Was hält mich über Wasser Matth. 14,22-33 – FEG Winterhur, 14. Mai 2017 (Martin Voegelin) Einstieg ….. So oder so – Petrus‘ Erlebnis war schon vor Fragen zur Reflexion mit Bild von Ernst Alt dem Wasser schlucken traumatisch. Dabei Ein paar Augenblicke wirken lassen fing alles so phantastisch an - Jesus hatte Was sehe ich - welche Gefühle lösen die eben eine Volksmenge - 5000 Männer + Figuren bei mir aus - in welche würde ich Frauen und Kinder - gespiesen. Wenn das mich am ehesten versetzen? nicht super ist, für einen solchen Chef arbei Wie interpretiere ich die Haltung / den ten zu können! Aber manchmal war es schon Gesichtsausdruck des Petrus? schwer, ihn zu verstehen - er schickte sie einfach weg, bevor die Geschichte fertig war. Angst - das dominante Thema. Angst im Die Geschichte Sturm - noch mehr Angst bei der Erscheinung Matthäus 14,22 Nun drängte Jesus die Jünger, von Jesus - die Angst hat die Wahrnehmung unverzüglich ins Boot zu steigen und ihm ans der Jünger völlig verzerrt. andere Ufer vorauszufahren; er wollte inzwiAber dennoch - sie können Jesus hören - Petschen die Leute entlassen, damit sie nach rus reagiert "ohne zu denken" - aber, WENN Hause gehen konnten. 23 Als das geschehen ES JESUS IST, ist alles möglich. Ich will bei Dir – war, stieg er auf einen Berg, um ungestört bein Deiner Nähe sein! ten zu können. Spät am Abend war er immer noch dort, ganz allein. 24 Das Boot befand sich schon weit draußen auf dem See und Wir bewundern Petrus‘ Mut hatte schwer mit den Wellen zu kämpfen, weil Die andern Jünger finden das offensichtlich ein starker Gegenwind aufgekommen war. 25 nicht so toll…. (Bild) Gegen Ende der Nacht kam Jesus zu den Jün„Ich mag verrückt sein - aber Jesus ruft mich gern; er ging auf dem See. 26 Als sie ihn auf (dennoch) zu sich! Jesus fragt nicht mal nach dem Wasser gehen sahen, wurden sie von einer Begründung. Er nimmt mich einfach Furcht gepackt. »Es ist ein Gespenst!«, riefen ernst. Ich sehe nur noch Jesus – und seinen sie und schrien vor Angst. 27 Aber Jesus mutmachenden Blick – das trägt mich. sprach sie sofort an. »Erschreckt nicht!«, rief Hat jemand etwas von Wasser, von Sturm geer. »Ich bin’s. Ihr braucht euch nicht zu fürchsagt? Das ist nicht das Thema – JESUS ist das ten.« 28 Da sagte Petrus: »Herr, wenn du es Thema!“ Das bewundern wir. bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir Jesus bewundert offenbar diesen Schritt aus zu kommen!« – 29 Komm!«, sagte Jesus. Petdem Boot nicht besonders – viel mehr wunrus stieg aus dem Boot und ging auf dem dert er sich über das Sinken des Petrus! Wasser auf Jesus zu. 30 Doch als er merkte, wie heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er Was macht Petrus sinken? begann zu sinken. »Herr«, schrie er, »rette Nicht der Sturm! JESUS, ich komme – es funkmich!« 31 Sofort streckte Jesus seine Hand tioniert! Und dann - V30: als er merkte, wie aus und hielt ihn fest. »Du Kleingläubiger«, heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er besagte er, »warum hast du gezweifelt?« 32 gann zu sinken. Dann stiegen beide ins Boot, und der Sturm Nicht mehr Jesus ist im Blick, sondern der legte sich. 33 Und alle, die im Boot waren, Sturm. Erfolg kippt in Untergang – die Lage warfen sich vor Jesus nieder und sagten: wird ernst - die Bedrohung ist ECHT! »Du bist wirklich Gottes Sohn! « Was möchte uns diese Geschichte lehren? Wir müssen uns mit der Blickrichtung beschäftigen, aber nicht bevor wir darüber nachgedacht haben, was für Stürme das denn sind, die uns vom tragenden Blickkontoakt mit Jesus ablenken. Es können innere und äussere Stürme sein – und die Unterscheidung ist nicht immer einfach. - schnell werden von aussen auf uns treffende Stürme zu inneren Stürmen – (z.B. ein Angriff am Arbeitsplatz, ein Geschäft das platzt, Krankheit die mich oder nahe Angehörige trifft, Chaos mit den