FREITAG, 18. FEBRUAR 2005 N G Z- A K T I V journal Aus der Rehabilitation gelernt Im Nachhinein hat Torhüterlegende Uwe Kamps auch etwas Positives aus einer schlimmen Verletzung in seiner aktiven Zeit gezogen. Womit er damals während der Rehabilitation in Kontakt kam, davon findet sich jetzt viel in seinem Torwarttraining wieder. V O N DAV I D B E I N E K E Auch wenn die Erinnerungen an 1998 mit Schmerzen verbunden sind, aus heutiger Sicht möchte Uwe Kamps die Zeit nicht missen. Als sich die Torwart-Legende von Borussia Mönchengladbach damals nämlich einen Achillessehnenriss zugezogen hatte, kam er in einem fortgeschrittenem Fußballeralter das erste Mal mit Rehabilitation in Berührung. Um möglichst schnell wieder im Kasten zu stehen, absolvierte er bei der Neusser medicoreha ein ausgeklügeltes Programm. „Das war einfach eine gute Erfahrung. Da habe gesehen davon, dass er auch überzeugt ist, dass sich durch entsprechend aufbereitete Übungsprogramm enorme Leistungssprünge erzielen lassen. Für entsprechend wichtig erachtet es der Ex-Profi, dass sich auch die Trainer im Amateur- und Jugendbereich in diese Richtung fortbilden. „In diesem Bereich steckt noch viel Potenzial, auch im unterklassigen Bereich. Da steht zwar wegen der geringeren Anzahl an Ein Wiedersehen im nagelneuen Borussia-Park: Physiotherapeut Frederik Ramm (l.) behandelte die Gladbacher Tor- TrainingseinheiNGZ-FOTO: L. BERNS ten nicht so viel wartlegende Uwe Kamps nach dessen Achillessehnenriss Ende der neunziger Jahre. Zeit zur Verfügung. Doch Schnelligkeits- und Koich einiges mitgenommen, was ich Heilungsprozesses auch sehr viel ordinationstraining lassen sich beiheute auch versuche, weiterzugeWert darauf gelegt, dass er über Kospielsweise auch in Spielformen inben“, erklärt der inzwischen 40-Jähordinations- und Stabilisationstegrieren, die auch noch Spaß marige. Natürlich auch in seiner Torübungen wieder Vertrauen in seine chen“, meint Kamps, der auch kleiwartschule, die er seit September Bewegungsabläufe bekam. „Dass neren Vereinen empfiehlt, die Zu2003 auf der Anlage des 1. FC Gregerade jungen Spielern zu vermitsammenarbeit mit einem Physiovenbroich-Süd in Kooperation mit teln, ist in Sachen Verletzungsprotherapeuten zu suchen. „Auch mit dem dort beheimateten Verein bephylaxe enorm wichtig. Wer an der kleinem Geldbeutel ist da viel mögtreibt und wo seitdem Talente auch Verbesserung seiner Bewegungen lich, und es zahlt sich aus.“ Zumal von außerhalb des Rhein-Kreises arbeitet, kann zwar nicht alles abdie Spieler auch individuell einiges Neuss an ihren Fähigkeiten feilen. wenden, aber gerade so manche für ihr Leistungsvermögen tun Bei Kamps’ Rehabilitation wurde muskuläre Blessur bliebe dadurch könnten. Mit professioneller Hilfe damals neben der Förderung des erspart“, ist sich Kamps sicher. Abdie Schwächen am Körper analysie- ren lassen und dann mit entsprechenden Übungen daran arbeiten. „Die Probleme liegen bei Fußballern oft im Rumpfbereich, da gibt es genug Übungen, für die man keinen gut ausgestatteten Kraftraum braucht“, weiß Kamps. Klar, dass es Frederik Ramm gerne sieht, dass der Borusse so auf die Elemente aus der physiotherapeutischen Behandlung schwört. Ramm war es nämlich, der Uwe Kamps damals bei der medico wieder so fit machte, dass er in der Saison 2000/2001 mit Mönchengladbach wieder in die Bundesliga aufstieg. Erst einige Zeit später beendete ein Knorpelschaden im rechten Knie endgültig die Karriere des Torwarts. „Es ist Voraussetzung, dass Patienten viel Eigenmotivation mitbringen, um in der Therapie erfolgreich zu sein. Das war bei Uwe der Fall. Er war allem Neuen sehr aufgeschlossen“, erklärt Ramm. Schon in seiner Anfangszeit als Profi bei der Borussia zu Beginn der 80-er Jahre erkannte Kamps, dass er neben dem Training noch viel für seinen Körper tun musste, um nach vorne zu kommen und sich vor Verletzungen zu schützen. Mit Erfolg, denn bis zum Achillessehnenriss blieb er von schweren Blessuren verschont – auch im muskulären Bereich. Kamps: „Heutzutage werden die Profis ganz anders für dieses Thema sensibilisiert, es wird viel mehr Wert auf den Erhalt der körperlichen Ressourcen gelegt. Nicht umsonst können viele Spieler inzwischen bis Mitte, Ende 30 spielen.