- Tagesklinik Konstanz

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Steigerung der Entzündungsneigung
durch dentale Titanimplantate
Zahnmedizinische Versorgungen unter allgemeinmedizinischen Aspekten
Dr. Holger Scholz und Dr. Sebastian Skwara
Belastungen des Immunsystems durch Metalle stellen eine große Herausforderung
für die Umweltmedizin dar. Bevor über eine adäquate Therapie chronischer Erkrankungen nachgedacht werden kann, wie z.
B. Ausleitung, muss sichergestellt sein,
dass sich keine Metalle mehr in Zähnen,
Weichgeweben und Kiefern befinden. Ein
in der Zahnmedizin relativ häufig verwendetes Metall ist Titan.
Neben der Metallfreiheit legen wir in unserer Klinik und in der Kooperation mit Umweltmedizinern gleichermaßen Wert darauf,
dass im Kiefer keine entzündlichen Prozesse
ablaufen (Parodontitis, wurzelkanalbehandelte Zähne NICO). In diesem Beitrag wollen
wir jedoch die Rolle des Titans, u. a. bei entzündlichen Erkrankungen des Körpers darstellen. Zu dem Zeitpunkt der Behandlung
dieses Patienten war unsere Zusammenarbeit mit Umweltmedizinern noch nicht so
integriert wie heute. Das Beispiel zeigt aber,
welch massiven Einfluss zahnmedizinische
Versorgungen auf die allgemeine Gesundheit haben können und wie Zahnärzte die
Arbeit von Umweltmedizinern erleichtern
können, teilweise erst sinnvoll werden lassen.
Behandlungsverlauf
Anfangsbefunde 10 / 2006
Patient: männlich, 40 Jahre, berufsunfähig.
Zahnmedizinische Situation: Die Zähne
waren mit metallkeramischen Kronen und
Brücken versorgt. Im Oberkiefer rechts waren in der Region 14 und 16 jeweils ein Titan
Implantat inseriert, jedoch noch nicht funktionell belastet. Auf der linken Seite im
Oberkiefer waren die Zähne 24 und 25 wurzelkanalbehandelt, im Unterkiefer links der
Zahn 34. Im Bereich der prothetischen Versorgungen wies die Gingiva deutliche
Schwellungen und Rötungen auf. Die im
Mund gemessenen elektrischen Ströme (24
µA) und Spannungen (130 mV) waren relativ
hoch. Es bestand eine funktionelle Störung
in Form von Schmerzen und Geräuschen im
Bereich der Kiefergelenke beim Sprechen
und Essen. Die Bissposition war unzureichend, es bestanden Bewegungseinschränkungen bei der Mundöffnung. Der Patient
klagte über Krämpfe im Halsbereich rechts.
Allgemeinmedizinische Situation: Der
Patient berichtete von chronischen Kopf-
schmerzen, vor allem rechtsseitig in Form
von starkem Pochen; Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule im Nacken und
sehr stark im Bereich der rechten Schulter;
Schmerzen im Bereich des Sprunggelenkes,
des Knies und der Knöchel, jeweils rechtsseitig; schlechte Leberwerte (kein Alkoholabusus) und Störungen der Magen-und
Darmtätigkeit, regelmäßige Durchfälle (fast
täglich); Herz-und Kreislaufbeschwerden in
Form von Herzrasen und Herzstechen;
schlechter Schlaf, massiv reduzierter Energiezustand.
Bewertung der zahnmedizinischen Situation unter zahnmedizinischen Aspekten: Es
ist bekannt, dass es sehr selten allergische
Reaktionen auf Titan bzw. Titanoxid gibt [1,
2]. Weit häufiger – geschätzt bei etwa 15
Prozent der Bevölkerung – besteht eine Entzündungsreaktion auf Titanoxid oder es
liegt eine genetische Disposition für so eine
Entzündungsreaktion vor [3, 4, 5]. Insofern
sind vor allem die im Mund gemessenen
Spannungen und Ströme relevant, weil dadurch die immer vorhandene Mobilisierung
von Titanionen [6] aus der Oberfläche der
Implantate beschleunigt wird [7, 8]. Diese
freiwerdenden Ionen reagieren dann mit
Sauerstoff zu Titanoxid. Dieses Titanoxid
wiederum kann zu einer Freisetzung von
entzündungsfördernden Stoffen wie TNF-α
und IL-1 führen [9, 10, 11].
Die vom Patienten angegebenen Beschwerdebilder lassen sich sehr gut mit einem
langfristig chronisch entzündlichen Umfeld
(silent inflammation) und in der Folge einer
chronischen Erschöpfung erklären. Auffällig
war, dass die Mehrzahl der Beschwerden und
die Ausprägung der Beschwerden sich,
ebenso wie die inserierten Titanimplantate,
verstärkt rechtsseitig fanden.
Abb. 1: Panoramabild der Mundsituation zu Behandlungsbeginn im Oktober 2006.
