1500 - Aufbrüche, Hoffnungen, Ängste

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1 Maturaaufgabe 14
Thema: 1500 – Aufbrüche, Hoffnungen, Ängste
Arbeitsaufgabe 14: Aufbrüche in der
katholischen Kirche
Aufgabenstellungen
1 Beschreiben Sie wesentliche Aspekte der Krise der
Kirche im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit.
2 Verorten Sie – ausgehend von dem Quellenmaterial
(Material 1) – die Bedeutung Martin Luthers für die
Reformation.
3 Kritik damals – Kritik heute: Zeigen Sie Parallelen und
Unterschiede zwischen dem „Ungehorsam von Martin
Luther“ und dem „Aufruf zum Ungehorsam“ der
Pfarrerinitiative auf und formulieren Sie selbst eine
Einschätzung zu den Erfolgsaussichten der österreichischen „Protestbewegung von unten“.
Material 1:
Martin Luther:
Die 95 Thesen
Auszug
[…]
1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht:
„Tut Buße“ usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass
das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
[…]
8. Die kirchlichen Bestimmungen über die Buße sind
nur für die Lebenden verbindlich, den Sterbenden
darf demgemäß nichts auferlegt werden.
[…]
10. Unwissend und schlecht handeln diejenigen
Priester, die den Sterbenden kirchliche Bußen für das
Fegefeuer aufsparen
[…]
20. Daher meint der Papst mit dem vollkommenen
Erlass aller Strafen nicht einfach den Erlass
sämtlicher Strafen, sondern nur derjenigen, die er
selbst auferlegt hat.
21. Deshalb irren jene Ablassprediger, die sagen,
dass durch die Ablässe des Papstes der Mensch von
jeder Strafe frei und los werde.
[…]
28. Gewiss, sobald das Geld im Kasten klingt,
können Gewinn und Habgier wachsen, aber die
Fürbitte der Kirche steht allein auf dem Willen Gottes.
32. Wer glaubt, durch einen Ablassbrief seines Heils
gewiss sein zu können, wird auf ewig mit seinen
Lehrmeistern verdammt werden.
[…]
GO! 8 LehrerInnenmaterial
35. Nicht christlich predigen die, die lehren, dass für
die, die Seelen (aus dem Fegefeuer) loskaufen oder
Beichtbriefe erwerben, Reue nicht nötig sei.
[…]
36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch
auf völligen Erlass von Strafe und Schuld, auch ohne
Ablassbrief.
[…]
43. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu
geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als
Ablass zu kaufen.
[…]
62. Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste
Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.
[…]
Martin Luther: Die 95 Thesen, http://www.evang.at/glaubeleben/dpie-95-thesen/ (August 2014)
© 2014 Verlag E. DORNER GmbH, Wien
2 Maturaaufgabe 14
Material 2:
Pfarrer–Initiative
AUFRUF ZUM UNGEHORSAM
Die römische Verweigerung einer längst notwendigen
Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben
uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen
zu folgen und selbständig tätig zu werden:
Wir Priester wollen künftig Zeichen setzen:
1. WIR WERDEN in Zukunft in jedem Gottesdienst eine
Fürbitte um Kirchenreform sprechen. Wir nehmen das
Bibelwort ernst: Bittet, und ihr werdet empfangen.
Vor Gott gilt Redefreiheit.
2. WIR WERDEN gutwilligen Gläubigen grundsätzlich
die Eucharistie nicht verweigern. Das gilt besonders
für Geschieden-Wiederverheiratete, für Mitglieder
anderer christlicher Kirchen und fallweise auch für
Ausgetretene.
3. WIR WERDEN möglichst vermeiden, an Sonn- und
Feiertagen mehrfach zu zelebrieren, oder durchreisende und ortsfremde Priester einzusetzen. Besser ein
selbstgestalteter Wortgottesdienst als liturgische Gastspielreisen.
4. WIR WERDEN künftig einen Wortgottesdienst mit
Kommunionspendung als „priesterlose Eucharistiefeier“ ansehen und auch so nennen. So erfüllen wir die
Sonntagspflicht in priesterarmer Zeit.
5. WIR WERDEN auch das Predigtverbot für kompetent
ausgebildete Laien und Religionslehrerinnen missachten. Es ist gerade in schwerer Zeit notwendig, das
Wort Gottes zu verkünden.