“ Fußball: Am Anfang steht die Prävention Seit vorigem Wochenende wird auch bei den Amateuren wieder Fußball um Punkte gespielt, sofern es das Wetter zuließ. Neben der notwendigen Regeneration zur Ausheilung kleinerer Blessuren, ist in der Winterpause wichtig, spätestens Mitte Januar die Kondition aufzufrischen. Da bleibt nicht viel Zeit, beide Ziele zu vereinen, zumal die kühle und nasse Witterung nicht gerade zum Wohlbefinden auf dem Platz beiträgt. Wer eine gute Vorbereitung versäumt hat und mit übertriebenem Ehrgeiz loslegt, riskiert Über- forderungen und Verletzungen. „Die meisten Verletzungen geschehen, weil man unvorbereitet ist. Deshalb gehören Sport und Physiotherapie zusammen.“ So sieht es Dieter Welsink, Sportphysiotherapeut (DSB) und Diplomsportlehrer mit Lehrauftrag an der Deutschen Sporthochschule Köln. Für die speziellen Ziele und Bedürfnisse von Sportlern sei vor allem die Qualifikation der Therapeuten entscheidend. Welsink betont, dass der Hochleistungssport schon immer die „Formel Eins“ für Operationstechniken und physio- Wenn auf dem Fußballplatz – wie hier bei Jerome van der Heusen (Bayer Dormagen) – eine schwere Verletzung passiert ist, folgt für den Sportler oft eine lange Rehabilitationsphase. ➔GUT ZU WISSEN Verletzungen im Fußball Egal, welche Statistik zum Thema Sportverletzungen zu Rate gezogen wird, Fußball steht immer an der Spitze – gefolgt vom Skilaufen und vom Inline-Skaten. Abgesehen davon, dass Fußball als Sportart Nummer eins in Deutschland, die größte Anzahl an Aktiven aufweist, liegt das auch am Anforderungsprofil der Sportart. Das Problem gerade auf unterer Ebene und im Freizeitbereich ist, dass es trotz der hohen Belastungen für den Bewegungsapparat häufig in Sachen Umfang und Intensität kein ausreichendes Training gibt. Die Verletzungen treten meist im Wettkampf auf, bei den Übungseinheiten nur sehr selten. Am stärksten betroffen sind die Beine mit Blessuren an Oberschenkel, Knie, Unterschenkel, Sprunggelenk und Fuß. Statistisch dominieren Schäden am Knie- und Sprunggelenk. therapeutische Methoden war. Von den enormen Ansprüchen an eine rasche Rehabilitation aus dem Spitzensport und den hieraus gewonnenen Erkenntnissen profitieren inzwischen aber auch viele Freizeitsportler und sogar sportenthaltsame Menschen. chend den Anforderungen der Sportart Fußball möglichst effizient wiederhergestellt werden. Ziel des medizinischen Aufbautrainings ist die Wiedereingliederung in das Mannschaftstraining. Medizinische Sportlerbetreuung Im Profibereich arbeiten Sportphysiotherapeuten in einem interdisziplinären Team aus Ärzten und Sporttherapeuten und Trainern um nach Möglichkeit eine rasche Rehabilitation für den Sportler zu leisten. Diese kurzen Rehabilitationszeiten sind im Amateurbereich weder realistisch noch gesundheitlich zu vertreten. Obwohl die Behandlungsstrategien für den verletzten Freizeitfußballer im Vergleich zum Hochleistungssportler grundsätzlich die gleichen sind, ist der mengenmäßige, personelle, apparative, und nicht zuletzt finanzielle Aufwand für den Profi wesentlich größer. Profis können täglich mehrere Stunden trainieren – auch in der Reha. Die Ergebnisse nicht mit den Wirkungen von zwei Mal 20 Minuten Krankengymnastik in der Woche zu vergleichen. Der Behandlungsverlauf und -erfolg hängt direkt von einem genau geplanten Therapieprogramm ab. Mangelnde Motivation ist so gut wie nie das Problem. Die meisten verletzten Fußballer haben den Wunsch, das Training mit dem Ball möglichst bald wieder aufzunehmen. Dafür sind sie bereit, in der Rehabilitation hart zu arbeiten. Oft müssen Arzt und Sportphysiothera- Eine komplette medizinische Sportlerbetreuung besteht aus: 1. Prävention zur Vermeidung von Sportverletzungen – In der Prävention geht es darum, durch eine Stärken-Schwächenanalyse den Gesundheitszustand des Sportlers durch individuelle medizinische Trainingsprogramme zu stabilisieren. Die sportmedizinische Leistungsdiagnostik liefert Ergebnisse zur Steuerung des Athletiktrainings. 