Kindern, unüberwindbare Hindernisse in Verantwortungen, die ich übernommen habe – es sind echte Stürme, wahrnehmbar, auch von andern – aber sie machen ja auch etwas mit mir!) - und umgekehrt: Innere Unsicherheiten, Zweifel, Mutlosigkeit, Selbstmitleid wirken sich auf mein Verhalten aus und provozieren äussere Stürme. Wie bedrohlich ich den Sturm empfinde, ist immer subjektiv. Es nützt auch wenig, wenn wir vergleichen und denken, niemand müsse so schwer durch wie wir – oder andere müssten noch ganz andere Stürme durchstehen – wie Krieg, Hungersnot, Flucht… Mein Sturm bleibt deshalb genau so real für mich. Vielleicht erschrak Petrus auch über seinen eigenen Mut / Leichtsinn. Herr, das schaff ich nicht - ich gehe unter! Ein Sturm, den ich bei mir – und nicht nur bei mir beobachte: Ich beschäftige mich mit meinen Zweifeln, meinem eigenen – tatsächlichen oder auch nur eingeredetem Versagen. Mit meinen Defiziten. Eine Geschichte von Franz von Assisi verdeutlicht, wie die Beschäftigung mit unseren Defiziten und unserem Wunsch, perfekt zu sein, von der Verbindung mit Jesus ablenkt und uns sinken lässt. Franziskus war mit Bruder Leo unterwegs. Als sie einen Bach überquerten, bewunderten sie die Klarheit des Wassers. Es regte sie an, über die Reinheit des Herzens nachzudenken. Franziskus bemerkte, dass Bruder Leo traurig geworden war und er sprach ihn an: „Du grübelst, scheint mir.“ „Ja, wenn uns ein bisschen von dieser Reinheit vergönnt wäre, dann hätten auch wir die närrische, überbordende Freude unserer Schwester Quelle und die unwiderstehliche Kraft ihres Wassers.“ Ein abgründiges Heimweh schwang in Leos Worten. Er starrte melancholisch auf den Bach – ein Bild der Reinheit, die sich dem Menschen für immer versagt. „Komm“, sagte Franziskus und zog ihn mit sich. Die beiden machten sich wieder auf den Weg. Sie schwiegen eine Weile, dann fragte Franziskus: „Weisst du, Bruder, was ein reines Herz ist?“ „Wenn man sich nichts vorzuwerfen hat“, antwortete Leo, ohne lange zu überlegen. „Dann verstehe ich, dass du traufig bist, irgendetwas hat man sich immer vorzuwerfen.“ „Eben, und deshalb habe ich die Hoffnung auf ein reines Herz aufgegeben.“ „Ach, Bruder Leo, kümmere dich nicht so sehr um die Reinheit des Herzens! Sieh auf Gott! Bewundere ihn! Freu dich, dass es ihn gibt, ihn, den ganz und gar Heiligen. Danke ihm um seiner selbst willen. Eben das, mein kleiner Bruder, heisst ein reines Herz haben. Und wenn du dich so Gott zugewandt hast, wende dich vor allem nie auf dich selber zurück! Frag dich nicht, wie du mit Gott stehst! Die Trauer darüber dass man nicht vollkommen ist und dass man den Sünder in sich entdeckt, ist ein noch menschliches, ein allzu menschliches Gefühl. Du musst den Blick höher, viel höher heben. Es gibt Gott, es gibt die Unendlichkeit Gotes und seine unwandelbare Herrlichkeit. Ein Herz ist rein, wenn es nicht ablösst, den lebendigen und wahren Herrn anzubeten. … Ein solches Herz ist zugleich leer und übervoll. Dass Gott Gott ist, genügt ihm. Aus dieser Gewissheit schöpft es all seinen Frieden und all seine Freude. …“ „Aber Gott verlangt, dass wir uns bemühen und ihm treu bleiben“, wandte Bruder Leo ein. „Gewiss, aber die Heiligkeit besteht nicht darin, dass man sich selbst verwirklicht, und besteht nicht in der Erfüllung, die man sich selbst verschafft. Heiligkeit ist zuerst einmal Leere, die man in sich vorfindet, die man akzeptiert und die Gott in eben dem Masse ausfüllt, in dem man sich seiner Fülle öffnet.