Trinkwasser, das blaue Gold der Gegenwart und Zukunft Die weltweite Privatisierung von Trinkwasser / Praxisorientierte Lösungsansätze für den nachhaltigen Umgang mit dem Lebenselixier, die Ökologie und Ökonomie verbinden. Diplomarbeit von Cyril Hofer Kommunikation an der Höheren Fachschule für Wirtschaft, HFW an der Marketing & Business School Zürich, MBSZ Abgabedatum: 28. Januar 2005 Diplomarbeit Cyril Hofer 1 Vorwort Duschen, Putzen, Waschen, Baden, Zähne putzen, Rasieren, Toilette spülen, Auto waschen, Rasen sprengen, Kochen. Diese und noch viele andere Tätigkeiten verrichten wir ganz natürlich mit frischem Trinkwasser, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, woher dieses Wasser kommt, wohin es geht und ob es noch genug davon gibt. Wir machen uns Sorgen über all die kleinen Nichtigkeiten des Alltages, doch über das Wasser, ohne das wir keine drei Tage überleben würden, brauchen wir uns im “Wasserschloss“ Schweiz scheinbar keine Gedanken zu machen. Als ich im Hochsommer 2002 alleine in den Weiten Schwedisch Lapplands unterwegs war, machte ich meine erste ernsthafte Erfahrung mit “Durst“. Ich musste auf einer grossen Wanderung eineinhalb Tage ohne Wasser auskommen. Diese intensive persönliche Erfahrung hat mich stark geprägt und mich zum Thema dieser Diplomarbeit hingeführt. Während ich mit dem Schiff auf dem Zürichsee fuhr, auf Trinkwasser sozusagen, habe ich mich entschieden, meine Diplomarbeit, über die wohl wichtigste Ressource (neben Luft) der Menschheit zu schreiben – das Trinkwasser. Trinkwasser ist die begrenzte Ressource der Gegenwart und Zukunft, ohne die es kein Leben gibt und geben wird. Ich bin davon überzeugt, dass Trinkwasser in den kommenden zwei Jahrzehnten weltweit zu der wichtigsten Ressource werden wird. Und zwar auch dort, wo sie es heute noch nicht ist. Der Mensch kann ohne Öl, Gold und Erz leben; nicht aber ohne Wasser! In der folgenden Diplomarbeit möchte ich dem Leser die Wichtigkeit des Elementes Trinkwasser vor Augen führen und das Bewusstsein für die drohenden Probleme durch Trinkwassermangel wecken. Als Schwerpunkte der Arbeit möchte ich einerseits aufzeigen, wie unbemerkt Trinkwasser weltweit privatisiert wird und wer dabei federführend ist. Andererseits werden dem Leser, als praxisorientierte Lösungsansätze, im sechsten Kapitel der Arbeit zwei Schweizer Firmen vorgestellt, die es geschafft haben, ökologische und ökonomische Ziele zu vereinbaren. Wasser ist Leben und umgekehrt. Jeder Tropfen zählt! Anmerkung zum Sprachgebrauch: Wo nur die männliche Form, so z.B. für Leser, gebraucht wurde, ist auch die weibliche, in diesem Fall die Leserin, gemeint. Wasser soll in dieser Arbeit als Synonym für Trink- und Süsswasser gelten. Wo Meer- oder Salzwasser gemeint ist, wird dies vermerkt. Diplomarbeit Cyril Hofer 2 Inhaltsverzeichnis: I. II. III. Seite Management Summary...................................................................................................4 Einleitung........................................................................................................................6 Fragestellung...................................................................................................................8 1. Wasser bedeutet Leben.................................................................................................9 1.1 1.2 Eigenschaften von Wasser...............................................................................................9 Das Lebenselixier..........................................................................................................10 2. Grundlagen......................................................................................................................11 2.1 2.2 2.3 Wasserkreislauf und Wassergewinnung.................................................................