2. Betreuung während Wettkampf und Training – Bei auftretenden Verletzungen werden die Spieler mit Sofortmaßnahmen am Spielfeldrand versorgt. Funktionelle Verbände (Tapes) können bei Vorschädigungen angelegt werden, um die Maximalbelastung des Kapselbandapparates zu mindern und Verletzungen zu vermeiden. Entspannungs- und Regenerationsmaßnahmen sind nachBelastungen notwendig, damit Sportler sich schneller von hohen Belastungen erholen. 3. Rehabilitation zur Wiederherstellung der Sportfähigkeit – Nach Sportunfällen oder Überlastungsschäden soll die Gelenkbeweglichkeit, Muskelkraft, Koordination, Ausdauer und Schnelligkeit entspre- Sportrehabilitation peut verletzte Sportler eher bremsen. Ein Fehler ist, dass Sportler trotz guter Behandlungsmethoden wieder zu früh ins normale Training entlassen werden. Überlastungen und erneute Verletzungen können den Heilungsprozess wieder weit zurückwerfen. Die körperliche und mentale Basis zur Wiederaufnahme des Sports im Mannschaftsgefüge sollte besser durch gezielte und kontrollierte Belastung wiederhergestellt werden. Durch Analyse der konditionellen Fähigkeiten und zielgenaue Steuerung des medizinischen Trainings wird der Übergang zum fußballspezifischen Training möglich. Sportphysiotherapie Die Sportphysiotherapie ist auf die Behandlung von Verletzungen oder Überlastungsschäden bei Spitzenbis hin zu Freizeitsportlern spezialisiert. Dabei werden trainingstherapeutische Maßnahmen mit steigernder Belastung angewendet und durch passive physikalische Behandlungsmethoden (wie etwa Lymphdrainage, Kälte- oder Strombehandlung) ergänzt. Der methodische Aufbau des Therapieprozesses richtet sich nach dem Ablauf der Wundheilung. Neben der Wundheilung als „roter Faden“ steht die individuelle Behandlung des Sportlers entsprechend dem Anforderungsprofil der ausgeübten Sportart im Vordergrund der Therapie. Autor Horst Schuhmacher ist Dozent an der medicoreha Gesundheitsakademie in Neuss D3 ➔ HINTERGRUND Dr. Friedbert Schneider sieht die größte Gefahr beim Fußball im Grätschen. F ußball ist durch den direkten Gegnerkontakt, kurze Sprints, schnelles Abstoppen und schnelle Drehungen ein Spiel mit Risiken. Wenn zwei Gegner im direkten Zweikampf aufeinanderprallen, tut es zwar oft weh, die Verletzungen laufen aber oft noch glimpflich ab. Die schlimmsten Verletzungen resultieren aus dem Hineingrätschen von hinten oder von der Seite, was vom Regelwerk ja auch zum Schutz der Spieler geahndet wird. Da die Spieler unvorbereitet sind, können sie ihre Muskeln als aktive Gelenkstabilisatoren nicht mehr effizient zum Schutz einsetzen. Der typische Ablauf ist, dass das Bein am Boden fest stehen bleibt, Knie oder Fuß werden aber ohne die nötige muskuläre Kontrolle durch die plötzliche Wucht des Gegners oder das Eigengewicht des Körpers weggedreht. Zu den klassischen Sportverletzungen im Fußball zählen die vorderen Kreuzband- und Meniskusverletzungen im Knie, sowie die mit Abstand am häufigsten vorkommenden Bandverletzungen des Sprunggelenks. Zu weiteren Sportschäden kann es kommen, wenn die individuelle Kapazität der Gewebe überschritten wird. Der Körper kann die häufigen Überlastungen bei den kurzen Regenerationszeiträumen nicht mehr aushalten. Im Fußball sind oft Sehnen wie die Patellasehne, Achillessehne oder Ansätze der Adduktoren von entzündlichen Reaktionen und chronischen Beschwerden betroffen. Sollten Bänder und Sehnenverletzungen auftreten, gilt erst mal, dass sie ordentlich auskuriert werden sollten. Werden solche Verletzungen auf die leichte Schulter genommen, droht ein längerfristiges Aussetzen. Für die Therapie von Sportverletzungen ist eine ärztliche Abklärung mit einer genauen Diagnose unerlässlich. Als Therapieverfahren stehen konservative und operative Behandlungsverfahren zur Wahl. Im Falle einer Operation bietet Deutschland einen