AEJ komplett.indb - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend

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Doch überall dort, wo Menschen einander nahe kommen und
sich öffnen, besteht die Gefahr, dass dieses Vertrauen missbraucht wird. Die Augen davor zu verschließen, wäre fahrlässig.
Die Träger der Kinder- und Jugendarbeit müssen daher dafür
Sorge tragen, dass ihre Angebote „sichere Orte“ für Kinder- und
Jugendliche sind. Dies gilt für Freizeiten und Reisen ganz besonders. Auch das Verhalten Heranwachsender untereinander birgt
die Gefahr von Grenzüberschreitungen und verlangt deshalb
nach klaren Normen.
Mit der Konkretisierung des Schutzauftrages der Kinder- und
Jugendhilfe durch die §§ 8a und 72 a Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG-SGB VIII) wächst die Notwendigkeit, auch in der
Kinder- und Jugendarbeit klare Standards für die Prävention von
Kinderwohlgefährdungen zu schaffen, vor allem hinsichtlich der
Gefährdungen durch sexuelle Übergriffe.
Umschlag.indd 1
Neue kleine Schriften Nr. 7
Neue kleine Schriften Nr. 7
BEJ
All den Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen, die tausende
von Fahrten und Freizeiten, Wochenendaktionen, Zeltlager und
Bildungsmaßnahmen und so vieles mehr verantworten, soll dieser Band eine Hilfe sein und Anregungen bieten.
Keine Chance für ein Tabu
– Sexualisierte Gewalt
bei Kinder- und Jugendreisen
Keine Chance für ein Tabu
Reisen, Freizeiten und Zeltlagen gehören zu den schönsten Zeiten in der Kinder- und Jugendarbeit. Gemeinsam erleben Kinder, Jugendliche und Mitarbeiter(innen) neue Eindrücke, sinnvolle Freizeitgestaltung und intensive Gruppenerfahrungen. Die
unterschiedlichen Formen von Ferienfreizeiten ermöglichen in
besonderer Weise Gemeinschaftserfahrungen wie es die kontinuierliche Gruppenarbeit im Alltag nicht kann.
Grundlagen – Prävention – Intervention
Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer
Jugendferiendienste e.V.
30.01.2008 13:22:05 Uhr
Impressum
Herausgeberin
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (aej)
im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer Jugendferiendienste e. V. (BEJ)
Otto-Brenner-Straße 9
30159 Hannover
Telefon: 0511 1215-0
E-Mail: [email protected]
1. Auflage Dezember 2007
Ausgabe
Redaktion Florian Dallmann
Gwendolyn Mertz
Tamara Meyer-Goedereis
Redaktionsassistenz: Julian Frese
Gestaltung, Carl Küster Druckerei GmbH,
atz und Druck Hannover
S
Bildnachweis
Vorsatzbilder entnommen von der CD
„Blickwinkel“ herausgegeben vom
Deutschen Bundesjugendring (DBJR), Berlin
Vorsatzbild für den Aufsatz „Fallbeispiele“
von Florian Dallmann: www.jugendhilfeportal.de
Dieses Bild ist ein Produkt der European Youth Week.
Es entstand im Rahmen der Blickpunkt D2-Tour
von eurodesk.
gefördert durch
Umschlag.indd 2
Titelbild: www.flickr.com, Vintage Lulu, United Kingdom
© aej, Hannover
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Keine Chance für ein Tabu
– Sexualisierte Gewalt
bei Kinder- und Jugendreisen
Grundlagen – Prävention – Intervention
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Inhaltsverzeichnis
04
Vorwort
– Keine Panik, aber aufgeklärte Wachsamkeit
Mike Corsa und Gerhard Grzegorek
06
Zur Orientierung:
Sexualität und Sexualpädagogik in der Freizeitenarbeit
Tamara Meyer-Goedereis
18
Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe
– Besonderheiten mit Blick auf Kinder- und Jugendreisen
Florian Dallmann
34
Sexualstrafrecht
– Auszug für die Praxis der Jugendarbeit
Hans Hirling
48
Bei uns doch nicht…!
Täter(innen) in Jugendverbänden
– Missbrauchsstrategien und Prävention
Britta Pelle Pelters
64
Keine Chance für ein Tabu
– Präventive Pädagogik gegen sexualisierte Gewalt
Wilfried Drews
78
Neue Perspektiven der Prävention sexualisierter Gewalt
im Jugendverband – Integration des Themas in die Planung
von Freizeiten, Schulungen von Ferienfreizeitleitungsteams
und strukturelle Bedingungen von Freizeiten
Brunhild Schmidt
90
Stärkung des Kinder-Ich
– Arbeitseinheit für die Gruppenleiter(innen)schulung
zum Thema Sexueller Missbrauch
Karl-Heinz Grosch
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104
Was tun, wenn sexuelle Übergriffe geschehen
bzw. ein Verdacht besteht?
– Tipps für Teams
Anhang: Unterscheidung zwischen „normaler“
kindlicher Sexualität und sexuellen Übergriffen
– Sexuelle Aktivitäten in verschiedenen Altersgruppen
Ulfert Boehme
116
Fallbeispiele – „Dem Tabu keine Chance“
Florian Dallmann
132
Autoren(innen)verzeichnis
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Vorwort
Keine Panik, aber aufgeklärte Wachsamkeit
Wenn Urlaub die schönste Zeit des Jahres ist, sind Freizeiten und Jugendreisen die schönste Zeit in der Kinder- und Jugendarbeit. Reisen, Freizeiten und Zeltlager ermöglichen intensive Gruppenerfahrungen, neue
Eindrücke und sinnvolle Freizeitgestaltung. Sie bringen Kinder, Jugendliche und Mitarbeitende zusammen, sie sind offen für junge Menschen mit
unterschiedlichen persönlichen Hintergründen und Lebenssituationen.
Die unterschiedlichen Formen von Ferienfreizeiten ermöglichen in besonderer Weise Gemeinschaftserfahrungen, die für junge Menschen von
großer Bedeutung sind, wie die aej-Studie „Jugend im Verband“1 belegt.
Die kontinuierliche Gruppenarbeit allein kann dies nicht.
Diese grundlegenden Bedingungen der Freizeitenarbeit führen dazu,
dass bei entsprechenden Maßnahmen der Prävention vor sexuellen Missbrauch besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Denn überall dort, wo Menschen einander nahe kommen, Beziehungen eingehen
und sich öffnen, beinhaltet dies auch die Gefahr, dass dieses Vertrauen
missbraucht wird. Es ist bekannt, dass Menschen mit pädophilen und
pädosexuellen Neigungen gezielt Kontaktmöglichkeiten zu jungen Menschen suchen – auch in der Kinder- und Jugendarbeit. Die Augen vor den
hiermit verbundenen Gefahren zu verschließen, wäre fahrlässig. Auch das
Verhalten Heranwachsender untereinander birgt die Gefahr von Grenzüberschreitungen und verlangt deshalb nach klaren Normen. Es muss klar
sein, was ein Urlaubsflirt und was ein Übergriff ist.
Mit der Konkretisierung des Schutzauftrages der Kinder- und Jugendhilfe
am 01.10.2005, insbesondere durch die §§ 8a und 72 a Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG-SGB VIII) wächst die Notwendigkeit, auch in der
Kinder- und Jugendarbeit klare Standards für die Prävention von Kindeswohlgefährdungen zu schaffen, vor allem hinsichtlich der Gefährdungen
durch sexuelle Übergriffe. Für die Jugend-Freizeitenarbeit dürfte dies vor
1
Fauser, K.; Fischer, A.; Münchmeier, R.: Jugendliche als Akteure im Verband.
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der Evangelischen Jugend. Jugend im Verband
Band 1. Opladen 2006.
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allem bedeuten, gute Praxis in bewusste Konzeptionen und klare Normen
zu überführen und damit verlässlich, erwartbar und sichtbar zu machen.
Damit soll kein „Roll Back“ hin zu einer moralinsaueren Pädagogik eingeleitet werden. Ferienfreizeiten sind für junge Menschen auch ein Experimentierfeld für Beziehungen. Und das soll in der Evangelischen Jugend
auch so bleiben.
Den zahllosen Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen, die tausende
von Fahrten und Freizeiten, Wochenendaktionen, Camps, Zeltlager, Jugendreisen und Bildungsmaßnahmen und so vieles mehr verantworten,
soll dieser Band dazu eine Hilfe sein und viele Anregungen bieten.
Hannover, im Oktober 2007
Mike Corsa, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (aej)
Gerhard Grzegorek, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer
Jugendferiendienste e.V. (BEJ)
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Tamara Meyer-Goedereis
Diplom-Religionspädagogin/Diakonin
Geschäftsführende Referentin der Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer Jugendferiendienste e.V.,
Referentin Sachgebietsleitung/Inhaltliches Controlling
öffentliche Förderung, Arbeitsgemeinschaft der
Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Zur Orientierung: Sexualität und Sexualpädagogik in der Freizeitenarbeit
Ausgangsüberlegungen
Betreuer(innen) im Kinder- und Jugendreisebereich, speziell wenn sie das
erste mal unterwegs sind, weisen oft Unsicherheiten im Hinblick auf ihre
Möglichkeiten und Grenzen auf, was ihr eigenes Verhalten bezüglich der Sexualität der Mitreisenden anbelangt. Dabei sind hier besonders sensible Grenzen gesetzt. Zum einen müssen die Vorgaben des Sexualstrafrechts beachtet
werden, denn entsprechend der ihnen übertragenen Aufsichtspflicht sollen
sie die Teilnehmer(innen) vor Schaden bewahren. Zum anderen bestehen im
Bereich der Sexualpädagogik enge Grenzen, da die Jugendreiseleiter(innen)
ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten nicht das Recht auf sexuelle
Aufklärung der zu betreuenden Jugendlichen haben.
Erziehung und Aufsicht stehen allerdings in fortwährender Wechselwirkung und die Überlassung der Aufsichtspflicht an einen Träger bedeutet
in der Regel auch die Zustimmung zu seiner Ideologie und der daraus
resultierenden Ziele, Methoden und Umgangsformen. Das bedeutet, dass
die Jugendreiseleiter(innen) für die Jugendlichen offen und reaktionsfähig
sein dürfen, was Fragen und Unsicherheiten bezüglich Sexualität betrifft
und somit nicht jede Unterhaltung mit dem Hinweis auf das elterliche
Aufklärungsrecht vermeiden sollen. Durch ihre Verhaltensweise, Authentizität, Aufrichtigkeit und eine möglichst objektive Beantwortung der Fragen lernen die Jugendlichen verschiedene Umgangsformen mit Sexualität
kennen und bereichern damit ihren Handlungsspielraum. Überdies ist es
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erforderlich, Unwissen oder Unsicherheiten von Jugendlichen sensibel zu
berichtigen.
Voraussetzung für sexualpädagogisches Handeln ist eine wertschätzende Stimmung innerhalb der Gruppe und die Konfrontation der
Jugendreiseleiter(innen) mit ihrer eigenen sexuellen Identität. Eigene
Kenntnisse, verborgene Gefühle und unbefriedigte Hoffnungen führen
nicht selten zu problematischer Haltung, überzogenen Erwartungshaltungen oder Voreingenommenheiten. Es ist wichtig, auch die eigenen
Schwächen, Grenzen und Probleme zu kennen und sich damit auseinanderzusetzen. Ein offener, reflektierender Umgang mit sich selbst ermöglicht den Jugendreiseleiter(inne)n einen eben solchen Umgang mit den
Jugendlichen.
Weiter sind Sensibilität im Bezug auf die Lebenswelt der Jugendlichen,
eine höfliche Begleitung und unterstützende Hilfe bei Problemen wichtig.
Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Jugendreiseleiter(innen)
keine ausgebildeten Therapeuten oder Lebensretter(innen) sind. Es wäre
auch fatal, anerzogene moralische Schranken einzureißen und die Jugendlichen mit den anschließenden Widersprüchlichkeiten alleine zu lassen. Oft wollen Jugendliche auch gar keine detaillierten, sachorientierten
Referate, Statements und Berichte über Sexualität hören, sondern nur die
eigenen Erfahrungen und Werte der „Erwachsenen“ kennenlernen, um
sich zu orientieren.
Sexualerziehung markiert ein Spannungsfeld
Jugendreiseleiter(innen) befinden sich im Spannungsfeld zwischen rechtlichen und pädagogischen Positionen. Aufbauend auf die Ziele emanzipatorischer Sexualpädagogik können durch Ehrlichkeit innerhalb der
selbstgesetzten Grenzen, Klarheit im Denken, Empfinden und Handeln,
die Jugendlichen befähigen, ein weites Lernfeld für den Umgang mit sich
selbst zu schaffen. Im Folgenden soll daher in aller Kürze ein Orientierungsrahmen für sexualpädagogisches Handeln im Bereich der Jugendreisen und der Freizeitenarbeit gegeben werden. Dabei wird jeweils auf weiterführende Beiträge in diesem Band oder in entsprechender Fachliteratur
verwiesen:
9
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Orientierungspunkte für sexualpädagogisches Handeln
Sexualstrafrecht und Aufsichtspflicht
Gemäß der ihnen übertragenen Aufsichtspflicht für den Zeitraum der Reise
sollen die Freizeitleiter(innen) die Teilnehmer(innen) vor Schaden bewahren. Dabei ist es nicht relevant, ob die Aufsichtspflicht mündlich, schriftlich oder nur stillschweigend übernommen wurde. Es sind unterschiedliche
Konstellationen denkbar, die zu beachten sind:
Zum einen muss durch eine sachgerechte Ausübung der Aufsichtspflicht
die dem oder der Mitarbeiter(in) anvertraute minderjährige Person davor
geschützt werden, Opfer eines sexuellen Übergriffes zu werden – genau
so, wie es vor Autos, Feuer, Messern und anderen potentiellen Gefahrenquellen zu schützen gilt. Zum anderen muss durch Beaufsichtigung
verhindert werden, dass Dritte zum Opfer sexueller Übergriffe durch die
beaufsichtigte Person werden. Beide Konstellationen können natürlich in
einer Situation zusammenfallen. Verletzungen der Aufsichtspflicht können zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen, soweit Schäden entstehen, und auch strafrechtlich geahndet werden.
Für eine sachgerechte Ausübung der Aufsichtspflicht gibt es Faustregeln,
die jedem Aktiven in der Jugendarbeit bekannt sein müssen. Mit Blick
auf die Situation Minderjähriger, mit Blick auf die Fürsorgebeziehung
und auch auf reiserechtliche Zusammenhänge ist eine klare Kenntnis der
rechtlichen Regelungen und ihrer Anwendung unabdingbar.
Dazu gehört die Kenntnis über
--> Regelungen mit Blick auf Altersgrenzen,
--> die Einordnung und Abgrenzung sexueller Handlungen,
--> die Einschätzung von Abhängigkeits- und Fürsorgebeziehungen.
Eine vertiefte Aufstellung findet sich im Beitrag „Sexualstrafrecht“ von
Hans Hirling in diesem Band.
Eine kurze und gut lesbare Zusammenfassung zum Sexualstrafrecht
liefert: Landesjugendring Niedersachsen e. V. (Hrsg.): Juleica, Handbuch für
Jugendleiter(innen) und Jugendleiter, S. 126 ff.
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Zu beziehen bei:
Landesjugendring Hannover,
Maschstr. 24, 30169 Hannover,
Telefon: 0511 805055, Fax: 0511 805057,
E-Mail: [email protected]
Beauftragt zu schützen
Jugendreisen und Freizeiten sind Maßnahmen der Kinder- und Jugendarbeit und damit Teil der Kinder- und Jugendhilfe. Damit unterliegen Tätigkeiten in diesem Bereich den Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG-SGB VIII). Relevant ist hier vor allem der Schutzauftrag
der Kinder- und Jugendhilfe, wie er im § 8a KJHG-SGB VIII festgeschrieben ist. Dieser Schutzauftrag schreibt das Tätigwerden bei Hinweisen auf
Kindeswohlgefährdungen vor. Jede Form des Missbrauches ist als Kindeswohlgefährdung zu werten und verlangt daher eine entsprechende Intervention. Dies gilt natürlich auch, wenn der Missbrauch außerhalb der
Freizeit stattfand und sich auf der Freizeit Hinweise auf ihn ergeben etwa
durch Verhaltensauffälligkeiten u. ä.
Die Umsetzung des Schutzauftrages beinhaltet
--> die qualifizierte Beobachtung,
--> die gemeinsame Beratung,
--> das Angebot von Hilfe,
--> das Hinzuziehen besonders geeigneter Fachkräfte und notwendigen
Falles die Einschaltung des Jugendamtes.
Freizeitleiter(innen) sollten sich nicht scheuen, mögliche Fälle anonymisiert
dem Jugendamt vorzutragen und weitere Beratung zu erhalten. Tiefergehend wird das Thema im Beitrag „Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe
– Besonderheiten mit Blick auf Kinder- und Jugendreisen“ von Florian Dallmann behandelt. Der aej-Band „Kinderrechte gegen Gewalt und Missbrauch“
bietet Hinweise zu allen damit verbundenen Fragestellungen.
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (Hrsg.): Kinderrechte gegen Gewalt und Missbrach, Die Umsetzung
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des Schutzauftrages der Kinder- und Jugendhilfe in der Evangelischen Jugend,
Hannover 2007.
Kostenfrei zu beziehen bei:
Arbeitsgemeinschaft der
Evangelischen Jugend in der
Bundesrepublik Deutschland e. V. (aej),
Otto-Brenner-Straße 9, 30159 Hannover,
Telefon: 0511 1215-136, Fax: 0511 1215-299,
E-Mail: [email protected]
Sexualerziehung auf Freizeiten und Jugendreisen
Sexualerziehung und vor allem die sexuelle Aufklärung sind sehr persönliche Angelegenheiten und daher zunächst und vor allem Aufgabe und
Vorrecht der Eltern. Jugendreiseleiter(innen) haben daher ohne ausdrückliche Erlaubnis der Erziehungsberechtigten nicht das Recht auf sexuelle
Aufklärung der zu betreuenden Jugendlichen. Mit Ausnahme spezifischer
Maßnahmen (z. B. einschlägige Bildungsmaßnahmen) haben gezielte
sexualerzieherische Programmbestandteile auf Freizeit- und Erholungsmaßnahmen ohne Genehmigung der Eltern und/oder besonderen Anlass
keinen Raum.
Sexualerziehung ist kein Standard-Programm der Freizeitenarbeit, weil
sie vor allem den Eltern obliegt und Jugendarbeit hier nur nachrangig tätig werden darf. Dabei ist es egal, ob eher liberale oder emanzipatorische
oder konservativ-wertegebundene Haltungen oder Bestrebungen im Hintergrund stehen. Wer im engeren Sinne sexualpädagogisch tätig werden
möchte, sollte sich durch eine entsprechende Genehmigung der Eltern
absichern (Achtung: siehe dazu Abschnitt „Sexualpädagogik“).
Deutliche Grenzen findet das Elternrecht in der wachsenden Selbstständigkeit junger Menschen mit zunehmendem Alter. Diese zu beachten gebietet z. B. der § 1626 BGB Elterliche Sorge. Die Jugendarbeit ist gemäß
§ 11 KJHG-SGB VIII dadurch geprägt, dass junge Menschen sie mitbestimmen und mitgestalten. Dies heißt auch, dass sie die Behandlung entsprechender Inhalte einfordern können und hierauf situativ zu reagieren ist.
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Eine kurze Einführung bietet der Beitrag: „Sexualität in Ferienfreizeiten“ in
dem Standardwerk: Handbuch für Freizeitleiterinnen und Freizeitleiter, Düsseldorf 2002, ISBN: 3-7761-0073-8.
Zu beziehen u. a. über:
Verlag Haus Altenberg,
Carl-Mosters-Platz 1, 40477 Düsseldorf
Für eine spezifische Auseinandersetzung mit dem Thema bietet sich an:
Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugendferiendienste e.V. (Hrsg.): Reisen, Sex und Zärtlichkeit, Eine sexualpädagogische Arbeitshilfe zum Thema Jugendreisen und Sexualität. Reihe „Neue kleine Schriften“ Nr. 3, Berlin.
Zu beziehen über:
Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer Jugendferiendienste e.V. (BEJ)
c/o Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (aej),
Otto-Brenner-Straße 9, 30159 Hannover,
Telefon: 0511 1215-0, Fax: 0511 1215-299,
E-Mail: [email protected]
Sexualisierte Gewalt und Missbrauch
Sexuelle Gewalt und Missbrauch sind nicht immer leicht zu erkennen. Es
ist einfach, einen eindeutigen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches zu identifizieren. Mit diesen ist jedoch
nicht das gesamte Feld der sexuellen Gewalt gegen Minderjährige erfasst.
Ziel der Kinder- und Jugendarbeit muss sein, sexualisierte Gewalt als sol-
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che zu verhindern – und nicht bloß dem Eintreten von Straftatbeständen
vorzubeugen. Sexualisierte Gewalt
--> geht mit einem Macht- oder Abhängigkeitsverhältnis einher
(Alter, Leitungsfunktion).
--> dient dem Ausleben eigener Bedürfnisse der Täter(innen).
--> vollzieht sich in sexuellen Handlungen.
--> ist in der Regel eine bewusste, geplante und vorbereitete Tat.
--> ist fast immer eine Wiederholungstat.
--> geht überwiegend von Männern aus.
Der Beitrag „Sexualisierte Gewalt, Ein Thema auf Kinder- und Jugendfreizeiten“ von Kai Sachs gibt eine verständliche Einführung in Hintergründe
und Erscheinungsformen in: Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugendferiendienste e.V. (Hrsg.): Qualität bei Kinder- und Jugendfreizeiten, Eine Aufsatzsammlung. Reihe „Neue kleine Schriften“ Nr. 6, Hannover 2005, S. 124 ff.
Zu beziehen über:
Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer Jugendferiendienste e.V. (BEJ)
c/o Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (aej),
Otto-Brenner-Straße 9, 30159 Hannover,
Telefon: 0511 1215-0, Fax: 0511 1215-299,
E-Mail: [email protected]
Eine umfassendere Einführung ohne die Eingrenzung auf die Freizeitenarbeit bietet diese Arbeitshilfe:
CVJM-Gesamtverband (Hrsg.): Sexueller Gewalt begegnen, CVJM-Arbeitshilfe
Zu beziehen für 3,- Euro bei:
CVJM Gesamtverband,
Im Druseltal 8, 34131 Kassel,
Telefon: 0561 3087-222, Fax: 0561 3087-270,
E-Mail: [email protected]
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Prävention sexuellen Missbrauches
Die Prävention sexuellen Missbrauches bedeutet, durch Anstrengungen
vor einem Missbrauch zu verhindern, dass dieser erfolgt. Dies setzt immer
zwei Ebenen voraus:
--> Jungen und Mädchen sollen keine Opfer sexualisierter Gewalt werden
(Opferprävention)
--> Jungen und Männer, Mädchen und Frauen sollen keine Täter(innen)
werden (Täterprävention).
Dabei sind sehr unterschiedliche Stufen denkbar. Im weitesten Sinne beginnt Prävention damit, dass Kinder sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln können, die weder leicht Opfer, noch später Täter(innen) werden.
Im engsten Sinne geht es darum zu verhindern, dass Pädosexuelle Gelegenheiten zu Übergriffen erhalten. Der Beitrag von Brunhilde Schmidt
„Neue Perspektiven der Prävention sexualisierter Gewalt im Jugendverband“
zeigt die präventiven Möglichkeiten in der Planung von Freizeiten auf. Der
nicht weniger wichtigen Frage der Täterprävention geht Wilfried Drews
in seinem Beitrag „Keine Chance für ein Tabu – präventive Pädagogik gegen
sexualisierte Gewalt“ nach.
Bausteine für die Aus- und Fortbildung von Ehrenamtlichen zur Prävention von sexuellem Missbrauch in der Kinder- und Jugendarbeit bietet die
Materialmappe:
Amt für Evangelische Kinder- und Jugendarbeit der Evangelischen Landeskirche
in Baden (Hrsg.): Es fängt ganz harmlos an, Baden 2005.
Zu beziehen über:
Amt für Kinder- und Jugendarbeit
der Evangelischen Kirche in Baden,
Blumenstr. 1 – 7, 76133 Karlsruhe,
Telefon: 0721 9175-458, Fax: 0721 9175-479,
Internet: www.ejuba.de
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Sexualpädagogik
Oben wurde ausgeführt, dass die Kinder- und Jugendarbeit nur einen
nachrangigen sexualpädagogischen Auftrag gegenüber den Eltern hat.
Seit die – heute noch gültigen – Grenzlinien, was Kinder- und Jugendarbeit hier darf und soll, in den 70er Jahren gezogen worden sind, hat
sich die gesellschaftliche Situation von Kindern und Jugendlichen deutlich
verändert. Neue Herausforderungen wie der Umgang mit Aids sind erst
danach aufgetreten. Auch das Ausmaß der Gefahr, Opfer von Missbrauch
zu werden, wurde erst in den 90er Jahren in der ganzen Breite erkannt.
Der 11. Kinder- und Jugendbericht des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend hat 2002 die These vom „Aufwachsen in
öffentlicher Verantwortung“ formuliert. Zusammengenommen muss daher davon ausgegangen werden, dass eine Kinder- und Jugendarbeit ohne
ausgewiesene und reflektierte, zeitgemäße Sexualpädagogik den aktuellen
Herausforderungen nicht gewachsen sein dürfte – auf Freizeiten ebenso
wie in Gruppen, Projekten und anderen Angeboten.
Als letzte Literaturempfehlung bietet der Klassiker der Sexualpädagogik in
der Kinder- und Jugendarbeit eine Fülle von Materialien und Entwürfen:
Sielert, Uwe; Keil, Siegfried u. a. (Hrsg.): Sexualpädagogische Materialien für die
Jugendarbeit in Freizeit und Schule, Weinheim 1993, ISBN 3-7799-2034-2.
Zu beziehen über den Buchhandel.
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Florian Dallmann
Referent für Kinder- und Jugendpolitik bei der Arbeitgemeinschaft
der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e. V.
Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe
– Besonderheiten mit Blick auf Kinder- und Jugendreisen
Am 1. Oktober 2005 ist das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz
(KICK) in Kraft getreten, nachdem es am 3. Juni 2005 vom Bundestag verabschiedet wurde und am 8. Juli 2005 die Zustimmung des Bundesrates erhielt.
Zwei Bestimmungen, die §§ 8 a und 72 a Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG
– SGB VIII), haben auch Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendarbeit und
die Jugendverbandsarbeit. Ihre Organisationen müssen zum einen – soweit sie
Träger von Einrichtungen und Diensten sind – den Schutzauftrag ebenso umsetzen wie z. B. Jugendämter. Zum anderen müssen Wege gefunden werden, dafür
Sorge zu tragen, dass nur geeignete Fachkräfte in der Kinder- und Jugendarbeit
tätig sind. Dies betrifft im engeren Sinne einschlägig vorbestrafte Personen. Tatsächlich wird damit aber die Frage der verlässlichen Prävention von Missbrauch,
Misshandlung oder anderer Gefährdung aufgeworfen.
Juristische Konsequenzen für Kinder- und Jugendreisen:
Ziel dieses Beitrages ist es, den durch den „Schutzauftrag der Kinder- und
Jugendhilfe“ gegebenen gesetzlichen Rahmen für den Umgang mit Sexualität und die Prävention sexueller Gewalt und Ausbeutung bei Kinder- und
Jugendreisen auszuarbeiten. Dabei muss sowohl berücksichtigt werden,
welche konkreten Konsequenzen die Gesetzesnovellierung für die Praxis
hat, als auch, welche weitergehenden Konsequenzen sich aus den dahinter liegenden Intentionen ableiten lassen und was diese für die Weiterentwicklung der Praxis bedeuten.
Daher gilt es zunächst festzustellen, dass die Frage der Umsetzung des
Schutzauftrages der Kinder- und Jugendhilfe und die Frage der Präven-
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tionen sexuellen Missbrauchs auf Kinder- und Jugendreisen zwar Überschneidungen haben, aber alles andere als deckungsgleich sind.
a.) Der Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe bezieht sich auf Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Nicht alle Formen der Kinderund Jugendreisen oder des Jugendtourismus sind als Kinder- und Jugendhilfe anzusprechen.
Zunächst sind mit Sicherheit die Kinder- und Jugendfreizeiten von
anerkannten freien Trägern sowie Sonderformen wie internationale
Begegnungsmaßnahmen usw. eindeutig als Teil der Kinder- und Jugendhilfe zu sehen. Daneben kennt das KJHG eine Definition von
Kinder- und Jugendarbeit, die auch auf andere Maßnahmen anzuwenden ist. In diesem Zusammenhang werden ausdrücklich im § 11 KJHG
„andere Träger“ (als anerkannte freie Träger) benannt. Wenn also eine Jugendreisemaßnahme eines kommerziellen Trägers deutlich die
Merkmale von Jugendarbeit (selbstbestimmt, interessenorientiert usw.)
aufweist, kann diese durchaus als Teil der Kinder- und Jugendhilfe begriffen werden, auch wenn sie nicht von einem anerkannten Träger der
Kinder- und Jugendhilfe veranstaltet wird.
b.) Alle Träger, die keine öffentlichen Träger sind (also anerkannte freie Träger und andere Träger), werden nicht automatisch und direkt von den
Bestimmungen berührt, sondern nur, soweit sie entsprechende Vereinbarungen mit dem öffentlichen Träger über die Umsetzung der o. g. Bestimmungen abgeschlossen haben. Überall dort, wo solche Vereinbarungen
die Umsetzung konkretisieren, ist dies die relevante Arbeitsgrundlage.