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Die klinische Situation, die anamnestisch
berichteten Beschwerden und der Laborbefund stimmen – wenig überraschend – gut
überein. Die Indikation, die Titanimplantate zu entfernen, war gegeben.
April | 2016 CO.med
Abb. 2 (lnks): Sehr hohe Ausschüttung von TNFa und IL1-b im Titanstimulationstest bei genetischer Disposition.
Abb. 3 (rechts): Als Reaktion auf Titanionen aus dentalen Implantaten setzt der Organismus proinflammatorische Botenstoffe frei.
Situation 3 / 2007
In einem ersten Schritt wurden die beiden
metallischen Implantate im Oberkiefer entfernt. Für diese Maßnahme benutzen wir ein
spezielles Explantationstool, mit dem wir
die metallischen Implantate in den meisten
Fällen ohne großen Aufwand herausdrehen
können. In den wenigen verbleibenden Fällen nutzen wir eine spezielle Ultraschalltechnik, mit der die Entfernung der Implantate ebenfalls rückstandsfrei gelingt. Dies
ist extrem wichtig, weil in den Knochen und
in dem umliegenden Gewebe verteilte
Kleinstpartikel kaum mehr vollständig zu
entfernen sind. Ebenso wurden die metallbasierten prothetischen Versorgungen im
Oberkiefer entfernt und metallfrei ersetzt.
Als ergänzende Therapie empfehlen wir etwa einen Monat vor und nach kieferchirurgischen Eingriffen verschiedene Nahrungser-
gänzungsmittel nach unserem Immun Booster Protokoll [12]: Chlorella, gepuffertes
Vitamin C, D3, K2, Zink, Magnesium, EnzymKomplex und Omega-3-Fettsäuren (Dosierungsempfehlungen bei den Autoren erhältlich).
Etwa zwei Monate nach der ersten Behandlung berichtete der Patient: „(...) Ich
schreibe Ihnen diesen Brief, damit sie vor
meinem Anruf schon mal wissen, wie es mir
geht und welche Fragen ich noch habe. Ich
möchte Ihnen die markantesten Veränderungen mal schildern. (…) Ich verspüre eine
sehr starke Erleichterung und Verbesserung
der rechten Gesichtshälfte, auch meine Gelenke, Arm und Bein sind schon kurze Zeit
nach der Entfernung der Implantate besser
geworden und auch die Kopfschmerzen sind
viel besser. Auch die Verdauung ist besser,
außerdem hatte ich am Rücken immer wieder nässenden Ausschlag, der ist fast voll-
kommen weg. Also, es geht mir schon besser
und ich möchte auf alle Fälle, dass Sie mich
so weiter behandeln wie im Therapieplan
vorgeschlagen. (...)“
Im weiteren Therapieverlauf wurden dann
die wurzelkanalbehandelten Zähne im Oberkiefer links entfernt, abschließend wurden
dann Ober- und Unterkiefer mit vollkeramischen metallfreien Brücken versorgt. Die
klinische Symptomatik bei dem Patienten
verbesserte sich im Rahmen der weiteren
umweltmedizinischen Therapie, sodass der
Patient im Jahre 2009 weitgehend beschwerdefrei war.
Anhand einer Analogskala sind in Tabelle 1
einige Symptome mit deren Verlauf innerhalb des Therapiezeitraums aufgelistet. Es
sind dabei nicht alle Termine angegeben. 10
bedeutet schlimmstmöglich, 0 bedeutet
keine Symptome mehr.
Abb.. 4 (links) : Zustand nach Entfernung der Titanimplantate im Oberkiefer rechts und Ersatz der metallbasierten prothetischen Versorgung
im Oberkiefer durch metallfreie Langzeitprovisorien.
Abb. 5 (rechts): Auch die wurzelkanalbehandelten Zähne wurden entfernt und der Patient abschließend vollständig metallfrei versorgt.
CO.med April | 2016
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Tab. 1: Einige Symptome des Patienten im Verlauf des Therapiezeitraums, dargestellt mithilfe einer Analogskala (10 = schlimmstmöglich, 0 = keine Beschwerden)
Symptome
10/2006
03/2007
05/2007
09/2009
Kopfschmerzen
9
9
5
3
Nacken
7
6,5
4
2
Schulter
7
5,5
2
2
Halswirbel
8
7
3
3
Magen/Darmtätigkeit
7
7
2
2
Durchfälle
9
9
2
1
Herz/Kreislaufbeschwerden
6
5
4
2
Nässender Ausschlag
9
9
1
0
Schlussfolgerung
Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Kooperation von Zahnärzten und Umweltmedizinern ist.
Für Therapeuten, die chronische Erkrankungen behandeln, ist ein Blick in den Mund und
/ oder die Zusammenarbeit mit einem umweltmedizinisch erfahrenen Zahnarzt regelmäßig entscheidend für den Erfolg der Behandlung.
