'Der Mensch ist unheilbar religiös' Zum 'Nutzen ' der Religion Liebe Pfarrgemeinde! Hinter diesem Satz eines Religionsphilosophen drückt sich auch meine Überzeugung aus, dass die Religion zur Mitgift des Menschen gehört und dieser Transzendenzbezug (Re-ligio = Rückbindung an Gott) ihn als Mensch auszeichnet. Der Mensch kommt nicht an der Gottesfrage vorbei. Das heißt aber auch, dass jeder Mensch 'glaubt', glauben muss, also sein Leben nach irgendwelchen nicht mehr rational beweisbaren Kriterien ausrichtet, die aber seine 'Weltanschauung', oft mehr unbewusst als bewusst; im Denken und Handeln bestimmen. 'Alles ist zu wenig' (I.Bachmann) Es bleibt freilich die Frage: Wer glaubt richtiger? -etwa der, der als letzte Sinnperspektive das Geld oder die Karriere sieht; jener, der überall nur sich selbst verwirklicht; der, der höchste humane, aber innerweltliche Werte als das betrachtet, was die Welt im Innersten zusammenhält, oder ist es der Mensch, der darüber hinaus offen ist für eine die Welt übersteigende göttliche Dimension? Für mich ist mit der unheilbaren Religiosität des Menschen mitausgesagt, dass diese 'Wunde' mit keiner Medizin dieser Welt zu heilen ist, weder mit den Mitteln materiellen Wohlstands noch mit Bewußtsseinserweiterung, nicht einmal mit gelungener zwischenmenschlicher Liebe, die noch am meisten zu 'heilen' vermag. So erweisen sich die vielen innerweltlichen Versprechen , diese Wunde zu heilen, letztlich als Ersatzgötter und Ersatzreligionen, die die Seele des Menschen besetzen und deren Sehnsucht letztlich doch nicht befriedigen können, denn 'Gott allein genügt' (Teresa von Avila). Die religiöse Veranlagung sagt jedoch noch nichts aus, ob der Mensch auch richtig und gesund religiös ist. Weil sie bis in die unter- und unbewusste Tiefe der menschlichen Seele reicht, kann sich vieles, was eher in den Bereich der psychisch anfälligen Persönlichkeitsstruktur des Menschen gehört, auch den Mantel des Religiösen umhängen und sich z.B. besonders fromm geben, obwohl nur größere Angst oder ein schwaches Ich dahinter stehen. Hier soll nur von der Gefahr die Rede sein, für unsere eigenen Kosten-NutzenRechnungen Gott und die Religion zu missbrauchen. Kein greifbarer Nutzen Religion hat mit der Suche des Menschen nach Heil und Rettung zu tun. Sie soll also darin dem Menschen 'nützen'. Gesunde und heilende Religiosität ist aber gerade jenseits jedes Nützlichkeitskalküls. Der Glaube darf nicht nach seiner Umwegrentabilität bemessen und dementsprechend eingesetzt werden. Dann ist aus der Beziehung zu Gott ein Geschäft geworden und es bleiben auf der Strecke, worum es in dieser Beziehung geht: Vertrauen, Liebe und Freiheit. Religiosität darf nicht zur Leistung werden, die mir einen Anspruch sichert. Alles Vertrauen bleibt 'in der Schwebe des Lebendigen' (Max Frisch). Keine handfeste Sicherheit Religion hat zutiefst mit letztem Halt und mit Sicherheit zu tun. Gott ist der beständige und treue Fels und Zufluchtsort. Religion ist aber alles andere als eine Versicherung! Weder mein Gebet noch mein Kirchenbeitrag sind eine Prämie, die mir Anspruch auf Gesundheit oder Seelenheil garantieren. Meine Religiosität, also die Beziehung zu Gott, ist zwar mein 'Lebensmittel', aber nicht eines, über das ich verfüge und mittels dessen ich mich absichere. Alle Gaben Gottes und auch einmal die ewige Vollendung werden mir gratis zuteil, wie auch jede Freundschaft vom Freiraum der Liebe und des Vertrauens lebt und nicht verzweckt werden darf. Geschenke der Religion Religion gibt keine meßbare und handfeste Sicherheit, auch nicht die Gewähr, von Krankheit, Leid und Tod verschont zu bleiben, aber sie schenkt die Glaubensgewißheit, 'dass wir dem Leben trauen können, weil Gott es mit uns lebt' ( A. Delp) und 'dass mich weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges ...trennen können von der Liebe Gottes' (Röm 8,38) So wie der Wurm von Anfang in einer Beziehung steckt, wenn ich jemanden liebe, damit er/sie mir Freund/in ist, ist jede auf Nutzen hin verzweckte Religion, und sei es das Seelenheil, verkehrt. Wie unverzweckte Freundschaft viele positive Früchte geschenkt bekommt, so wird auch Religion dem Menschen vieles schenken: gesunder Glaube entängstigt, gibt innere Freiheit und durch die enge Verbindung von Seele und Leib kann er das Immunsystem stärken und sogar die leibhaftige Gesundheit positiv beeinflussen, wie er mich eines Tages wohl auch leichter sterben lassen mag. Religion und Glaube gehören wie etwa Freundschaft, Kunst und Liebe zum Überflüssigen des Lebens, aber zugleich sind sie das Unentbehrlichste und Notwendigste menschlichen Lebens. Wo sie verschwinden, ist es um die Menschlichkeit schlecht bestellt. Sie sind die 'Lebensmittel' schlechthin, die man nicht im Geschäft kaufen und auch nicht selbst machen kann, sondern ständig Geschenk bleiben. Dass wir dafür - vielleicht in der Freizeit des Urlaubs und der Ferien mehr und leichter als sonst - offen sind und einander darin beschenken und bestärken, wünscht Ihnen von Herzen Ihr Pfarrer Walter Wimmer.