Überall dort, wo es der öffentliche Träger versäumt hat, solche Vereinbarungen abzuschließen, muss das Gesetz eher als Orientierung gelten.
Die §§ 8 a und 72 a KJHG beziehen sich auf „Gefährdungen des Kindeswohles“. Damit gehen sie über den Bereich des sexuellen Missbrauches weit hinaus. Eine Kindeswohlgefährdung kann physisch oder
psychisch aber auch finanziell sein. Sie ist je individuell abzuschätzen
und festzustellen. Es ist aber grundsätzlich und immer davon auszugehen, dass jeder sexuelle Missbrauch das Kindeswohl gefährdet. Damit gilt: immer, wenn es um sexuellen Missbrauch geht, wird auch
der § 8 a KJHG relevant. Aber eine Umsetzung des Schutzauftrages
kann sich nicht alleine auf den sexuellen Missbrauch als eine mögliche
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AEJ komplett.indb Abs1:21
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Gefährdung beschränken. Wer sich nur um die Prävention sexuellen
Missbrauchs kümmert, leistet zwar einen Beitrag zur Umsetzung des
Schutzauftrages, erfüllt diesen aber nicht gänzlich.
c.) Vom § 8 a KJHG wird die freie Kinder- und Jugendhilfe (also z. B. die
Jugendverbände) nicht in ihrer Gänze betroffen, sondern nur soweit
sie Träger von Einrichtungen und Diensten ist. Eine Einrichtung ist
ein kontinuierliches Angebot mit lokaler Komponente, das offen zugänglich ist, also Jugendfreizeitstätten, Jugendbildungseinrichtungen,
Jugendtreffs, usw. (aber keine Büros). Ein Dienst ist ein kontinuierlich vorgehaltenes Angebot. Freizeiten, Jugendreisen, Erholungsmaßnahmen oder Seminare sind dagegen Veranstaltungen. Der Abschluss
von Vereinbarungen nach § 8 a betrifft Jugendreisen also nur, wenn
sie sich aus dem erstgenannten Rahmen ergeben. Andernfalls dürften sie im Regelfall nicht den Bestimmungen des § 8 a KJHG unterliegen. Allerdings gibt dies bei weitem keine „Entlastung“ von einem
sachgerechten Vorgehen. Auch ohne Vereinbarung oder direkter Betroffenheit muss die jeweils verantwortliche Person sich um deutliche
Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen kümmern, sonst macht sich
eines sogenannten „unechten Unterlassungsdeliktes“ schuldig. Darüber hinaus bestehen entsprechende Anzeigepflichten. Daher lässt sich
getrost sagen: Man muss auf jeden Fall aktiv werden – dann kann man
es auch gleich richtig machen. Nämlich so, wie es der § 8 a KJHG vorschreibt (oder besser: nach der o. g. Differenzierung nahelegt).
d.) Vom § 72 a KJHG, der die Überprüfung der Eignung der Fachkräfte
festschreibt, ist weiterhin nicht jede(r) Mitarbeitende betroffen, sondern nur hauptberufliches Personal. Auch hier ist darüber, wie die Eignung bei freien Trägern festgestellt wird, zunächst eine Vereinbarung
zu treffen. Die Einholung von Führungszeugnissen betrifft also nach
dem Gesetz keine ehrenamtlichen Mitarbeitenden.
Diese Einschränkungen machen deutlich, dass der Bereich der Kinder- und
Jugendreisen durch die KJHG-Novellierung eher indirekt und fachlich als direkt und juristisch angesprochen wird. Wo Jugendreisen unter die Gesetzesbestimmungen fallen (etwa beim Betrieb von Freizeiteinrichtungen) müssen
diese Regelungen auf jeden Fall verlässlich und ernsthaft aufgegriffen und
umgesetzt werden.
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Besondere Anforderungen an Jugendreisen
Wesentlicher erscheint jedoch, dass mit diesen juristischen Vorgaben
Standards für weite Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe geschaffen werden, die verlässlich Qualität erzeugen sollen. Diese neuen Wege und Modelle und die Erkenntnis, dass Kinder- und Jugendhilfe nicht per se ein Ort
der Hilfe und der Sicherheit für Kinder und Jugendliche ist, fordert aber
alle Bereiche heraus. Hier ist die Arbeit im Bereich der Freizeiten- und
Erholungsmaßnahmen besonders herausgefordert.
Leben teilen heißt: Bisher Unbekanntes erkennen
Wenn man die Texte und Materialien zum Thema sexuellen Missbrauch
studiert, die in Jugendverbänden verwendet werden, fällt auf, dass gerade
Kinder- und Jugendfreizeiten der Ort zu sein scheinen, an denen Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen deutlich werden.
--> Auf Freizeiten zeigt sich häufig erst das gesamte Ausmaß von Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen, die vorher in der Gruppenstunde nur punktuell, gemindert (und damit „erträglich“) auffielen.
--> Dies trifft insbesondere zu, weil auf Freizeiten größere unstrukturierte
Räume mehr individuelles Verhalten ermöglichen.
--> Phänomene wie Misshandlungsspuren werden häufig erst beim Duschen, Umziehen usw. entdeckt.
--> Gleiches gilt übertragen für sexuelle Auffälligkeiten.
Mit anderen Worten: Der pädagogische Sinn von gemeinsamen Freizeiten usw. liegt gerade auch darin, dass man einander ganzheitlicher, umfassender und intensiver erleben kann. Daher sind dies auch die Bereiche,
in denen Hinweise entdeckt werden, die sich z. B. im Gruppenalltag der
Wahrnehmung entziehen. Aus dem § 8 a KJHG kann man nur die Konsequenz ziehen, die sich hier bietenden Erlebnisse ernsthaft gemeinsam
im Team auszutauschen, zu bewerten und auch gezielte Vorgehensweisen
abzustimmen.
Intensivierte Beziehung schafft Vertrauen
Geradezu stereotyp wird in der einschlägigen Literatur der Jugendverbände zum Thema die Kinder- und Jugendfreizeit als Gelegenheit der Offenbarung von Missbrauch und Misshandlung geschildert. Dem scheinen
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entsprechende Erfahrungen zu Grunde zu liegen. Nach den Erfahrungen
des Autors ist dieser Zusammenhang zumindest evident. Ernsthafte Wünsche nach Seelsorge, Beratung und konkreter Hilfe entstehen in der Tat
eher nachts am Lagerfeuer als nach der Gruppenstunde. Nicht unwesentlich ist dabei auch die Gruppendynamik, wenn ein ganzer Freundeskreis
hier ermutigt, begleitet oder sogar „die Sache selbst in die Hand nimmt“.
Gerade diese Möglichkeiten muss Kinder- und Jugendarbeit als ihren spezifischen Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen begreifen:
Kein(e) Mitarbeiter(in) eines Jugendamtes, eines Schutzdienstes oder einer Beratungsstelle wird solche Chancen zur Hilfe je bekommen. Freilich
setzt dies nicht nur die konkrete Hilfekompetenz voraus, sondern auch
eine Gruppenpädagogik, die Freizeiten als Ort der Stärkung, Selbstbestimmung, Solidarität und Reflexion nutzt.
Gelegenheit macht Missbrauch
Die erweiterten Möglichkeiten, Beziehungen zu knüpfen, Vertrauen aufzubauen und Leben zu teilen, können jedoch auch missbraucht werden.
Konkreter: Wir wissen, sie werden missbraucht. Auch wenn es keine Statistik gibt, und zumindest dem Autor kein Fall einer einschlägigen Verurteilung in diesem Kontext bekannt ist, so ist doch leider eine Zahl konkreter
Fälle bekannt. Das lässt keinen anderen Schluss zu, als dass auch Kinderund Jugendfreizeiten im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit Orte des
Missbrauches und insbesondere eine Möglichkeit zur Anbahnung von Beziehungen sind, die Missbrauch erst ermöglichen. Das ist kein Wunder. Es
ist bekannt, dass Pädosexuelle gezielt solche Situationen suchen. Zu lange
wurde dies aber von Verantwortlichen schuldhaft verdrängt und verleugnet, nach dem Motto „Bei uns gibt es so etwas nicht“.
Nach den Erfahrungsberichten, die informell ausgetauscht werden, scheint
es hier drei besonders schwierige Bereiche zu geben:
--> der Missbrauch unter Teilnehmenden selbst, häufig unter der Nutzung
von Gruppenzwang und ähnlichen Mechanismen. Diese Situationen
liegen zudem häufig noch im Grenzbereich zu einer alterstypischen
Erprobung sexueller Verhaltensweisen, deren Grenzen äußert schwer
zu ziehen sind. Kinder und Jugendliche, die hier zu Täter(innen) werden, haben selbst oft Missbrauchs- oder Misshandlungserfahrungen
erleben müssen.
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--> Ein spezifisches Problem ist die Rollendiffusion junger Mitarbeitender,
die auf der einen Seite ihre eigene Entwicklung noch nicht abgeschlossen und auf der anderen Seite bereits Mitarbeitendenstatus haben und
-aufgaben erfüllen. Kinder- und Jugendarbeit muss ein Feld des Engagements junger Menschen für Gleichaltrige oder Jüngere sein und
bleiben. Dabei müssen aber die Grenzen – z. B. Flirts, Annäherungsversuche und sogar sexuelle Kontakte zu Gleichaltrigen oder nahezu
Gleichaltrigen oder Jüngeren – klar sein.
--> Schließlich ist davon auszugehen, dass Pädosexuelle gezielt Kontakträume zur Kontaktanbahnung oder für Missbrauchshandlungen selbst
suchen.
Jugendreisen haben dadurch, dass hier Leben geteilt wird, eine Fülle sensibler Situationen, in denen die Kontrollmechanismen, wie sie etwa im
Gruppenalltag greifen, nicht zum Tragen kommen. Sensible Bereiche sind
natürlich etwa die Pflege der Körperhygiene, die Anleitung sportlicher
Übungen, das Teilen von Übernachtungsmöglichkeiten oder das Suchen
körperlicher Nähe durch jüngere Teilnehmende. Hinzu kommt die Möglichkeit, gezielt Zweier-Situationen herzustellen, durch die die potentiellen
Täter(innen) die Kinder und Jugendlichen der Gruppensituation entziehen,
etwa durch „vertrauliche“ Gesprächssituationen, Sonder-Zuwendung, medizinische oder hygienische Versorgungsmaßnahmen, Einkaufsfahrten,
Spaziergänge usw.
In all diesen Bereichen sind besondere Sensibilität und klare Verhaltensregelungen – auch zum Selbstschutz von Mitarbeitenden – angezeigt. Das Verhalten beim Duschen, Baden, bei der Nachtaufsicht usw.
muss klar geregelt sein. Wenn Zweiersituationen gesucht und geschaffen werden, muss das Team informiert sein. Einzelne Nachkontakte von
Mitarbeiter(innen) zu einzelnen Kindern, die zu Übernachtungen, gemeinsamen Ausflügen usw. führen, müssen beobachtet und nötigenfalls
geklärt werden.
Besondere Zielgruppen
Aktuelle Entwicklungen und Verschiebungen im Bereich der Kinder- und
Jugendfreizeiten machen es schließlich erforderlich, zwei Sonderfälle konkret zu benennen.
Offenbar gehen Kinder- und Jugendheime der Erziehungshilfe in
den letzten Jahren massiv dazu über, Kinder und Jugendliche gezielt zu
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(kostengünstigen) Ferienmaßnahmen der Jugendverbände anzumelden.
Dem Grunde nach ist dies als sinnvolle Integrationsmaßnahme und Weg
zur Normalität zu begrüßen. Leider hat dies oft den Charakter der „Verklappung“: Im Vergleich zu den Kosten des durchgehenden Heimbetriebes sind Jugendfreizeiten spottbillig; es lohnt sich, eine Heimgruppe für
14 Tage zu schließen.
Häufig werden Freizeitträger dann auch nicht ausreichend vorinformiert oder größere Gruppen solcher Kinder und Jugendlichen aus Erziehungsheimen sprengen schlicht und einfach weitgehend ehrenamtlich
geleitete Freizeiten.
Bei dieser Zielgruppe ist ohnehin in aller Regel massiv erhöhte pädagogische Berücksichtung geboten. Mitarbeitende, die mit diesen Kindern
und Jugendlichen arbeiten, müssen sich darüber hinaus unbedingt im
Klaren sein, dass eine Heimunterbringung durch das Jugendamt heute in
aller Regel nur noch bei massivsten Problemen durchgeführt wird. Und
hier ist der Hintergrund des sexuellen Missbrauches sehr häufig anzunehmen. Präventive Maßnahmen im o. g. Sinne scheinen daher unerlässlich
– sowohl, um zu verhindern, dass diese Kinder und Jugendlichen während
der Maßnahme zu Täter(inne)n werden, aber auch weil sie eine erhöhte
Disposition mitbringen, erneut zum Opfer zu werden.
Abgemildert und nicht auf sexuellen Missbrauch begrenzt gilt dies für die
zunehmende Zahl von Maßnahmen, die sich gezielt an Teilnehmende
aus sozial randständigen oder belasteten Familien richten. Häufig sind
dies Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt oder Diakonischen Werken durchgeführt werden. Damit keine Kurzschlüsse entstehen: Sexueller Missbrauch ist kein Unterschichtsphänomen. Sexueller
Missbrauch betrifft auch Kinder und Jugendliche aus Mittel- und Oberschichtsfamilien. Massive soziale Problemlagen bedeuten aber häufig eine
erhöhte Disposition für sexuellen Missbrauch.
Umsetzung des Schutzauftrages
Aus den angestellten Überlegungen ergibt sich, dass Kinder- und Jugendreisen ein Feld sind, das durch den Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe besonders herausgefordert wird. Daher soll im Folgenden noch einmal
die generelle Umsetzung der Bestimmungen des KJHG ausgeführt und
mögliche Besonderheiten für Kinder- und Jugendreisen aufgezeigt werden:
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Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8 a KJHG
Mit § 8 a KJHG ist in das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) ein
eigener Artikel eingeführt worden, der sich mit dem Schutzauftrag bei
Kindeswohlgefährdung beschäftigt. Indem nun ein klares Verfahren vorgeschrieben wird, soll die Kinder- und Jugendhilfe dazu beitragen, solche
Fälle zukünftig zu verhindern. Kinder sollen noch besser vor Missbrauch,
Vernachlässigung oder anderer Kindeswohlgefährdungen geschützt werden. Der öffentliche Träger in Absatz 1 wird zu einer Einschätzung des
Gefährdungsrisikos des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen „in Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte“ verpflichtet, sobald „gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung“ auftreten. In Absatz 2 wird der öffentliche Träger dann aufgefordert, „in Vereinbarungen mit den Trägern von
Einrichtungen und Diensten […] sicherzustellen, dass deren Fachkräfte
den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen“.
Damit bleibt diese gesetzliche Regelung zum Schutzauftrag nicht beim
Jugendamt, sondern erhält eine neue Bedeutung für freie Träger.
Solche gewichtigen Anhaltspunkte können z. B. die Beobachtung von
blauen Flecken oder Unterernährung sein, aber auch Schulverweigerung,
Straffälligkeit, Entwicklungsprobleme, psychische oder soziale Auffälligkeiten, Drogenmissbrauch usw. Es gibt bislang weder eine klare und
abschließende Kommentierung noch eine 1:1 anzuwendende Rechtsprechung, wann das Wohl eines Kindes gefährdet ist.
Noch schwieriger ist zu entscheiden, welche Hilfen angemessen wären,
um die Gefahren abzuwenden. Solche Fragen klären meistens Jugendämter mit den Betroffenen im jeweiligen Einzelfall und bei Konflikten die
Familiengerichte.
Die einzelne, jeweils betroffene Fachkraft auf einer Kinder- und Jugendreise muss sich natürlich zunächst im Klaren darüber sein, ob, und
wenn ja welche, Vereinbarungen ihr Träger mit dem Jugendamt geschlossen hat. Danach ist vorzugehen. Hier ist insbesondere möglich,
--> dass die Freizeitenarbeit ausdrücklich Teil der Vereinbarung ist und
hier bestimmte Standards, Vorgehensweisen o. ä. vereinbart wurden.
--> dass eine besonders geeignete Fachkraft oder ein(e) Ansprechpartner(in)
beim Träger selbst, beim Jugendamt oder bei einer Beratungsstelle
festgelegt wurde.
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--> welche weiteren Leistungen evt. vereinbart wurden.
--> welche Form der Dokumentation festgelegt wurde.
Sofern keine Vereinbarung besteht – und dies dürfte recht häufig der
Fall sein - hat sich das Problem natürlich nicht erledigt. Es ist unbedingt
empfehlenswert, hier dennoch nach dem Verfahren des § 8 a vorzugehen.
Hierbei ist nur sekundär ausschlaggebend, dass dies juristisch „die sichere
Seite“ ist. Viel wesentlicher ist, dass dies schlicht und einfach fachlich das
ist, was ohne jeden Zweifel angemessen ist. Dies bedeutet also mit oder
ohne Vereinbarung und egal, ob wegen eines Missbrauchsverdachtes oder
einer anderen Gefährdung, wie folgt vorzugehen:
Die Aufgabenstellung des § 8 a KJHG beginnt zunächst mit der Befähigung zum Erkennen von Hinweisen auf Kindeswohlgefährdungen. Bereits
das „Erkennen“ setzt einen verlässlichen Orientierungsrahmen voraus. Es
ist davon auszugehen, dass alle hauptberuflich in der Evangelischen Jugend Tätigen über die notwendigen Grundkenntnisse der Entwicklungspsychologie, Psychopathologie aber auch rechtlichen Bestimmungen usw.
verfügen. Dies sollte überall ergänzt werden durch das sichere Wissen,
was nach aktueller Rechtslage und vor allem Rechtsprechung bereits einmal als Kindeswohlgefährdung in einem anderen Fall identifiziert wurde.
Alles, was dieser Liste entspricht, sollte immer und grundsätzlich als „gewichtiger Anhaltspunkt“ gewertet werden – ganz egal, wie banal dieser
Hinweis wirkt oder wie unangenehm die Konsequenzen sind. Die Listen
werden von den meisten Landesjugendämtern in entsprechenden Arbeitshilfen herausgegeben.
Mit Blick auf die Frage, inwieweit auch Ehrenamtliche „Fachkräfte“ im
Sinne des § 8 a KJHG sein können, steht eine eindeutige Antwort noch
aus. Es ist zu befürchten, dass diese konkrete Antwort erst ein Gericht
in einem konkreten Fall geben wird. Es muss daher empfohlen werden,
dass zumindest pädagogisch ausgebildete Ehrenamtliche mit formalem
Abschluss wie Erzieher(innen) usw. ebenfalls eine solche Positivliste „im
Kopf“ haben und nach ihr ggf. aktiv werden. Im Folgenden wird daher hier
der Terminus „Fachkräfte“ verwendet.
Im nächsten Schritt – mit oder ohne Vereinbarung – sollte das gesetzlich
vorgeschriebene Verfahren in Gang gesetzt werden. Durch die Besonder-
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heiten der Kinder- und Jugendarbeit müssen zahlreiche Differenzierungen
vorgenommen werden, um sachgemäß vorzugehen. Grundsätzlich gilt,
dass bereits das Bemerken „gewichtiger Anhaltspunkte“ eine entsprechende Dokumentation auslösen sollte. In den jeweiligen Arbeitsstellen
sollte festgelegt werden, dass und wie Vorgesetzte – ebenfalls in dokumentierter Form – informiert werden.
Dies bedeutet, den Hinweis so konkret wie möglich in einem Vermerk, in
einem Tages- oder Wochenbuch oder in einem Gruppenbuch festzuhalten, ebenso wie alle weiteren Schritte und ihre Ergebnisse. Insbesondere
Beratungen und Gespräche müssen gesichert werden. Wo entsprechende
Dokumentationssysteme fehlen, ist die schriftliche Dokumentation in
Einzelformen (Vermerken) der Mindeststandard, um Rechtssicherheit zu
erlangen.
Ab diesem Schritt ist das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte
zwingend erforderlich. Dies sollten mindestens drei Personen sein, deren
Status als Fachkraft eindeutig ist. Der/die ehrenamtliche Vereinsvorsitzende/Presbyter(in) und Freizeitmitarbeiter(innen) oder gar minderjährige
„Helfer(innen)“, aber auch der/die Pfarrer(in) oder ein(e) Lehrer(in) sind
dies im Zweifelsfalle nicht. Wichtig ist, dass bereits bei diesem Schritt eine
besonders geeignete Fachkraft hinzu zu ziehen ist. Eine solche ist in aller
Regel in der Kinder- und Jugendarbeit nicht vorhanden – schon gar nicht
auf einer Freizeitmaßnahme.
Für die Realität der Evangelischen Jugend bedeutet dies wahrscheinlich häufig, die eigene Institution zu verlassen. Es können Ansprechpartner(innen)
übergreifender Ebenen hinzu gezogen werden. Ggf. werden im Rahmen
von Vereinbarungen verbindliche Ansprechpartner(innen) benannt (s. o.).
Diese müssen dann allgemein bekannt sein. Es sollten nicht „im Fall der
Fälle“ noch lange entsprechende Personen gesucht werden müssen. Daher
sind entsprechende Dienstanweisungen der Arbeitgeber(innen) sinnvoll
und sollten ggf. eingefordert werden. Vor diesem Hintergrund ist es auf
jeden Fall für die Freizeitenarbeit eine sichere Option, im Zweifelsfall das
Jugendamt zu informieren und dies zu dokumentieren. Dies wird zwar bei
öffentlichen Trägern nur bedingt Begeisterung hervorrufen, da es sich die
jeweilige Fachkraft und der jeweilige Träger so „zu einfach macht“. Es ist
in der Tat (zu) einfach (s. u.), aber sicher. Das Zusammenwirken sollte wiederum eindeutig dokumentiert werden, wobei Beteiligte und Gesprächsin-
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halte festgehalten werden müssen und zwar auch, wenn das Ergebnis ist,
dass keine Gefährdung angenommen wird.
Die – im „positiven“ Falle der Feststellung einer Kindeswohlgefährdung – weiteren Schritte sind für die Kinder- und Jugendarbeit ebenfalls
nicht unproblematisch: Wie kann beurteilt werden, ob eine Einbeziehung
der Eltern den Schutz von Kindern verhindert? Was ist, wenn ein Kind oder
Jugendlicher weiteren Schritten widerspricht? Wie kann eine Fachkraft der
Kinder- und Jugendhilfe Familien sinnvoll über weitere Hilfe beraten, wenn
sie selbst in der Regel kaum vertiefte Kenntnisse über lokale Hilfsangebote
hat? An dieser Stellen können nur einige „Eselsbrücken“ benannt werden.
--> Bei Konflikten mit dem Vertrauensschutz gegenüber den Kindern und
Jugendlichen kann ggf. die erste Einschätzung beim Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte in anonymisierter Form geschehen.
--> Akute Gefährdungssituationen verlangen eine umgehende Abstellung
der Gefährdung. Akut ist alles, was bei nicht sofortiger Abhilfe mit
hoher Sicherheit schwerwiegende Folgen haben wird. Dazu sind alle
gesundheitsgefährdenden Situationen wie massive Misshandlungen
oder Vernachlässigung und Fälle sexuellen Missbrauchs zu zählen.
Hier gilt: Egal, was ein betroffenes Kind oder ein betroffener Jugendlicher meint, – die Situation muss sofort abgestellt werden.
--> Die Einschaltung des Jugendamtes oder einer von diesem festgelegten
besonders geeigneten Fachkraft kann grundsätzlich nicht falsch sein.
Schließlich ist es wichtig, sich nicht aus falsch verstandenem Verantwortungsgefühl zu überfordern. Die eigenen Grenzen und Fähigkeiten zu kennen und zu wahren ist die Grundvoraussetzung gelingenden Handelns.
Es macht keinen Sinn, Dinge zu versuchen, für die weder die notwendige Qualifikation noch das spezifische Fachwissen vorliegt. Es sind auch
Faktoren wie Intensität des Kontaktes usw. zu berücksichtigen: Bei einem
langjährigen Gruppenmitglied bestehen mehr Möglichkeiten und damit
eine höhere Verantwortung als bei einem Kind, das einmal eine Kurz-Freizeit mitgemacht hat. Das heißt konkret, dass sehr häufig die hinzu gezogene besonders geeignete Fachkraft in das weitere Vorgehen eingebunden
werden muss oder dieses sogar federführend übernimmt. Damit endet
nicht die Verantwortung, im Rahmen der Möglichkeiten an den weiteren
Schritten mitzuwirken. Dies kann insbesondere sein:
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--> entsprechende Kontakte der betroffenen Kinder und Jugendlichen und
geeigneter Stellen zu begleiten,
--> Hilfe konkret zu vermitteln,
--> Jugendamtsvertreter(innen) bei Hausbesuchen zu begleiten,
--> vertrauensbildend auf Kinder und Jugendliche einzuwirken, um diese
zur Annahme von Hilfe zu motivieren.
An dieser Stelle bleibt vieles offen. Die Vielzahl der denkbaren Situationen
unter dem gesetzlich beschriebenen Verfahren macht es unmöglich, alle
denkbaren Probleme auch nur anzudeuten. Die Einschaltung einer besonders geeigneten Fachkraft oder die qualifizierte Information an das Jugendamt sowie eine anschließende Mitwirkung stellt die unterste Grenze
dar, was zu gewährleisten ist. Der Gesetzgeber erwartet eigentlich mehr.
Daher sei hier auch noch in aller Deutlichkeit genannt, was nicht nur
„zu einfach“ wäre, sondern auch weder den gesetzlichen Mindestanforderungen noch der Verantwortung gegenüber anvertrauten Kindern und
Jugendlichen entsprechen würde.
--> Die einfache Information an das Jugendamt ohne die Bereitschaft, weiter an der Verbesserung der Situation mitzuwirken, also diese wenigstens vertieft zu beraten oder weitere Schritte zu unterstützen.
--> Insbesondere eine einfache, möglicherweise anonyme und vage Information an das Jugendamt hilft niemandem.
§ 72 a Persönliche Eignung von Fachkräften
Der neue § 72 a KJHG legt fest, dass Träger der öffentlichen Jugendhilfe
hinsichtlich der persönlichen Eignung „insbesondere sicherstellen sollen,
dass sie keine Personen beschäftigen oder vermitteln“, die aufgrund von
einschlägigen Gewalt- oder Sexualdelikten rechtskräftig verurteilt wurden.
Dies soll beim öffentlichen Träger mit der Hilfe von Führungszeugnissen
geschehen. Für die Vereinbarungen mit den freien Trägern von Diensten
und Einrichtungen soll in Vereinbarungen geregelt werden, dass sie keine solchen Personen beschäftigen. Diese Bestimmung bezieht sich jedoch
ausdrücklich nur auf hauptberuflich Tätige.
Im Bereich der hauptberuflichen Fachkräfte läuft die Regelung relativ einfach darauf hinaus, dass die Vorlage von Führungszeugnissen erforderlich
werden wird, Näheres regeln die entsprechenden Vereinbarungen. In die-
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sen Bereich laufen in vielen Ländern und Kommunen hier die Verhandlungen. Ehrenamtliche sind von dieser Regelung nicht betroffen. Dass
bedeutet aber nicht, dass sich öffentliche Träger und freie Träger nicht
miteinander alles Mögliche vereinbaren können.
So gibt es Versuche, Jugendverbände und andere Träger der Kinderund Jugendarbeit zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen unter
Einbeziehung Ehrenamtlicher zu drängen. Teilweise wird sogar mit dem
Entzug der öffentlichen Förderung gedroht. Es muss daher bewertet werden, ob das Einholen von Führungszeugnissen auch für Ehrenamtliche
bei Kinder- und Jugendfreizeiten sinnvoll ist. Auf jeden Fall müssen nach
den eingangs angestellten Überlegungen Kinder- und Jugendfreizeiten
eindeutig als sensiblerer Bereich angesehen werden als etwa die Gruppenarbeit, da es schlicht und einfach viel mehr Möglichkeiten für Missbrauch,
für Grenzüberschreitungen und für unintendierte Fehlleistungen gibt
– nichts davon darf toleriert werden. Das Einholen von Führungszeugnissen für die zigtausenden Ehrenamtlichen auf Freizeiten – oft auch in
der Leitung ehrenamtlich organisiert – erscheint jedoch mit Blick auf Aufwand, Können, Kosten, Verwaltungsaufwand und auch die Zeitläufe gar
nicht umsetzbar. Vor allem aber muss davon ausgegangen werden, dass
Führungszeugnisse keine ausreichende Schärfe entwickeln können, um
relevant präventiv zu wirken: Nur jeder 100. Fall führt zu einer entsprechenden einschlägigen Verurteilung. Bei jungen Mitarbeitenden wären
diese zudem eher im Erziehungsregister zu finden – Führungszeugnisse
sind hier also noch aussageloser als bei Älteren. Gleichzeitig würden sie
aber häufig ein Gefühl falscher Sicherheit vermitteln. Führungszeugnisse
können dennoch in spezifischen Sonderfällen sich als Mittel der Wahl darstellen, etwa in Verdachtsfällen oder bei der Arbeit mit besonders gefährdeten Zielgruppen. Zur Prävention sexuellen Missbrauchs durch Mitarbeitende müssen jedoch wirksamere Mittel gefunden werden (und die hierfür
erforderlichen Ressourcen sollten nicht durch unsinnige und ineffiziente
Maßnahmen wie das Einholen von Führungszeugnissen vergeudet werden). Hierzu einige Leitfragen:
--> Welche Standards und Regelungen werden gebraucht, um Missbrauch
so weit wie möglich zu erschweren?
