Mathematische Probleme, SS 2017 Donnerstag 22.6 $Id: dreieck.tex,v 1.38 2017/06/19 16:13:49 hk Exp $ $Id: trig.tex,v 1.17 2017/06/22 12:46:01 hk Exp $ §2 Dreiecke 2.4 Einige Sätze über Kreise Am Ende der letzten Sitzung hatten wir den Umkreisradius R eines Dreiecks ∆ = ABC dessen Seiten und Winkel in den Standardbezeichnungen a, b, c beziehungsweise α, β, γ sind berechnet, es sind a = 2R sin α, b = 2R sin β, c = 2R sin γ sowie R = abc 4F wobei F die Fläche von ∆ ist. Schreiben wir die Gleichung für den Umkreisradius etwas um, so wird sin α sin β sin γ 1 = = = , a b c 2R das gemeinsame Verhältnis vom Sinus jedes Winkels zu seiner gegenüberliegenden Seite aus dem Sinussatz ist also gleich dem Kehrwert des Durchmessers des Umkreises. Schauen wir uns ein explizites Beispiel an und betrachten das Dreieck mit den Seiten a = 2, b = 3, c = 4. Dann sind s= 2+3+4 9 5 3 1 = , s − a = , s − b = und s − c = 2 2 2 2 2 also wird die Fläche von F nach der Heronschen Flächenformel Satz 13 zu r p 3√ 135 F = s(s − a)(s − b)(s − c) = = 15, 16 4 der Inkreisradius ist nach Korollar 14 r= 1√ F = 15 s 6 und der Umkreisradius ist schließlich nach Satz 23 R= abc 8 8√ =√ = 15. 4F 15 15 Außerdem klärt der eben bewiesene Satz wie der Umkreismittelpunkt Su zum betrachteten Dreieck liegt 17-1 Mathematische Probleme, SS 2017 Donnerstag 22.6 C C C A Su Su B A C’=Su B B A Spitzwinklig Stumpfwinklig Rechtswinklig Im spitzwinkligen Fall liegt Su immer im Inneren des Dreiecks während Su im stumpfwinkligen Fall immer außerhalb des Dreiecks liegt, ist der stumpfe Winkel etwa in C so liegt Su auf der anderen Seite von AB als C. Im rechtwinkligen Fall liegt Su dagegen auf dem Dreieck. Wir wollen unsere Formeln nun dazu benutzen die sogenannte Eulersche Dreiecksformel zu beweisen, diese besagt das der Umkreisradius eines Dreiecks mindestens der doppelte Inkreisradius ist, wobei die Gleichheit genau für gleichseitige Dreiecke auftritt. Zum Beweis benötigen wir eine weitere kleine Umformulierung des Cosinussatzes. Gegeben sei ein Dreieck ∆ mit Seiten a, b, c und Winkeln α, β, γ in den Standardbezeichnungen. Weiter bezeichne s wieder den halbierten Umfang von ∆. Verwenden wir den Cosinussatz in der Form des Satz 1 so wird b 2 + c 2 − a2 a2 − (b − c)2 (a + b − c)(a + c − b) 2(s − b)(s − c) 1 − cos α = 1 − = = = 2bc 2bc 2bc bc und analog sind auch 1 − cos β = 2(s − a)(s − c) 2(s − a)(s − b) und 1 − cos γ = . ac ab Damit haben wir alles beisammen um die Eulersche Dreiecksformel zu beweisen. Satz 2.24 (Eulersche Dreiecksformel) Sei ∆ ein Dreieck mit Umkreisradius R und Inkreisradius r. (a) Es ist R ≥ 2r und genau dann gilt R = 2r wenn ∆ gleichseitig ist. (b) Sind Su der Umkreismittelpunkt und Sw der Inkreismittelpunkt von ∆ so ist p |Su Sw | = R(R − 2r). Beweis: Schreibe ∆ = ABC und seien a, b, c die Seiten sowie α, β, γ die Winkel von ∆ in den Standardbezeichnungen. Weiter seien F die Fläche und s der halbierte Umfang von ∆. Ist C ∗ der Lotfußpunkt von Sw auf AB so hat das Dreieck AC ∗ Sw in C ∗ einen rechten Winkel und in A den Winkel α/2, es gilt also sin(α/2) = r/|ASw | und zusammen mit Korollar 14 liefert dies |ASw | = r r2 2r2 r2 bc bc(s − a) 2 und |AS | = = = = . w α 2 α sin 2 1 − cos α (s − b)(s − c) s sin 2 17-2 Mathematische Probleme, SS 2017 Donnerstag 22.6 Analog sind ab(s − c) ac(s − b) und |CSw |2 = . s s Nach Aufgabe (34.a) ist Sw in baryzentrischen Koordinaten als |BSw |2 = Sw = a b c A+ B+ C 2s 2s 2s gegeben, also ergeben Aufgabe (32.a), Korollar 14 und Satz 23 a b c |ASu |2 + |BSu |2 + |CSu |2 2s 2s 2s abc a b c = |ASw |2 + |BSw |2 + |CSw |2 + |Su Sw |2 = 2 · (3s − (a + b + c)) + |Su Sw |2 2s 2s 2s 2s abc abc = · 2r + |Su Sw |2 = · 2r + |Su Sw |2 = 2Rr + |Su Sw |2 . 