GO! 8 LehrerInnenmaterial
6. WIR WERDEN uns dafür einsetzen, dass jede Pfarre
einen eigenen Vorsteher hat: Mann oder Frau, verheiratet oder unverheiratet, hauptamtlich oder nebenamtlich. Das aber nicht durch Pfarrzusammenlegungen,
sondern durch ein neues Priesterbild.
7. WIR WERDEN deshalb jede Gelegenheit nützen, uns
öffentlich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt auszusprechen. Wir sehen in
ihnen willkommene Kolleginnen und Kollegen im
Amt der Seelsorge.
Im Übrigen sehen wir uns solidarisch mit jenen Kollegen, die wegen einer Eheschließung ihr Amt nicht mehr
ausüben dürfen, aber auch mit jenen, die trotz einer Beziehung weiterhin ihren Dienst als Priester leisten. Beide
Gruppen folgen mit ihrer Entscheidung ihrem Gewissen
– wie ja auch wir mit unserem Protest. Wir sehen in
ihnen ebenso wie im Papst und den Bischöfen „unsere
Brüder“. Was darüber hinaus ein „Mitbruder“ sein soll,
wissen wir nicht. Einer ist unser Meister – wir alle aber
sind Brüder. „Und Schwestern“ – sollte es unter Christinnen und Christen allerdings heißen. Dafür wollen wir
aufstehen, dafür wollen wir eintreten, dafür wollen wir
beten. Amen.
Dreifaltigkeitssonntag, 19. Juni 2011
http://www.pfarrer-initiative.at/unge.html (August 2014)
© 2014 Verlag E. DORNER GmbH, Wien
3 Maturaaufgabe 14
Informationen für LehrerInnen
Lehrplan
GO!-Themenpool
die sozioökonomischen und geistig-kulturellen
Umbrüche in der frühen Neuzeit
1500 – Aufbrüche, Hoffnungen, Ängste
Kompetenzbereiche
• Dekonstruktionskompetenz
• Sachkompetenz
• Orientierungskompetenz
Kapitelbezüge zu GO!
GO! 6, S. 27–31
Lösungswege
1 Wesentliche Aspekte der Krise der Kirche im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit:
• Franz von Assisi als Vertreter der Armutsbewegung in
der katholischen Kirche
• Der Weltherrschaftsanspruch des Papstes und das daraus resultierende Schisma
• Der Nepotismus und Fiskalismus innerhalb der katholischen Kirche
• Die Entstehung von Landeskirchen
• Die Reformbewegungen von John Wiclif in England
(Lollarden) und Jan Hus in Böhmen (Hussiten)
2 Martin Luther wendet sich gegen die Praxis des Ablasshandels der katholischen Kirche. Der Mensch müsse im
diesseitigen Leben Buße tun. Reue sei das wesentlichste
Moment für den Erlass von Strafe und Schuld. Da im
Fegefeuer keine Reue mehr erfolgen könne, sei ein Ablasskauf für bereits Verstorbene sinnlos (These 35). Ein
karitatives Leben zu führen hingegen sei sinnvoll auch
für den Erlass von Schuld (These 43).
Im Zentrum des Glaubens steht nach Luther das Evangelium (und nicht der Papst). Die 95 Thesen sind nur
ein Ausgangspunkt seiner Kritik an der katholischen
Kirche. In einer Reihe von weiteren Schriften formuliert
er die eigene Lehre, welche die Basis für die Kirchenspaltung in Deutschland und für die Ausbreitung
der Reformation in Europa bildet. Auch der Dreißigjährige Krieg ist eine Folge dieser Entwicklung.
GO! 8 LehrerInnenmaterial
3 Der „Ungehorsam Martin Luthers“ und der „Aufruf zum
Ungehorsam“, Gemeinsamkeiten und Unterschiede:
• Sowohl Luthers 95 Thesen als auch der „Aufruf zum
Ungehorsam“ sind Ausdruck von eines „Protests von
unten“ gegen die hierarchische Struktur der Kirche.
• Sowohl Luther als auch die Pfarrer-Initiative setzen das
Evangelium, das eigene Gewissen in das Zentrum des
Handelns von Christinnen und Christen.
• Sowohl Luther als auch die Pfarrer-Initiative lehnen den
Zölibat ab.
• Die Problemfelder sind unterschiedlich:
Luther wendet sich vor allem gegen Ablasshandel und
den Fiskalismus der katholischen Kirche; die PfarrerInitiative übt Kritik an Frauenfeindlichkeit, Eucharistieverbot für Geschiede-Wiederverheiratete und schlägt
Lösungen für das Problem des Priestermangels in Pfarreien vor.
© 2014 Verlag E. DORNER GmbH, Wien
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