--> Gibt es genug Offenheit, um solche Themen überhaupt klar anzusprechen und zu regeln?
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--> Wie sensibel wird gerade mit den Grauzonen umgegangen, etwa wenn
Mitarbeitende gemeinsam mit Kindern übernachten usw.?
--> Wie unterstützen wir unsere jüngeren Ehrenamtlichen, um klare Mitarbeitendenrollen zu entwickeln und verantwortlich mit der eigenen
Position umzugehen?
Ausblick
In der Evangelischen Jugend gibt es bereits viele gute Ansätze, um zu
einem guten Umgang mit den Herausforderungen zu kommen. Die
Beispiele reichen von großen Projekten mit Modellcharakter wie der bayrischen Initiative „Bei uns nicht“ über Arbeitshilfen bis hin zu Bausteinen
für die Fort- und Ausbildung von Ehrenamtlichen. Nur wenn diese Initiativen und Anstrengungen weiter fortgesetzt und verbreitert werden, werden
wir der gegebenen Verantwortung gerecht. Es ist notwendig, dass aus den
jetzt geltenden Änderungen des KJHG der Impuls erwächst, das Thema
überall und umfassend aufzugreifen, zu bearbeiten und nachhaltig in den
Strukturen zu verankern – besonders im Feld Kinder- und Jugendreisen.
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Hans Hirling
ist seit 1974 ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätig und hat über
30 Jahre Erfahrung als Freizeitleiter. Er betreibt das mit dem
web-fish von der EKD ausgezeichnete Jugendleiterportal praxisjugendarbeit.de.
Sexualstrafrecht – Auszug für die Praxis der Jugendarbeit
Sexualstrafrecht – Zusammenfassung:
1. Jede sexuelle Handlung an/vor Kindern unter 14 Jahren ist strafbar.
2. Sexuelle Handlungen bzw. das Vorschubleisten mit unter 16-Jährigen
sind strafbar (Wegsehen ist nicht erlaubt).
3. Auch sexuelle Handlungen mit über 16-Jährigen können strafbar
sein.
4. Deshalb: Hände weg von Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Es kann
leicht zu „Missverständnissen“ und „Fehlinterpretationen“ kommen.
Sexualität ist ein heißes Thema und der/die Jugendleiter(in) bewegt sich
hier in einem Spannungsfeld zwischen grundverschiedenen Ansichten
seitens der Eltern, unterschiedlichen Entwicklungsständen und Erfahrungen seitens der Kinder und Jugendlichen und seiner/ihrer eigenen
Sexualität und Vorstellung. Das Sexualstrafrecht (siehe §§ 172-184 f StGB)
möchte daher die ungestörte sexuelle Entwicklung der heranwachsenden
Kinder und Jugendlichen schützen, die für eine freie Selbstbestimmung
nötig ist.
Unter der sexuellen Selbstbestimmung ist die Freiheit (individuelles
Freiheitsrecht als Rechtsgut) zu verstehen, über Ort, Zeit, Form und
Partner(in) sexuellen Verhaltens frei entscheiden zu können, ohne dass
Dritte hier bestimmend eingreifen und dazwischenfunken. Die Übernahme der Aufsichtspflicht beinhaltet daher auch, die Kinder und Jugendlichen
entsprechend den im Sexualstrafrecht genannten Punkten zu schützen.
Wie bereits zum Thema Aufsichtspflicht verschiedentlich erwähnt, macht
auch das Sexualstrafrecht Unterschiede in der Bewertung der Erheblichkeit einer Tat abhängig von:
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--> jeweilige Situation,
--> Alter des/der Minderjährigen und der sexuellen Vorerfahrung,
--> Alter des Täters/der Täterin.
Der Gesetzgeber teilt in vier Schutzaltersstufen ein:
--> Kinder bis 14 Jahren,
--> Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren,
--> Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren,
--> Volljährige ab 18 Jahren.
Kinder bis unter 14 Jahren
--> Jede sexuelle Handlung an Kindern unter 14 Jahren ist strafbar. Dies
betrifft sexuelle Handlungen von Jugendlichen oder Erwachsenen mit
Kindern unter 14 Jahren.
--> Der Versuch allein ist schon strafbar und es spielt keine Rolle, ob es mit
Einverständnis des Kindes geschah oder des/der Erziehungsberechtigten.
--> Das Strafmass richtet sich nach der Schwere der Tat (Geldstrafe oder
Freiheitsstrafe in § 176 StGB und mindestens Freiheitsstrafe in den
Fällen von §§ 176 a, 176 b).
--> Die sexuelle Betätigung (z. B. Doktorspiele) von Kindern unter 14 Jahren untereinander ist nicht strafbar. Für den Gruppenleiter/die Gruppenleiterin läge keine Aufsichtspflichtverletzung vor. Sofern der/die
Gruppenleiter(in) jedoch dies zuliesse und sich daraus für eines der
Kinder Schäden ergäben, kann der/die Gruppenleiterin dafür haftbar
gemacht werden.
--> Sexuelle Witze oder das Reden über sexuelle Dinge in zotenhafter bzw.
unschöner Art und Weise sind keine sexuellen Handlungen. Aber
aus pädagogischen Gesichtspunkten sollten diese nicht von dem/der
Betreuer(in) unterstützt werden.
§ 176 StGB
Sexueller Missbrauch von Kindern
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren
(Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird
mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
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(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle
Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an
sich vornehmen lässt.
(3) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem
Jahr zu erkennen.
(4) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt,
2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an sich vor
nimmt,
3. auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem
Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich
vornehmen lassen soll, oder
4. auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder
Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen
Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(5) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft,
wer ein Kind für eine Tat nach den Absätzen 1 bis 4 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen
Tat verabredet.
(6) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 4 Nr. 3
und 4 und Absatz 5.
§ 176 a StGB
Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
(1) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs.
1 und 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn der
Täter innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer solchen Straftat
rechtskräftig verurteilt worden ist.
(2) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs.
1 und 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn
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1. eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an
sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,
2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird oder
3. der Täter das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
(3) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer in den
Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3, 4 Nr. 1 oder Nr. 2 oder des § 176 Abs. 6
als Täter oder anderer Beteiligter in der Absicht handelt, die Tat zum
Gegenstand einer pornographischen Schrift (§ 11 Abs. 3) zu machen,
die nach § 184 b Abs. 1 bis 3 verbreitet werden soll.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von
drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer das Kind
in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3 bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(6) In die in Absatz 1 bezeichnete Frist wird die Zeit nicht eingerechnet,
in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die im Ausland abgeurteilt worden ist, steht
in den Fällen des Absatzes 1 einer im Inland abgeurteilten Tat gleich,
wenn sie nach deutschem Strafrecht eine solche nach § 176 Abs. 1 oder
2 wäre.
§ 176 b StGB
Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge
Verursacht der Täter durch den sexuellen Missbrauch (§§ 176 und 176 a)
wenigstens leichtfertig den Tod des Kindes, so ist die Strafe lebenslange
Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
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Jugendliche zwischen 14 und unter 16 Jahren
--> Jugendliche über 14 Jahren bekommen vom Gesetzgeber bereits eine
gewisse Eigenverantwortlichkeit zugestanden.
--> Sexuelle Handlungen zwischen Aufsichtspersonen mit Jugendlichen
unter 16 Jahren sind strafbar (§ 174 StGB), es wird jedoch ebenfalls das
Verhalten des Jugendlichen dabei berücksichtigt, was sich ggf. strafmildernd auswirken kann (§ 174 StGB Abs. 4). Dabei wird unterschieden nach der "Erheblichkeit" der Tat.
--> Das Ausnutzen von Zwangslagen ist ebenfalls strafbar (§ 182 StGB
Abs. 1).
--> Das Ermöglichen von sexuellen Handlungen mit Jugendlichen unter
16 Jahren ist zu verhindern. Der/die Gruppenleiter(in) darf also keinen Vorschub leisten, es nicht zulassen, erlauben oder sonst irgendwie
Gelegenheiten dafür schaffen. (§ 180 StGB). Klassisch wäre z. B. das
Erlauben von gemischtgeschlechtlichen Übernachtungszelten bzw.
Zimmern.
--> Beispiel: Ein über 14-jähriger(s) Junge/Mädchen, der/die eine(n) unter
14-Jährige(n) bestimmt, sexuelle Handlungen vorzunehmen, kann in
den Bereich strafrechtlicher Verfolgung gelangen. Die Schuldfähigkeit
und damit die Strafbarkeit ist bei Kindern unter 14 Jahren ausgeschlossen, aber ab 14 Jahren gegeben.
§ 174 StGB
Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
(1) Wer sexuelle Handlungen
1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur
Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut
ist,
2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur
Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut
oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen
Abhängigkeit oder
3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder angenommenen Kind
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vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3
1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt oder
2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen
vor ihm vornimmt,
um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 in Verbindung
mit Absatz 1 Nr. 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens des
Schutzbefohlenen das Unrecht der Tat gering ist.
§ 180 StGB
Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
(1) Wer sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an
oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an
einer Person unter sechzehn Jahren
1. durch seine Vermittlung oder
2. durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit
Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft. Satz 1 Nr. 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur
Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Vorschubleisten seine Erziehungspflicht gröblich verletzt.
(2) Wer eine Person unter achtzehn Jahren bestimmt, sexuelle Handlungen
gegen Entgelt an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem
Dritten an sich vornehmen zu lassen, oder wer solchen Handlungen
durch seine Vermittlung Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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(3) Wer eine Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur
Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder
im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit bestimmt, sexuelle Handlungen an oder vor einem Dritten vorzunehmen
oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 ist der Versuch strafbar.
§ 182 StGB
Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
(1) Eine Person über achtzehn Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie
1. unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt sexuelle
Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt
oder
2. diese unter Ausnutzung einer Zwangslage dazu bestimmt, sexuelle
Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie
1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
mit Geldstrafe bestraft.
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(3) In den Fällen des Absatzes 2 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei
denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts
wegen für geboten hält.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der
Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.
Jugendliche zwischen 16 und unter 18 Jahren
--> Es dürfen keine sexuellen Handlungen von Jugendlichen mit unter
16-Jährigen geduldet werden. Dies ist analog wie zuvor genannt. Zum
einen macht sich der/die Jugendleiter(in) strafbar, weil er/sie es zugelassen hat, zum anderen der Jugendliche über 16 Jahren selbst.
--> Besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem Jugendlichen unter 18 Jahren und einem Erwachsenen, so sind sexuelle Handlungen
strafbar, da hier ein besonderes Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird (§ 174 Abs. Ziffer 2 und 3).
--> Ansonsten gibt es keine weitere Regelung. D. h. eine intime Beziehung
zwischen einem 16- und 17-jährigen Jugendlichen zu Gleichaltrigen
oder zu einem Erwachsenen (z. B. Jugendleiter(in)) wäre also zulässig,
außer wenn ein Abhängigkeitsverhältnis (Machtstellung) unterstellt
werden kann und die sexuellen Handlungen unter Zwang (Nötigung)
erfolgten. Jedoch sollte sich der/die Jugendleiter(in) überlegen, ob ein
intimes bzw. sexuelles Verhältnis zu einem/einer über 16-jährigen
Teilnehmer(in) für die Gruppendynamik gut wäre. Ein intimes Verhältnis zwischen Jugendleiter(in) und Teilnehmer(in) unter 16 Jahren ist
auf jeden Fall strafbar.
Volljährige ab 18 Jahren
Diese sind für ihr Tun und die Folgen selbst verantwortlich, was aber nicht
heißen soll, dass volljährigen Teilnehmer(inne)n auf einer Freizeit / in einer Gruppe nun alles erlaubt wäre, was nicht strafbar ist. Die Freizeitordnung und Gruppenordnung sind trotzdem einzuhalten, die ein Miteinander zwischen Minderjährigen und Volljährigen gewährleisten.
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Begriffserläuterungen
Was sind überhaupt sexuelle Handlungen?
Der Begriff der sexuellen Handlung (früher hieß es einmal „unzüchtige
Handlungen“) ist definiert in § 184 f StGB (vor dem 1.4.2004 § 184 c StGB).
§ 184 f
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes sind
1. sexuelle Handlungen
nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von
einiger Erheblichkeit sind,
2. sexuelle Handlungen vor einem anderen
nur solche, die vor einem anderen vorgenommen werden, der den Vorgang wahrnimmt.
Sexuelle Handlungen können vor (ohne Körperkontakt z. B. Striptease,
Selbstbefriedigung), oder an einem Kind/Jugendlichen (mit Körperkontakt
z. B. Petting, Geschlechtsverkehr) vorgenommen werden. Soweit so klar.
Aber ehrlich gesagt, die weiteren Erläuterungen sind nicht ganz so eindeutig. Was heißt denn nun „von einiger Erheblichkeit“ und wo liegt die
Schwelle zur Erheblichkeit? Sie muss sicherlich eine starke Beziehung
zum Geschlechtlichen beinhalten. Dabei ist die obere Schwelle der sexuellen Handlung, die dann von der Nötigung zur Vergewaltigung übergeht
noch recht eindeutig zu benennen. Der Beischlaf oder das Eindringen gegen den Willen des Opfers ist stets eine Vergewaltigung (§ 177 StGB generell, § 176 a in Bezug auf Kinder). Wo liegt jedoch die untere Grenze?
Dies kann nur dahingehend versucht werden zu erahnen, wenn man die
bisherige Rechtssprechung betrachtet.
Die Rechtsprechung hat hier bisher als erheblich angesehen (vgl.: Tröndle/
Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Auflage, München 2007,
§ 184 f Rdnr. 6):
--> Entblößen und Betasten des Geschlechtsteils oder der weiblichen
Brust,
--> Anfassen des nackten Körpers in der Nähe des Geschlechtsteils,
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AEJ komplett.indb Abs1:44
29.01.2008 12:19:31 Uhr
--> heftige sexuelle Zudringlichkeit,
--> Greifen in die Schambehaarung,
--> auch in bekleidetem Zustand vorgenommene beischlafähnliche Bewegungen bei einem Kind,
--> gewaltsamer Zungenkuss,
--> Onanieren.
Als nicht erheblich sind in der Rechtsprechung bisher angesehen worden:
(vgl.: Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Auflage,
München 2007, § 184 f Rdnr. 7) bloße Taktlosigkeiten, Geschmacklosigkeiten und Handlungen, die nicht als sexuell bedeutsam empfunden werden wie:
--> übliche Küsse und Umarmungen oder Streicheln des Körpers,
--> ein misslungener Kussversuch,
--> Berühren des nackten Oberschenkels eines Kindes,
--> flüchtiger Griff an die Genitalien einer bekleideten Person,
--> flüchtige Berührung der Brust.
Fazit:
Gerade weil es so schwierig ist, die Erheblichkeitsschwelle zu bestimmen
und weil die gleiche Tätigkeit in der Rechtssprechung ganz unterschiedlich gewertet werden kann (die Tätigkeit richtet sich nach der Situation
des Falls, nach dem Alter und dem Verhalten des Opfers bzw. des Täters/
der Täterin und der sexuellen Vorerfahrung des/der Minderjährigen), hat
der/die Jugendleiter(in) im Umgang mit „seinen“ und „ihren“ Kindern
alles zu unterlassen, was auch nur im Ansatz den Verdacht eines sexuellen
Missbrauchs bzw. Zulassen von sexuellen Handlungen aufkommen lassen
könnte.
Sehr schnell kann der/die Jugendleiter(in) vor erheblichen Problemen stehen, die sich schwer aus der Welt schaffen lassen, weil durch enttäuschte Zuneigung, Rache oder unterschiedlicher Interpretationen der/die
Jugendleiter(in) selbst in Verdacht geraten kann.
„Bitte Vorsicht also bei übertriebenem „In-den-Arm-nehmen“, „Gute-NachtKüssen“, „Auf-den-Schoß-sitzen“, „Streicheln“, „Trösten“ etc., aber auch bei
der Behandlung von Verletzungen an empfindlichen Körperstellen. In den
Erzählungen der begeisterten Kinder zu Hause wird in der Euphorie oder
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29.01.2008 12:19:31 Uhr
auch aus Eifersucht gerne übertrieben. Manch gutgemeintes Verhalten eines
Betreuers kann so möglicherweise auch ganz anders interpretiert werden.“
(Quelle: „Aufsichtspflicht“, Stefan Obermeier, Seminarskript 1999, Seite
48f).
Rechtshinweis:
Dieser Text soll eine Sensibilisierung für das Thema schaffen, aber es besteht
keine Gewähr auf Vollständigkeit oder Richtigkeit. Er stellt keine Rechtsberatung
dar. Jeder in der Praxis vorkommende Fall ist einzeln zu prüfen und kann nur
mit einem Anwalt des Vertrauens besprochen werden. Die verwendeten Gesetzestexte basieren auf dem Stand von 2004.
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sich lustig machen
zu Geheimhaltung
sexuelle und körperliche Übergriffe
Körperverletzung
Vergewaltigung
Erpressung
sexistische
Äußerungen
abfäll
Abzocken
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heimhaltung verpflichten
Bei uns doch nicht…!
pressung
Täter(innen) in Jugendverbänden:
Missbrauchsstrategien und Prävention
abfällige Bemerkungen
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Pelle B. Pelters
Diplom-Pädagogin und Diplom-Humanbiologin mit Zusatzausbildung als Sexualpädagogin (ISP). Sie arbeitet derzeit als
Bildungsreferentin beim Verband Christlicher Pfadfinderinnen und
Pfadfinder (VCP) Niedersachsen.
Bei uns doch nicht…!
Täter(innen) in Jugendverbänden: Missbrauchsstrategien und Prävention
Wer von uns kennt nicht die Warnungen vor dem fremden Mann mit den
Bonbons auf dem Kinderspielplatz, stellt sich unter einem Täter ein psychisch gestörtes männliches Monster vor, weil Frauen per se fürsorglich
und damit zu „so etwas“ gar nicht in der Lage sind, oder glaubt allzu gerne den Beteuerungen vom einmaligen Ausrutscher derjenigen, die vom
Jugendlichen bzw. Kind zusätzlich dazu animiert wurden. Zwischen „Für
denjenigen/diejenige würde ich meine Hand ins Feuer legen“ und „Es
kann nicht sein, was nicht sein darf“ treiben Mythenbildung und Abwehrreaktionen wilde Blüten, die i. d. R. den Blick auf das vernebeln, was real
ist: Jugendverbände sind ein Paradies für pädosexuelle Menschen!
Täter(innen)profile und -strategien
Täter(innen) sind in den allermeisten Fällen auf den ersten Blick nicht zu
erkennen – sie sind nett, unauffällig, oftmals geachtete Mitbürger(innen),
d. h. „ekelhaft normal“ und uns sehr ähnlich. Gerade das macht den Umgang mit ihnen so schwer!
Über die Hälfte der erwachsenen Täter(innen) hat seine/ihre Missbrauchskarriere im Jugendalter begonnen. Ca. ein Drittel ist selber noch im
Kindes- oder Jugendalter. In 80% der Fälle sind Missbraucher männlich, ca.
20% sind Frauen. Sie stammen aus allen gesellschaftlichen Schichten und
sind in allen Berufen tätig. In 40-50% der Fälle werden Mädchen und Jungen unabhängig von Alter und Herkunft von bekannten Personen aus dem
sozialen Nahraum missbraucht, wie z. B. dem Pfarrer oder der Pfadfinderleiterin. Schätzungen zufolge ist jedes 4.-5. Mädchen und jeder 10.-11. Junge
Opfer sexueller Gewalt.
50
AEJ komplett.indb Abs1:50
29.01.2008 12:19:33 Uhr
Sexuelle Gewalt ist i. d. R. kein Einzelfall oder Ausrutscher – im Gegenteil: Missbrauchsbeziehungen werden über sehr lange Zeiträume aufrecht
erhalten, dabei steigert sich oftmals die Härte des Missbrauchs. Je enger
die Beziehung zwischen Täter(in) und Opfer ist, desto länger und häufiger
findet der Missbrauch statt. Täter(innen) missbrauchen häufig mehrere
Opfer gleichzeitig und suchen sich neue Opfer, wenn eines nicht mehr
zur Verfügung steht.
Das offenbart einige Vorbedingungen sexueller Gewalt: Es existiert eine
explizite Motivation zu missbrauchen. Um dieser Motivation nachzugehen, muss die missbrauchende Person vor dem Missbrauch innere sowie
äußere Hemmungen und letztlich den Widerstand des Kindes überwinden. Sexuelle Gewalt besitzt folglich einen Vorsatz- und Planungscharakter, sie wird immer vorphantasiert und unter Einsatz von Mühe und Zeit
strategisch vorbereitet. Täter(innen) sind dabei oftmals Mitglieder in entsprechenden Netzwerken, wo sie sich über ihre Taten austauschen und
gemeinsam neue Anregungen/Strategien entwickeln.
Täter(innen) verhalten sich also strategisch und bedienen sich einer
Vorgehensweise, die „Grooming-Prozess“ genannt wird. Zunächst suchen
sie zunächst gezielt Kontakt zu Mädchen und Jungen bspw. über ein ehrenamtliches Engagement im Jugendverbandsbereich.
Diese werden dann auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet. Zu den „anfälligen“ Kindern gehören zum Beispiel solche mit einer repressiven Sexualerziehung bzw. einer traditionellen d. h. nicht auf Widerspruch ausgerichteten Erziehung wie auch emotional vernachlässigte, körperlich
misshandelte oder bereits sexuell ausgebeutete Kinder. Testrituale sind
bspw. zufällige sexuelle Berührungen u. a. bei sportlichen Aktivitäten, sexistische Bemerkungen oder als Aufklärung getarnte sexuelle Übergriffe z.
T. mit Hilfe von Pornographie.
Wird das Kind/der bzw. die Jugendliche als „geeignet“ befunden, wird
er bzw. sie systematisch in eine Missbrauchsbeziehung und damit in ein
Gefühl von Abhängigkeit und Schuldigkeit verstrickt. Das Opfer wird regelrecht „verführt“, d. h. der/die Täter(in) baut vorsichtig eine vertrauensvolle Beziehung zum Opfer auf, bevorzugt das Kind z. B. durch Geschenke
und isoliert es gleichzeitig von anderen. Der Missbrauch wird schließlich
durch an Intensität zunehmende Grenzüberschreitungen und unter Zuhilfenahme kindlicher (Kuschel-)Impulse bei gleichzeitiger Verpflichtung
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AEJ komplett.indb Abs1:51
29.01.2008 12:19:33 Uhr
des Kindes zur Geheimhaltung begonnen. Die Geheimhaltungsmaxime
wird durch die Verneblung der kindlichen Wahrnehmung, durch Erpressung und handfeste Drohungen gestützt. Es kommt allerdings kaum zu
tatsächlicher Gewaltanwendung, da emotionale Abhängigkeiten, kindliche
Selbstbezichtigungen/Schuldzuweisungen oder das Aufzeigen von Folgeerscheinungen von Missbrauchsenthüllungen die Kinder i. d. R. lange
davon abhalten, andere ins Vertrauen zu ziehen. Diese glauben den Betroffenen tatsächlich oftmals nicht – Opfer müssen im Durchschnitt mit
sieben Personen sprechen, bevor ihnen geglaubt wird.
Diese Ungläubigkeit hängt häufig mit der Einschätzung zusammen, dass
den Täter(innen) scheinbar weder Raum noch Zeit geblieben sein könne, um
ihre Taten zu vollziehen – dem ist nicht so! Täter(innen) kennen sowohl die
räumlichen Gegebenheiten als auch die Tagespläne ihrer Opfer sehr genau
und ihnen genügen häufig wenige Minuten, um ihre Macht- und Sex-Gelüste zu befriedigen. Nebenbei vernebelt der/die Täter(in) die Wahrnehmung
der Umwelt, in dem sich die missbrauchende Person mit den Eltern anfreundet, über (auch finanzielle) Hilfeleistungen Abhängigkeiten schafft, im
Verband besonders hilfsbereit ist, sich beliebt bzw. unentbehrlich macht und
als engagierte(r) Kinderfreund(in) oder Kinderschützer(in) darstellt.
Exkurs: Übung Tätergespräch
Wer damit Probleme hat, sich im eigenen Verband Missbrauchssituationen vorzustellen und den dahinter stehenden Planungscharakter zu
realisieren, dem bzw. der möchte ich die folgende Übung für ca. 4 – 7 Personen ans Herz legen:
Stellt euch vor, ihr seid eine Gruppe von Täter(innen) aus eurem Verband,
die sich getroffen hat, um neue Ideen zu entwickeln, wie sie an neue Opfer im Kindes- und Jugendalter kommt. Wo sind eure „Schwachstellen“?
Wo ergeben sich „Gelegenheiten“, zu Kindern/Jugendlichen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und mit ihnen allein zu sein? Spinnt
„Ideen“ und versucht, die Ideen der anderen weiterzuspinnen.
Ihr werdet schnell merken, dass sich nicht nur viele „Möglichkeiten“ finden lassen, sondern dass der Austausch auch sehr „inspirierend“ ist, evtl.
fast Wettbewerbscharakter bekommt. Das ist vermutlich eine verstörende
Erfahrung, hilft aber sicherlich, Präventionsnotwendigkeiten aufzudecken!
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AEJ komplett.indb Abs1:52
29.01.2008 12:19:34 Uhr
Täter(innen)typologie: allgemein und in Verbänden
In der Literatur werden grundsätzlich 6 Täter(innen)-Typen unterschieden, zwischen denen jedoch Überschneidungen möglich sind.
Gelegenheitstäter(innen) sexualisieren mehr oder weniger offen alles, ziehen mit Blicken aus und verüben Übergriffe „aus Versehen“. Sie gelten
als wenig angenehme Zeitgenossen, die sich jedoch durch Spenden o. ä.
scheinbar unentbehrlich machen.
Fixierte Pädosexuelle bezeichnen sich selbst als pädophil. Sie sind in ihrem sexuellen Erleben auf (häufig männliche) Kinder fixiert und haben oft keine sexuellen Beziehungen zu Erwachsenen. Sie gelten als
Kinderfreund(inn)e(n), bauen intensive Beziehungen zu einzelnen Kindern auf und werden für diese zu wichtigen Bezugspersonen (z. B. Ersatzväter). Bei Aufdeckung des Missbrauchs ziehen sie sich eher zurück.
Integrierte Täter(innen) manipulieren meist sehr geschickt, sind gesellschaftlich anerkannt und sozial engagiert. Sie leben „normale“ erwachsene
Beziehungen und sind diejenigen, von denen man „so etwas“ nie gedacht
hätte. Auch sie „pflegen“ längere Missbrauchsbeziehungen, kämpfen jedoch bei Aufdeckung mit allen Mitteln, was für sie dank ihrer Reputation
oft erfolgreich verläuft.
Sadistische Täter(innen) ziehen ihren Lustgewinn aus dem Leid der Opfer,
kommen aber glücklicherweise nicht häufig vor.
Macht-Täter sind häufig Männer, die ihre Lust primär durch Machtausübung befriedigen wie z. B. bei Vergewaltigungen. Das Ausnutzen eines
Machtgefälles gilt darüber hinaus als generelles Kennzeichen sexualisierter Gewalt.
Love-Teachers sehen ihre „Aufgabe“ darin, junge Männer und Frauen in die
Sexualität „einzuführen“, fühlen sich dabei völlig im Recht, z. T geradezu
edel.
Die unterschiedlichen Missbrauchstypen kommen vermutlich unterschiedlich häufig in der Jugendverbandsarbeit vor. Meines Erachtens dürften die drei erstgenannten am häufigsten anzutreffen sein. Während Pädosexuellen und integrierten Täter(innen) die in der Jugendverbandsarbeit
für Leitungen, aber auch für die Teilnehmenden bestehenden Möglichkeiten
zum Aufbau oftmals langer und vertrauensvoller Beziehungen „entgegenkommen“ dürften, könnten Gelegenheitstäter(innen) die bei lockerer Mitarbeit oder im Besuchs- bzw. Funktionärsrahmen existierenden sporadischen
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AEJ komplett.indb Abs1:53
29.01.2008 12:19:34 Uhr
Gelegenheiten zu „nutzen“ wissen. Gleiches dürfte für institutionelles Personal wie Hausmeister(innen), Busfahrer(innen) etc. gelten. Auch sadistische Täter(innen) dürften primär unter diesen sporadischen Kontakten zu
finden sein. Gleichwohl kann sich aber auch der Hausmeister als fixierter
Pädosexueller entpuppen oder sich der lockere Kontakt einer Mitarbeiterin
nach der Rückkehr von einer Maßnahme intensivieren und in eine Missbrauchsbeziehung münden.
Von diesen geplanten und inszenierten Missbrauchssituationen sind
solche zu unterscheiden, die ganz klar sexuelle Grenzverletzungen darstellen, jedoch auf Rollenkonfusion und mangelnde Reflexion des eigenen Handelns zurückgeführt werden können. Leiter(innen) (aber auch
Mitarbeiter(innen) oder Mitglieder der Funktionärsebene), die partnerschaftliche Liebesbeziehungen zu ihren Gruppenmitgliedern pflegen, stellen ein besonderes Beispiel für diese Form der Rollendiffusion dar.
Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass partnerschaftliche sexuelle Kontakte
drei Voraussetzungen erfüllen müssen:
1. Die beteiligten Personen haben sexuelle Handlungen abgesprochen
und ihre persönlichen Grenzen verdeutlicht, die von den Beteiligten
respektiert werden.