hohen Qualitätsstandard und ist im europäischen Vergleich mit führend. Entscheidend ist natürlich die umfassende Erfahrung des Operateurs in den angewandten operativen Verfahren. Zu den modernen Behandlungstrategien gehört neben der minimalinvasiven Vorgehensweise (Arthroskopie) eine frühfunktionelle Nachbehandlung. In den meisten Fällen kann auf unnötige oder gar schädliche Ruhigstellung verzichtet werden. Oft stellt sich als Problem heraus, dass frühere Verletzungen noch nicht ganz überwunden wurden. Resultierende Bewegungseinschränkungen, Schonhaltungen und mangelnde Reaktivität aufgrund von durchgemachten Verletzungen sind oft die Grundlage für neue Verletzungen. Zur Wiederherstellung der Sportfähigkeit ist neben der physiotherapeutischen Behandlung ein reger Austausch in der Rehabilitationsphase, zwischen dem Sportmediziner, Physiotherapeut, Sportler und Trainer erstrebenswert. Dr. Friedbert Schneider ist Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und physikalische Medizin in Neuss Mit der PECH-Regel gegen Verletzungen Wenn es beim Fußball Verletzungen gibt, gilt es, ganz bestimmte Regeln zu beachten. Der Schiedsrichter pfeift, ein Spieler windet sich am Boden. Was tun? Kann der Spieler weitermachen oder nicht? Wenn kein Arzt oder Physiotherapeut zur Stelle ist, der auf die Schnelle die Funktion des Gelenks überprüfen kann, ist guter Rat teuer. Abgesehen davon, dass viele Spieler genau spüren, wenn etwas gerissen oder gebrochen ist, zeigen die ersten vorsichtigen Steh- oder Gehversuche am Spielfeldrand, ob das Bein belastbar. In jedem Fall sollte man erst mal Pause machen, wenn die Schmerzen bei solchen Belastungsversuchen nicht verschwinden. Ein Fehler ist, mit Eisspray oder Kältepackungen den Schmerz sofort auszuschalten. Abgesehen von möglichen Hautschäden durch Erfrierungen wird der Schweregrad der Verletzung häufig unterschätzt, wenn die schmerzsenkende Wirkung eintritt. Bei Verletzungen zerreißen immer Blutgefäße. Setzt man das Spiel weiter fort, blutet es durch die weitere Belastung vermehrt ins Gelenk. Erguss und Schwellung nehmen zu und verzögern den natürli- chen Heilungsverlauf. Für Kicker und Kickerinnen, die sich für besonders hart halten und trotz schmerzhafter Verletzung ins Spiel zurückkehren möchten, tragen Trainer eine große Mitverantwortung. Wenn ein Knie oder Knöchel unmittelbar nach dem Unfall anschwillt, ist davon auszugehen, dass die Verletzung größer ist und an eine Fortsetzung des Spiels nicht zu denken ist. Jetzt gilt es, die so genannte P-E-C-H-Regel anzuwenden (Pause, Kühlen, Komprimieren und Hochlagern). Das verletzte Bein braucht erst mal Ruhe. Ein mit einer elastischen Binde angewinkelter Kompressionsverband soll einen Gegendruck für die im Verletzungsbereich entstehende Blutung erzeugen. Gleichzeitig kann ein Eisbeutel mit der Bandage fixiert werden. Die Kühlung bewirkt eine Schmerzlinderung. Das Hochlagern unterstützt den venösen und lymphatischen Rückstrom, so dass insgesamt als wichtigste Maßnahme die Blutung gestillt und das Ausmaß der Schwellung begrenzt wird. Anschließend sollte der Patient möglichst schnell ärztlich untersucht werden. Bis die Diagnose feststeht, sollte die verletzte Struktur nicht unnötig belastet werden. Generell sollte ein verletzter Sportler den betroffenen Bereich ein bis zwei Tage schonen. Dies fällt bereits schwer, wenn die Mannschaft gleich nach dem Spiel beim Bierchen zusam- men sitzt. Alkohohl und Nikotin verlangsamen deutlich die Wundheilung. Wenn Gehen notwendig ist, sollte man statt schmerzbedingt zu hinken mit Gehstützen die verletzten Strukturen in den ersten Tagen entlasten. Bei vielen akuten Verletzungen sind Massagen sowie Wärmeanwendungen in den ersten 48 Stunden zu vermeiden. Vor Verletzungen schützen kann sich jeder Sportler, indem er seine Muskeln aufbaut, regelmäßig trainiert und dafür sorgt, dass die Koordination der Bewegungsabläufe stimmen. Der Lohn der harten Konditionsarbeit sind schöne Fußballspiele und die Glücksgefühle, die man dabei erleben kann.