…...11 Wasserversorgung.........................................................................................................12 Wasserqualität...............................................................................................................13 3. Das blaue Gold der Gegenwart und Zukunft......................................................15 3.1 3.2 Wasserressourcen weltweit...........................................................................................15 Zukunftsaussichten........................................................................................................16 4. Die globale Privatisierung des Lebenselixiers......................................................18 4.1 4.2 4.3 Der grosse Ausverkauf – Kontrolle über das Wasser...................................................18 Der weltweite Handel....................................................................................................21 Die dicken Fische des Wassergeschäftes......................................................................24 5. Die Zukunft.....................................................................................................................27 5.1 5.2 5.3 Wasser – Menschenrecht oder Wirtschaftsgut?............................................................27 Wasserethik...................................................................................................................30 Wert und Preis von Wasser...........................................................................................31 6. Praxisorientierte Lösungsansätze für den nachhaltigen.................................34 Umgang mit Trinkwasser, die Ökologie und Ökonomie verbinden 6.1 6.2 6.3 Urimat - die Schweizer Erfindung von Weltformat......................................................34 Aqua clic - Sparsamer Umgang mit Wasser im Haushalt.............................................42 Wasserverbrauch im “Wasserschloss“ Schweiz – Fakten............................................43 7. Die „10 Gebote“ für eine wassersichere Zukunft..............................................46 Zusammenfassung & Schlusswort............................................................................................47 Abbildungs- und Quellenverzeichnis.......................................................................................48 Diplomarbeit Cyril Hofer 3 Management Summary Seit einigen wenigen Jahren erst, rückt das Problem des weltweiten Mangels an Süsswasser allmählich in das Bewusstsein des öffentlichen Interesses. Was früher nur Hydrologen, Wasseringenieure, Wissenschaftler, Sanitäre und Stadtplaner interessierte, geht nun die ganze Menschheit etwas an. Wasser, die Grundlage allen Lebens, ist knapp. Von Knappheit spricht man vereinfacht dann, wenn die Bedürfnisse die verfügbaren Mittel oder Ressourcen übersteigen. Rund 1'500'000'000 Menschen (oder anders ausgedrückt; dies entspricht gerundet mehr als zweihundert Mal der Bevölkerung der Schweiz, siebzehn Mal der von Deutschland oder fast fünf Mal jener der Vereinigten Staaten) haben schon heute keinen Zugang zu Trinkwasser mehr. Was knapp und von Wert ist, erzielt auf dem Markt einen Preis. Wasser, bislang ein öffentliches Gut, gerät, oft unbemerkt von der Öffentlichkeit, in die Hände von macht- und gewinnorientierten Institutionen. Die Privatisierungswelle hat nun zuletzt auch das Wasser erreicht und fordert, dass man für den Zugang zu Wasser einen beliebigen Preis zu bezahlen hat. Die Tatsache, dass ein Menschenrecht, wie es Trinkwasser ist, in die Hände ökonomisch geführter Unternehmen fällt, sollte eigentlich die Alarmglocken läuten lassen. Doch dies geschieht nicht oder nur vereinzelt. Viele Menschen interessieren sich noch nicht für das Thema Wasser oder kämpfen tagtäglich ungehört gegen die grossen Herrscher des Wassers an. Eines ist sicher, die weltweite Süsswasserkrise droht zur grössten, je gesehenen Gefahr für das Überleben unserer Erde zu werden. Diese Diplomarbeit liefert weder Wunderrezepte zur Lösung der Probleme im Wassersektor, noch ist sie umfassend. Sie soll dem Leser aber die Augen öffnen, was mit dem Trinkwasser auf der Erde geschieht, in ihm das Bewusstsein für das Element Wasser wecken und ihn zum Denken und Hinterfragen bezüglich dieser Thematik anregen. Als Fazit der vorliegenden Diplomarbeit kann gesagt werden, dass die Öffentlichkeit langsam auf die Problematiken im Bereich Trinkwasser sensibilisiert wird. Dies