2. Sie stimmen dieser Art von Kontakt zu und sind in der Lage abzuschätzen, zu welcher Art von Handlung sie „ja“ sagen.
3. Zwischen den Beteiligten besteht keinerlei Machtgefälle.
Bei allen benannten Täter(innen)-typen werden alle drei Bedingungen
nicht erfüllt. Wie verhält sich dies nun, wenn z. B. ein 18-jähriger Gruppenleiter mit seinem 16-jährigen Gruppenmitglied eine Beziehung eingehen möchte?
Egal wie gut die beiden kommunizieren, Grenzen wahren und beiderseitige Zustimmung signalisieren, grundsätzlich hapert es immer bei
Bedingung Nr. 3, dem Machtgefälle. Leitung trägt in besonderer Weise
Verantwortung, nicht nur rechtlich, sondern auch als Vorbild. Und sie besitzt automatisch eine herausgehobene Position in der Gruppe, die mit
Autorität und der Möglichkeit zur Sanktionierung bei unverantwortlichem
Verhalten seitens der Gruppenmitglieder verbunden ist. Damit steht diese
Person immer – auch wenn sie das nicht möchte – über den Gruppenmit-
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AEJ komplett.indb Abs1:54
29.01.2008 12:19:35 Uhr
gliedern oder ist zumindest von ihnen distanziert, was ein Machtgefälle
impliziert.
Kommt es nun zwischen Leitungs- und Mitgliedsebene zu Beziehungen
passiert zweierlei: Einerseits ergibt sich ein strukturelles Machtproblem.
Ein gleichberechtigtes Miteinander ist unmöglich, wenn eine Person in
der aktuellen Lebenssituation mehr Verantwortung trägt als die andere.
Im extremsten Fall kann die Aussicht auf eine Beziehung mit der „coolen
Gruppenleitung“ den Blick des Gruppenmitglieds auf die eigenen Grenzen vernebeln und dazu führen, dass sexuell mehr gemacht/zugelassen
wird als die Person gerne hätte. Andererseits wird die Situation gruppendynamisch problematisch.
Das betreffende Gruppenmitglied wird aus der Gruppe hervorgehoben,
gerät also in eine „Zwischenposition“, und die verliebte Leitungsperson
nimmt diese Person besonders wahr, was (ggf.) mit dem Verlust des Blicks
für die Gesamtgruppe verbunden ist. Eine Beziehung zwischen Leitungsund Gruppenmitgliedsebene ist in jedem Fall zu vermeiden, obwohl der
Begriff „sexualisierte Gewalt“ nicht trifft – vielmehr ist von einer Art sexualisiertem Rollenmissbrauch auszugehen.
Je nach Altersunterschied liegt z. T. der Verdacht nahe, es hier mit „LoveTeachers“ zu tun zu haben, was zeigt, dass der Übergang zwischen einem
diffusen Rollenverständnis und sexualisierter Gewalt durchaus fließend
sein kann.
Die folgende Übersicht richtet den Blick auf mögliche Mitarbeitspositionen und ihre je spezifischen Missbrauchspotentiale im Rahmen unterschiedlicher Zugriffsmöglichkeiten. Sie kann natürlich nicht vollständig
sein und deutet lediglich mögliche Missbrauchssituationen an.
55
AEJ komplett.indb Abs1:55
29.01.2008 12:19:35 Uhr
Mitarbeitsposition
Zugriffsmöglichkeiten
Hauptberufliche,
EA Mitarbeitende
Ausbildungssituation
(Seminare, Kurse etc.)
Hauptberufliche
Mögliche
Missbrauchssituationen
• übergriffige Körperübungen, Gestaltung
von Fallbeispielen usw.
• Einzelberatungssituationen
• Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses bei der
Beantragung von Juleicas, Bescheinigungen etc.
• Teilnehmende (TN) als hofierte Lieblinge
• Die Leitung verwickelt die TN in illegale Mutproben
• Spiele mit viel Körperkontakt oder im Dunkeln
• Die Leitung/Seelsorge betreut einzelne TN mit
privaten Problemen besonders
• Einzelne TN gehen nach dem Treffen noch mit der
leitenden Person nach Hause
• Gemischte Sanitäranlagen/
Übernachtungsmöglichkeit
Hauptberufliche,
EA Mitarbeitende,
EA Gruppenleitung
Regelmäßige Treffen
(Gruppenstunden,
offene Treffs u. ä.)
Hauptberufliche,
EA Mitarbeitende,
EA Gruppenleitung
Maßnahmen (Lager,
Wochenendfahrten,
Großveranstaltungen,
Freizeiten usw.)
• Eine Leitungsperson macht alleine mit einem TN
Nachtwache u. a. Einzelkontakte
• Spontanes Baden im See
• Private Folgekontakte nach der Maßnahme
EA Funktionäre
Ausbildungssituation
EA Funktionäre, Besuch,
Ehemalige
Maßnahmen
• Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses bei
der Beantragung von Juleicas, Zuschüssen etc.
• Einzelberatungssituationen
• Besuch, der „wie immer“ vorbei kommt und
alles fotografiert
• Situationen, in denen sich Besuch allein um TN
kümmert, diese bevorzugen
• Private Folgekontakte nach der Maßnahme
• „Kuschelromantik“ am Lagerfeuer
Institutionelles Personal
(z.B. Hausmeister(in))
Treffen, Maßnahmen,
Ausbildungssituationen
• Voyeuristisches Verhalten,
z. B. “Schlafzimmerkontrolle“
• exhibitionistisches Verhalten
• übergriffige Körperkontakte,
z. B. „Hilfe“ beim Buseinstieg
Teilnehmende
Ausbildungssituation,
Treffen, Maßnahmen
• TN verwickeln jüngere TN in illegale Mutproben
• TN animiert jüngere TN zu sexuell verfänglichen
Aktionen, z. B. spontanes Baden im See
• TN baut besondere Vertrauensbeziehung
zu jüngeren TN auf
• Exhibitionistisches oder voyeuristisches Verhalten
• Bemerkungen, mit denen sexualisierte
Qualitätsurteile über einzelne geäußert werden
• Teilnahme am „Doktorspiel“ mit erheblich
jüngeren TN
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AEJ komplett.indb Abs1:56
29.01.2008 12:19:35 Uhr
Ob ein Fall von sexualisierter Gewalt vorliegt, hängt somit von der Motivation des oder der Täter(in) ab. Dies bedeutet allerdings nicht, dass nicht
auch aus Unbedarftheit begangene sexuelle Grenzverletzungen für die Betroffenen schwere Folgen haben können und evtl. aufgearbeitet werden
müssen!
Gegenstrategien
Anspruch:
Die folgenden Ausführungen verfolgen den Anspruch, den Verband als
Zone der Sicherheit für die anwesenden Kinder, Jugendlichen und Leitungskräfte zu etablieren. Um diesem Anspruch zu genügen, müssen sexuelle Übergriffe auf allen Ebenen der Übergriffsintensität im Verband
verhindert werden. Dies hat bereits bei Übergriffen geringerer Intensität
gerade auch vor dem Hintergrund der von Missbraucher(innen) praktizierten Testrituale eine enorme Bedeutung. Darüber hinaus unterläuft
ein wachsamer Umgang mit sexualisierten Witzen, Bemerkungen oder
anderen vermeintlich harmlosen Äußerungen, Blicken etc. die Taktik der
Gelegenheitstäter(in). Welche Verhaltensweisen dazu zählen und wie nah
sie der jeweils betroffenen Person gehen, verdeutlicht die folgende Grafik
(in Anlehnung an den englischen Kriminologen Ray Wyre):
sich lustig machen
zu Geheimhaltung verpflichten
sexuelle und körperliche Übergriffe
Körperverletzung
Vergewaltigung
Erpressung
sexistische
Äußerungen
Abzocken
abfällige Bemerkungen
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AEJ komplett.indb Abs1:57
29.01.2008 12:19:36 Uhr
Regeln:
Um diese Sicherheit zu gewährleisten ist es zunächst absolut notwendig,
verbindliche Standards und Regeln aufzustellen. Grundlegend ist hier ein
Verhaltenskodex wie er bspw. von der Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern formuliert wurde:
Verhaltenskodex für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Evangelische Jugendarbeit lebt durch Beziehungen von Menschen untereinander
und mit Gott. Vertrauen soll tragfähig werden und bleiben. Es darf nicht zum
Schaden von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt werden.
1. Ich verpflichte mich, alles zu tun, dass bei uns in der evangelischen Jugendarbeit keine Grenzverletzungen, kein sexueller Missbrauch und keine
sexualisierte Gewalt möglich werden.
2. Ich will die mir anvertrauten Jungen und Mädchen, Kinder und Jugendlichen
vor Schaden und Gefahren, Missbrauch und Gewalt schützen.
3. Ich nehme die individuellen Grenzempfindungen der Mädchen und Jungen,
der Kinder und Jugendlichen wahr und ernst.
4. Ich beziehe gegen sexistisches, diskriminierendes, rassistisches und
gewalttätiges verbales, nonverbales Verhalten aktiv Stellung.
5. Ich selbst verzichte auf abwertendes Verhalten und achte auch darauf,
dass andere in den Gruppen bei Angeboten und Aktivitäten sich so verhalten.
6. Ich respektiere die Intimsphäre und die persönlichen Grenzen der Scham
der Gruppenmitglieder und Teilnehmenden sowie der Mitarbeitenden.
7. Ich versuche in meiner Aufgabe als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter die
sexuelle Dimension von Beziehungen bewusst wahrzunehmen, um einen
verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz zu gestalten.
8. Als Jugendleiterin oder Jugendleiter nutze ich meine Rolle nicht für
sexuelle Kontakte zu mir anvertrauten jungen Menschen.
9. Ich nehme Grenzüberschreitungen durch andere Mitarbeitende
und Teilnehmende in den Gruppen, bei Angeboten und Aktivitäten
bewusst wahr und vertusche sie nicht. Ich weiß, dass ich und Betroffene
bei konkreten Anlässen kompetente Hilfe bei den beauftragten Vertrauenspersonen Verbänden und Dekanaten bekommen können.
Einstimmiger Beschluss der Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern am 08.02.2003
zitiert nach: Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern
(Hrsg.): „Bei uns nicht!“ Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch im Jugendverband, Nürnberg 2003.
58
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29.01.2008 12:19:37 Uhr
Als Ehrenkodex verstanden erlaubt dieser Verhaltenskodex dem Verband,
alle seine Mitglieder darauf zu verpflichten. Damit wirkt er zunächst als
Signal nach innen, der Basiskonsens, Auftrag und Ziel gleichermaßen
definiert. Gleichzeitig ist der Kodex öffentlichkeitswirksam als Signal
nach außen einsetzbar und verdeutlicht Medienvertreter(innen), Eltern,
Erziehungsberechtigten, Interessierten und nicht zuletzt möglichen
Täter(innen), wie ernst der Verband die Problematik nimmt. Die Aussage
lautet: Dieser Verband hat sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinandergesetzt und eine entsprechende Sensibilisierung betrieben. Dies
kann bereits abschreckend wirken.
Dieser recht global formulierte Verhaltenskodex ist durch konkrete Regeln zur Wahrung der Intimsphäre der Teilnehmenden, zur Einrichtung
geschlechtlich getrennter Bereiche, zum Umgang mit Medien und durch
sonstige „Benimmstandards“ in allen den Bereichen zu ergänzen, die im
jeweils spezifischen Verbandskontext als problematisch angesehen werden. Hierzu zählen auch „Merklisten“ von Institutionen, deren Personal
sich übergriffig verhält und die aufgrund dessen zu meiden sein sollten.
Abschließend empfiehlt es sich, einen Interventionsfahrplan aufzustellen,
d. h. festzulegen, wer in welchem Fall wie und wann benachrichtigt wird.
Dieser Plan hat ebenfalls Signalcharakter und zeigt, dass die Thematik
„zu Ende“ gedacht wurde. Darüber hinaus hilft die Existenz eines solchen
Plans im Ernstfall Hilflosigkeit zu vermeiden bzw. abzubauen.
Vermittlung/Ausbildung:
Diese beschlossenen Verhaltensregeln und –kodizes müssen innerverbandlich bekannt gemacht werden, um sowohl Gruppenleitungen als auch
Mitarbeitenden und damit letztlich Teilnehmenden Handlungsanforderungen und –grenzen bewusst zu machen, ihnen Rechte und Pflichten
zu verdeutlichen und ggf. die Sicherheit zu geben, im Verdachtsfall Hilfe
zu sein oder zu suchen. Daher muss das Thema sexualisierte Gewalt verpflichtender Ausbildungsinhalt werden. Dieser offensive Umgang kann
dann wieder als Signal nach außen wirken. Im Rahmen dieses Ausbildungspunktes sollen die Auszubildenden methodisches und theoretisches
Wissen erwerben, das ihnen wiederum den Umgang mit dem Thema
erleichtert und sie befähigt, die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen zur Wahrung ihrer Grenzen und zu selbstbewusstem Handeln zu
befähigen.
59
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29.01.2008 12:19:38 Uhr
Dieser Wissenserwerb ist mit einem ausführlichen Selbstreflexionsteil zu
kombinieren, in dem die Auseinandersetzung mit der gefühlsmäßigen
Einstellung zu sexualisierter Gewalt sowie mit der eigenen Geschlechterund Mitarbeitsrolle im Vordergrund steht und damit persönliches Wissen
erworben wird. Nur wer weiß, wo er oder sie steht, kann sich tatsächlich
bewusst gegen sexualisierte Gewalt aussprechen, für die Wahrung der sexuellen Selbstbestimmung einsetzen und dabei die eigenen Grenzen wie
auch die des Gegenübers wahren. Nebenbei könnten Jugendliche bereits
vor einem Einstieg in eine Täter(innen)karriere auf ihr Problem aufmerksam und zum Aufsuchen entsprechender Hilfsangebote animiert werden.
Der Erwerb dieses Wissens sollte vor dem Hintergrund einer verbandlichen pädagogischen und sexualpädagogischen Konzeption und Praxis
stehen, die einen emanzipatorischen und autonomieförderlichen Anspruch hat und in der Ausbildung, aber auch im alltäglichen verbandlichen Miteinander vermittelt und gelebt wird. Eine solche Konzeption
hilft u. a. die Betonung des intergenerativen Gehorsams zu untergraben
und eine Wahrnehmungsverneblung aufgrund sexueller Sprachlosigkeit
zu vermeiden. Beide Faktoren machen Kinder und Jugendliche anfällig für
sexuellen Missbrauch.
Leitungsstrukturen/Zuständigkeiten:
Grundsätzlich sollten Verbände eine transparente und klare statt einer diffusen oder rigiden Leitungsstruktur aufweisen, um Entscheidungen nicht
von persönlichen Beziehungen und Seilschaften abhängig zu machen.
Dies gilt genauso für die Funktionärs- wie für die aktive Gruppenleitungsebene.
Desweiteren empfiehlt es sich als Gegenpol zu vermeidbaren und verfänglichen Einzelbetreuungssituationen möglichst häufig im Team zu agieren
und auch dort transparent zu machen, wann und warum Einzelbetreuungen passieren und auch sinnvoll sind. Natürlich sollen sich Leitungskräfte nicht gegenseitig „bespitzeln“, aber es gilt grundsätzlich die Maxime
„Augen auf!“, wenn eine Person viel Zeit mit einem Kind/Jugendlichen
alleine verbringt oder diese jüngere Person bspw. stark bevorzugt.
60
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29.01.2008 12:19:38 Uhr
Dann sind auch Feedback und Nachfragen nicht nur erlaubt, sondern angezeigt! Scheint das (Körperkontakt-)Verhalten einer leitenden oder mitarbeitenden Person ggf. aufgrund von Unbedarftheit oder Rollendiffusion
als problematisch sind Teammitglieder erste Irritations- und Ansprechstationen für Gespräche zur Situationsklärung. Im wiederholten Fall ist dann
natürlich die nachfolgende Leitungsebene gefragt. Letztere hat angesichts
des neuen § 72 a SGB III auch darauf zu achten, dass die für eine Einstellung von hauptberuflichen Kräften geforderten Bedingungen erfüllt sind
und diese den Verhaltenskodex sowie sämtliche zusätzlich innerverbandlich existierenden Regelungen nicht nur wahrgenommen, sondern diesen
auch zugestimmt haben.
Es ist über diese leitungshierarchisch sich ergebenden Gesprächsmöglichkeiten hinaus darauf zu achten, dass sowohl innerverbandliche
Ansprechpartner(innen) benannt werden, um klare Zuständigkeiten zu
schaffen und die Ernsthaftigkeit der Bemühungen um „Missbrauchsfreiheit“ zu verdeutlichen, als auch mit definierten externen Kooperationspartner(innen) zusammen zu arbeiten. Letztere können als bekannte und
daher leichter ansprechbare Fachmenschen Situationen mit einer anderen, nicht verbandlich geprägten Brille betrachten, ggf. supervisorische
Qualitäten einbringen und in Absprache mit allen Beteiligten weitere, evtl.
auch rechtliche Schritte einleiten, ohne innerverbandlich in Loyalitätskonflikte zu kommen.
Zum Schluss:
Sexualisierte Gewalt ist ein in Jugendverbänden schwieriges Thema, weil
Kinder- und Jugendarbeit Beziehungsarbeit ist, die stark auf Vertrauen
baut – zwischen Erwachsenen und Gruppenmitgliedern, zwischen Eltern/Öffentlichkeit und Institution, zwischen der Funktionärsebene und
der Basis, zwischen den Mitgliedern eines Leitungsteams – und sexualisierte Gewalt genau dieses Vertrauen unterhöhlt, Engagement verdächtig
macht und Ängste schürt. Dieser Verunsicherung entgegen zu wirken ist
sicherlich nicht leicht, aber es lohnt sich sowohl für den Verband als auch
ganz besonders für die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen – also
packen wir es an!
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Zum Weiterlesen:
--> Landesjugendkammer der Evangelischen Kirche in Bayern und Amt
für Jugendarbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
(Hrsg.): „Bei uns nicht!“ Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch im
Jugendverband, Nürnberg 2003.
--> Enders, Ursula (Hrsg.): Zart war ich, bitter war’s, Handbuch gegen sexuellen Missbrauch, Köln 2003.
--> Heiliger, Anita: Täterstrategien und Prävention: sexueller Mißbrauch
an Mädchen in familiären und familienähnlichen Strukturen, München 2000.
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Wilfried Drews
48 Jahre, Dr. phil., Diplom-Pädagoge, Diplom-Religionspädagoge,
Mediator, arbeitet in der Evangelischen Jugendbildungsstätte
Hackhauser Hof e. V., Solingen, in der Aus- und Fortbildung
von ehrenamtlichen Mitarbeitenden in der Jugendarbeit sowie
zu dem Schwerpunkt Gewalt- und Konfliktbearbeitung mit
Fachkräften in der Jugendarbeit.
Keine Chance für ein Tabu – Präventive Pädagogik
gegen sexualisierte Gewalt
Unter dem Titel „Keine Chance für ein Tabu – Sexualpädagogik und Gewaltprävention auf Kinder- und Jugendfreizeiten“ fand in der Evangelischen Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V. 2005 eine Fachtagung
statt, die sich mit sexualisierter Gewalt von Kindern an Kindern bzw. von
Jugendlichen an Jugendlichen und Kindern auseinandersetzte. Der folgende Beitrag nimmt das Thema auf und widmet sich den Chancen und
Grenzen der Prävention in der außerschulischen Bildung. Konzeptionell
sollen die Aspekte herausgestellt werden, die vorbeugend in der Jugendarbeit möglich sind. Der Fokus richtet sich auf die pädagogische Arbeit mit
Jungen, da zu einem großen Prozentsatz männliche Jugendliche als Täter
sexueller Gewalt ausgemacht werden.1
Wenn nachfolgend von sexualisierter Gewalt gesprochen wird, dann ist
dies im Sinne sexualisierter Ausbeutung zu verstehen. Der Begriff sexualisierte Ausbeutung zeigt an, dass es nicht erst um sexuellen Missbrauch
geht, sondern schon um sexuelle Übergriffe, die nicht vom Strafgesetzbuch erfasst sind2, aber bereits bei sexualisierten herablassenden Äußerungen beginnen.
Eine Sensibilisierung des Themas, die von sexualisierter Ausbeutung
ausgeht, verdeutlicht zweierlei. Zum einen geht es für Pädagogen um
die eigene Positionierung zum Thema, zum anderen zeigt es den Bedarf
1
2
Aus diesem Grund wird in diesem Aufsatz ausschließlich die männliche Form verwendet.
Enders, U. (2003). S. 9. Ausführliche Literaturliste am Ende des Aufsatzes.
66
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29.01.2008 12:19:40 Uhr
an fachspezifischer Fortbildung an. Die Handlungsspielräume einer primären pädagogischen Prävention sind zwar begrenzt, denkt man an die
vielfältigen Einflüsse in Elternhaus, Schule und anderen gesellschaftlichen Sozialisationsinstanzen, die Kinder und Jugendliche prägen. Dennoch sollten die Bildungsmöglichkeiten von Jugendfreizeiteinrichtungen,
Jugendbildungsstätten und Jugendfreizeitangeboten nicht unterschätzt
werden. Sie können auf vielfältige Weise additiv und mitunter alternativ
zu Elternhaus und Schule eine konstruktive Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung und das Sozialverhalten ausüben. Diese Chance gilt es
zu nutzen, einerseits um „Täterkarrieren“ erst gar nicht aufkommen zu
lassen und andererseits, um Opfer vermeiden zu helfen.
1. Die Ausgangslage
Anlass, sich diesem Thema zuzuwenden, stellt die Situation dar, dass einerseits Kinder und Jungendliche immer häufiger als Opfer gleichaltriger
Täter ausgemacht werden können und dass andererseits sogenannte Täterkarrieren bereits im Kindes- und Jugendalter zu beginnen scheinen.3
Das Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes
Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass „ein Drittel aller Delikte gegen
sexuelle Selbstbestimmung von Mädchen und Jungen von vorwiegend
männlichen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren verübt werden“4,
und führt dies auf Einflüsse der männlichen Sozialisation zurück. „Viele
junge und jugendliche Täter bewerten gewalttätiges Handeln als von ihnen
erwartetes männliches Verhalten.“5 Die Vorstellungen eines erfolgreichen
Mannes werden von Jungen schon im Kindesalter vielfach mit Kraftmeierei, Coolness und Überlegenheitsgehabe in Verbindung gebracht. „Gemessen am Leitbild des stets erfolgreichen Mannes stehen sie auf der Seite der
Verlierer. Um diesen Widerspruch zu lösen bzw. zu kaschieren, greifen
Jungen auf Verhaltesweisen zurück, die ihnen das traditionelle patriarchale Rollenbild anbietet. Viele von ihnen demonstrieren durch Gewalthandlungen/übergriffiges Verhalten eine vermeidliche Überlegenheit gegenüber Mädchen, schwächeren Jungen und Frauen.“6
3
Vgl. Enders, U. (2003). S. 11, S. 46 u. S. 70. Vgl. auch Heiliger, A. (2005). S. 371ff.
Enders, U. (2003). S. 46.
5
Enders, U. (2003). S. 47.
6
Enders, U. (2003). S. 47.
4
67
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29.01.2008 12:19:41 Uhr
Die Ergebnisse der Täterforschung belegen nach Ulfert Böhme, dass
80% der Täter männlich sind und aus allen gesellschaftlichen Schichten
kommen.7 Die Landeskammer der Evangelischen Jugend in Bayern beziffert die Zahl der männlichen Täter auf 85 bis 90%.8 Nach Anita Heiliger
betrug der Anteil junger Tatverdächtiger bis 21 Jahre gegen die sexuelle
Selbstbestimmung im Jahr 2003 ein Fünftel. „Die Tatverdächtigen waren
in erster Linie Jungen; Mädchen tauchten hier in sehr geringem Maße
auf (Kinder: 1,5% Jungen zu 0,1% Mädchen, Jugendliche: 10% Jungen zu
0,2% Mädchen). Die Anzahl der tatverdächtigen Jugendlichen wuchs im
Laufe der vergangenen Jahre vor allem im Bereich sexueller Nötigung und
sexueller Missbrauch an Kindern. Im Bereich der sonstigen sexuellen Nötigung machten Kinder und Jugendliche bis unter 21 Jahre in 2003 sogar
26,5% der Tatverdächtigen aus, mehr als ein Viertel, darunter allein die
Gruppe von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren 14,2%, d. h. ca. ein
Sechstel aller Tatverdächtigen insgesamt. Beim sexuellen Missbrauch an
Kindern erscheinen junge Menschen als Tatverdächtige noch häufiger:
zu 27,9%, darunter Jugendlichen mit 14,4% und Kinder mit 6,7%! 1996
waren 15,8% Unter-18-Jährige wegen sexuellern Missbrauchs angezeigt
worden, 2003 waren es bereits 21,1%!“9 Diese Zahlen verweisen auf eine
primär männliche Problemsituation.
Vor diesem Hintergrund scheint es besonders angebracht, Jungen in pädagogischen Zusammenhängen die Möglichkeit zu bieten, flexible männliche Rollenbilder zu erlernen und einzuüben. Es bietet sich an, eine jungenspezifische Pädagogik, die vorbeugend ansetzt, mit Konzeptionen der
Gesundheitsprävention, der Sexualpädagogik, der Gewalt- und Konfliktbearbeitung wie den Ansätzen des Empowerments und der Ressourcenorientierung zu verbinden. Dem widmen sich die nachfolgenden Ausführungen. Aus Platzgründen bleibt der Bereich der Intervention an dieser
Stelle unberücksichtigt.
7
Böhme, U. (2004). Seminarmanuskript.
Vgl. Landeskammer der Evangelischen Jugend in Bayern und Amt für Jugendarbeit
der Evang.-Luth. Kirche in Bayern.(2004). S. 7.
9
Heiliger, A. (2005). S. 371.
8
68
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29.01.2008 12:19:41 Uhr
2. Grundüberlegungen
Der hier favorisierte Ansatz verfolgt eine primäre und eine sekundäre Prävention. Dieser Ansatz impliziert, dass Jungen vielfältige, flexible Männerrollen entwickeln, die sie davor schützen, Täter oder Opfer zu werden.
Es geht darum, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit, in ihrer
Selbstbestimmung und in ihrer Selbstbehauptung so zu stärken (primäre
Prävention), dass sie weder gefährdet sind, die Bahn einer „Täterkarriere“
einzuschlagen, noch zum Opfer werden (sekundäre Prävention). Diese
Förderung beinhaltet den Aufbau von Selbstbewusstsein und Selbsttätigkeit, aber auch Konfrontation und Grenzsetzung bei gewaltförmigem
Verhalten.
Grundlegend ist der Gedanke, dass einer präventiven Pädagogik gegen sexuelle Ausbeutung die Aufgabe zukommt, Jungen das Selbstbewusstsein
und die Konfliktbearbeitungskompetenzen zu vermitteln, die ein kommunikatives, kooperatives und gewaltfreies konfrontatives Verhalten bei
der Umsetzung ihrer Interessen und Bedürfnisse generieren. Dabei wird
vorausgesetzt, dass für Jungen, die gelernt haben auf konstruktive Weise selbstwirksam für sich zu sorgen, gewalttätiges Verhalten überflüssig
wird.
Eine präventive Pädagogik kann dazu beitragen, den Jungen, die gefährdet
scheinen in die Opferrolle gedrängt zu werden, Widerstandskraft gegenüber sexualisierter Gewaltverletzung aufzubauen.10
Eine so verstandene präventive Arbeit mit Jungen kann im weitesten
Sinne als Teil einer umfassenden geschlechtsspezifischen Gesundheitspädagogik verstanden werden. Sie stellt einen Beitrag zum Gesundheitsverhalten von jungen Menschen dar, bei dem Gesundheit sowohl als physisches, psychisches, kognitives wie auch als soziales Wohlbefinden zu
verstehen ist. Der Ansatz einer präventiven Pädagogik gegenüber sexualisierter Ausbeutung kann an eine Sexualpädagogik anknüpfen, die Sexualität mit körperlichen, geistigen, seelischen, sozialen und kulturabhängigen
Aspekten wahrnimmt, als etwas Positives vermittelt und an den Ressourcen, Kompetenzen und Stärken der Jungen ansetzt.11
10
11
Enders, U. (2003). S. 8.
Vgl. Munding, R. (1995). S. 68 f.
69
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29.01.2008 12:19:42 Uhr
3. Zielsetzung
Eine präventive Pädagogik gegen sexualisierte Gewalt zielt in zwei Richtungen. Es geht um Täterprävention und um Opferprävention.
Vorausgesetzt, dass Fremdschädigung auch Selbstschädigung beinhaltet,
wird eine Pädagogik der Täterprävention einerseits bei der umfassenden
Förderung der Person beginnen und andererseits Elemente der konfrontativen Pädagogik einbeziehen.
In Bezug auf die Opferprävention können Selbstbehauptungstechniken
einen Stellenwert bekommen, wenn diese in ein kontinuierliches Einübungsfeld eingebunden sind und zugleich im institutionellen Raum
durch Schutz gegenüber Übergriffen abgesichert sind.
Zentrale Bedeutung kommt einer anerkennenden und erschließenden
Perspektive auf Jungen zu. Konstruktiv ist der „empathische Blick auf Jungen und auf deren eigen(artig)e Probleme, und damit auf die Ambivalenz
von Vorurteilen und Benachteiligung.“12 Die Herausforderung besteht
darin, zustimmungsfähige Gegenbilder gegenüber Stereotypen männlichkeitsideologischen Dominanzen zu entwickeln. Es gilt, „Vorstellungen
zu entwickeln, wie ein modernisiertes Mannsein positiv formuliert werden kann, die der Maxime einer Priorität reibungslosen Funktionierens
in der Sexualität abschreiben und positives Selbstwertgefühl, Selbstbezug,
Selbstbewusstsein sowie Eigenverantwortlichkeit zum Ziel haben.“13 Drei
Lerndimensionen – idie Dimension der Kognition und Werte, die Dimension des Körpers, die Dimension der emotionalen Erlebnisse - sollen dazu
beitragen, ein eigenständiges männliches Selbstbewusstsein und Verhalten als Heranwachsender zu fördern.