4rs 4F Insbesondere ist |Su Sw |2 R − 2r = ≥0 R und genau dann gilt R = 2r wenn Su = Sw ist. Es folgen (b) und die erste Aussage in (a). Ist ∆ gleichseitig so ist Su = Sw also auch R = 2r. Ist umgekehrt Su = Sw so ist das Dreiech ABSw in Sw gleichschenklig, also stimmen seine Winkel in A und B nach Aufgabe (31.a) überein und damit ist auch α = β, wieder nach Aufgabe (31.a) ist ∆ also in C gleichschenklig. Analog trifft dies auch auf A und B zu und damit ist ∆ gleichseitig. R2 = §3 Trigonometrische Formeln In diesem kurzen Kapitel wollen wir einige Formeln für die trigonometrischen Funktionen besprechen. In den vorigen beiden Kapiteln hatten wir die Definitionen und Ergebnisse der Grundvorlesungen zur Analysis als bekannt akzeptiert und angewandt. Insbesondere haben wir bereits einige der trigonometrischen Grundformeln verwendet, nämlich die trigonometrische Form des Satzes von Pythagorias sin2 φ + cos2 φ = 1, und die Komplement- und Periodizitätsformeln π π − φ = cos φ, cos − φ = sin φ sin(φ + π) = − sin φ, cos(φ + π) = − cos φ, sin 2 2 für alle φ ∈ R sowie die Additionstheoreme. 17-3 Mathematische Probleme, SS 2017 3.1 Donnerstag 22.6 Die Additionstheoreme Die grundlegenden Additionstheoreme für den Sinus und den Cosinus sind die Formeln sin(α + β) = sin α cos β + cos α sin β und cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β für alle α, β ∈ R. Das Additionstheorem des Tangens tan(α + β) = tan α + tan β 1 − tan α tan β kann man algebraisch aus den Additionstheoremen fur Sinus und Cosinus herleiten tan(α + β) = sin(α + β) sin α cos β + cos α sin β tan α + tan β = = cos(α + β) cos α cos β − sin α sin β 1 − tan α tan β wobei im letzten Schritt mit 1/(cos α cos β) erweitert wurde. Beim Aufbau der Schulgeometrie werden all diese Formeln mit geometrischen Methoden hergeleitet, wobei die Definition der trigonometrischen Funktionen als Seitenverhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken als Grundlage dient. Bei dieser geometrischen Herleitung der Additionstheoreme für Sinus und Cosinus müssen einige Fälle für die möglichen Werte der betrachteten Winkel unterschieden werden, dies ist notwendig da sin α und cos α ja nur für spitze Winkel 0 < α < π/2 über Verhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken definiert sind. Wir wollen dies hier nicht systematisch durchführen und nur einen ersten geometrischen Beweis von Additionstheoremen vorführen. Für spitze Winkel 0 < α, β < π/2 deren Summe ebenfalls spitz ist, also α + β < π/2 kann man beide Additionsformeln aus der folgenden Figur ablesen A α B sin( α+β ) C D P β α M F E cos( α+β ) Wie beginnen mit einem Viertelkreis von Radius 1 mit Mittelpunkt in M . Dann tragen wir nacheinander die beiden Winkel α und β bei M ab und erhalten die beiden 17-4 Mathematische Probleme, SS 2017 Donnerstag 22.6 Schnittpunkte A und B mit unserem Viertelkreis. Fällen wir dann das Lot von A auf die untere Begrenzung des Viertelkreises, so erhalten wir den Punkt F und können Sinus und Cosinus von α + β im rechtwinkligen Dreieck M F A mit Hypothenuse der Länge 1 als sin(α + β) = |AF | und cos(α + β) = |M F | ablesen. Dann fällen wir das Lot von A auf M B und erhalten den Punkt C. Dies gibt uns ein weiteres rechtwinkliges Dreieck M CA, dessen Hypothenuse wieder die Länge 1 hat, also sind sin β = |AC| und cos β = |M C|. Ist P der Schnittpunkt von AF und M B, so haben die Dreiecke M F P und P CA bei P denselben Winkel und da sie beide