheit ist der Sohn dem Vater untergeordnet. Dem Sohn ist die Herausgerufene untergeordnet wie der Körper dem Kopf. Vater und Sohn haben
trotz der göttlichen Einheit unterschiedliche Stellungen –
und unterschiedliche Herrlichkeiten. Der Sohn und die Kinder Gottes haben unterschiedliche Stellungen und Herrlichkeitsausprägungen – trotz der Einheit, die sie als Gesamtkörper bilden. So haben dereinst alle Wesen unterschiedliche Stellungen und Herrlichkeiten – und gleichzeitig wird der
Sohn alles in allem sein. Die Herrlichkeitsausprägungen
unterscheiden sich voneinander wie sich der Glanz der
Sterne voneinander unterscheidet (1. Kor. 15, 41). Alle aber
werden vereint sein in der Anbetung Gottes, des Vaters und
des Sohnes durch den Heiligen Geist. Dann ist Gott angesichts dieser Herrlichkeit glückselig – er freut sich all seiner
Werke (Ps. 104, 31).
Das Evangelium von der Herrlichkeit des glückseligen Gottes führt uns angesichts der Herrlichkeitserwartung für die
gesamte Schöpfung in den Lobpreis Gottes, des Vaters,
durch Jesus Christus im Heiligen Geist.
80
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Allgemein:
Gr
LXX
revElb
V
Griechisch
Septuaginta (griechische Übersetzung des
Alten Testaments)
revidierte Elberfelder Übersetzung
Vers
Abkürzungen biblischer Bücher:
Apg
Apostelgeschichte
Chr
Chronika
Dan
Daniel
Eph
Epheser
Gal
Galater
Heb
Hebräer
Hes
Hesekiel
Hos
Hosea
Jak
Jakobus
Jer
Jeremia
Jes
Jesaja
Jo
Johannes
Jos
Josua
Kö
Könige
Kol
Kolosser
Kor
Korinther
Mal
Maleachi
Mk
Markus
Mt
Matthäus
Mo
Mose
Off
Offenbarung
Petr
Petrus
Phil
Philipper
Ps
Psalm
Ri
Richter
Rö
Römer
81
Sa
Spr
Thes
Tim
Samuel
Sprüche
Thessalonicher
Timotheus
LITERATURANGABEN
DIE HEILIGE SCHRIFT (2005). Christliche Schriftenverbreitung
Hückeswagen.
EINERT, W.: Kurzkommentar zum Neuen Testament (verschiedene Bände). Selbstverlag.
JUGEL, W. (1999): Die Feste Israels. Paulus-Paperback
Band 33.
SCHIRLITZ, S. Ch. (1893): Griechisch-deutsches Wörterbuch
zum Neuen Testamente. Verlag von Emil Roth. Giessen.
SCHUMACHER, H. (1995): Die Namen der Bibel und ihre Bedeutung im Deutschen. Paulus-Verlag Karl Geyer.
SCHUMACHER, H. (2002): Neues Testament mit Anmerkungen. Hänssler-Verlag.
82
ANHANG: BEGRIFFSERLÄUTERUNGEN
1. JHWH
Im Folgenden möchte ich fünf kurze Hinweise darauf anführen, dass Jesus Christus im Alten Bund JHWH genannt
wird.
a) JHWH bedeutet gemäß 2. Mo. 3, 14-16 „Ich bin, der ich
bin“. Jesus Christus bezieht sich mit seinen „Ich bin“-Worten
wie in Jo. 8, 12 oder Apg. 9, 5 auf den Gottesnamen JHWH.
Man beachte, dass die „Ich bin“-Worte im Griechischen mit
„ego´o eimi“ eine Hervorhebung und Dopplung des „Ich“Wortes enthalten, da „eimi“ als Verb bereits „ich bin“ aussagt. Daher könnte man auch mit „Ich, ich bin“ übersetzen.
b) Der Gottesname JHWH wird in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments mit dem Titel „Kyrios“ widergegeben (z.B. 2. Mo. 16, 10). Jesus Christus ist nach dem
Zeugnis der Schrift der Kyrios (1. Kor. 8, 6; 2. Petr. 1, 14).
c) JHWH ist der Fels, vollkommen in seinem Tun (5. Mo. 32,
3+4). Der Fels aber ist der Christus (1. Kor. 10, 4), der für
Israel zum Fels des Ärgernisses wurde (Rö. 9, 32+33).
d) JHWH ist der Retter und der Richter.
