Anzahl der Zeichen: 5660 Peter Jordan Die „Emmissionsbegrenzte Autobahnzone“ als Nachfolgeregelung zum Transitvertrag Der Transitvertrag ist nach 2003 nicht mehr zu halten. Vom Standpunkt des Umweltschutzes ist er es auch nicht wert. Hier soll eine Nachfolgeregelung auf neuer Grundlage und im Einklang mit Normen und Tendenzen des EURechts und der EU-Politik vorgeschlagen werden. Dazu sollten wir uns auch im Interesse der Umwelt und der Bevölkerung der anderen Staaten Bündnispartner in der EU suchen. Ein Forschungsprojekt ist in Vorbereitung. Abbildung eines von mir vorgeschlagenen Verkehrsschildes „Emmissionsbegrenzte Autobahnzone“ Das Problem existiert nicht erst seit dem EU-Beitritt: Betrachtet man die Schadstoff- und Lärmemissionen, so sind Hochleistungsstraßen wie die Inntal-Brenner-Autobahn und andere Teilstrecken des Transeuropäischen Straßennetzes (TEN) längst mit Industrieanlagen vergleichbar, von denen sie auch immer stärker Aufgaben übernehmen. So nützen mehr als 200 europäische Unternehmen Just-in-timeZulieferungen durch LKWs – gesteuert durch satellitengestützte Logistik als wirksames Instrument zur Rationalisierung industrieller Produktionsprozesse, zur Reduktion von Lagerbeständen, Beschleunigung von Durchlaufzeiten, Erhöhung der Produktivität und Qualität. „Unser Land wird zum Förderband“, so sehen es die Bürgerinitiativen. Gemessen an Umweltbelastung und Straßenabnützung durch den Schwerverkehr sind diese Autobahnabschnitte sogar überwiegend gewerblich-industriell genutzte Transportanlagen geworden, die vom privaten Verkehr mitbenützt (und hauptsächlich finanziert) werden. Solche Verkehrsanlagen entsprechen auch exakt der gesetzlichen Definition der gewerblichen Betriebsanlage (§ 74 GewO), nach der „jede örtlich gebundene Einrichtung... , die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist“ einem Genehmigungsverfahren zu unterziehen wäre. Doch Autobahnen werden nicht genehmigt, sondern einfach verordnet und anschließend hoheitlich betrieben, wie Militärflughäfen. Rechtlose Nachbarn Dies hat gravierende Folgen für Umwelt und Bevölkerung. Die Nachbarn von Straßen haben von Anfang an keine auf Lärm oder Schadstoffe bezogenen Rechte. Ja selbst das zivile Nachbarrecht des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, welches auch die industrielle Nutzung jedes Grundstücks begrenzt, ist gegenüber dem Betrieb von Straßen - einmalig im industriellen Anlagenrecht - einfach außer Kraft gesetzt. Auf die Interessen der Nachbarn muß nur „Bedacht“ genommen werden. Das Ergebnis ist bekannt. Auch eine Begrenzung der Gesamtemissionen an Schadstoffen und Lärm nach dem Stand der Technik ist dem Straßenrecht fremd. 2 Das ist das Grundproblem, auch in der EU. Diesem aus Zeiten geringer Umweltbelastung überkommenen rechtlichen Zustand entspricht das Dilemma der Umweltpolitik im Verkehr: während die Vorschriften für Bau- und Betrieb des einzelnen Fahrzeugs laufend verschärft und diese immer umweltfreundlicher werden, steigen Schadstoffausstoß und Lärm des Gesamtverkehrs über alle akzeptablen Grenzen an, in den Städten wie auf den Hauptverkehrsrouten. Dies zeigt sich besonders dramatisch in den sensiblen Gebieten des Alpenraums. „Missing Link“ des Verkehrsrechts: Ein Umweltanlagenrecht für Autobahnabschnitte durch sensible Gebiete Zur Senkung von Umwelt- und Gesundheitsbelastungen ist das Industrieanlagenrecht seit jeher eine Erfolgsgeschichte, die mit bedeutend umfangreicheren und gefährlicheren Emissionen fertig