“ Wir machen oft denselben Fehler wie Bruder Leo – wir wollen uns vollkommen machen und beschäftigen uns allzusehr mit unseren Unvollkommenheiten und Problemen, mit unsern Sünden, Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen. Nein – ich will Sünde nicht verniedlichen! Es gibt auch eine heilsame Traurigkeit über eigene Sünde. Aber nicht WIR werden mit ihr fertig - Jesus IST SCHON fertig mit ihr. Er will nicht, dass wir uns mit ihr beschäftigen, son- dern sie IHM überlassen. So wie der etwas saloppe Spruch über Nachfolge sagt – hinfallen – aufstehen, Krone richten, weitergehen. Nun – manchmal dauern die Stürme an und es scheint unmöglich, einfach aufzustehen und weiter zu gehen. Schon gar nicht, sie zu ignorieren. Und mancher Sturm hat ja auch nicht unbedingt mit mir zu tun, sondern er überfällt uns einfach, wie es die Jünger auf dem See Genezareth erlebt haben. Jesus hat den Sturm erst gestillt, nachdem er mit Petrus ins Schiff gestiegen war. Aber Jesus hat dem Sturm die Kontrolle über sich – und über Petrus – verweigert! Was hält uns denn über Wasser – mitten im Sturm? Petrus sah nur noch Jesus – und wollte unbedingt zu ihm. Die Anziehungskraft Jesu war stärker als die Schwerkraft seines Körpers. Was ist mir wichtiger – die Nähe Jesu oder die Bändigung des Sturms? Die Nähe zu Jesus schaltet den Sturm (oft) nicht aus! - er ist und bleibt real - aber der Sturm hat eine Grenze! Wir brauchen uns von ihm nicht kontrollieren zu lassen! Mit meiner Hingabe an Jesus, durch meine Unterordnung unter SEINE Herrschaft, hat nur noch Jesus das Recht, über mich Kontrolle auszuüben. Glauben, Vertrauen heisst: Ja, ER ALLEIN hat die Kontrolle über meine Stürme, Probleme, Sorgen. Sie haben kein Anrecht auf mich – ich unterstehe allein, der Herrschaft Jesu. Und er übt seine Kontrolle in Barmherzigkeit aus z.B. wenn ich sinke! Wir sind leidenschaftliche Problemmanager und bilden uns ein, sie in den Griff zu bekommen - bis wir Wasser schlucken! Und dann schreien wir – Herr, rette mich! Ich versuche das mal aus der Perspektive Jesu zu formulieren: „Wartest Du eigentlich nur darauf, dass Du den Blickkontakt mit mir unterbrechen kannst, damit Du Dich um Deine Probleme kümmern kannst? Damit Du zu Deinem Ego zurückkehren kannst, das Dir einredet, für die Problemlösung verantwortlich – und auch fähig zu sein?“ Wie oft entziehe ich mich der Gegenwart Gottes, um über meine Probleme grübeln zu können! Ich will nicht die Probleme verniedlichen - aber unsere Ausrichtung hinterfragen. Ich sehe in unserer Geschichte eine grosse Nähe zum Gleichnis des Weinstocks und der Rebe in Johannes 15. Wir haben nicht die Aufgabe, Frucht zu produzieren oder Probleme zu lösen, sondern verbunden zu sein: 180o andere Richtung! Unsere Aufmerksamkeit gehört dem Zufluss aus dem Weinstock – nicht der Fruchtproduktion. Die geschieht automatisch durch den Lebenssaft, der durch uns fliesst. Richtig, Gott hat uns auch Fähikgeiten und Kompetenzen gegeben, um den Alltag mit seinen Problemen zu bewältigen - aber: Er hat sie uns GEGEBEN und wir dürfen dabei auf SEINEN Zufluss von Kraft und Wirksamkeit zählen. Das entspannt! Manche Probleme erhalten dadurch die richtigen Proportionen - andere verschwinden und bei andern fordert mich Jesus heraus, in seinem Namen hinzustehen, zu kämpfen, und dabei die Ausrichtung nicht zu verlieren! Jesus schaut dich an - wo siehst Du hin? Auf "Deine Wirkung" oder in seine lebensspendenden Augen? Ich will ihm zurufen: "Herr, ich kümmere mich um Dich - kümmere du Dich um meine Sorgen - auch meine Aufgaben... durch DEINE Kraft.“ Ausgerichtet bleiben! Was trägt Petrus? Ich sehe IHN! Im Ausgerichtetsein auf Jesus liegt eine "unbändige" Kraft! Es ist das EINS WERDEN mit ihm – gemäss Joh. 15: Er in mir – ich ihn ihm. Die Initiative dafür geht von ihm aus. Er kommt uns im Sturm entgegen, und seine Kraft lässt uns auf ihn ausgerichtet sein! Jesus "staunt" nicht über den Mut des Petrus das Boot zu verlassen, sondern über die verlorene Orientierung; er nennt das Kleingauben! „Ist dir bewusst, wer ich bin, was ich für dich getan habe und tue – oder bist Du wieder bei dir selber, deinen eigenen Möglichkeiten und damit auch Grenzen gelandet?