JHWH bezeugt in 2. Mo. 6, 6, dass er Israel retten und Gericht ausüben wird. Der Retter der Welt ist Jesus Christus
(Jo. 4, 42; 1. Jo. 4, 14), dem der Vater alles Gericht übergeben hat (Jo. 5, 22).
e) JHWH ist der Sohn, durch den alles erschaffen wurde
Amos 4, 13: „Ja, siehe, der die Berge bildet und den Wind
erschafft und dem Menschen mitteilt, was sein Sinnen ist,
der die Morgenröte <und> die Finsternis macht und einher-
83
schreitet auf den Höhen der Erde: Jahwe, Gott der Heerscharen, ist sein Name.“
Der Sohn hat alles nach dem Willen des Vaters erschaffen
(Jo. 1, 10; Rö. 11 ,36) – er ist also JHWH, der die Berge
gebildet und den Wind erschaffen hat.
Jesus Christus trägt das All durch sein mächtiges Wort
(Heb. 1, 3). In dem Sohn hat der Vater auch die Weltzeiten
bzw. die Zeitalter erschaffen (Heb. 1, 2 wörtlich: „Cdurch
den er auch die Welten [wörtlich: die Äonen] gemacht hat.“).
2. Äon und Äonisch
Wie wir bereits gesehen haben, hat der im griechischen
Text des Neuen Testaments stehende Begriff „äonisch“
(häufig mit „ewig“ übersetzt) eine mehrfache Bedeutung.
2.1 Äonen sind Zeiträume mit Anfang und Ende
„Äonisch“ hat einerseits die Bedeutung von „auf ein Zeitalter“ bezogen, da das im Griechischen für „Ewigkeit“ verwendete Wort AIOo´N (Äon) „Zeitalter“ bedeutet. Ein Zeitalter
hat einen Anfang und ein Ende. Deswegen kann dieser Begriff auch in der Mehrzahlform verwendet werden (Gal. 1, 5;
2. Tim. 4, 18; Heb. 1, 2). Äonisches Leben geschenkt zu
bekommen, heißt, im kommenden Äon (Zeitalter) Leben zu
haben (Lk. 18, 30).
2.2 Äonen verbergen („verhüllen“) Geheimnisse Gottes
Zudem dienen Äonen dazu, Geheimnisse Gottes zu verbergen – so etwa das Geheimnis des Christus und seines
Heilsplans (Eph. 3, 9 in Verbindung mit Eph. 1, 9 + 10; s.
auch Rö. 16, 25). Das Verbergen dient dazu, die Vollendung
des Heilsplans abzusichern. In dieser Weise argumentiert
Paulus in 1. Kor. 2, 6-10 hinsichtlich der Weisheit Gottes, in
der er das Geheimnis Gottes – und damit auch den Christus
und seinen Heilsauftrag - verbarg.
84
Infolge des Verbergens vor den Äonen und durch die Äonen
hindurch haben die Fürsten dieses Äons die Weisheit Gottes nicht erkannt – sonst hätten sie Christus nicht gekreuzigt.
Christus ist das äonische Leben, das offenbart worden ist
(1. Jo. 1, 2). Unser Gott ist ein äonischer (verborgener) Gott,
zu dessen Erkennen es einer Offenbarung durch den Sohn
bedarf (Mt. 11, 27). Da Gott in Christus auch die Äonen erschaffen hat (Heb. 2, 10; Off. 4, 11), steht er in seiner Unsterblichkeit (1. Ti. 6, 16) über den Zeitaltern.
2.3 Die Äonen werden vollendet, wenn Christus das Ziel der
Heilsgeschichte erreicht hat
Das Ende (gr.: telos, d.h. die Vollendung) der äonenlangen
Heilsgeschichte ist erreicht, wenn der Sohn alle Herrschaftsmächte unwirksam gemacht hat (1. Kor. 15, 24) –
darunter auch den Tod als letzten Feind (1. Kor. 15, 26).
Das unwirksam Machen ist Voraussetzung dafür, dass alles
in Christus hinauf gehauptet (d.h. seiner Stellung als Haupt
untergeordnet) wird (Eph. 1, 10). Dann werden auch alle
Zungen anbetend bekennen, dass Christus der Kyrios, der
Herr, ist (Phil. 2, 11). Der Sohn ordnet sich dem Vater unter,
damit Gott alles in allem sei (1. Kor. 15, 28).
Halten wir fest, dass wir in Christus alles geschenkt bekommen (Rö. 8, 32) und als Körperglieder vollständigen
Anteil an seinem Wesen haben.
85
Raum für Notizen:
86
87
Selbstverlag
www.doxa-theou.de
2. Auflage 2011
ISBN 978-3-00-029092-3
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