geworden ist. - Die Lösung ist das „Missing Link“ des Verkehrsrechts: ein spezielles Verkehrsanlagenrecht für Straßenabschnitte durch ökologisch überlastete Gebiete, mit Genehmigungsverfahren nach den bewährten Grundsätzen des industriell-gewerblichen Anlagenrechts, wie es die Umweltverträglichkeitsprüfung ohnedies nahe legt. Betriebsauflagen legen Emissionsgrenzwerte für die gesamte Verkehrsanlage fest, für Schadstoffe und Lärm, unterschiedlich für Tag und Nacht und ökologisch kritische Wettersituationen. Solange die derzeitigen Grenzwerte zu hoch sind, müssen auch die Durchfahrtsrechte knapp gehalten - und handelbar gemacht werden. „Emmissionsbegrenzte Autobahnzone“ In solchen „Emmissionsbegrenzten Autobahnzonen“ werden neuartige Infrastrukturunternehmen errichtet, welche den Verkehrsablauf ökologisch und gesundheitlich (v)erträglich organisieren. Die Einnahmen aus der nach Emissionen gestaffelten Öko-Maut werden nicht nur zur Erhaltung und zum sicherheitstechnischen Ausbau der Verkehrsanlage verwendet, sondern darüber hinaus zur Verringerung externer Kosten durch Senkung der Emissionen der Gesamtanlage. Dazu hat sich im industriellen Anlagenrecht die Festlegung von Grenzwerten für die Gesamtanlage bewährt, anfangs noch in einer Höhe, dass sie nach dem heutigen Stand der Technik und Straßenbelastung gerade noch eingehalten werden können. Nach dem Prinzip der Unterstützung des jeweilig neuesten Standes der Technik kann das Ziel, deren allmähliche Senkung auf ein ökologisch und gesundheitlich (v)erträgliches Maß verfolgt werden. Dazu sind zahlreiche Instrumente einsetzbar: Steuerung des Verkehrsprozesses durch systematische Bevorzugung der jeweils fortgeschrittensten Fahrzeugtechnik bei Maut und Durchfahrtsrechten, Einsatz von ökologisch gesteuerter Verkehrstelematik zur Beeinflussung des Fahrverhaltens, ein Handel mit Durchfahrtsrechten nach dem Muster des Kyoto-Protokolls an einer Online-Börse: emission license trading (Handel mit „Verschmutzungsrechten“), Unterstützung der Verteilung auf alternative Verkehrsträger (Modal Split). Anders als die zu bürokratisch gehandhabten Ökopunkte sollten Durchfahrtsrechte nicht mengenmäßig beschränkt, sondern nach ökologischen Kriterien gehandelt werden, um 3 der jeweils fortgeschrittensten Fahrzeugtechnik zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Markt für ökologische Fahrzeugtechnik Der lärmarme LKW hat sich durch das Nachtfahrverbot auf der Brennerroute in kürzester Zeit als europäischer LKW-Standard durchgesetzt. Eine Emissionsbegrenzung auf den Hauptverkehrsrouten in sensiblen Gebieten, vor allem des Alpenraums, wird einen Markt für ökologisch verträgliche Fahrzeugtechnik schaffen, bei LKWs und PKWs, die Dynamik der Innovation beschleunigen und dadurch die Emissionen des Verkehrs senken - im gesamten Straßennetz, auch in den Städten. Übrigens ermöglicht ein Verkehrsanlagenrecht für „gefahrengeneigte Anlagen“ wie Tunnel auch ein Gefahrenmanagement ähnlich der Störfallverordnung in der Industrie. Das würde Sicherheitseinrichtungen an Anlage und Fahrzeugen erzwingen und mit elektronischer Kontrolle und Beeinflussung des LKW-Verkehrs verhindern, dass etwa Fahrer ohne Fahrlizenz mit ungeeigneten LKW ohne Transportgenehmigung solche Anlagen passieren. Der Autor ist Assistenzprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck und hat 1988 ein System umweltgesteuerter Verkehrstelematik entwickelt, das derzeit in Gleisdorf (Steiermark) an einer Pilotstrecke getestet wird.