Die erste Dimension umfasst den Bereich der Werte. In der Auseinandersetzung mit konkurrierenden und vielfach nicht miteinander kompatiblen
männlichen Rollenerwartungen und Stereotypen in Elternhaus, Schule,
Freizeit und Gesellschaft geht es um die Einstellungen der Jungen. Die
Themen dieser Dimension umfassen die Aspekte:
12
13
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 48.
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 46.
70
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-->
-->
-->
-->
-->
-->
Männliches Rollenerleben und männliche Rollenvorstellungen,
gesellschaftlicher Normalitätsdruck,
Grenzsetzung und Grenzwahrung,
Selbstausdruck, -bestimmung und -behauptung,
Sprachfähigkeit in Bezug auf emotionalen Ausdruck,
Kommunikation, Kooperation, Konfrontation und gewaltfreies
Verhalten.
Die zweite Dimension beinhaltet die Auseinandersetzung mit dem männlichen Körper.
Jungen und Männern wird häufig eine eher instrumentelle Einstellung zum eigenen Körper unterstellt. „Die Funktionalisierung des Körpers
scheint ein häufig wahrgenommenes Phänomen oder Verhaltensstereotyp
zu sein.“14 Höchstleistungen in Sport und Arbeitsleben werden hoch geschätzt und gelten vielfach als sozial erwünscht und notwendig. „Hier wird
das Übergehen von Körpersymptomen und -grenzen geradezu erwartet:
Überbeanspruchung, einseitige Ernährung, extremes Training, Doping.
Aber sie [die Höchstleistungen] werden gleichzeitig – vor allem im individuellen und privaten Bereich – äußerst kritisch bis abwertend beurteilt als
Leistungsdruck und präventive Nachlässigkeit oder als Ursache für körperliche Grenzverletzungen, psychosomatische Symptome und spezifische
Krankheiten. Die Differenz zwischen Idealen einer ideologischen Männlichkeit und dem individuellen Mannsein offenbart sich an dieser Stelle
auch als widersprüchliche Spaltung der gesellschaftlichen Bewertungen.
Besonders krass zeigt sie sich darin, daß die Risiken und negativen Folgen
der gängigen körperbezogenen Männlichkeitserwartungen individualisiert werden, indem sie durch Gesundheitsverhalten zu minimieren und
letztlich als ganz persönlich zu verantworten gelten.“15 Dies führt zu der
Forderung, die Determinanten einer männlichkeitsorientierten Sozialisation in dem Leistungsaspekt und in der Instrumentalisierung des Körpers
zu reflektieren. Es führt weiterhin zu der Forderung nach einer männlichen Körperarbeit, die eine alternative Einstellung zu den dominierenden
männlichen Sozialisationsmustern bietet. Hier gilt es Lernsituationen zu
initiieren, die Ressourcen für ein Bewusstsein des Körpers entwickeln,
das über eine Leistungsorientierung hinausgeht. Ziel ist es, die Wahrneh14
15
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 48.
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 48f.
71
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mung des männlichen Körpers zu schulen und einen lustvollen Umgang
mit dem eigenen Körper zu entwickeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
es ein rein isoliertes körperliches Erleben wohl nicht gibt, sondern das
Erleben des eigenen Körper mit der kognitiven, psychischen und sozialen
Dimension korrespondiert. Eine vor diesem Hintergrund initiierte männliche Körperarbeit kann folgende Themen beinhalten:
--> Qualität männlicher Körperlichkeit16,
--> Körperkraft,
--> körperliche Selbstwahrnehmung,
--> Körperlust und -frust,
--> Erschöpfung,
--> Risikoverhalten,
--> Grenzerfahrungen und Wahrung körperlicher Grenzen,
--> Schmerzempfindung,
--> Körperhaltung und -ausdruck,
--> Stressregulation.
Die dritte Dimension umfasst die emotionalen Erlebnisse. Es geht darum,
Jungen einen geschützten Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie
ihre Erfahrungen und ihr Erleben, ihre Wünsche und Bedürfnisse, ihre
Visionen und ihre Ängste zusammen mit anderen Jungen thematisieren
können. Dabei geht es um die Aspekte:
--> Macht und Ohnmacht,
--> Ausdruck von Ärger und Wut,
--> (Versagens-) Angst,
--> Freiheit und Bindung.
Die Bedingungen, in der die Lerndimensionen aufgeschlossen werden
können, sind zum einen ein qualifiziertes Personal, das Prävention aus
einer vorbildlichen Haltung heraus vermittelt, und zum anderen ein institutioneller Raum, der eine Schutzzone gewährleistet.
Schutzzone bedeutet, dass institutionell eine Zone der Sicherheit vorhanden ist, in der Jugendliche davon ausgehen können, dass Fachkräfte,
Ehrenamtliche und andere Jugendliche bereits bei abfälligen Bemerkungen
und sexualisierten Äußerungen intervenieren und körperliche Übergriffe
unterbinden. „Zu dieser Zone der Sicherheit gehört ein deutliches Regel16
Vgl. Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 29.
72
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werk, welche alle Formen der Gewalt ächtet – auch sexualisierte Gewalt.“17
Sowohl der institutionelle Rahmen als auch das Regelwerk innerhalb der
Institution sind durch Fachpersonal sicherzustellen.
4. Fachkompetenz
Ein fundiertes Wissen und Informationen über die Problematik der sexualisierten Ausbeutung stellen die Grundlage dar, um eine Haltung zu
entwickeln und präventiv handeln zu können. „Prävention sexuellen Missbrauchs braucht Menschen, die sich innerlich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Kinder und Jugendliche zu stärken genügt nicht. Präventionsanlässe dürfen nicht dazu missbraucht werden, die Verantwortung
abzugeben. Kinder und Jugendliche brauchen starke, erwachsene Partnerinnen und Partner.“18 Pädagogen haben schützende, begrenzende und damit stabilisierende Funktionen zu übernehmen, wo sie für Jungen in ihrer
Entwicklung wichtig und sinnvoll sein können.19 „Aus der Perspektive der
Jugend ist es als Qualität anzusehen, begrenzt und beschränkt zu werden
(nicht umsonst hat sich der Topos entwickelt, dass viele Jungen und Männer grenzenlos wirken oder sich grenzüberschreitend verhalten).“20 Der
Konfrontation bereits bei verbalen Abwertungen und der Grenzsetzung
bei gewalttätigem Verhalten kommt eine große Bedeutung im Bereich
des präventiven Handelns zu. Denn: „Im Ausprobieren und Nachahmen
testen Kinder und Jugendliche die Erwachsenen, ob das Ausagieren von
Defiziten und Aggression durch sexualisierte Handlungen geduldet und
damit erlaubt ist. Diese Phase zu ‚übersehen’, zu übergehen, verpasst die
entscheidende Chance, Täterschaft wirklich vorzubeugen.“21
Die Aufgaben des Pädagogen, die er durch seine Haltung als erlebbares
Vorbild vermitteln kann, sind zudem: Einfühlungsvermögen, Ermutigung, Parteinahme, Solidarität, Schutz, Grenzsetzungen und Regeln sowie Eröffnung von Gesprächs- und Erfahrungsräumen.22
17
Böhme, U. (2005). S. 2.
Landeskammer der Evangelischen Jugend in Bayern und Amt für Jugendarbeit
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (2004). S. 27.
19
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 47.
20
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 48.
21
Heiliger, A. (2005). S. 378.
22
Vgl. Lindenberg, T. (2005). S. 19.
18
73
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29.01.2008 12:19:43 Uhr
Ausgehend von der Überlegung, dass der institutionelle (Schutz-)rahmen
und die Haltung des Pädagogen entscheidende Faktoren einer präventiven
Pädagogik darstellen, ist ein vielfältiges Repertoire in den Bereichen Kommunikation, Kooperation, Konfrontation und Stressregulation konstruktiv.
Methoden zu den Bereichen Kommunikation und Kooperation finden sich
beispielsweise in der Abenteuer- und Erlebnispädagogik, kooperativen
Spielen, Interaktionsübungen sowie in Stehgreif- und Rollenspielen. Methoden zu dem Bereich Konfrontation und Grenzen finden sich zum Beispiel in Anti-Aggressions-, Coolness-, Selbstbehauptungs- und Deeskalationstrainings, in den Programmen „Bezavta“23 und „Eine Welt der Vielfalt“
sowie in Kampfspielen mit festen Regeln. Phantasie- und Traumreisen,
Meditations- und Entspannungsübungen, Progressive Muskelentspannung können beispielhaft als Übungen zur Stressregulierung genannt
werden. Niederschwellige Möglichkeiten für Gespräche ergeben sich bereits durch die Anknüpfung an die Alltagssituationen von Jungen. Anlässe
für Erfahrungsräume können Spiel, Sport oder erlebnispädagogische Aktionen sein, wenn die Erfahrungen in einem geschützten Reflexionsraum
thematisiert werden.
Präventive Pädagogik gegen sexualisierte Ausbeutung ist Aufgabe von
Fachkräften. Diese Aufgabe auf Ehrenamtliche zu übertragen, kann schnell
zur Überforderung führen und entbindet die Fachkräfte nicht von ihren Aufgaben. Hier liegt bei den Fachkräften eine andere Verantwortlichkeit als bei
Ehrenamtlichen. Gleichwohl können Ehrenamtliche in der JugendleitercardAusbildung (Juleica) darin geschult werden, eine klare Grundhaltung gegenüber gewaltförmigem Verhalten einzunehmen. Eine klare Regelung im Umgang mit Herabwürdigungen und Gewalt sollte für alle Beteiligten gelten.
Insgesamt gesehen besteht für die außerschulische Jugendbildung eine
relativ große Chance für eine präventiven Pädagogik gegenüber sexualisierter Gewalt mit Jungen, da einerseits Jugendliche diese Institutionen in ihrer
Freizeit nutzen und andererseits hier personell überwiegend männliche Bezugspersonen „mit einem relativ offenen Möglichkeitsraum für geschlechtsbezogene Erfahrungen“24 zur Verfügung stehen.
23
„Bezavta“ (israelisch: Miteinander) ist ein Programm zur Demokratieerziehung, das den
ganzen Menschen ansprechen soll. Es wurde von ADAM – Institut für Demokratie und Frieden in Jerusalem entwickelt. In einer Vielzahl von Übungen und spielerischen Aktivitäten soll
bei den Teilnehmenden ein anderes „qualitatives Demokratieverständnis“ geweckt werden.
24
Winter, R.; Neubauer, G. (1998). S. 116.
74
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Literatur
Böhme, Ulfert:
Was tun, wenn sexuelle Übergriffe geschehen? Seminarmanuskript zur Fachtagung „Keine Chance für ein Tabu –Sexualpädagogik und Gewaltprävention auf
Kinder- und Jugendfreizeiten.“ Fachtagung 20. – 21.06.2005 in der Evangelischen
Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V. Solingen.
Enders, Ursula:
Vorbeugen, erkennen, handeln, Ratgeber gegen sexuellen Missbrauch. Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes NordrheinWestfalen (Hrsg.) Düsseldorf 2003. Nur noch im Internet unter www.callnrw.de/
broschuerenservice.php als pdf-Datei erhältlich.
Heiliger, Anita. (2005):
Täterprävention bei sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Deutsche Jugend, 53. Jg., 2005, H.9, S. 371-380.
Jehle, Doris:
Es fängt ganz harmlos an!? Prävention vor sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit in Baden, in: aej-Information Nr. 4/2005. S. 50.
Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern und Amt für Jugendarbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Hrsg.):
„Bei uns nicht!“ Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch im Jugendverband,
2. Auflage, Nürnberg 2004.
Lindenberg, Thomas:
Zwischen Gewaltprävention und Parteilichkeit, in: Switchboard, Zeitschrift für
Männer und Jungenarbeit, Nr. 171, August-September 2005, S. 16-19.
Munding, Reinhold:
Sexualpädagogische Jungenarbeit. Forschung und Praxis der Sexualaufklärung
und Familienplanung. Bd. 1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(Hrsg.). Köln 1995.
75
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29.01.2008 12:19:44 Uhr
Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband NRW (Hrsg.):
Qualitätsstandards. Selbstsicherheitstrainings für Mädchen und Jungen gegen
sexuelle Übergriffe. Wuppertal 2005.
Riederle, Josef:
Kampfesspiele machen Spaß und unterstützen Jungen in ihrer persönlichen
Entwicklung. Gewalt Akademie Villigst / Kraftprotz Bildungsinstitut für Jungen
und Männer (Hrsg.), Schwerte 2003.
Weidner, Jens; Kilb, Rainer; Kreft, Dieter (Hrsg.):
Gewalt im Griff. Bd. 1.: Neue Formen des Anti-Aggressivitäts-Trainings. 3. Aufl.
Weinheim 2001.
Winter, Reinhard; Neubauer, Gunter:
Kompetent, authentisch und normal? Aufklärungsrelevante Gesundheitsprobleme, Sexualaufklärung und Beratung von Jungen. Bd. 14. Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung, Köln 1998. Nur im Internet unter www.bzga.de als
pdf-Datei erhältlich.
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Brunhild Schmidt
Diplom-Sozialwissenschaftlerin, seit 1981 Referentin
im Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen,
dort u. a. Organisation von Fortbildungen zur Thematik Beratung
bei sexueller Gewalt gegen Mädchen und Jungen.
Neue Perspektiven der Prävention sexualisierter Gewalt im Jugendverband:
Integration des Themas in die Planung von Freizeiten, Schulungen von
Ferienfreizeitleitungsteams und strukturelle Bedingungen von Freizeiten
Ferienfreizeiten bilden traditionell einen selbstverständlichen Bestandteil
der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der evangelischen Jugendarbeit. Sie werden mit einem kirchlich-theologisch-pädagogischen Qualitätsanspruch geplant, vorbereitet und durchgeführt. Besondere Aktivitäten, normale Alltagshandlungen, Spiele und Gemeinschaftserlebnisse,
Bildungsangebote und vieles mehr entwickeln zwischen den Teilnehmenden, den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den
Hauptamtlichen vielfältige Kontakte und Beziehungen. Das Gelingen einer Freizeitmaßnahme wird zu einem wesentlichen Teil daran gemessen
werden, wie der Aufbau der Kontakte und Beziehungen aller Beteiligten
während der gemeinsamen – begrenzten – Zeit in einem guten Sinne gelingt. Es entsteht bzw. es soll entstehen: zwischenmenschliche Nähe.
Von daher ist es für einen Jugendverband wichtig anzuregen, die Prävention sexualisierter Gewalt als Bestandteil bei der Planung und Durchführung von Ferienfreizeiten (inklusive vorbereitende Schulungen der Freizeitleitungsteams) zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf die Problematik der sexualisierten Gewalt wurde ein
komplexer Wissensbestand erarbeitet. In Kindergärten, Jugendarbeit und
Schule wird hierzu inhaltlich direkt mit Kindern und Jugendlichen im
Sinne einer präventiven Pädagogik gearbeitet.
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Plant man die Einbeziehung präventiver Arbeit, ist es spannend, verschiedene Perspektiven einzunehmen:
Da gibt es den Blick auf Mädchen und Jungen als mögliche Betroffene
und Teilnehmende: Wie kann hier Unterstützung gegeben werden, was
ist zu tun?
Gleichzeitig muss der Blick auf den eigenen Jugendverband, die Evangelische Kirche gerichtet werden: Wie sind die hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zu sensibilisieren und fortzubilden? Wie
können sie im Hinblick auf Kinder und Jugendliche fortgebildet und auf
potentiell „übergriffige“ Verhaltens- und Handlungsweisen in ihrer Rolle
sensibilisiert werden? Welche Rolle nehmen dann die hauptberuflichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein?
Hinzu kommt der Blick auf die strukturellen Bedingungen während der
Freizeit:
Welche präventiven Maßnahmen sind bei der Planung und Durchführung von Freizeiten zu treffen mit dem Ziel, Situationen zu vermeiden,
die Übergriffe begünstigen können? Ist eine strukturelle Absicherung z.
B. durch Einbeziehung der Thematik in ein Leitbild oder die Vereinbarung
eines Verhaltenskodexes erreichbar?
Der Blick auf die Teilnehmenden von Ferienfreizeiten:
Zur Grundhaltung gehört, einer oder einem Betroffenen Glauben zu
schenken und gleichzeitig diesen Menschen nicht nur als Opfer, sondern
als Individuum mit Stärken und Ressourcen zu sehen. Im Sinne eines
Bildungsangebots ist es möglich, während der Freizeit – mit sozialpädagogischen Methoden – sexualisierte Gewalt zu thematisieren.1 Wenn daraufhin ein betroffenes Kind oder Jugendlicher die eigene Erfahrung anspricht, muss gewährleistet sein, dass diejenigen, die präventiv zu diesem
Thema arbeiten, mit dieser Situation umgehen können.
1
Siehe Literaturverzeichnis zur methodischen Arbeit an diesem Thema u. a. bei dem Fachhandel Donna Vita: www.donnavita.de.
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Bei den Mitarbeitenden werden i. d. R. starke emotionale Reaktionen
ausgelöst: Da ist der Wunsch nach sofortiger Hilfe und gleichzeitig
spielen verschiedene Befürchtungen und Ängste eine Rolle. Folgende
Handlungsanweisungen bieten Orientierung:2
--> Bewahre Ruhe,
--> überlege, woher kommt die Vermutung,
--> führe ein Vermutungstagebuch,
--> erkenne und benenne deine Gefühle,
--> nimm Kontakt mit der Vertrauensperson in deinem Jugendverband auf,
--> biete dem Kind oder dem Jugendlichen ein Gespräch an,
--> verständige auf keinen Fall sofort die Familie,
--> stimme das weitere Vorgehen mit den Betroffenen und der Vertrauensperson ab,
--> informiere auf keinen Fall den vermutlichen Täter oder die vermutliche Täterin,
--> hole dir, unterstützt durch die Vertrauensperson, professionelle Hilfe,
--> erkenne und akzeptiere deine Grenzen und Möglichkeiten.
Der Blick auf die Thematik der sexualisierten Gewalt bei Schulungen
für Freizeitleitungsteams
Die Freizeitleitungsteams werden entweder in Ausbildungen für die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder in speziellen Schulungen für die Freizeiten pädagogisch vorbereitet. Im Folgenden geht es
um inhaltliche Anregungen, die Thematik der sexualisierten Gewalt gezielt in die Vorbereitung der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen.
Es wird ein mögliches „Modul Sexualisierte Gewalt“ vorgestellt. D. h.,
dass Grundausbildungen Ehrenamtlicher bzw. Schulungen von Freizeitleitungsteams ergänzt werden können durch die Aufnahme eines weiteren
2
Dieser Orientierungsrahmen stammt aus: Johanniter Jugend (Hrsg.): !Achtung – Gegen sexuellen Missbrauch bei den Johannitern, Arbeitshilfe gegen sexuellen Missbrauch im Jugendverband. Berlin Oktober 2005. S. 16f. Dort sind weitere hilfreiche Informationen, z. B. zur
Gesprächsführung und zum Vorgehen bei Ehrenamtlichen als Täter oder Täterinnen zu
finden. Zu bestellen über: www.johanniter-achtung.de
Siehe auch: Langsam kommen wir schneller ans Ziel! Hilfen für betroffene Mädchen und
Jungen. In: Enders, Ursula (Hrsg.): Zart war ich, bitter war’s, Handbuch gegen sexuellen
Missbrauch, Köln 2003. S. 181 ff.
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inhaltlichen Schwerpunkts „Sexualisierte Gewalt“. Der zeitliche Rahmen
für die Aufnahme neuer Inhalte ist allerdings begrenzt, da durch die Richtlinien zur Vergabe der Juleica z. B. bei den Grundausbildungen Ehrenamtlicher viele inhaltliche Schwerpunkte festgelegt sind. An dieser Stelle
wird das „Modul Sexualisierte Gewalt“ in verschiedene konkrete Themen
differenziert, von denen – je nach konkretem Bedarf vor Ort – ein Thema
ausgewählt werden kann. Die Verantwortlichen der Schulungen entscheiden, welches Thema für welche Gruppe richtig ist.
In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass für die Konzeption der Schulungen Ziele formuliert wurden. An dieser Stelle wird
unterschieden in Grundsatzziele3, Mittlerziele und Handlungsziele4. Freizeitleitungsteams richten sich nach den Grundsatzzielen für Freizeiten
des jeweiligen Trägers, den Zielen der einzelnen Freizeiten und der Zielgruppe, den Teilnehmenden.
Als Mittlerziel, das auf einer Ebene zwischen Leit- und Handlungszielen
anzusiedeln ist, wird an dieser Stelle für das „Modul Sexualisierte Gewalt“
folgendes formuliert:
Die Ehrenamtlichen haben von der Problematik sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und Jungen Kenntnis. Die Ehrenamtlichen haben sich mit
der Thematik Sexualität auseinandergesetzt.
Im Hinblick auf die mögliche Betroffenheit von Teilnehmerinnen
und Teilnehmern der Freizeiten wissen sie, dass sexualisierte Gewalt mit
Grenzverletzungen einhergeht und Kinder nicht die Verantwortung für
solche Übergriffe haben.
Im Hinblick auf ihre Leitungsrolle bei der Freizeit halten sie im Kontakt
mit den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen klar Grenzen ein.
In einem nächsten Schritt sind „vor Ort“ bei der Schulung Handlungsziele zu formulieren, also Ziele, deren Erreichen in der konkreten Ausbildung mit einem konkreten Thema des Moduls angestrebt wird.
3
Beispielhaft werden in der Anlage die „Leitlinien für Evangelische Kinder- und Jugendfreizeiten“ der Delegiertenkonferenz der Evangelischen Jugend im Rheinland vom 02.11.1997
aufgeführt.
4
Das Konzept der Grundsatz-, Mittler- und Handlungsziele wird beschrieben bei:
Bewyl, Wolfgang / Schepp-Winter, Ellen: Zielfindung und Zielklärung – ein Leitfaden.
QS-Reihe Heft 21. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(Hrsg.) S. 42ff (vollständig vergriffen).
83
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29.01.2008 12:19:47 Uhr
Mögliche Themen des „Moduls Sexualisierte Gewalt“
--> Mädchen und Jungen als Betroffene und die spezifischen Folgen für
ihre Identitätsentwicklung,
--> Bedingungen für Betroffene zum Ansprechen von Erfahrungen der
sexualisierten Gewalt,
--> der Missbrauch von Vertrauen und Autorität bei sexualisierter Gewalt:
sexualisierte Gewalt als Beziehungstat,
--> Daten, Fakten, Dunkelziffer und rechtliche Vorschriften,
--> Strategien von Täterinnen und Tätern,
--> mögliche Situationen bei Kinder- und Jugendfreizeiten und präventive
Maßnahmen,
--> Wahrnehmungen, Gefühle, Vermutungen, Verdacht, Wissen: Gespräche und Vorgehensweisen von Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen,
--> Regionale professionelle Hilfe und Netzwerke,
--> die Rolle von hauptberuflichen Jugendreferentinnen und –referenten
oder Ansprechpartner(inne)n in der Evangelischen Kirche.
Die methodisch-didaktische Umsetzung der o. a. Themen ist – dem Prinzip der Ganzheitlichkeit entsprechend – so zu gestalten, dass die vermittelten Inhalte über möglichst alle Sinne wahrgenommen, erfasst und
verstanden werden können. Es ist so viel wie möglich mit spielerischen
Methoden, Simulationen und weiteren kreativen Methoden der Sozialpädagogik zu arbeiten.
Zur Rolle der hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine „Drehpunktfunktion“ bei der Thematisierung sexualisierter Gewalt inne:
Ihnen obliegt mehr als die Sicherstellung von grundlegenden Informationen bei Schulungen von Freizeitleitungsteams. Wenn diese Thematik
eingebracht wird, sollten Kompetenzen vorhanden sein:
--> für den Umgang mit betroffenen Kindern und Jugendlichen,
--> für Informationen über professionelle Hilfe in der Region,
--> für ein planvolles weiteres Vorgehen,
--> für das Vorgehen gegen Mitarbeitende als Täter oder Täterin.
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29.01.2008 12:19:47 Uhr
In einem Krisenfall sollten die Hauptberuflichen zielgerichtet professionelle Unterstützung suchen.5
Der Blick auf strukturelle Aspekte von Ferienfreizeiten:
Mögliche Situationen und die Auswahl von Mitarbeitenden
Hier sind z. B. Aspekte wie die Ausstattung von Zeltplätzen oder Häusern
(z. B. Berghütten) mit getrennten Umkleiden und Duschen zu berücksichtigen. Von Seiten der Freizeitenleitung ist darauf zu achten, z. B. bei einer
intensiveren Einzelbetreuung die professionelle Rolle und professionelle
Distanz einzuhalten. Darüber hinaus kann eine Positionierung gegen sexualisierte Gewalt in einem Leitbild des Jugendverbandes oder in formulierten Leitzielen für das Handlungsfeld „Freizeiten“ die Kommunikation
nach innen und außen bestimmen.6
Darauf aufbauend ist es möglich, eine schriftliche Vereinbarung zwischen
dem Träger und hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zu
treffen.7 Damit sie Nutzen bringt, ist mit einer solchen Vereinbarung verbindlich umzugehen.8
5
In manchen Landesverbänden oder Landeskirchen sind Ansprechpersonen benannt,
evtl. gibt es sogar eine „Handreichung zum Umgang mit sexueller Gewalt“ wie z. B.
in der Evangelischen Kirche von Westfalen.
6
Siehe ein exemplarisches Leitbild in der Anlage.
7
Siehe auch „Ehrenkodex der Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern“
im Beitrag von P. Peters in dieser Veröffentlichung und ein weiteres Beispiel in der Anlage.
8
Siehe Beispiel in der Anlage.
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29.01.2008 12:19:47 Uhr
„Leitlinien für Evangelische Kinder- und Jugendfreizeiten“
der Delegiertenkonferenz der Evangelischen Jugend im Rheinland
vom 02.11.1997:
Kinder und Jugendliche können bei Freizeiten der Ev. Jugend erfahren und erleben:
--> sie werden in unseren Freizeiten so akzeptiert wie sie sind; ihrem Alter und ihren Möglichkeiten entsprechend werden sie
gut betreut und begleitet,
--> sie erleben ein bewusst gestaltetes Zusammenleben von Kindern und Jugendlichen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, unterschiedlichen Glaubens, mit der einen oder anderen Behinderung,
--> sie finden Freiräume für eigenständiges und selbstverantwortliches
Handeln und für die Selbstorganisation der Freizeitgruppe,
--> sie machen bei uns nicht alltägliche Erfahrungen und können
sich mit Fragen zu Gott und der Welt auseinandersetzen,
--> sie können neue Verhaltensmuster ausprobieren, ihr Selbstbewusstsein weiterentwickeln und ihre Erlebnisse mit Gleichaltrigen und – wenn gewünscht – mit jungen Erwachsenen reflektieren,
--> sie erleben in vielen Freizeiten junge Erwachsene, die sich um
Toleranz, Gerechtigkeit und friedliche Konfliktlösung bemühen
und als ehrenamtliche Leiterinnen und Leiter Vorbild für sinnvolles Engagement sein können.
Beispiel eines Leitbildes aus: Kai Sachs, Heinz Fuchs: Sexualisierte Gewalt, aus:
Punktum. Heft Nr. 4/2005. Landesjugendring Hamburg:
Als christliche/werteorientierte Jugendorganisation engagieren wir uns
für die Rechte von Kindern und Minderjährigen – hier bei uns und weltweit. Dabei ist für uns auch die Problematik sexueller Übergriffe und sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen kein Tabuthema.
Wir wählen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sorgfältig aus und –
neben dem notwendigen Handwerkszeug, das ein Kinder- und Jugendreiseleiter braucht – schulen wir sie auch in diesem Bereich.
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29.01.2008 12:19:48 Uhr
Besonders tragen wir Sorge, dass Kinder und Jugendliche vor Formen sexualisierter Gewalt geschützt sind.
Gleichzeitig setzen wir uns weltweit für Kinder- und Menschenrechte ein
und engagieren uns für den Schutz von Kindern vor allen Formen sexueller Ausbeutung; gegen den Handel mit Kindern und ihre Ausbeutung
durch Prostitution und Pornografie.
Als längerer Zeitabschnitt ohne Anwesenheit heimischer Erziehungsinstitutionen bildet die Kinder- und Jugendreise eine gute Basis für das Einüben der eigenen Geschlechterrolle und für einen neuen, gleichberechtigten und partnerschaftlichen Umgang von Männern und Frauen in der
Gesellschaft.
Beispiel für die Vereinbarung eines Trägers mit hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus: Kai Sachs, Heinz Fuchs: Sexualisierte Gewalt, aus: Punktum. Heft Nr. 4/ 2005. Landesjugendring Hamburg:
Als Veranstalter von Kinder- und Jugendreisen haben wir eine Fürsorgepflicht gegenüber Kindern und Jugendlichen und ihren Erziehungsberechtigten. Wir sind verantwortlich, dass unsere Teilnehmer und
Teilnehmerinnen in ihren Rechten respektiert und ihren Bedürfnissen
entsprechend behandelt werden. Wir gewährleisten, dass im Umfeld unserer Reisen Bedingungen geschaffen werden, die der sexuellen Gewalt an
Kindern und Jugendlichen vorbeugen.
