Predigt + JULI 2015 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS B MK 6,7-13 Staub abschütteln Im heutigen Evangelium fasziniert mich dieser kleine Satz: „Schüttelt den Staub von euren Füßen“ (Mk 6,11). Es wird angenommen, dass Jesus diesen Ausdruck vorgefunden hat. Offensichtlich gab es damals ein Ritual, das die Juden pflegten, wenn sie aus dem Ausland wieder zurück in ihre Heimat kamen. Dann wuschen sie an der Grenze ihre Füße oder reinigten ihr Schuhe. Sie wollten damit sichtbar machen, dass nichts Unsauberes den Boden verunreinigen darf, der als heilig gilt. Jesus sendet seine Jünger aus, damit sie seine Botschaft verbreiten, zur Umkehr aufrufen und Kranke heilen. An der Spitze der Verhaltensregeln, die er erteilt, steht das leichte Gepäck. Sie sollen alles zurücklassen, womit sich Reisende so gerne ausstatten: Geld, Proviant, Wäsche zum Wechseln, kräftiges Schuhwerk. Alles das ist überflüssig angesichts seiner Zusage, dass sie ausgestattet sein werden mit viel Kraft von oben. Sogar Wunder werden sie vollbringen können. Sie sollen darauf vertrauen, dass sie nicht allein gelassen bleiben mit ihrem Auftrag. Sie dürfen zudem darauf vertrauen, dass es überall Menschen gibt, die sie aufnehmen werden, so dass sie nicht hungern und die Nacht auf der Straße verbringen müssen. Jesus hat aber auch geahnt, dass auch seine Botschaft nicht immer und überall auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde. Deshalb die Warnung, sich nicht ohne Not zu lange an einzelnen Punkten aufzuhalten. Vor allem dort nicht, wo man auf taube Ohren und verschlossene Türen trifft. Deshalb folgt nun dieses anschauliche Bild: Wo ihr auf Ablehnung stoßt, dort haltet euch nicht unnötig länger auf, sondern schüttelt den Staub von euren Füßen und geht weiter. Jesus ist ganz offenkundig ein großer Realist: Er erwartet von seinen Jüngern gar nicht, dass sie wie im Handstreich alle Menschen überzeugen – und dass sie nicht ruhen und rasten, bevor das nicht geschafft ist. Er erwartet von seinen Jüngern nicht, dass sie an den Fällen, wo nichts geht, sich wund reiben und in aussichtslose Situationen verkrampfen. Er sagt gleichsam: Da wo nichts geht, da geht ohne Klagen und Bedauern weiter. Anderswo erwartet man euch schon. Das Abschütteln des Staubes ist in Jesu Worten sicher ein „Zeugnis gegen“. Ein wortloser Protest gegen mangelnde Aufnahmebereitschaft. Aber ich meine, es ist auch ein heilsames Zeichen für etwas, das wir gerade in heutigen Debatten um Kirche, Glauben und Mission gut verstehen. Nämlich: Glaube lässt sich nicht erzwingen. Er setzt innere Freiheit voraus. Die Weitergabe des Evangeliums ist kein Geschehen, das automatisch abläuft. Für das Evangelium und seine Werte gibt es in den wechselnden Zeitläuften und in den verschiedenen Kulturen, aber auch in den Herzen er einzelnen Menschen, eine je unterschiedliche Aufnahmebereitschaft. Jesus scheint sagen zu wollen: Wichtig für die Überbringerinnen und Überbringer des Evangeliums sind ein großes Einfühlungsvermögen, das Gespür für den richtige Moment, den richtigen Ort und den richtigen Ton, d. h. eine Sprache und ein christlicher Lebensstil, die, nicht aggressiv und verurteilend, sondern einladend ist. Das Allerwichtigste aber bleibt das unerschütterliche Vertrauen darin, dass das Evangelium Jesu wie ein Samenkorn auch dort eines Tages aufgehen kann, wo es zunächst keinen fruchtbaren Boden vorfindet. Staub zurücklassen und weiterziehen: Das ist für mich auch eine Grundregel zum Erhalt der seelischen und spirituellen Gesundheit. Jesus scheint zu sagen. Wenn man euch ablehnt und nicht hören will, wo ihr äußerlich scheitert und keinen Erfolg habt, dann schleppt das nicht wie eine persönliche Kränkung mit euch herum. Zieht einen Schlussstrich unter das, was sich nicht ändern lässt. Zieht eine Grenze zu negativen Gedanken und zu krankmachenden Erinnerungen. Lasst euch nicht in Traurigkeit und Enttäuschung nach unten ziehen. Traut guten Erwartungen mehr als schlechten Erfahrungen. Ich höre aus diesem unscheinbaren Wort Jesu vor allem dies: Euer Leben ist in meinen Augen mit ein geheiligter, ein sakraler Raum. Haltet ihn in Ehren. Pflegt ihn gut. Dann werdet ihr erahnen, was „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) bedeutet. Staub von den Füßen schütteln und weitergehen – das bedeutet schließlich auch: Versuche, gelassen zu bleiben. Du kannst nicht alles machen. Du musst nicht alles machen. Gib alles ab, was dich unnötig belastet, lasse es rechtzeitig los. Ziehe einen Schlussstrich dort, wo es definitiv nicht weitergeht. Versöhne dich mit dir selbst, lass Neid, alte Feindschaften und alle Bitterkeit von dir abfallen. Verrenne dich nicht in unhaltbare Positionen. Bewahre dir die innere Freiheit um Verzeihung zu bitten und Verzeihung zu schenken. Wenn du dir in der Arbeit, in den vielfachen menschlichen Beziehungen, in Erziehung und Schule, in der Predigt und in anderen Diensten in der Kirche alle erdenkliche Mühe gegeben hast und dennoch alles umsonst erscheint, dann schüttle diese negativen Gefühle ab und vertraue darauf, dass es eines Tages doch einen neuen Beginn geben kann. Pater Hermann Schalück ofm + Eine wertvolle Tugend im Leben: Voller Hoffnung und Zuversicht das Menschenmögliche tun, das Unmögliche Gott zutrauen. nach K. Rahner Impressum: missio, Internationales Katholisches Missionswerk e.V., Goethestr. 43, 52064 Aachen.