“ Paulus hat sich „ähnlich gewundert“ über die Galater: Auszug 1,4-6 Jesus Christus hat sein Leben hingegeben, um uns von allem Bösen zu befreien, das die jetzige Welt beherrscht…. Ich wundere mich, wie schnell ihr euch von Gott abwendet, der euch zum Glauben gerufen hat! Durch Christus hat er euch seine Gnade erwiesen, und ihr kehrt ihm den Rücken und wendet euch einem anderen Evangelium zu. Wie behalten wir die Orientierung - Jesus sieht mich an - wohin sehe ich? Was wir anschauen, prägt uns. Wer in die Sonne schaut, kann nicht verhindern, dass sein Gesicht leuchtet. Im Anschauen wird er uns wandeln. Die ständige Aufmerksamkeit auf seine Gegenwart und das sorglose Vertrauen auf Ihn erheben und reinigen uns wie nichts anderes in dieser Welt! Das ist meine tägliche Übung – wann habe ich die regelmässigen Zeiten, in denen ich mich bewusst auf Jesus ausrichte, damit ich auch dann, wenn der Sturm mich überfällt, nah genug bei ihm bin und es mir in den Sinn kommt: Achtung – Blickrichtung Jesus! Je mehr ich mich Jesus bewusst aussetze, desto natürlicher wird der Reflex, auf ihn zu schauen, wenn es stürmt. Die Beziehung mit ihm pflegen – in Gebet, durch sein Wort, in der Gemeinschaft – aber auch einfach in seiner Gegenwart; in der Stille, in der Ausrichtung auf sein Wesen und Handeln. Wieder durfte ich zwei Wochen mit Pastoren und andern christlichen Mitarbeitenden in China verbringen. An Stürmen fehlt es bei ihnen wahrlich nicht – und es ist für mich immer wieder berührend, ja beschämend, wie sie darin mit Jesus unterwegs sind. Ich möchte Euch von Solomon erzählen – ein junger, hochintelligenter und fähiger Mitarbeiter, vor allem ein ernsthafter Jünger Jesu. Er trägt eine grosse Verantwortung und ist immer wieder in Gefahr, von sich und andern zu viel zu erwarten. Er nennt sich selber Zelot – ein Eiferer, ein Kämpfer. Damit löst er immer wieder Konflikte aus – die Gründe seiner Unzufriedenheit sind meist berechtigt, aber der Konflikt hilft nicht, das Problem zu lösen. Immer wieder haben wir auch über Internet darüber gesprochen, wie ihm die Ausrichtung auf Jesus in diesen Situationen besser gelingen könnte – er war so oft über sich selber und andere tief enttäuscht. Während meines Besuches eskalierte wieder ein klassischer Konflikt mit einem Mitarbeiter und Solomon kam ganz aufgebracht zu mir: Das geht einfach nicht, da muss jetzt durchgegriffen werden. Ich fragte ihn dann, was wohl sein bestes Vorgehen sein könnte und erinnerte ihn an ein paar frühere „Fälle“. Am andern Tag kam er ganz glücklich zu mir und erzählte – „ich habe zuerst mal nichts gemacht. Ich habe gebetet, geschlafen und mich dann beim Mitarbeiter erkundigt, wie es ihm geht und was wohl der Grund für sein Verhalten war. Und – ich war total erstaunt – er hat selber realisiert, was falsch lief, hat sich entschuldigt und die Sache in Ordnung gebracht!“ Ich hatte die ganze Woche zuvor Solomon nie so entspannt und glücklich erlebt wie da. Daran änderten auch viele weitere offene Baustellen nichts! Vorgestern hatte ich wieder ein Gespräch mit ihm – er hört, sieht, lernt – fällt, richtet die Krone, geht weiter… Es werden ihm noch einige schwierige Stürme begegnen. Aber ich sehe, wie die Ausrichtung wächst. Er ist sehr herausgefordert. Wenn sich jemand im Gebet an Solomon erinnert, ist er sehr dankbar! Fazit Wie oft habe ich nach langem Kämpfen – auch mit mir selber, nach Selbstvorwürfen und Selbstmitleid – endlich daran gedacht, mich aus dem äusseren Sturm herauszunehmen und den Blickkontakt mit Jesus zu suchen. Und dann erstaunt festgestellt, wie mein innerer Sturm sich legte. Und wenn mich Jesus mitten im Sturm ruft „KOMM“, dann will ich geradewegs auf IHN zugehen. Der Sturm ist dann sein Problem. Manchmal gelingts – oft muss er mich noch wieder rausziehen. Aber – er ist dran mit mir – barmherzig, geduldig. Ihm sei alle Ehre! Jesus schaut Dich an. Wohin schaust Du?