Daher gelten für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen folgende verbindliche Regeln.
1. Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen wird als grobes Fehlverhalten verurteilt.
2. Sexuelle Handlungen mit Personen unter 18 Jahren sind verboten.
3. Sexuelle Verhältnisse zwischen Mitarbeitenden des Veranstalters und
Zielgruppenangehörigen sind nicht erlaubt.
4. Bei begründeten Verdachtsfällen von sexueller Gewalt sind die Verantwortlichen unverzüglich zu informieren.
5. Hinweise auf Fälle von sexueller Gewalt gegen teilnehmende Kinder
und Jugendliche werden geprüft und ggf. zur Anzeige gebracht.
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29.01.2008 12:19:48 Uhr
6. Betroffenen Kindern und Jugendlichen sowie ihren Angehörigen wird
beigestanden.
7. Täter/Täterinnen werden unmittelbar von ihren Aufgaben entbunden
und auf entsprechende Hilfeeinrichtungen hingewiesen.
Beispiel für den Umgang mit einem Verhaltenskodex aus: Kai Sachs, Heinz
Fuchs: Sexualisierte Gewalt, aus: Punktum. Heft Nr. 4/ 2005 Landesjugendring
Hamburg:
1. Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden akzeptieren die o. g.
Vereinbarung durch ihre Unterschrift.
2. Der Veranstalter wird bereits bei der Auswahl der Mitarbeitenden die
Motivation der Bewerber/innen für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sorgfältig prüfen. Denn nachweislich wählen Pädosexuelle
oft u. a. Arbeitsbereiche, in denen sie mit Minderjährigen einen engen
Kontakt aufbauen können.
3. Der Veranstalter verpflichtet sich, seine Mitarbeitenden durch Information und Schulungen zu sensibilisieren und zu qualifizieren. (Wie
erkennt man sexuelle Gewalt und wie geht man damit um?). Dabei
ist es besonders wichtig, darüber aufzuklären, dass auch von Jugendlichen selbst sexuelle Gewalt ausgeübt wird. Außerdem werden die
Mitarbeitenden über die rechtliche Situation sowie über Hintergründe
aufgeklärt.
4. In der Zusammenarbeit mit Partnergruppen und -organisationen im
In- und Ausland und entsprechenden Dachorganisationen und Netzwerken sollte die Problematik angesprochen und gemeinsame Handlungsrichtlinien vereinbart werden.
5. Der Veranstalter reflektiert die durchgeführten Maßnahmen und
berichtet regelmäßig über daraus resultierende Erfahrungen und
Schlussfolgerungen.
6. Darüber hinaus ist die Sensibilisierung der Mitarbeitenden und ggf.
der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen über die sexuelle Ausbeutung von Kindern weltweit (z. B. Kinderprostitution im Tourismus)
als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu übernehmen („Gegen das
Wegsehen!“). Jugendliche sind nicht nur Täter und Opfer; sie können
selbstbewusste Akteure für den Schutz von Minderjährigen vor sexueller Gewalt sein.
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29.01.2008 12:19:48 Uhr
7. Prävention zum Schutz vor sexueller Gewalt ist in Ziel- und Aufgabenbeschreibung von Jugendreisen und Ferienprogrammen zu formulieren. Da die Konfrontation von Kindern mit diesem Thema zu einer (Re-)
Traumatisierung führen kann, dürfen nur qualifizierte, einfühlsame
und sensible Mitarbeiter/innen eingesetzt werden. Betroffene Kinder
oder Jugendliche bzw. ihre Erziehungsberechtigten müssen auf entsprechende Hilfeeinrichtungen hingewiesen werden.
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29.01.2008 12:19:49 Uhr
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29.01.2008 12:19:50 Uhr
Karl-Heinz Grosch
Diplom-Sozialarbeiter, Weiterbildung: Spiel- und Theaterpädagoge, Computermedienpädagoge, seit 1977 Dekanatsjugendreferent
im Dekanat Dreieich (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau)
Stärkung des Kinder-Ich
– Arbeitseinheit für die Gruppenleiter(innen)schulung
zum Thema Sexueller Missbrauch
(In Anlehnung an: Andreas Becker, Ute Leitzbach: interne Arbeitshilfe
„Prävention gegen sexuellen Missbrauch“, Evangelische Kirche in Hessen
und Nassau)
Seit mehreren Jahren findet das Thema in der öffentlichen Diskussion
mehr Beachtung. Dadurch sensibilisiert haben sich viele hauptberufliche
Mitarbeiter(innen) mit dieser Thematik beschäftigt und waren in Einzelfällen auch in ihrer Freizeiten- und Jugendarbeit mit Betroffenen befasst.
In der Ausbildung für ehrenamtliche Mitarbeiter(innen) ist dieses Thema
allerdings kaum anzutreffen.
Wir sehen zwar, dass für eine wirksame Hilfe unbedingt Fachleute hinzugezogen werden sollen, meinen aber, dass auch Gruppenleiter(innen)
einige Grundkenntnisse zu diesem Thema haben sollen. Zum einen um
sich im Verdachtsfall oder bei einer Selbstoffenbarung angemessen verhalten zu können, zum anderen um sich über die eigenen Emotionen klar
zu werden und diese zu reflektieren.
Unsere Stärke als Evangelische Kinder- und Jugendarbeit liegt sicher nicht
in der Betreuung von Betroffenen, aber wir können sehr viel im Bereich
der Prävention anbieten. Dafür den Blick zu schärfen ist das Anliegen dieser Arbeitseinheit.
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AEJ komplett.indb Abs1:92
29.01.2008 12:19:51 Uhr
Evangelische Kinder- und Jugendarbeit kann viel im Bereich Prävention
leisten.
Ablaufplan „Stärkung des Kinders-Ichs“
1. Was macht mich wertvoll?
Jede(r) Teilnehmer(in) schreibt auf einem Papierstreifen 10-fach eine Eigenschaft, die sie/er besonders gut an sich findet und klebt diesen Streifen mit Tesakrepp an sich. Bei einer anschließenden Bewegungsphase
versucht jede(r) bei dem/der andere fehlende Eigenschaften einzutauschen. In einer Abschlussrunde werden vor allem die Gefühle während
der Übung thematisiert.
2. Das christliche Menschenbild
Kurzvortrag: Der Mensch als Ebenbild Gottes (die besondere Würde des
Menschen, Ganzheitlichkeit), Gemeinsame Lesung des Psalm 139.
3. Sexueller Missbrauch
Wir verwenden die Begriffe Täter(in) und Opfer, um die Verantwortlichkeit deutlich zu machen.
Im Folgenden wird von sexuellem Missbrauch geredet, weil dies ein umfassender Begriff ist. Häufig wird in der Literatur auch von Inzest geredet.
Damit ist strenggenommen gemäß § 173 StGB der Beischlaf mit einem
leiblichen Abkömmling (Sohn, Tochter, Enkel, Enkelin) oder mit einem
leiblichen Verwandten aufsteigender Linie (Mutter, Vater, Großmutter,
Großvater) gemeint.
Unter den Tätern gibt es aber auch Brüder, Onkel, Freunde und Nachbarn
der Familie. Statistiken zeigen, dass der böse Unbekannte, vor dem Kinder immer gewarnt werden, nicht alleine als Tätergruppe in Frage kommt.
Meist kommen die Täter aus dem nahen sozialen Umfeld.
Täter sind fast immer Männer. Die Zahlen in der Literatur schwanken von
90 – 98 %. Opfer sind zu 75 % Mädchen und zu 25 % Jungen. Wobei die
Dunkelziffer bei Jungen höher ist.
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AEJ komplett.indb Abs1:93
29.01.2008 12:19:51 Uhr
a) Versuch einer Definition:
--> Eltern dürfen und sollten Zärtlichkeiten mit ihren Kindern austauschen, denn Kinder brauchen Zärtlichkeit und Körperkontakt.
--> Die Grenzen zum sexuellen Missbrauch sind nicht fließend.
--> Missbrauch liegt dann vor, wenn der/die Täter(in) sich mit Absicht an
dem Körper des Kindes befriedigt oder vom Kind befriedigen lässt.
--> Die Grenze wird durch die Absicht des Täters oder Täterin eindeutig
festgelegt.
--> Definition: Jede sexuell motivierte Handlung, die das Kind zum Sexualobjekt degradiert, dazu gehört nicht nur der vollzogene Geschlechtsverkehr, sondern auch Berührungen der Geschlechtsorgane, die das
Kind über sich ergehen lassen muss oder an anderen oder sich selbst
vornehmen muss, pornografische Bilder oder Filme mit Kindern herstellen.
--> Die Übergänge zwischen Spielen, Zärtlichkeit und sexuellem Missbrauch sind bei dem Kind jedoch fließend.
--> Es kann nicht eindeutig einordnen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn
ein Mann ihm beim Spielen ins Höschen fasst.
--> Ein Kind kann aber intuitiv zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen unterscheiden.
--> Nur kann es sich aus verschiedenen Gründen nicht gegen unangenehme Brührungen und Handlungen wehren:
– Der/die Täter(in) ist ihm körperlich überlegen, aber auch die emotionale Abhängigkeit macht es dem Kind unmöglich, sich zu wehren.
– Es hat eine enge soziale Beziehung zum/zur Täter(in), liebt ihn/sie
und möchte von ihm/ihr geliebt werden.
– Der/die Täter(in) ist vielleicht sonst sehr nett zu dem Kind und das
Kind möchte diese Aufmerksamkeit nicht verlieren.
– Der/die Täter(in) verspricht dem Kind etwas (materielle Dinge, Privilegien...).
b) Informationseinheit: Missbrauchsdynamik und Entwicklung hin zum
Missbrauch
--> Kinder sind unterlegen.
--> Kinder können nicht über ihren Körper bestimmen.
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AEJ komplett.indb Abs1:94
29.01.2008 12:19:52 Uhr
--> Kinder vertrauen dem Missbraucher.
--> Er/sie versteht es, sich für das Kind mit Spielen und Geschenken interessant zu machen und nutzt die Neugierde an nackten Körpern bei
Kindern aus.
--> Eltern sind froh über das Interesse von ihnen nahestehenden Erwachsenen an ihrem Kind, denn das entlastet sie.
--> Auch nach dem Missbrauch sind die Gefühle für den Missbraucher
noch zwiespältig.
--> Er/sie versteht es immer wieder, auch seine nette Seite zu zeigen.
--> Kinder genießen die Privilegien, die sie erhalten. Ist der Vater oder der
Stiefvater der Täter, neiden andere Geschwister oft diese Privilegien
und die betroffenen Kinder werden noch zusätzlich isoliert.
--> Das kleine Geheimnis: Die Täter(innen) verlangen Stillschweigen und
haben die Kinder erst einmal geschwiegen, haben sie das Gefühl Komplizen zu sein und eine Mitverantwortung zu haben. Sie spüren dazu,
dass der Familienzusammenhalt gefährdet ist und der/die Täter(in)
verstärkt diese Gefühle, indem er/sie mögliche Konsequenzen ausmalt.
Vor allem, wenn der Missbrauch in der Familie stattgefunden hat, wissen
die Kinder nicht, ob andere Familienmitglieder sich ihnen gegenüber solidarisch verhalten. Sie haben das Gefühl, die Familie schützen zu müssen.
Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt: Drohungen und physische
Gewalt.
Kinder leisten Widerstand. Nur ist es umso schwerer, je näher sie dem/
der Täter(in) stehen. Zu Hause können sie ihm/ihr kaum entkommen.
Sie gehen bekleidet ins Bett, versuchen, nicht mit dem/der Täter(in) alleine zu sein, verhalten sich unauffällig, versuchen möglichst unattraktiv zu
wirken...
Pause
95
AEJ komplett.indb Abs1:95
29.01.2008 12:19:52 Uhr
Entwicklung zum Missbrauch
1. Stufe
--> Der/die Erwachsene verschafft sich Zugang zum Kind. (Er/sie spielt
öfter mit ihm, geht spazieren, in den seltensten Fällen wendet er/sie
am Anfang Gewalt an, er/sie versucht eher das Vertrauen und die Zuneigung des Kindes zu erlangen, dies ist für einen nahen Verwandten
natürlich einfach.)
--> Sexuelle Handlungen werden ins Spiel eingebaut, als Zuneigungsbeweis oder Aufklärung hingestellt. (Beim Kitzeln und Toben ins Höschen fassen. Ich spiele das Zauberspiel mit dir, Penis groß und klein
zaubern. Zu Zwecken der Aufklärung Körper zeigen oder Nachschauen, ob beim Kind alles in Ordnung ist.)
--> Manche Täter(innen) gewähren auch Belohnungen oder Begünstigungen, wobei die Aufmerksamkeit, die das Kind von dem/der Täter(in)
bekommt, schon eine Belohnung sein kann, weil es sonst wenig Aufmerksamkeit bekommt.
--> Das Kind ist zunächst stolz ein Geheimnis zu teilen.
--> Manchmal wird auch Gewalt für das Kind oder ihm nahestehende Personen oder Tiere angedroht.
2. Stufe
--> Die sexuellen Handlungen entwickeln sich im Laufe der Zeit von weniger intimen zu intimeren Formen.
--> Das Kind wird zu strenger Geheimhaltung verpflichtet.
--> Es merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, steckt aber schon zu tief in
der Situation, um sich zu wehren, da es schon mitgemacht hat.
--> Das Geheimnis wird belastend, es ist aber wehrlos, da es sich nicht
gegen eine(n) Erwachsene(n) zur Wehr setzen kann. Diese(r) macht
solche Bemühungen auch zunichte, indem er/sie auf die Lage hinweist
oder droht.
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AEJ komplett.indb Abs1:96
29.01.2008 12:19:52 Uhr
3. Stufe
Wird der Missbrauch bekannt, geraten der/die Täter(in), das Kind und
die gesamte Familie in eine Krise. Die Familienmitglieder kommen in
einen Loyalitätskonflikt. Der/die Täter(in) leugnet und oft wird ihm/ihr
geglaubt.
4. Einzelarbeit
--> Was würde ich tun, wenn ich einen Verdacht habe?
--> Was würde ich tun, wenn sich mir jemand offenbart?
--> Welche Gefühle bewegen mich?
5. Interventionsstufen
Hierbei war uns wichtig auf folgende Punkte hinzuweisen:
--> Niemand sollte alleine einen Interventionsversuch unternehmen, sondern immer Hilfe suchen.
--> Der Schutz des Kindes geht vor Bestrafung des Täters, auch wenn wir
noch so wütend sind.
--> Dem Kind müssen alle Schritte, die geplant sind, erklärt werden.
--> Die Chance der "Selbstbefreiung" darf nicht durch übereifrige Helfer
zerstört werden (besonders bei Jugendlichen wichtig).
6. Ideen für präventive Arbeit:
Beispielhaft wurden einige Spiele und Methoden erprobt.
Schwerpunkte dabei: Den eigenen Körper positiv wahrnehmen, Gefühle
wahrnehmen und zeigen, „Nein“ sagen lernen.
Kopfmeditation1
Ein Spiel, das für die verschiedenen Einzelheiten des Körpers sensibilisiert
und gleichzeitig auch der Entspannung der Kinder dient. Das Spiel dauert
1
Vopel, Klaus W.: Interaktionsspiele für Kinder, Teil 3, Salzhausen 1996, S. 36f.
97
AEJ komplett.indb Abs1:97
29.01.2008 12:19:53 Uhr
etwa 10 Minuten und ist für Kinder ab acht Jahren geeignet. Es kann als
Einstiegsspiel auch für Kinder verwendet werden, die von ihrer Erziehung
her schwer über manche Körperteile reden können, da es sich nur mit
dem Kopfraum beschäftigt.
Spielanleitung:
Ich möchte, dass ihr euch heute mit eurem Körper beschäftigt.
Bitte setzt euch einmal ruhig auf den Stuhl und schließt die Augen.
(Geben Sie nach den folgenden Anweisungen immer ca. 10 Sekunden
Zeit.)
Meditation
--> Jetzt konzentriert euch auf eure Zunge und versucht, mit der
Zunge das Innere des Mundes zu erfühlen.
--> Geht jetzt mit der Zungenspitze zu etwa Sanftem in eurem
Mund.
--> Jetzt fühlt etwas Hartes in eurem Mund.
--> Jetzt fühlt alle eure Zähne.
--> Jetzt fühlt die Zähne eures Oberkiefers.
--> Und jetzt die Zähne im Unterkiefer.
--> Was könnt ihr sonst im Mund fühlen?
--> Könnt ihr eure Spucke fühlen?
--> Jetzt öffnet den Mund leicht und fühlt eure Lippen.
--> Jetzt nehmt die Fingerspitzen und berührt euren Kopf;
haltet die Augen dabei gut geschlossen.
--> Jetzt berührt euer Haar.
--> Berührt auch die Spitzen des Haares.
--> Findet genau heraus, wo das Haar aufhört und die Haut beginnt.
--> Jetzt berührt eure Stirn,
--> die Augenbrauen,
--> fühlt ganz vorsichtig die Augenlieder und die Wimpern,
--> jetzt fühlt eure Wangen.
--> Berührt jetzt die Nase,
--> findet die Nasenspitze.
98
AEJ komplett.indb Abs1:98
29.01.2008 12:19:53 Uhr
--> Bemerkt, wo eure Nasenlöcher sind.
--> Jetzt öffnet den Mund und haltet eure Hand vor den Mund, wenn
ihr atmet.
--> Seht zu, ob ihr den leichten Luftzug beim Ausatmen und Einatmen bemerken könnt.
--> Fühlt jetzt eure Lippen.
--> Jetzt geht mit Händen zu den Ohren,
--> fühlt das Ohrläppchen,
--> fühlt das Ohr von hinten und von innen.
--> Jetzt berührt das Kinn,
--> öffnet und schließt den Mund; legt die Hände auf die Muskeln,
die den Unterkiefer bewegen.
Jetzt legt die Hände in den Nacken,
--> fühlt den Nacken.
--> Jetzt haltet euer Gesicht mit beiden Händen, als ob ihr euch ausruhen wollt.
--> Nehmt die Hände vom Gesicht und öffnet die Augen.
Vopel schlägt folgende Fragen für einen Auswertungsgespräch vor:
--> Was hat mir Spaß gemacht?
--> Waren meine Hände vorsichtig mit meinem eigenen Gesicht?
--> Wer berührt sonst mein Gesicht?
--> Habe ich es gern, wenn sonst jemand mein Gesicht berührt?
Diese Fragen eignen sich auch dazu, ein Gespräch über angenehme und
unangenehme Berührungen zu beginnen. Dabei könnte auch ein Hinweis
auf das "Nein sagen dürfen" gegeben werden, um dann entsprechende
Handlungsmöglichkeiten zu besprechen. Dazu kann die Frage hilfreich
sein: Was mache ich, wenn mich jemand berührt, von dem ich es nicht
mag?
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29.01.2008 12:19:53 Uhr
Gefühlsgedicht
Es werden zwei Gruppen gebildet, die sich gegenüberstehen und die die
gegensätzlichen Gefühle darstellen sollen, während das Gedicht langsam
vorgelesen wird.
Angst und Mut
Glück und Wut
Ernst und Scherz
Lachen und Schmerz
Freude und Trauer
süß und sauer
hauen und küssen
dürfen und müssen
stark und schwach
müde und wach
wehren und ducken
weinen und mucken2
Gute und schlechte Geheimnisse:
Zwischen guten und schlechten Geheimnissen unterscheiden.
Zur Unterscheidung können in einem Spiel verschiedene Geheimnisse
genannt werden. Die Kinder sollen nun feststellen, ob es sich um ein gutes
oder ein schlechtes Geheimnis handelt:
Ich nenne euch Geheimnisse und ihr sagt mir, ob es gute oder schlechte
Geheimnisse sind:
--> Ihr malt ein Bild für Papa. Es soll ein Weihnachtsgeschenk werden und
ihr erzählt niemandem davon.
--> Ein Kind nimmt dir dein Lieblingsspielzeug weg und sagt, dass du
nichts sagen darfst, sonst kriegst du Schläge. Du bist sehr traurig und
fürchtest dich.
--> Deine Freundin vergisst beim Spielen aufs Klo zu gehen und macht
2
Braun, Gisela: Ich sag’ Nein, Arbeitsmaterialien gegen den sexuellen Missbrauch an
Mädchen und Jungen, Mühlheim 1999, S. 24.
100
AEJ komplett.indb Abs1:100
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in die Hose. Es ist ihr sehr peinlich und sie bittet dich, den anderen
Kindern nichts davon zu erzählen.
Ihr sitzt zusammen und überlegt, was ihr eurer Erzieherin zum Geburtstag schenken wollt. Sie kommt dazu und fragt: "Was flüstert ihr
denn da?" und ihr sagt: "Das ist ein Geheimnis!"
Aus Versehen fällt dir ein Teller runter und geht kaputt. Ein anderes Kind
hat es gesehen und sagt: "Du musst mir jeden Tag einen Lutscher mitbringen. Wenn nicht, sag ich, dass du den Teller kaputt gemacht hast!"
Ein Erwachsener, den du kennst, will dich küssen und streicheln, obwohl du es nicht willst. Er sagt, du darfst niemand davon erzählen, es
sei ein Geheimnis, aber du hast Angst, dass er das noch mal macht.
Mama ist einige Tage verreist. Papa und du, ihr macht die ganze Wohnung blitzsauber und stellt Blumen hin. Papa meint, du sollst Mama
davon nichts sagen am Telefon, damit sie überrascht wird, wenn sie
wiederkommt.3
Gute und schlechte Berührungen4
Zwischen guten und schlechten Berührungen unterscheiden lernen – was
ist unangenehm oder angenehm?
Der/die Leiter(in) nennt unangenehme und angenehme Berührungen, die
Kinder sollen sagen, wie diese Verhaltensweisen auf sie wirken.
--> gezwickt werden
--> im Arm gehalten werden
--> eine Ohrfeige bekommen
--> geküsst werden
--> gestreichelt werden
--> einen Klaps auf den Po bekommen
--> festgehalten werden, obwohl man weg will
--> gekitzelt werden
--> auf die Schulter geklopft werden
--> auf den Schoß genommen werden
--> hochgehoben werden
3
Enders, Ursula (Hrsg.): Zart war ich, bitter war’s, Sexueller Missbrauch an Mädchen
und Jungen, Köln 1990, S. 46.
4
Braun, Gisela: Ich sag’ Nein, Arbeitsmaterialien gegen den sexuellen Missbrauch
an Mädchen und Jungen, Mühlheim 1999, S. 46.
101
AEJ komplett.indb Abs1:101
29.01.2008 12:19:54 Uhr
Das große und das kleine Nein5
Eine schöne Geschichte, in der sich die Kinder mit dem wachsenden
Nein identifizieren können, ist die von Gisela Braun: Das große und
das kleine Nein.
„Das kleine Nein sitzt auf der Bank im Park und isst Schokolade.
Es ist wirklich sehr klein, recht winzig und ganz leise. Da kommt
eine große, dicke Frau und fragt: „Darf ich mich zu dir setzen?“ Das
kleine Nein flüstert leise: „Nein, ich möchte lieber alleine sein“. Die
große, dicke Frau hört gar nicht hin und setzt sich auf die Bank.
Da kommt ein Junge angerannt und fragt: „Darf ich deine Schokolade haben?“ Das kleine Nein flüstert wieder: „Nein, ich möchte sie
gerne selber essen.“ Aber auch der Junge hört nicht, nimmt dem
kleinen Nein die Schokolade weg und beginnt zu essen.
Da kommt ein Mann vorbei, den das kleine Nein schon oft im Park
gesehen hat und sagt: „Hallo Kleine, Du siehst aber nett aus, darf ich
dir einen KUSS geben?“ Das kleine Nein flüstert zum dritten Mal:
„Nein, ich will keinen KUSS.“ Aber auch der Mann scheint nicht
zu verstehen, geht auf das kleine Nein zu und macht schon einen
Kussmund.
Nun verliert das kleine Nein aber endgültig die Geduld. Es steht auf,
reckt sich in die Höhe und schreit aus vollem Hals: „Neiiiiiin!“ Und
noch mal: „Nein, Nein, Nein! Ich will alleine auf meiner Bank sitzen,
ich will meine Schokolade selbst essen und will nicht geküsst werden. Lasst mich sofort in Ruhe!“ Die große dicke Frau, der Junge und
der Mann machen große Augen: „Warum hast du das nicht gleich
gesagt?“ und gehen weiter ihrer Wege.
Und wer sitzt jetzt auf der Bank? Nein, nicht ein kleines Nein, sondern ein großes Nein. Es ist groß, stark und laut, und es denkt: „So
ist das also! Wenn man immer leise und schüchtern Nein sagt, hören
die Leute nicht hin. Man muss schon laut und deutlich Nein sagen.“
So ist aus dem kleinen Nein ein großes Nein geworden.
5
Braun, Gisela: Ich sag’ Nein, Arbeitsmaterialien gegen den sexuellen Missbrauch
an Mädchen und Jungen, Mühlheim 1999, S. 36.
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AEJ komplett.indb Abs1:102
29.01.2008 12:19:54 Uhr
Tiernamenspiel
Material: Zeitungsrolle
Alle sitzen im Kreis. Jedes Kind sucht sich einen Tiernamen aus. Ein Kind
steht in der Mitte und schlägt den mit einer Zeitungsrolle ab, dessen Tiername gerufen wurde (den ersten Namen sagt die/der Leiter(in)). Die/der
Gerufene kann sich schützen, indem sie/er schnell „Nein“ sagt und einen
anderen Tiernamen ruft, z.B. „Nein, Elefant“. Wenn eine(r) abgeschlagen
wurde, bevor sie/er einen anderen Tiernamen sagen kann, muss sie/er in
die Mitte.
Fazit aus den Erfahrungen mit der Arbeitshilfe
Alle finden es gut, dass dieses Thema angeboten wurde, wenngleich viele
überrascht waren, dass es sie emotional stark belastet hat.
Fast alle sagen: Das Schwerste ist sich damit abzufinden, dass die Interessen des Opfers Vorrang vor einer Bestrafung des Täters haben.
Alle haben verstanden, dass sie gegebenenfalls selber Hilfe und Beratung
brauchen.
Nachdruck aus: Gruppen leiten lernen
Eine Dokumentation und Arbeitshilfe zur Qualifizierung ehrenamtlicher
Mitarbeiterinnen
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AEJ komplett.indb Abs1:103
29.01.2008 12:19:55 Uhr
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AEJ komplett.indb Abs1:104
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AEJ komplett.indb Abs1:105
29.01.2008 12:19:56 Uhr
Ulfert Boehme
Diplom-Psychologe und Kinder- und Jugendpsychotherapeut,
seit 15 Jahren in der Arbeit mit männlichen Opfern sexueller
Gewalt und deren Bezugspersonen, Fortbildungen und
Veröffentlichungen zum Thema sexuelle Gewalt und Jungen
sowie geschlechtsspezifischer Jungenarbeit. Seit 2007 bei
„Kind in Düsseldorf“, einer stationären, diagnostisch-therapeutischen Einrichtung für gewaltgeschädigte Kinder.
Was tun, wenn sexuelle Übergriffe geschehen bzw. ein Verdacht besteht?1
Jeder Verdachtsfall ist anders, jeder Fall von bestätigtem sexuellen Missbrauch
ist anders. Die nötigen Interventionen hängen von vielen Faktoren ab, wie Alter und Geschlecht der Beteiligten, Art und Schwere der Übergriffe, Art der
Freizeitmaßnahme, Erfahrung und Fortbildungsstand der Betreuer(innen),
Haltung der Institution zum Thema sexuelle Übergriffe usw.
Daher können im Folgenden nur einige generelle Orientierungspunkte
gegeben werden. Sie sollen helfen, Interventionen zu planen und durchzuführen. Jede Institution, die Kinder und Jugendliche betreut, muss sich
darüber hinaus um die konkrete Umsetzung im Rahmen der jeweiligen
institutionellen Bedingungen bemühen. Ein Sportverein wird anders vorgehen als die Pfadfinder. Es macht einen Unterschied, ob ich Kinder betreue oder Jugendliche. Und es macht einen großen Unterschied, ob die
Institution sich schon länger mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt beschäftigt oder damit erst beginnt.
Ruhe bewahren
Entsteht ein Verdacht oder erfahren wir, dass ein(e) Teilnehmer(in) Opfer
sexueller Gewalt wurde oder wird, dann kommt die Person, bei der dieser
1
Hier steht eine Form von Gewalt im Vordergrund: sexuelle Übergriffe, sexualisierte Gewalt,
sexueller Missbrauch. Dies ist eine Form von Gewalt und es gibt noch viele andere,
die für Kinder und Jugendliche genauso schlimm sein können. Selbstverständlich sind die
Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Jugendfreizeiten auch vor körperlichen Angriffen,
verbalen Attacken, Erpressung, Mobbing usw. zu schützen.
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AEJ komplett.indb Abs1:106
29.01.2008 12:19:57 Uhr
Verdacht entsteht, in eine Krise. Der Gedanke, die Vermutung oder die
Überzeugung, dass ein Kind missbraucht wird, ist schwer zu ertragen und
löst oft starke Gefühle und heftige, oft sehr widersprüchliche Impulse aus.
Wir können den Gedanken kaum ertragen. Wir wollen helfen, wir wollen
Klarheit und eine Bestätigung des Verdachts.
Manchmal wollen wir auch das Gegenteil: wir können es nicht fassen
(z. B. wenn der Beschuldigte ein sonst geschätzter Kollege ist oder ein
10-jähriges Kind), wir wollen es nicht glauben, wir wollen die Gewissheit,
dass nichts passiert ist, wir wollen nichts sehen...