Auf der Seite der zahnärztlichen Kollegen
ist zu wünschen, dass Metallentferungen
aus dem Mund ausschließlich unter massiven Schutzmaßnahmen und mit dem notwendigen Fachwissen erfolgen sollten.
Ebenso muss die Einsicht wachsen, dass
metallfreie Versorgungen in allen Bereichen der Zahnmedizin, also Inlays, Kronen,
Brücken und herausnehmbaren Zahnersatz,
aber auch Implantate zum Wohle der allgemeinen Gesundheit von Menschen in der
heutigen Zeit – angesichts der technischen
Möglichkeiten – selbstverständlich sein
sollten [13].
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Literaturhinweis
1. Thomas P et al.: Hypersensitivitiy to titanium osteosynthesis with impaired fracture healing, eczema, and
T¬cell hyperresponsiveness in vitro: case report and review of the literature. Contact Dermatitis 2006; 55:
199-202.
2. Bilhan H et al.: Titanium hypersensitivity. A hidden
threat for dental implant patients? N Y State Dent J.
2013 Jun-Jul; 79(4): 38-43.
3. Jacobi-Gresser E et al.:Genetic and immunological
markers predict titanium implant failure: a retrospective study. Int. J. Oral Maxillofac. Surg. April 2013 Volume 42, Issue 4, 537–543.
4. Müller K, Valentine-Thon E: Hypersensitivity to titanium: Clinical and laboratory evidence. Neuro Endocrinol Lett 2006; 27 (Suppl 1): 31–35.
5. Giftiger Abrieb an Prothesen. NZZ Online, 13.03.2012,
07:01.
6. Weingart D et al.: Titanium deposition in regional
lymph nodes after insertion of titanium screw implants in maxillofacial region. Int. J. Oral Maxillofac.
Surg. 1994; 23: 450-452.
7. Chaturvedi TP: Allergy related to dental implant and
its clinical significance. Clinical, Cosmetic and Investigational Dentistry 2014
8. Matthew IR, Frame JW: Ultrastructural Analysis of Metal Particles Released From Stainless Steel and Titanium Miniplate Components in an Animal Model. J Oral
Maxillofac Surg 1998; 56: 45-50.
9. Nakashima Y et al.: Signaling Pathways for Tumor Necrosis Factor-α and Interleukin-6 Expression in Human
Macrophages Exposed to Titanium-Alloy Particulate
Debris in Vitro. The Juornal of Bone and Joint Surgery
1999; 5, 81-A: 603-615.
10. Sterner T: Auswirkungen von klinisch relevanten Aluminium Keramik-, Zirkonium Keramik-und Titanpartikel unterschiedlicher Größe und Konzentration auf die
TNF-a-Ausschüttung in einem humanen Makrophagensystem. Biomed. Technik 2004; 49: 340-344.
11. Bartram F: Titanunverträglichkeit: Analytik und Diagnostik. UMG 2007; 2 (20): 114-118.
12. Scholz H: Biologische Zahnmedizin: Sachgerechte
Therapie bei NICO und Kieferostitis. CO.med Fachmagazin 2016, 1:34-37.
13. Scholz H: Konzept einer metallfreien Zahnmedizin.
CO.med Fachmagazin 2009; 4:10-12.
Dr. Holger Scholz
ist Leiter der zahnärztlichen Tagesklinik Konstanz mit mehr als 20 Jahren
Berufserfahrung. In der integrativen
Klinik für biologische Zahnmedizin
wurden mehrere metallfreie vollkeramische Implantatsysteme entwickelt und
erprobt. Dr. Scholz ist Referent und Autor (Themen: metallfreie Zahnmedizin
und integrative Behandlungskonzepte)
sowie sehr erfolgreich als Peak Performance Coach (zertifizierter NLP-Master
und Coach) tätig. Er beschäftigt sich
intensiv mit nachhaltig erfolgreichen
Lebenskonzepten, hier v.a. mit den Zusammenhängen von Ernährung, Sport,
innerer Haltung und Erfolg.
Kontakt:
[email protected]
www.tagesklinik-konstanz.de
Dr. Sebastian Skwara
studierte Zahnmedizin an der Universität Jena und war danach in verschiedenen Praxen tätig. Die Dissertation
erfolgte über Zirkondioxid und Verblendkeramiken. Für die Firma Dentsply war er im Bereich klinische Forschung für die Entwicklung von Dentaladhäsiven und Kompositen tätig. Die
Vorbereitung und Durchführung externer klinischer Studien sowie die Weiterentwicklung von Produkten nach
der Markteinführung und die enge Zusammenarbeit mit Universitäten waren zentrale Schwerpunkte. Seit 2015
ist Dr. Skwara im Team der zahnärztlichen Tagesklinik Konstanz.
Kontakt:
www.tagesklinik-konstanz.de
April | 2016 CO.med
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