bei F beziehungsweise C rechtwinklig sind, müssen auch ihre Winkel bei M beziehungsweise A übereinstimmen, d.h. der Winkel von P CA bei A ist α. Schließlich fällen wir die Lote von C auf AF und auf M F und erhalten die Punkte D und E. Im rechtwinkligen Dreieck DCA haben wir bei A den Winkel α, also sind |DC| |AD| sin α = und cos α = . |AC| |AC| Schließlich entnehmen wir dem rechtwinkligen Dreieck M EC noch sin α = |M E| |EC| und cos α = . |M C| |M C| Damit haben wir alles beisammen um die beiden Additionstheoreme zu begründen, für den Sinus rechnen wir sin(α + β) = |AF | = |AD| + |DF | = |AD| + |EC| = cos α · |AC| + sin α · |M C| = cos α sin β + sin α cos β und für den Cosinus ist cos(α + β) = |M F | = |M E| − |F E| = |M E| − |DC| = cos α · |M C| − sin α · |AC| = cos α cos β − sin α sin β. 3.2 Verdoppelungs- und Halbierungsformeln Als Verdoppelungsformeln bezeichnet man die Formeln für die Werte der trigonometrischen Funktionen bei verdoppelten Winkel, also für sin(2α), cos(2α) und tan(2α), und die Halbierungsformeln sind dann entsprechend die Formeln für die halbierten Winkel. Man kann all diese Formeln natürlich durch Spezialisieren der Additionstheoreme auf β = α erhalten, also etwa sin(2α) = sin(α + α) = 2 sin α cos α, cos(2α) = cos(α + α) = cos2 α − sin2 α = 2 cos2 α − 1 = 1 − 2 sin2 α, 2 tan α tan(2α) = tan(α + α) = , 1 − tan2 α 17-5 Mathematische Probleme, SS 2017 Donnerstag 22.6 sie lassen sich aber auch geometrisch an einer geeigneten Figur gewinnen. Wir betrachten einen Halbkreis mit Radius 1 und Mittelpunkt M und bezeichnen den unteren Durchmesser dieses Halbkreises als AB. Dann ist M der Mittelpunkt von AB und es ist |AB| = 2. Weiter sei ein Winkel 0 < α < π/2 gegeben und trage diesen im Halbkreis bei A ab. Bezeichnet C den entstehenden Schnittpunkt mit unserem Halbkreis, so hat das Dreieck ABC nach dem Satz von Thales §2.Satz 20 bei C einen rechten Winkel. Die Seitenlängen in diesem Dreieck sind dann in den Standardbezeichnungen gegeben als a = |BC| = 2 sin α, b = |AC| = 2 cos α und c = |AB| = 2. C α b a α 2α A M β P B Ziehen wir jetzt die Verbindungsstrecke M C, so entsteht ein weiteres Dreieck M BC. Der Winkel von M BC bei M ist der Mittelpunktswinkel der Sekante BC unseres Halbkreises und unser gegebener Winkel α ist der Perepheriewinkel dieser Sekante bei A, der Winkel von M BC bei M ist nach dem Perepheriewinkelsatz §2.Satz 21.(a) also gleich 2α. Fällen wir also das Lot von C auf AB und bezeichnen den Fußpunkt mit P , so sind sin(2α) = |P C| und cos(2α) = |M P | da die Hypothenuse des rechtwinkligen Dreiecks M P C ein Radius unseres Halbkreises ist und damit die Länge |M C| = 1 hat. Dem rechtwinkligen Dreieck AP C entnehmen wir sin α = sin(2α) |P C| = , also sin(2α) = 2 sin α cos α b 2 cos α und wir haben eine geometrische Begründung der Verdoppelungsformel des Sinus. Ebenfalls im Dreieck M P C sehen wir cos α = |AP | 1 + |M P | 1 + cos(2α) = = , also cos(2α) = 2 cos2 α − 1 b b 2 cos α und dies ist eine der beiden Verdoppelungsformeln des Cosinus. 17-6 Mathematische Probleme, SS 2017 Donnerstag 22.6 Aus der Verdopplungsformel kann man nun die Halbierungsformeln herleiten, für jeden Winkel α ∈ R haben wir α α α cos α = cos 2 · = 2 cos2 − 1 = 1 − 2 sin2 2 2 2 also 1 − cos α α 1 + cos α α = und cos2 = . 2 2 2 2 Ist sin(α/2) ≥ 0 so können wir aus dieser Gleichung die Wurzel ziehen und erhalten die Halbierungsformel des Sinus. Da für 0 ≤ x ≤ π stets sin x ≥ 0 ist, haben wir r α 1 − cos α sin = für 0 ≤ α ≤ 2π 2 2 sin2 und für den Cosinus erhalten wir analog r α 1 + cos α cos = für |α| ≤ π. 2 2 17-7