Häufig wechseln sich diese Gefühle, Gedanken und Impulse ab und wir
werden hin- und hergerissen. In einer solchen inneren Unruhe ist es fast
unmöglich, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Daher ist das erste Gebot: Ruhe bewahren!
Unterstützung suchen
Ruhig zu bleiben, ist leichter gesagt als getan, muss aber immer das Ziel
bleiben. Es fällt uns oft leichter, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren, wenn
wir mit unserem Aufruhr und unserer Verwirrung nicht allein bleiben.
Wir sollten uns mit einem/einer vertrauenswürdigen Kollegen/Kollegin
austauschen. Zusammen können wir erörtern: Wie entstand mein Verdacht? Wie geht es mir und was ist mein erster Impuls? Was wären die
Konsequenzen, wenn ich sofort handeln würde? Gibt es weitere Hinweise?
Ist es „nur“ ein Gefühl oder habe ich konkrete, den Verdacht untermauernde Hinweise (Beobachtungen, Aussagen, Bemerkungen von Kindern).
Wichtig: Es geht hier nicht um eine polizeiliche Ermittlung, sondern um
die Vorbereitung von verantwortlichem Handeln zum Schutz vor sexuellen Übergriffen.
Wenn es nur einen vagen Verdacht gibt, kann es notwendig sein abzuwarten. Dies muss aber kein passives Warten sein, sondern kann aktiv genutzt
werden, indem ich z. B. die betreffenden Personen genauer beobachte und
alles, was mir auffällt, in eine Art Logbuch eintrage. So gehen keine möglicherweise wichtigen Informationen verloren und ich kann später auch
meine Entscheidungen und Interventionen besser begründen. Dieses
Logbuch sollte auch geführt werden, wenn wir wissen, dass ein Übergriff
geschehen ist und wir konkrete Schritte vornehmen.
107
AEJ komplett.indb Abs1:107
29.01.2008 12:19:57 Uhr
Vorgesetzte informieren
Zur Unterstützungssuche gehört auch eine rechtzeitige Information der
jeweils nächsten Vorgesetzten. Wenn ein(e) Betreuer(in) die Entscheidung
trifft, einzuschreiten (z. B. um ein Kind vor weiteren Übergriffen zu schützen) oder nicht einzuschreiten (etwa, weil der Verdacht zu vage ist), sollte
er/sie dies seinem/seiner Vorgesetzten mitteilen bzw. dessen/deren Zustimmung sichern.
Gemeinsam sind weitere Schritte zur Abklärung des Verdachts oder zum
Schutz der Betroffenen zu überlegen. Lässt sich ein Verdacht nicht ausräumen und traut sich ein(e) Betreuer(in) dies zu, dann kann ein Gespräch
mit dem Kind/dem Jugendlichen gesucht werden, in dem man ihm/ihr
seine Besorgnis, Vermutung oder Beobachtungen mitteilt. Wie ein solches
Gespräch zu führen ist, kann im Rahmen dieser Broschüre nicht vermittelt werden, sondern sollte im Rahmen einer entsprechenden Fortbildung
gelernt und geübt werden. Es sollte auf jeden Fall in einem geschützten
Rahmen stattfinden (keine Störungen), das Kind/der Jugendliche sollte
ernst genommen werden und ermutigt werden.
Fragen sollten möglichst offen gestellt werden (statt: „Hat der Hans dich
missbraucht?“, lieber: „Was oder wer macht dir Angst? Ich mache mir um
dich Sorgen. Gibt es etwas, was dich bedrückt/belastet? Kannst du mir das
erzählen? Was würde passieren, wenn du etwas erzählst?“ usw.).
Eröffnet sich ein Kind, dann sind alle weiteren Schritte mit ihm/ihr abzusprechen bzw. er/sie darüber zu informieren. Auf keinen Fall darf man
versprechen, „niemandem etwas davon zu erzählen“, denn dann kann
man sich u. U. nicht die nötige Unterstützung holen, ohne das Versprechen zu brechen.
Kein gemeinsames Gespräch mit der übergriffigen Person und betroffenem Kind!
Ein gemeinsames Gespräch erscheint zunächst sinnvoll. Wir hoffen, auf
diesem Wege, an die „Wahrheit“ zu kommen, Schuldfragen klären zu können oder gar eine Versöhnung herbeiführen zu können. Doch dies ist in
den allermeisten Fällen eine für das Opfer gefährliche Illusion. Ein ge-
108
AEJ komplett.indb Abs1:108
29.01.2008 12:19:57 Uhr
meinsames Gespräch würde das betroffene Kind überfordern. Scham- und
Schuldgefühle, Angst vor möglicherweise angedrohten Konsequenzen
und die Konfrontation mit dem/der „Täter(in)“ sind enorm belastend und
führen häufig zur Zurücknahme der Vorwürfe oder zu einer scheinbaren,
erzwungenen „Versöhnung“.
Besser sind getrennte Gespräche, die nicht eine Entschuldigung oder Versöhnung zum Ziel haben. Ziele solcher Gespräche sind die Unterstützung
und Stärkung des Opfers, die Etablierung von Realität, die Einschätzung
der Schwere der sexuellen Übergriffe und die Planung weiterer Schritte.
Differenzierte Interventionen
Interventionen sind je nach Schwere der Übergriffe (anzügliche Bemerkungen, sexualisierte Sprache und Grenzüberschreitungen als Folge von
Unbeholfenheit oder Unkenntnis bis hin zu gezielten, massiven sexuellen Übergriffen) in Gesprächen zu klären. So können z. B. Auflagen zum
Schutz vor weiteren Übergriffen ausgesprochen werden, das Kind/der (die)
Jugendliche kann enger betreut und beobachtet werden. Bei wiederholten
und/oder massiven Übergriffen müssen deutlichere Interventionen erfolgen (z. B. einen übergriffigen Jugendlichen nach Hause schicken, Eltern
und Jugendamt informieren).
Sich in die Lage des Opfers versetzen
Bei allen Maßnahmen muss darauf geachtet werden, welche Auswirkungen unsere Interventionen für die Betroffenen haben. Fühlen sie sich
Ernst genommen? Vermitteln wir ihnen das Gefühl, dass wir ihnen glauben? Fühlen sie sich geschützt? Die Opfer dürfen nicht für ihren Mut sich
mitzuteilen bestraft werden. Das geschieht immer noch zu häufig!
Keine automatische Strafanzeige!
Sexueller Missbrauch ist eine Straftat. Dennoch sollte eine Strafanzeige
nicht ohne gründliche Überlegung und v. a. ohne Absprache mit den Be-
109
AEJ komplett.indb Abs1:109
29.01.2008 12:19:58 Uhr
troffenen erfolgen. Sobald die Polizei von einem Missbrauch erfährt, muss
sie ermitteln – auch wenn das Opfer dies z. B. nicht möchte oder einen
langen Gerichtsprozess nicht durchstehen könnte. Betroffene Kinder und
deren Eltern sind über die Möglichkeiten von Beratung (z. B. in Spezialoder Familienberatungsstellen) zu informieren.
Die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung
Alle Interventionen zum Schutz eines Kindes bleiben Stückwerk, wenn
sie nicht auf dem Boden einer gründlichen Vorbereitung stattfinden. Unvorbereitete Kinder und Jugendliche wissen nicht, an wen sie sich wenden
können, wenn sie in Not sind. Unvorbereitete Betreuer(innen) werden je
nach persönlicher Vorbildung und Erfahrung mehr oder weniger sinnvoll
und durchdacht handeln. Unvorbereitete Verantwortliche wissen oft nicht,
wie sie das, was an sie herangetragen wird, einschätzen und in schützende
Interventionen weiterleiten sollen.
Ein Verband, eine Organisation, die sich auf die Fahnen schreiben möchte,
die betreuten Kinder und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen zu schützen, muss sich schon vor dem ersten bekannt gewordenen Übergriff bzw.
Verdacht auf die vielen möglichen Szenarien vorbereiten.
Vorbereitung umfasst in diesem Zusammenhang mindestens zwei
Schritte:
Entwicklung einer gemeinsamen Haltung
Die Personen, die Freizeiten mit Kindern und Jugendlichen planen und
durchführen, müssen bezogen auf sexuelle Übergriffe eine gemeinsame
Haltung erarbeiten. Das bedeutet, dass sie in einem Fortbildungs- und
Diskussionsprozess erarbeiten, was sexuelle Übergriffe sind, wie sie auf
Kinder und Jugendliche wirken, wie sie zu bewerten sind.
Das klingt leichter als es in der Praxis häufig ist. So werden z. B. anzügliche
Bemerkungen oder sexualisierte Bemerkungen und Witze häufig nicht als
grenzüberschreitend oder übergriffig bewertet, sondern als Kavaliersdelikt
abgetan. Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen können sie extrem
belastend sein.
110
AEJ komplett.indb Abs1:110
29.01.2008 12:19:58 Uhr
Wünschenswert ist eine Haltung, die jegliche unnötige Beeinträchtigung
der Privat- und Intimsphäre der Kinder und Jugendlichen als potentiell
schädlich erkennt und ablehnt. Eine solche Haltung kann z. B. in sog. „Ehrenerklärungen“ festgehalten werden, in denen sich die Mitarbeiter(innen)
verpflichten, darauf zu achten, dass die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen vor allen Arten von Gewalt, Diskriminierung, Missbrauch und
Abwertung geschützt werden. Am effektivsten ist eine solche gemeinsame
Haltung im Rahmen von Fortbildungen oder Seminaren zu entwickeln,
die von Fachleuten angeleitet werden.
Information aller Beteiligten
Haben die Verantwortlichen eine Haltung entwickelt, dann müssen alle an
der Durchführung von Freizeiten beteiligten Personen darüber informiert
werden. Dies gilt v. a. für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen und
deren Eltern. Sie müssen erfahren, wie auf der Freizeit bzw. im Verband
mit dem Thema sexuelle Übergriffe umgegangen wird. Was gilt als sexueller Übergriff? Warum werden Übergriffe abgelehnt und nicht hingenommen? Was wird im Falle eines Falles getan?
Nur wenn diese, oft sehr aufwändigen und nicht immer reibungslosen
Vorbereitungen getroffen werden, können alle Beteiligten die nötige Verhaltenssicherheit finden. Nur wenn die Betroffenen wissen, dass sie ernst
genommen werden, können sie den Mut finden, sich mitzuteilen. Nur
wenn die Betreuer(innen) wissen, dass sie die Unterstützung der Verantwortlichen und Eltern haben, können sie zum Schutz der Betroffenen handeln. Und ein Verband, der sich ausdrücklich gegen sexuelle Übergriffe
ausspricht, wird vielleicht den einen oder anderen davon abhalten, sexuelle Übergriffe zu begehen.
Man kann immer noch mehr tun! Ein gutes Beispiel hierfür sind z. B.
die Evangelische Jugend in Bayern und die Johanniter Jugend. Sie entwickelten eine detaillierte Broschüre zum Umgang mit sexuellen
Übergriffen und bauen eine Netz von Vertrauenspersonen auf, die als
Ansprechpartner(innen) sowohl für betroffene Kinder und Jugendliche als
auch für Betreuer(innen) zur Verfügung stehen (siehe www.johanniterachtung.de und www.ejb.de ).
111
AEJ komplett.indb Abs1:111
29.01.2008 12:19:58 Uhr
Anhang:
Unterscheidung „normaler“ kindlicher Sexualität und sexuellen Übergriffen
Will man zwischen einvernehmlicher, „normaler“ kindlicher Sexualität
und sexuellen Übergriffen unterscheiden, ist ein erster Schritt die Beschäftigung mit Erkenntnissen über normale, kindliche sexuelle Aktivität
und Entwicklung.
Demnach belegen die verfügbaren Untersuchungen, dass Kinder von der
Geburt an sexuell befähigte Wesen sind. So konnten bei Jungen schon im
Mutterleib regelmäßige Erektionen beobachtet werden. Sexualität als „Lebensenergie, [als] ein menschliches Grundbedürfnis“2 beginnt nicht erst
mit der Entwicklung erwachsener Sexualität. Allerdings gibt es große kulturelle und familiäre Unterschiede hinsichtlich der „Spielregeln“ und Bewertungen kindlicher Sexualität. Außerdem bestehen große individuelle
Unterschiede, wie Kinder ihre Sexualität er- und ausleben.
Alle Kinder besitzen die Fähigkeit, angenehme und unangenehme Körperempfindungen zu erleben und zu unterscheiden – am Ohr ebenso wie
am Penis oder an der Scheide. Aber kindliche Sexualität unterscheidet sich
von erwachsener und jugendlicher Sexualität. Verglichen mit erwachsener
Sexualität ist kindliche Sexualität u. a.:
--> spielerischer, ganzheitlicher (weniger genital fixiert);
--> eher von Neugier motiviert (weniger von Phantasien und dem gezielten
Suchen sexueller Erregung);
--> unabhängiger von festen Partner(inne)n sowie vom Geschlecht der
Partner(innen), spontaner, unbefangener,
--> unabhängiger von kulturellen und moralischen Normen.
Sexuelle Aktivitäten in verschiedenen Altersgruppen3
bis zu zwei Jahre:
--> genitale Erforschungen,
--> Erektionen und Feuchtwerden der Scheide,
--> Erfahrungen von angenehmen genitalen Empfindungen,
2
3
Freund, Ulli; Riedel-Breidenstein, Dagmar: Sexuelle Übergriffe unter Kindern, Köln 2004.
Volbert, Renate: Sexuelles Verhalten von Kindern: Normale Entwicklung oder Indikator
für sexuellen Missbrauch? In: Amann, Gabriele; Wipplinger, Rudolf (Hrsg.): Sexueller Missbrauch, Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie. Ein Handbuch, Tübingen 2005.
112
AEJ komplett.indb Abs1:112
29.01.2008 12:19:59 Uhr
--> Berühren der Genitalien anderer,
--> Genießen von Nacktheit, Ausziehen in Gegenwart von anderen.
drei bis fünf Jahre:
--> lustvolle Selbstbefriedigung, z. T. bis zum Orgasmus,
--> sexuelle Spiele mit Gleichaltrigen und Geschwistern; Zeigen der eigenen Genitalien, Erforschung der eigenen Genitalien und der von anderen; Versuche, Geschlechtsverkehr zu imitieren,
--> Genießen von Nacktheit, Ausziehen in Gegenwart anderer.
sechs bis zwölf Jahre:
--> sexuelle Spiele mit Gleichaltrigen und Geschwistern; Rollenspiele und
sexuelle Phantasien, Küssen, gegenseitiges Masturbieren, simulierter
Geschlechtsverkehr, Doktorspiele,
--> Selbstbefriedigung alleine,
--> Scham und Verlegenheit; Geheimhalten der sexuellen Spiele vor Erwachsenen,
--> z. T. Phantasien und Träume über Sexualität,
--> Interesse für Sexualität in den Medien,
--> Beginn körperlicher Veränderungen: z. T. erste Menstruation bzw. erster Samenerguss.
ab 13 Jahre:
--> Fortsetzung körperlicher Veränderungen: Menstruation (meist bis 16 J.)/
Samenerguss (meist bis 15 J.),
--> Verabredungen,
--> gegenseitiges Masturbieren, Küssen, Petting,
--> sexuelle Phantasien und Träume,
--> Geschlechtsverkehr.
Fasst man den Forschungsstand über sexuelle Aktivitäten von und unter
Kindern, die keine besonderen Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen hatten und sich in einer Umgebung befinden, die sexuelle Aktivitäten nicht
verbietet, zusammen, so ergibt sich folgendes Bild „normaler“, beobachtbarer, kindlicher Sexualität.
--> Viele „ganz normale“ Mädchen und Jungen haben ein großes sexuelles
Interesse und Repertoire und entwickeln ihre Sexualität aktiv mit sich
und mit anderen.
113
AEJ komplett.indb Abs1:113
29.01.2008 12:19:59 Uhr
--> Häufige Aktivitäten sind: Spaß haben am Nacktsein, Benennen, Erkundung und Streicheln des eigenen Körpers sowie auch gezielt der
eigenen Genitalien, neugieriges Erkunden und Berühren des Körpers
anderer Kinder, Schmusen, Sich Drücken, Kuscheln, Erkunden und
Berühren der Genitalien anderer Kinder, „Doktor“- und andere Rollenspiele im Sinne der Erforschung und Manipulation der Genitalien.
--> Selten dagegen sind: aggressive sexuelle Handlungen, das Einführen
von Gegenständen in Vagina und/oder Anus anderer Kinder, „erwachsene“ sexuelle Handlungen wie oral-genitale Kontakte oder vollzogener
Geschlechtsverkehr oder die versuchte Durchführung von Geschlechtsverkehr.
Führt ein Kind solche „erwachsenen“ sexuellen Handlungen durch,
ist die Gefahr groß, dass das andere Kind verwirrt, überfordert oder
schockiert ist, da diese Aktivitäten nicht zum Stand seiner sexuellen
Entwicklung passen.
Zum anderen kann es ein Hinweis auf eine grundlegender gestörte
Persönlichkeitsentwicklung sein, die sexuelle Aggressionen als Mittel
zum Zweck des Ausgleichs von Defiziten, der Befriedigung von Machtbedürfnissen oder die Weitergabe von gelernten sexuellen Normen
oder auch eigener sexueller Gewalterfahrungen sein.
114
AEJ komplett.indb Abs1:114
29.01.2008 12:19:59 Uhr
AEJ komplett.indb 115
29.01.2008 12:20:00 Uhr
116
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29.01.2008 12:20:00 Uhr
117
AEJ komplett.indb 117
29.01.2008 12:20:00 Uhr
Florian Dallmann:
Fallbeispiele – „Dem Tabu keine Chance“
Notwendige Vorbemerkungen:
Im konkreten Fall ist es oft schwer zu sagen, was richtig und falsch ist,
und zwar sowohl pädagogisch als auch juristisch. Nur wenn meine eigene Norm klar, bewusst und reflektiert vorhanden und aktiviert ist, kann
ich sie der – häufig unreflektierten, verleugneten, „ungewusten“ oder
versteckten/verborgenen – Normüberschreitung entgegensetzen und so
Grenzüberschreitungen und Missbrauch entgegenwirken. Daher ist es
wichtig, an konkreten Beispielen die Wahrnehmung zu schulen und sich
darauf einzustellen, wie es zu gravierenden Übergriffen kommen kann.
Die nachfolgenden Beispiele sind als Fälle angelegt, die sexueller Missbrauch sind oder die Grenzen zum Missbrauch deutlich berühren. Dies
soll ein klareres Gefühl für Grenzen ermöglichen und auch die Sensibilität
im Vorfeld erhöhen. Die juristischen Einschätzungen sind bewusst offen
gehalten: Was eine Handlung im konkreten Falle ist, entscheidet im Zweifel ein Gericht. Allerdings ist das Wissen um gesetzliche Normen und die
Rechtsprechung so wichtig zur Orientierung, dass es einen zentralen Ort
in der Beurteilung haben muss.
Ebenso wichtig ist jedoch die pädagogische Perspektive auf die Situation
und die Intervention. Hier existieren stets viele Wahrnehmungen, Blickwinkel und mögliche Deutungen. Daher ist die Beurteilung der Situation
als eine Interpretation anzusehen. Damit wird deutlich gemacht, dass es
eine (!) mögliche Sichtweise auf den Fall ist, zu der es Alternativen geben
kann. Das heißt jedoch nicht, dass eine abweichende Deutung der Beliebigkeit der individuellen Sicht überlassen werden kann. Um jedoch dem
Maß möglicher Objektivität möglichst nahe zu kommen, hat der Autor
durch die Einbeziehung von insgesamt fünf erfahrenen Fachkräften versucht, zumindest eine Intersubjektivierung zu erreichen.
Vorgestellt werden keine realen Fälle. Dies ist schon deshalb unmöglich,
weil der notwendige Schutz der Opfer eine – auch anonymisierte Darstellung – nicht zulässt. Stattdessen wurden die „Fälle“ künstlich nach realistischen Motiven komponiert. Was hier dargestellt wird, ist nicht geschehen.
118
AEJ komplett.indb 118
29.01.2008 12:20:01 Uhr
Aber ähnliche Situationen und Vorfälle werden immer wieder dem Hörensagen nach bekannt. Sie bilden so die Basis für zwar nicht reale, so doch
realistische Darstellungen.
Zum Beispiel: Schwer verliebt
Der Freizeitbetreuer T., 19 Jahre, verliebt sich auf einer Teenager-Freizeit
in die Freizeitteilnehmerin S., 13. Jahre. Über mehrere Tage drängt er sie
immer wieder, eine Beziehung mit ihm einzugehen. Das Mädchen reagiert
hierauf eher geschmeichelt, verbringt die gemeinsame Freizeit alleine außerhalb des Freizeitgeländes mit ihm, geht aber nicht weiter auf seine Angebote ein. Von der ehrenamtlichen Mitarbeiterin K. wird dieses Verhalten
in Teambesprechungen heftig gerügt. Der hauptberufliche Freizeitleiter
jedoch begnügt sich mit einem halbherzigen Tadel und wird auch nicht
weitergehend aktiv, als T. sein Verhalten fortsetzt. Kurz vor einer Eskalation im Team löst sich die Situation dadurch, dass die Teilnehmerin eine
„Händchenhalt-Freundschaft“ mit einem 14-jährigen Teilnehmer eingeht,
den sie „süßer“ findet. T. leidet die letzen Tage der Freizeit an Liebeskummer, die Freizeit geht ansonsten ohne weitere Vorfälle zu Ende.
Aus dem Blickwinkel des Rechts :
Das Zustandekommen sexueller Handlungen darf man bei einem 19-Jährigen als intendiert annehmen. Dies wäre nach § 176 StGB eine Straftat,
die als Offizialdelikt verfolgt wird. Man muss daher sogar fragen, ob nicht
schon das „Bedrängen“ strafbar ist, da es als Versuch zu werten ist, eine
sexuelle Handlung zu begehen – nach § 176, Abs. 6 StGB ist bereits der
Versuch strafbar.
Pädagogische Herausforderungen oder angemessenes Leitungsverhalten:
Das Verhalten des Freizeitbetreuers T. ist nicht akzeptabel. Gegen eine Beziehung mit einer Dreizehnjährigen sprechen Alters- und Entwicklungsunterschiede; diese bewirken eine Abhängigkeitsbeziehung ebenso wie
das Schutzverhältnis und das sich hieraus ergebende Machtgefälle.
Pädagogisch und psychologisch steht die Eignung von T. als Freizeitbetreuer in Frage: Seine Neigung zu einem wesentlich jüngeren Mädchen,
sein Umgang mit der Neigung und seine mangelnde Kritik- und Refle-
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AEJ komplett.indb 119
29.01.2008 12:20:01 Uhr
xionsfähigkeit mögen noch Teil seines persönlichen Reifeprozesses sein.
Die hier deutlich werdenden Defizite – vor allem die anzunehmende Rollendiffusion als Betreuer – sind jedoch so gravierend, dass auf seine Mitarbeit generell verzichtet werden sollte.
Dass der Freizeitleiter hier nicht entschieden einschreitet, ist ein gravierendes Fehlverhalten. Er bagatellisiert die Situation, insbesondere auch
mit Blick auf die emotionale Ausnahmesituation des Betreuers T. und die
von ihm immer wieder hergestellten unbeaufsichtigten Situationen außerhalb des Freizeitgeländes. Ein klares Verbot ist hier erforderlich, um
die Teilnehmerin umgehend zu schützen. Auch seinen Fürsorgepflichten
(rechtlich wie psychologisch) kommt er nicht nach. Hier wären Einzelgespräche mit T. und – ggf. durch eine weibliche Betreuerin – mit S. angezeigt gewesen. Bei einem fortgesetzten Fehlverhalten T.s wäre ein umgehender Ausschluss angezeigt gewesen, ein Verbleib nur bei Einsichtigkeit
und Verhaltensänderungen und entsprechenden Kontrollmöglichkeiten
(Abstellung der unbeaufsichtigten Situationen) denkbar. Ein Ausschluss
T.s. wäre, wie der weitere Verlauf zeigt, auch kein Verlust gewesen.
Die Mitarbeiterin K. hat hier offensichtlich das größte Problembewusstsein. Sie kann sich jedoch gegen den Freizeitleiter nicht durchsetzen. Als
einzige aus dem Team ist sie offenbar nicht bereit, das Verhalten T.s. zu
akzeptieren oder ignorieren. Zu fragen wäre jedoch, ob die „Eskalation“
eine Lösung gebracht hätte? Eine frühere Information an einen Dienstvorgesetzten des Freizeitleiters wäre sicher erforderlich gewesen, von einer
Ehrenamtlichen jedoch nicht unbedingt zu erwarten.
Damit wird abschließend noch einmal die Schlüsselrolle von gut qualifizierten Freizeitleitungen deutlich. In Situationen wie der vorliegenden,
wenn das Kind bereits beinahe in den Brunnen gefallen ist, müssen die Leitlinien des Handelns klar sein. Dass der Freizeitleiter trotz der Vorhaltungen
der Ehrenamtlichen K. nicht einschreitet, ist unentschuldbar und wäre bei
einer weiteren Eskalation der Situation auch strafrechtlich relevant.
Zweites Beispiel: Unangenehm berührt
An einer gemischten Kinderfreizeit nimmt auch die 9-jährige J. teil. Das
Team weiß nur, dass das Mädchen aus schwierigen sozialen Verhältnissen
120
AEJ komplett.indb 120
29.01.2008 12:20:02 Uhr
kommt, denn die Familie ist in der Kleinstadt nicht unbekannt. Die Eltern
haben weder am Vortreffen teilgenommen, noch weitere Informationen
gegeben. Schon bald wird deutlich, dass die Teilnahme J. droht, den Rahmen der Freizeit zu sprengen: Sie nässt Nacht für Nacht ein, gelegentlich
kommt es während des Tages zum Einkoten. Die mitgebrachte Kleidung
erweist sich als unzureichend und verschmutzt. J. selbst hat offensichtlich
massive Sprach- und allgemeine Entwicklungsverzögerungen, sie besucht
eine Sonderschule für Lernbehinderte. Mit den anderen Kindern kommt
sie kaum in Kontakt. Um dennoch die J.s Teilnahme zu ermöglichen, stellt
das Team schließlich eine junge Studentin P. ab, die freiwillig bereit ist,
J. in „Einzelbetreuung“ zu übernehmen – vom Bettenbeziehen über die
Körperpflege bis zur „Animation“ und zur Unterstützung der Beziehung
zu anderen Kindern. In der Folge bindet sich J. sehr eng an „ihre“ Betreuerin. Bei der abendlichen Erzählrunde vor dem Schlafengehen krabbelt sie
häufig auf ihren Schoß und kuschelt. Nach einigen Tagen kommt es dabei
an zwei Abenden in Folge vor, dass sie P. an den Busen und im Genitalbereich betastet und streichelt, obwohl P. immer wieder die Hand wegnimmt
und schließlich J. demonstrativ von ihrem Schoß auf die Bank neben sich
setzt. In der Teambesprechung wird P. geraten, dies bei J. anzusprechen.
Falls sie nicht aufhöre, müsse J. nach Hause fahren. P. ist dazu bereit. Ein
ruhiges Gespräch am darauffolgenden Tag führt dazu, dass J. ihr Verhalten einstellt. Eine weitere Aufklärung der Auffälligkeiten ist nicht möglich.
Am Ende der Freizeit bei der Abholung gehen P. und die Freizeitleiterin
auf die Eltern zu und sprechen die Sprach- und Entwicklungsverzögerungen – nicht jedoch die sexuellen Auffälligkeiten – an. Diese reagieren
sehr abwehrend und lehnen weitere Gespräche oder die Vermittlung zur
kirchlichen Erziehungsberatungsstelle ab. Daraufhin informiert die Freizeitleiterin vertraulich das Jugendamt und stellt auf dessen Wunsch die
Beobachtungen auch schriftlich zur Verfügung. Das Jugendamt gibt zwar
keine weiteren Informationen zu seinem weiteren Vorgehen. Nach sechs
Monaten wird jedoch in der Kleinstadt bekannt, dass J. und ihre jüngere
Schwester in einer Pflegefamilie untergebracht wurden.
Aus dem Blickwinkel des Rechts:
Die Berührungen, die J. vornimmt, sind sexuelle Handlungen im Sinne
des Strafrechtes. J. selbst ist mit neun Jahren jedoch noch nicht strafmündig. Die Betreuerin P. muss natürlich die Vornahme sexueller Handlungen
an sich umgehend abstellen.
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29.01.2008 12:20:02 Uhr
Die sexuelle Auffälligkeit J. ist schwer einzuordnen. Ist sie Ausdruck eines
Übergriffs? Zumindest bedeutet sie eine erhebliche Entgrenzung und ist
altersunangemessen, auch wenn eine erhebliche Retardierung oder das
verminderte kognitive Leistungsvermögen in Rechnung gestellt wird. Neben den weiteren, evt. sogar vorrangigen Problemen von J. ist ein Missbrauchsverdacht unbedingt zu berücksichtigen. Das Vorgehen des Teams
orientiert sich an der Abfolge, die der § 8 a KJHG-SGB VIII für solche Fälle
vorgibt.
Pädagogische Herausforderungen oder angemessenes Leitungsverhalten:
Das Team geht verantwortlich mit der Situation um: Es schafft eine adäquate Betreuungssituation, die Auffälligkeiten werden im Team beraten.