ist auch zwingend notwendig, denn zu lange wurde hinter unseren Rücken gewirtschaftet und über das Lebenselixier bestimmt und regiert. Wasserknappheit ist heute nicht nur ein Problem von Diplomarbeit Cyril Hofer 4 Drittweltländern, sondern betrifft selbst grosse Wirtschaftsnationen, wie die Vereinigten Staaten. Für Wasser gibt es keinen Ersatz, Wasser ist einzigartig und hält alles am Leben. Dass das Lebenselixier weltweit privatisiert wird, geht jeden Menschen etwas an. Grosser Widerstand ist notwendig, um die gefährliche Entwicklung der Privatisierung im Wassersektor noch aufzuhalten. Jeder Tropfen Wasser wird wichtig, auch in Regionen der Erde, wo diese Problematik bislang unbekannt war und ist. Es gibt aber auch Hoffnung, darauf, dass sich die Menschheit nicht selber ausrottet, aus lauter Macht, Gier und Egoismus. Selbst wenn uns die riesigen internationalen Organisationen und Unternehmen im Wassersektor scheinbar übermächtig sind, muss doch ein jeder Mensch für die Welt die Verantwortung mittragen, damit auf der Erde auch noch in 50 Jahren Leben möglich ist. Grundlage dieser Arbeit sind die im Abbildungs- und Quellenverzeichnis angegebenen literarischen Werke, sowie weitere Quellen und Kontakte, die im Rahmen der Datenmaterialsuche zum Thema gefunden wurden. Diplomarbeit Cyril Hofer 5 Einleitung „Nuliajuk, die Göttin des Wassers bei den Inuit1, regierte mit strenger, aber gerechter Hand. Allen Völkern der Frühzeit galt das Wasser, das ihnen Leben spendete, als hohes Gut. Vom Wasser bezogen die Inuit ihre Hauptnahrung, die aus Fisch, Robben- und Walrossfleisch bestand, und sie beteten zu Nuliajuk. Aus dem Meer schenkte ihnen Nuliajuk Nahrung und sie gab ihnen das Eis für den Bau ihrer Behausungen. Verweigerte sie diese Gaben, drohte allen Inuit der Tod.“2 Die direkte Verbindung zwischen Wasser und Leben ist uns, in unseren fortschrittlichen und wasserreichen Gesellschaften, schon seit vielen Jahren abhanden gekommen, respektiv ist in Vergessenheit geraten. Der technologische Fortschritt und das Wirtschaftswachstum haben es ermöglicht, dass in der Schweiz, dem “Wasserschloss“ Europas, fast 100% aller Haushalte ihr frisches Trinkwasser direkt ab dem hauseigenen Wasserhahn beziehen können. Wer mag da noch daran denken, wie es sein muss, den täglichen Bedarf an Wasser zu suchen oder herbeizuschaffen? Zum Vergleich: In Kamerun haben nur gerade 3% der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser.3 An wieder anderen Orten der Welt, wie beispielsweise im mexikanischen Grenzland zu den USA, ist das Wasser so knapp und teuer, dass Mütter ihren Babys Coca Cola und Pepsi zu trinken geben. Riesige Supertanker verfrachten bereits heute Gletscherwasser aus Nordamerika nach China und verkaufen es dort für teueres Geld. Wasserpipelines, die Wasser von den Alpen nach Spanien und Griechenland transportieren sollen, sind in Planung.4 Das Problem der Wasserverknappung betrifft immer mehr Menschen auf der ganzen Welt. Wasser, das blaue Gold, wie es bereits heute genannt wird, wird vermutlich schon bald Rohstoffen, wie Öl oder Gold gleichzusetzen sein. Gründe für die weltweite Wasserverknappung gibt es viele. Die industrielle Landwirtschaft, Staudämme, Umweltverschmutzung und Verschwendung, aber auch das Abholzen der Wälder sind massgeblich dafür verantwortlich. Klar ist, dass durch das Profit- und Machtstreben des Menschen der Kreislauf des Wassers zerstört ist oder noch wird und dass sich die Wasserquellen nicht mehr regenerieren können. Das Wort „Inuit“ bedeutet Menschen und ist die Selbstbezeichnung für Eskimos. Blaues Gold, Barlow, S. 17. 3 www.rotefabrik.ch 4 Blaues Gold, Barlow, S. 84-86. 