P., die die Betreuung übernimmt, wird begeleitet und beraten, dies verhindert Überforderung. In P. selbst scheint eine sehr fähige Pädagogin
aufzutreten. Nicht nur ihre Fähigkeit, die Situation mit J. zu stabilisieren,
sondern auch ihre Fähigkeit zur Abgrenzung sind positiv. Die Situation, in
der J. sich ihr offensichtlich sexuell nähert, beendet sie sofort, sicher, angemessen und für den Rest der Gruppe unauffällig. Anschließend macht sie
sie für das Team transparent und holt sich Unterstützung.
Beim Gespräch mit den Eltern werden die sexuellen Übergriffe nicht thematisiert. Dies ist zum Schutz von J. richtig. Die abwehrende Haltung der
Eltern bestätigt diese Vorsicht. Gleichzeitig macht sie die Einschaltung des
Jugendamtes zwingend erforderlich. Die vorliegenden Hinweise weisen
so sicher auf eine erhebliche Kindeswohlgefährdung hin – sei es durch
Missbrauch, sei es durch Vernachlässigung oder Überforderung –, dass
ein „Wegschauen“ unverantwortlich wäre. Wären die Eltern in eine Beratung gegangen, hätte durch entsprechende Vereinbarungen in einem Anfangsgespräch sicher gestellt sein müssen, dass die Hilfe
--> tatsächlich erfolgreich verläuft und
--> dabei auch der Missbrauchsverdacht weiter verfolgt wird.
Nicht ausreichend an dieser Stelle wäre dafür z. B. eine bloße mündliche
Versicherung der Eltern.
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AEJ komplett.indb 122
29.01.2008 12:20:02 Uhr
Drittes Beispiel: Pädosexuelle Übergriffe an Jungen?
S., 29 Jahre alt, ist seit Jahren verantwortlich in einer erlebnispädagogischen Jungenarbeit aktiv. Vor allem führt er mit anderen Ehrenamtlichen für den Jugendverband eigenverantwortlich Zeltlager durch. Die
hierbei entstehenden Kontakte zu den Teilnehmenden – die später häufig
selbst ehrenamtliche Gruppenleiter werden – führt er über Jahre weiter.
Oft übernachten bei ihm zu Hause z. B. Jugendliche oder junge Ehrenamtliche nach privaten Spieleabenden ebenso wie nach Freizeitvorbereitungen oder Mitarbeitertreffen. Eines Tages wenden sich zwei minderjährige Ehrenamtliche an einen weiteren Gruppenleiter, B., und beschuldigen
S., sich bei einer solchen Gelegenheit ihnen und auch einigen weiteren
Jugendlichen vor zwei Jahren – allerdings vergeblich – sexuell genähert
zu haben und dies auch aktuell bei anderen Jugendlichen und jungen Ehrenamtlichen fortzusetzen. Damals seien sie dreizehn Jahre alt gewesen.
Ihnen seien auch konkrete Übergriffe bekannt. Sie weigern sich jedoch
aus Vertraulichkeitsgründen, weitere Personen zu benennen oder Details
zu offenbaren. B. informiert daraufhin die regionale Verbandsleitung, die
einen Hauptberuflichen beauftragt, die Vorwürfe mit S. zu klären. Dieser streitet die Vorwürfe ab und beschuldigt B., diese aus Eifersucht auf
seine Beliebtheit in die Welt zu setzen. Es stellt sich heraus, dass bei den
privaten Übernachtungen bei ihm keine anderen Erwachsenen teilnehmen. Der Hauptberufliche fordert S. auf, keine weiteren Übernachtungen
Minderjähriger bei sich mehr durchzuführen und bei den nächsten Freizeitmaßnahmen im Leiterzelt – und nicht wie üblich gemeinsam mit den
Teilnehmenden zu übernachten. Dies sei auch zu seinem Selbstschutz
notwendig.
Damit ist die Angelegenheit zunächst beendet, bis über ein Jahr später B.
sich erneut meldet, weil weitere Jugendliche ihm erneute Übergriffsversuche vertraulich gemeldet hätten. Sie hätten sich an ihn gewandt, weil sein
erstmaliges Tätigwerden sich herumgesprochen habe. Nach den erneuten
Vorwürfen wird klar, dass S. sich nie an die „Auflagen“ und Schutzmaßnahmen gehalten hat. Er zeigt auch keine Einsicht in deren Notwendigkeit.
Daraufhin entbindet die Verbandsleitung ihn nach weiteren sechs Monaten von allen Aufgaben. S. jedoch beginnt daraufhin, mit „seinen“, ihm
persönlich verbundenen Mitarbeitenden eine eigene, letztlich private Jugendarbeit zu organisieren, ohne dass der Verband dagegen interveniert.
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29.01.2008 12:20:03 Uhr
Nach zwei weiteren Jahren nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen
gegen S. wegen Verdacht auf sexuellen Missbrauch auf, denen sich dieser
jedoch durch einen Umzug ins Ausland entzieht.
Aus dem Blickwinkel des Rechts
Wenn S. sich tatsächlich Jugendlichen oder jungen Erwachsenen sexuell
genähert haben sollte, so muss dies sehr differenziert betrachtet werden.
Soweit z. B. ein Betreuungsverhältnis vorliegt oder die Betroffenen gar im
engeren Sinne Schutzbefohlene sein sollten, ist dies rechtlich eine Straftat.
Dass es sich hier um eine solche Zwangslage im Sinne des § 182 StGB handelt, ist recht offensichtlich. Weiterhin ist zu berücksichtigen, inwieweit
eine Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung beim Jugendlichen vorliegt. Außerhalb eines solchen Betreuungs- oder Schutzverhältnisses oder
bei einer entsprechenden Initiative eines älteren Minderjährigen wäre
eine sexuelle Beziehung unter Umständen strafrechtlich zulässig. Beides
ist jedoch offenbar nicht gegeben.
Pädagogische Herausforderungen und Prävention im Vorfeld von Freizeitenarbeit
Es ist bekannt, dass Pädophile und Pädosexuelle gezielt die Kinder- und
Jugendarbeit als Kontaktzone zu Kindern und Jugendlichen nutzen. Hierbei muss es nicht unbedingt um Übergriffe in den Angeboten der Kinderund Jugendarbeit gehen, sondern um den Aufbau von Beziehungen, die
dann in anderem Setting ausgenutzt werden. Auch davor muss Kinderund Jugendarbeit sich und die erreichten jungen Menschen schützen.
Es geschieht häufig, dass Missbrauchsvorwürfe auftreten, deren Glaubwürdigkeit unklar ist. Hier ist der Grenzgang erforderlich, solche Vorwürfe auf jeden Fall ernst zu nehmen und umgehend für den Schutz etwaiger
Opfer zu sorgen, ohne dadurch eine Vorverurteilung des/der Beschuldigten vorzunehmen. Im vorliegenden Fall fehlen den Vorwürfen wichtige
Bestandteile, etwa Aktualität und Konkretheit. Beim ersten wie beim zweiten Auftreten der Anschuldigungen sind weder Missgunst noch Fehleinschätzungen auszuschließen.
Gerade vor diesem Hintergrund ist deutlich, wie wichtig klare Rollen und
Grenzen in der Jugendarbeit sind. Wie aber sollen solche gezogen werden? Kann ein(e) ehrenamtliche(r) Mitarbeiter(in) sich überhaupt „privat“
mit einem Freizeitteilnehmer oder einem Gruppenmitglied treffen? Auch
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AEJ komplett.indb 124
29.01.2008 12:20:03 Uhr
wenn es hier juristisch ein „ja“ geben mag (s.o.), so ist pädagogisch eher
ein „nein“ anzunehmen: Jugendliche sind kein „Freundesersatz“ für Erwachsene in der Kinder- und Jugendarbeit. Es könnte aber sehr wohl Ausnahmen geben: Was ist, wenn z. B. ein Jugendlicher Nachhilfe benötigt?
Braucht nicht eine selbstorganisierte Jugendarbeit genau solche „Freundschafts“-Beziehungen? Die Lösung liegt hier in absoluter Transparenz,
indem einer „Öffentlichkeit“ aus Dritten – nämlich dem Team, in dem
die Jugendarbeit erfolgt, der Leitungsebene oder ggf. auch der Gruppe
– über Anlass, Art und Umfang der Kontakte Rechenschaft abgelegt wird,
und zwar am besten verpflichtend. Wenn ein Jugendverband sich Arbeitsformen verpflichtet weiß, die gezielt mit solchen Freundesbeziehungen
arbeiten, ist es angezeigt, zumindest entsprechende Schutzmaßnahmen
durch klare Regeln und Transparenz zu schaffen.
Das Reagieren der Verbandsleitung muss leider überwiegend als Versagen
eingeordnet werden. Ein präventiver Ansatz fehlt vollkommen. Die im ersten Schritt getroffenen Maßnahmen zum Schutz sowohl von S. wie auch
etwaiger Übergriffsopfer erscheinen dann sowohl konsequent als auch als
angemessen. Eine zusätzliche Anzeige auf Basis der widersprüchlichen
Informationslage wäre zumindest nicht zwingend, wenn auch möglich
gewesen. Hier sollte im Zweifel dem Willen der Opfer gefolgt werden, die
hier ja Vertraulichkeit reklamieren. Nicht akzeptabel ist jedoch das weitere
Vorgehen: Weder werden die entsprechenden Verbote kontrolliert, noch
zeigt die Verbandsleitung einen entsprechenden Durchsetzungswillen.
Dies setzt sich über einen viel zu langen Zeitraum fort. Eine weitere Intervention hätte nicht erst bei neuen Beschuldigungen, sondern beim ersten
Nicht-Einhalten der Maßnahmen erfolgen müssen.
Dass nach der verspäteten „Amtsenthebung“ keine weiteren Schritte zum
Schutz Minderjähriger erfolgt sind, ist ein Thema für sich. Der Verdacht
gegen S. wird nicht so sehr durch die anhaltenden Beschuldigungen, sondern vielmehr durch seine mangelnde Mitwirkungsbereitschaft gerechtfertigt. S. muss ein starkes Motiv haben, an seinem Verhalten festzuhalten.
Dieses zu ändern müsste schon alleine aus Selbstschutz in seinem Interesse liegen. Die Verbandsleitung hätte hier zumindest die Möglichkeit gehabt, eine Anzeige zu stellen. Die gezielte, vertrauliche und sachgemäße
Information an weitere Personen im Umfeld von S. würde auf der einen
Seite dessen Leumund schwer schädigen, auf der anderen Seite mögliche
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AEJ komplett.indb 125
29.01.2008 12:20:03 Uhr
weitere Opfer schützen. Dies gilt es abzuwägen. Falls man sich zu einem
solchen Schritt entschließt, müssen die mitgeteilten Inhalte unbedingt der
Wahrheit entsprechen und dürfen keine Interpretationen enthalten.
Viertes Beispiel: Flaschendrehen
Auf dem Teeniecamp kommt in der Mittagspause ein jüngerer Freizeitteilnehmer zur Tagesleiterin und berichtet, einige ältere Teilnehmende würden in einem abseits gelegenen Gruppenraum „Strip-Flaschendrehen“
spielen. Die Tagesleiterin sucht daraufhin den Raum auf und findet dort
vier Mädchen und drei Jungen zwischen 15 und 17 Jahren vor, die teilweise
nur noch mit Unterwäsche bekleidet sind. Auf Nachfrage geben diese freimütig zu, miteinander Flaschendrehen zu spielen – wer die gestellte Aufgabe nicht lösen könne oder wolle, müsse ein Kleidungsstück ablegen. Die
Tagesleiterin verbietet dieses energisch, zieht die Flasche ein und weist
die Jugendlichen an, sich wieder anzukleiden. Die Jugendlichen folgen
ohne Widerworte und teilweise mit einer gewissen Erleichterung. Nachdem dies erfolgt ist, erteilt sie der Gruppe Zimmerarrest für den Rest des
Tages unter Ausschluss von den weiteren Gruppenangeboten. Die Freizeitleitung bestätigt diese Strafe nach einer entsprechenden Information eher
amüsiert als besorgt oder verärgert.
Aus dem Blickwinkel des Rechts
Das Verhalten der Jugendlichen als spielerisches und altersangemessenes
gemeinsames Erkunden der Sexualität zu deuten, wäre verkürzt. Das Flaschendrehen findet immerhin in einem öffentlichen Raum statt. Insofern
könnte hier eine besondere Form des „Vorschub Leistens“ im Sinne des
§ 180, Abs. 2 StGB vorliegen, wenn man die Jugendlichen gewähren lässt.
Bedenkt man, dass Freizeiten fast generell nur aus solchen „öffentlichen
Räumen“ bestehen, muss man ohnehin fragen, ob sie überhaupt einen
angemessenen Platz für Sexualität bieten können. Auf der anderen Seite
spricht einiges dafür, dass es in der vorliegenden Situation (noch) nicht zu
sexuellen Handlungen im Sinne des Gesetzes gekommen ist.
Perspektive pädagogischer Intervention
Das Beispiel macht deutlich, wie eng der Rahmen für sexuelles Verhalten
auf Freizeiten gezogen ist, denn das gezeigte Verhalten ist zumindest nicht
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29.01.2008 12:20:04 Uhr
altesuntypisch. Wichtig für eine Entscheidung über den Umgang mit solchen Vorfällen ist die Frage, ob diese als spielerische Situationen in einem
zwangsfreien Rahmen anzusehen sind. Wahrscheinlich ist dies hier nicht
der Fall, auch wenn unklar ist, wie das Spiel zustande kam und welche
sozialen oder personalen Ressourcen die einzelnen hatten oder gehabt hätten, sich dem zu entziehen, wenn ihre persönlichen Grenzen überschritten worden wären. Hier sind Freizeiten sicher auch besonders prekäre Situationen: Freund(inn)e(n), Eltern oder andere Ansprechpartner(innen),
Rückzugsmöglichkeiten stehen gerade hier nicht zur Verfügung, Freizeitgruppen sind de facto Zwangsgemeinschaften auf Zeit. Dies bedeutet eine
erhöhte Schutzbedürftigkeit für den/die einzelne(n).
Insofern tut die Tagesleiterin das einzig Richtige, indem sie die Situation
abstellt. Leider zeigt ihre Intervention einen erheblichen Mangel an Souveränität. Pädagogisch unsinnig erscheint die Strafe – schließlich bestand
offenbar kein Verbot. Auch eine Begründung der Strafe fehlt. Pädagogisches Handeln in diesem Bereich verlangt nach Transparenz, Offenheit
und einem reflektierten Verhältnis zur Sexualität. Insofern ist auch die
amüsierte Passivität der Leitung nicht hilfreich.
Die Erleichterung einzelner Flaschendreher(innen) lässt fragen, wohin das
Spiel geführt hätte? Pädagogisch hätte die Situation aufgegriffen werden
müssen, um Zusammenhänge wie Zwang, Selbstbestimmung usw. mit
den Teilnehmenden zu klären. Die Bestrafung der Jugendlichen erfolgt
öffentlich. Daher hätte diese Situation dazu führen müssen, mit der Gesamtgruppe entsprechende Umgangsregeln zu vereinbaren.
Fünftes Beispiel: Nachts im Zelt
Das Jungschar-Zeltlager ist eine Veranstaltung für 9–13-jährige Kinder.
Der Mitarbeiter D., 24 Jahre, tritt seine Schicht in der Nachtwache an, die
unterhalten wird, weil Zeltlagerüberfälle erwartet werden. Auf seinem
Kontrollgang bemerkt er, dass in einem Übernachtungszelt, in dem eine
Gruppe von Jungen untergebracht ist, noch Unruhe herrscht. Als er sich
daraufhin dem Zelt nähert, stellt es aus dem hörbaren Gespräch fest, dass
zwei Jungen gezielt wach geblieben sind, bis Ruhe im Zeltlager eingekehrt
ist, und dass sie nun versuchen festzustellen, wer als erstes eine Erektion
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29.01.2008 12:20:04 Uhr
bekommen kann. Nach kurzem Überlegen beschließt er, den Jungen und
sich selbst die Peinlichkeit zu ersparen, sie zu stören. Also ignoriert er die
Vorgänge und setzt seine Runde ohne weitere Intervention fort. Eine halbe
Stunde später stellt er fest, dass nun offenbar auch diese Teilnehmer schlafen, und so lässt er die Sache endgültig auf sich beruhen.
Aus dem Blickwinkel des Rechts
Das sexuelle Verhalten von Kindern nach den Kategorien des Strafrechts
einzuordnen, erscheint wenig sinnvoll, weil diese nicht strafmündig sind.
Insofern ist hier nach dem Verhalten des Mitarbeiters zu fragen. Tatsächlich sind die Merkmale einer „Förderung“ im Sinne des § 180 StGB gegeben. Er gewährt eine Gelegenheit, über die Konkretheit der sexuellen Absicht besteht kein ernsthafter Zweifel, auch nicht daran, dass es sich hier
um sexuelle Handlungen im Sinne des § 184 f handelt. Rechtlich gesehen
wäre also ein Eingriff erforderlich. Grund hierfür ist, dass das weitgehende
Recht der Eltern über das Gewähren oder nicht Gewähren entsprechender
Gelegenheiten mit Blick auf ihre Kinder selbst zu entscheiden.
Gleichzeitig zeigt dieser Fall, dass strafrechtliche Normen in ihrer Wirksamkeit Grenzen gesetzt werden. Die zufällige Entdeckung dieser Situation dürfte nicht der Regelfall sein. Die Pflichten, solche „Möglichkeiten“
zu verhindern, sind ebenfalls beschränkt. Wer wiederum hätte schließlich
das absichtliche Nicht-Bemerken des Mitarbeiters D. bemerkt und wollte
diesen zur Verantwortung ziehen?
Pädagogische Herausforderungen und Grenzen
Pädagogisch kann man gute Gründe für das Verhalten D. finden. Offensichtlich ist hier weder Zwang noch mit Blick auf das normale Sexualverhalten von Jungen in der frühen Pubertät eine besondere Auffälligkeit gegeben. Das zu schützende Rechtsgut liegt jedoch im Erziehungsrecht der
Eltern – die Vertrauensbeziehung zu diesen ist jedoch auch pädagogisch
zu berücksichtigen.
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Die Frage nach einer sinnvollen Intervention wirft jedoch ein Dilemma auf.
Soll D. – übertrieben ausgedrückt – die Jungen aus den Schlafsäcken holen
und unter die kalte Dusche stellen? Auf jeden Fall müsste er sich zunächst
taktvoll bemerkbar machen, denn ein unangekündigtes Eindringen in die
Situation wäre selbst eine sexuelle Belästigung. Am Sinnvollsten wäre es
denn, den Jungen deutlich zu machen, dass sie nicht ungestört sind, und
die Aufforderung, jetzt zu schlafen. Eine darüber hinausgehende Thematisierung ist kaum erforderlich und wohl auch kaum sinnvoll möglich.
Sechstes Beispiel: Vergewaltigung
Eine Jung-Erwachsenengruppe besucht gemeinsam die Hauptstadt. Die
Teilnehmenden sind in einem Jugendgästehaus in Einzel- und Doppelzimmern untergebracht. Den Abend nutzen die meist volljährigen jungen Erwachsenen um die Party- und Discoszene zu erkunden. Der hauptberufliche
Gruppenleiter F. ist an diesem Abend in der Unterkunft zurückgeblieben
als Ansprechpartner für Notfälle und um die Rückkehr der noch nicht Volljährigen bis 24.00 Uhr zu erwarten. Als die ersten Teilnehmenden gegen
Mitternacht nach Hause kommen, berichten sie von einer wüsten Party in
einem Kulturzentrum. Die 19-jährige A. sei so betrunken, dass sie fast nicht
mehr ansprechbar sei. Sie habe schließlich mit dem 20-jährigen B, an dem
sie starkes sexuelles Interesse gezeigt hatte, in Richtung Toilette verschwinden wollen. Andere Partygäste hätten dies jedoch unterbunden. Dann habe
A. nach Hause gewollt, worauf sie versucht hätten, A. von B. zu trennen und
mit in die Unterkunft zu bringen. Dies habe der ebenfalls angetrunkene B.
aber verhindert, er sei ausfällig geworden und habe mit Gewalt gedroht. A.
und B. hätten sich gemeinsam auf den Weg in die Unterkunft gemacht und
müssten demnächst eintreffen. Dennoch wartet der Leiter F. nicht weiter auf
sie, sondern geht, als alle Minderjährigen eingetroffen sind, in sein Bett. Am
nächsten Morgen kommen A. und B. aus B.s Zimmer, wo sie gemeinsam
die Nacht verbracht haben. Während A. sich an nichts erinnern kann, brüstet
sich B. damit, mit A. Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Der Freizeitleiter
F. lässt das Gerücht auf sich beruhen.
Aus dem Blickwinkel des Rechts
Das Verhalten von B. zeigt die Merkmale einer Vergewaltigung, denn A.,
das Opfer, war zum einen hilflos (§ 177, Abs. 1 Nr. 3), zum anderen hatte sie
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29.01.2008 12:20:05 Uhr
nach dem Versuch der Annäherung auf der Party in dem Kulturzentrum
den Wunsch nach weiteren sexuellen Handlungen offenbar aufgegeben.
Dies wäre dann eine erhebliche Straftat.
Herausforderungen an Leitung und Autorität
Das Verhalten des Freizeitleiters ist eine grobe Pflichtverletzung. Zwar
steht A., die volljährig ist, nicht mehr unter seiner Aufsicht. Ganz offensichtlich ist sie jedoch eine hilfsbedürftige Person, der eine akute Gefahr
droht, nämlich eine Vergewaltigung. Ebenso wie alle anderen, die die Situation mitbekommen, hätte er hier einschreiten müssen. Die anderen
Teilnehmer(innen) haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten A. geschützt;
der Freizeitleiter hätte durch seine Rolle, aber auch durch sein Alter und
seinen nüchternen Zustand erst recht die Pflicht und die Möglichkeit dazu
gehabt. Zumindest hätte er sich versichern müssen, ob A. tatsächlich hilflos ist oder nicht. Ebenso wenig ist akzeptabel, die Sache am nächsten
Morgen auf sich beruhen zu lassen, statt wenigstens für eine ärztliche Versorgung zu sorgen oder eine Anzeige zu prüfen.
Siebtes Beispiel: Laisser-faire
Die Kirchengemeinde K’dorf veranstaltet seit vielen Jahren jeden Sommer
eine gemischte Kinder- und Jugendfreizeit im sehr einfachen, gemeindeeigenen Waldheim. Das Team wird neben Pfarrer M., 52, seiner Frau, drei
Müttern von Teilnehmenden und einigen ehemaligen Konfirmand(inn)en
gebildet. Das Programm besteht aus Schwimmbadbesuchen und Fußballspielen. Die Erwachsenen verbringen viel Zeit in der Küche des Waldheimes
beim Kaffeetrinken. Am ersten Morgen kommt es zwischen den Jungen
und den Mädchen zu Streit, wer den einzigen Waschraum zuerst benutzen darf – Jungen oder Mädchen? Die erwachsenen Mitarbeitenden haben
hingegen Duschen auf ihren Hütten. Am dritten Tag haben die Mädchen
die ungestörte Benutzung vor dem Frühstück durchgesetzt, die Jungen
kommen dann nach dem Frühstück dran. Bloß die Freizeithelfer(innen)
haben hier ein Sonderrecht: Sie benutzen jederzeit die Duschen hinter dem
Waschraum ohne Rücksicht auf die jeweiligen Nutzer(innen). Konflikte gibt
es auch immer wieder, weil ältere Mädchen Jungen zu sich auf die Zimmer
einladen, während andere Mädchen sich dort gerade umziehen wollen. Immer wieder tauchen dann auch die „Freizeit-Helfer“ ungebeten auf dem
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29.01.2008 12:20:05 Uhr
Mädchenzimmer auf, um sich dort mit den älteren Mädchen zu unterhalten. Ganz normal scheint jedoch allen Teilnehmenden, dass Herr und Frau
Meyer unangekündigt und ohne anzuklopfen in die Zimmer kommen, um
z. B. die Langschläfer aus den Betten zu holen, auch wenn sich dort gelegentlich gerade Teilnehmende umziehen, oder nachts für Ruhe zu sorgen.
Aus dem Blickwinkel des Rechts
Strafrechtlich betrachtet entspricht keiner der geschilderten Vorfälle zwingend einer sexuellen Handlung. Dass solche jedoch durchgehend leicht
geschehen könnten, ist naheliegend.
Pädagogische Herausforderungen von Leitung
Anders als die Frage, ob „selbstorganisiertes Fußballspielen“ als Programm
einer Freizeit ausreicht, dürfen bestimmte Dinge nicht der „Selbstorganisation“ der Teilnehmer(innen) überlassen werden. Dazu gehören Regeln,
die vor sexuellen Übergriffen schützen, ebenso wie solche, die Gewalt oder
Unfälle verhindern sollen.
Die rechtlichen Vorgaben für Freizeiten sind eindeutig. Die Intimität
– gerade bei der Körperpflege oder beim Umziehen – muss gewahrt bleiben. Dass männliche Jugendliche den Mädchenwaschraum nutzen, ist
ebenso unzulässig, wie dass Erwachsene die Zimmer ohne Ankündigung
betreten usw.
Die Mitarbeitenden müssen sich ihrer Rollen klar sein. Das gehört zu ihrer
Verantwortung und Vorbildfunktion. Das heißt: Hier gelten für Mitarbeitende keine Sonderrechte. Sensibilität und Takt, gerade mit Blick auf Geschlechtlichkeit und Geschlechtsrolle, sind hier unverzichtbar.
Diese Grenzüberschreitungen führen auf drei Ebenen zu Problemen:
--> Zunächst sind sie an und für sich falsch, weil sie Grenzen überschreiten und persönliche Rechte missachten.
--> Dadurch können sie eine Atmosphäre begünstigen, in der sich diese
Grenzüberschreitungen leicht weiter entwickeln bzw. Eigendynamik
entwickeln – etwa unter den Teilnehmenden selbst.
--> Schließlich ermöglichen sie aber auch gezielte und geplante pädosexuelle Übergriffe Erwachsener.
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AEJ komplett.indb 131
29.01.2008 12:20:05 Uhr
Autor(inn)enverzeichnis
Ulfert Boehme
Florian Dallmann
Wilfried Drews
Karl-Heinz Grosch
Hans Hirling
Tamara Meyer-Goedereis
Pelle B. Pelters
Brunhild Schmidt
132
AEJ komplett.indb 132
29.01.2008 12:20:06 Uhr
Impressum
Herausgeberin
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (aej)
im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer Jugendferiendienste e. V. (BEJ)
Otto-Brenner-Straße 9
30159 Hannover
Telefon: 0511 1215-0
E-Mail: [email protected]
1. Auflage Dezember 2007
Ausgabe
Redaktion Florian Dallmann
Gwendolyn Mertz
Tamara Meyer-Goedereis
Redaktionsassistenz: Julian Frese
Gestaltung, Carl Küster Druckerei GmbH,
atz und Druck Hannover
S
Bildnachweis
Vorsatzbilder entnommen von der CD
„Blickwinkel“ herausgegeben vom
Deutschen Bundesjugendring (DBJR), Berlin
Vorsatzbild für den Aufsatz „Fallbeispiele“
von Florian Dallmann: www.jugendhilfeportal.de
Dieses Bild ist ein Produkt der European Youth Week.
Es entstand im Rahmen der Blickpunkt D2-Tour
von eurodesk.
gefördert durch
Umschlag.indd 2
Titelbild: www.flickr.com, Vintage Lulu, United Kingdom
© aej, Hannover
30.01.2008 13:22:05 Uhr
Doch überall dort, wo Menschen einander nahe kommen und
sich öffnen, besteht die Gefahr, dass dieses Vertrauen missbraucht wird. Die Augen davor zu verschließen, wäre fahrlässig.
Die Träger der Kinder- und Jugendarbeit müssen daher dafür
Sorge tragen, dass ihre Angebote „sichere Orte“ für Kinder- und
Jugendliche sind. Dies gilt für Freizeiten und Reisen ganz besonders. Auch das Verhalten Heranwachsender untereinander birgt
die Gefahr von Grenzüberschreitungen und verlangt deshalb
nach klaren Normen.
Mit der Konkretisierung des Schutzauftrages der Kinder- und
Jugendhilfe durch die §§ 8a und 72 a Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG-SGB VIII) wächst die Notwendigkeit, auch in der
Kinder- und Jugendarbeit klare Standards für die Prävention von
Kinderwohlgefährdungen zu schaffen, vor allem hinsichtlich der
Gefährdungen durch sexuelle Übergriffe.
Umschlag.indd 1
Neue kleine Schriften Nr. 7
Neue kleine Schriften Nr. 7
BEJ
All den Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen, die tausende
von Fahrten und Freizeiten, Wochenendaktionen, Zeltlager und
Bildungsmaßnahmen und so vieles mehr verantworten, soll dieser Band eine Hilfe sein und Anregungen bieten.
Keine Chance für ein Tabu
– Sexualisierte Gewalt
bei Kinder- und Jugendreisen
Keine Chance für ein Tabu
Reisen, Freizeiten und Zeltlagen gehören zu den schönsten Zeiten in der Kinder- und Jugendarbeit. Gemeinsam erleben Kinder, Jugendliche und Mitarbeiter(innen) neue Eindrücke, sinnvolle Freizeitgestaltung und intensive Gruppenerfahrungen. Die
unterschiedlichen Formen von Ferienfreizeiten ermöglichen in
besonderer Weise Gemeinschaftserfahrungen wie es die kontinuierliche Gruppenarbeit im Alltag nicht kann.
Grundlagen – Prävention – Intervention
Bundesarbeitsgemeinschaft
Evangelischer
Jugendferiendienste e.V.
30.01.2008 13:22:05 Uhr
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