1 2 Diplomarbeit Cyril Hofer 6 Am Weltwasserforum in Den Haag im Jahre 2000 wurde Wasser, zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit und relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit, als Bedürfnis (und nicht wie bislang als Menschenrecht) deklariert. Dieser geschichtsträchtige Entscheid bedeutet, dass Wasser nun, wie jedes andere Wirtschaftsgut, gehandelt werden darf. Seither ist die Privatisierung des Wassers in vollem Gange. Grosse Wirtschaftsunternehmen bemächtigen sich auf legale und illegale Weise der knappen Reserven an Trinkwasser und erreichen so die Kontrolle über das Wasser. Banken bieten bereits seit einigen Jahren Fonds an, die ausschliesslich in Wasserprojekte und Wasserfirmen investieren. Als Bürger demokratischer Länder mag man sich nun vielleicht denken, ob einem jemand nach seiner Meinung gefragt hat, bei der Frage ob das Wasser gehandelt und privatisiert werden darf. Regierungen und die Privatwirtschaft haben solche Abkommen der Privatisierung bisher oftmals eigenmächtig beschlossen. Privatisierungen sind heutzutage, aus Kosten- und Effizienzdruck, allgegenwärtig. Die Privatisierung eines öffentlichen Gutes wie Wasser jedoch, wirft viele Fragen auf. Schliesslich ist Wasser, wie Luft, lebensnotwendig für den Menschen und sollte demzufolge eigentlich allen Bürgern dieser Erde als Gemeinschaftsgut gehören. Wem also gehört das Wasser oder wem sollte es gehören? Wie sollen die Armen in Zukunft ohne Geld Zugang zu Wasser erhalten? Wer vergibt eigentlich die Rechte bei der Privatisierung eines Menschenrechtes und welche Rolle spielen Bürger und Staat bei der Verwaltung des Wassers? Ziel und Zweck dieser Diplomarbeit ist es nicht, all diese Fragen zu beantworten. Doch bereits diese kritischen Fragen zeigen auf, dass die Privatisierung von Wasser nicht dasselbe ist, wie die Privatisierung einer Eisenbahn oder eines Telekommunikationsunternehmens. Bei den Fragen, ob Wasser Menschrecht oder Wirtschaftsgut ist und ob Wasser in private oder öffentliche Hand gehört, sollten alle Menschen mitreden dürfen. Diplomarbeit Cyril Hofer 7 Fragestellung In den ersten drei Kapiteln dieser Arbeit sollen dem Leser das Grundwissen und die Wichtigkeit des Elements Wasser näher gebracht werden. Im Weiteren, und darauf liegt ein Hauptaugenmerk der Arbeit, wird das Thema, die globale Privatisierung des Wassers, behandelt. Untersucht werden dabei unter anderem wer die Kontrolle über das Wasser hat, welche Unternehmungen und Institutionen die Profiteure sind und welche Marktformen von Privatisierung es gibt. Aber auch auf Fragen über den Wert und den Preis von Wasser wird eingegangen. Im Schlussteil werden, als weiteren Schwerpunkt der Arbeit, mögliche Lösungsansätze für den nachhaltigen Umgang mit Wasser präsentiert. Auf folgende Fragen sollen in dieser Diplomarbeit Antworten gefunden werden: Was geschieht, wenn Trinkwasser privatisiert wird? Wer spielt mit im Trinkwassergeschäft? Wem soll das Wasser gehören? Was können wir tun, damit wir einer wassersicheren Zukunft entgegensehen können? Wie bereits in der Management Summary erwähnt, kann es nicht das Ziel sein, ein Allheilmittel zur Rettung der Erde zu liefern. Diese Arbeit soll dem Leser jedoch die Augen öffnen und ihn sensibilisieren, was mit dem Trinkwasser auf der Erde geschieht. Sie soll beim Leser, als Hauptziel, vor allem das Bewusstsein für das Element Wasser wecken. Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit, kann nicht auf alle Bereiche des Wassers detailliert eingegangen werden. So werden beispielsweise Themen wie die grossen Wasserkreisläufe, Umweltverschmutzung, Staudammprojekte, Wasserentsalzungsanlagen, Wasseraufbereitung, Tröpfchenbewässerungssysteme, Mineralwasser und viele weitere nicht oder nur am Rande behandelt. Für weitergehende und detailliertere Informationen empfehle ich dem Leser, die im Anhang aufgeführte Literatur zu lesen und sich über die angegebenen Seiten im Internet näher zu informieren. Selbstverständlich stehe ich mit meinem Wissen zum Thema gerne zur Seite. Diplomarbeit Cyril Hofer 8 1. Wasser bedeutet Leben Im Duden der deutschen Rechtschreibung findet sich unter dem Stichwort „Wasser“ eine lange Liste. Die Aufzählungen gehen von Wasser, als Synonym für Spül-, Speise-, Mineralund Abwasser, bis hin zu Wasserglas, Wasserleitung, wasserstoffblond, wasserscheu, Wasserschlange, Wasserstoffbombe, Wasserträger, wassersüchtig oder Wasserski. Eine Definition oder genaue Erklärung was Wasser ist, findet sich allerdings nicht. In diesem ersten Kapitel sollen deshalb die wichtigsten Eigenschaften und die Bedeutung von Wasser (respektiv Trinkwasser) etwas näher erläutert werden. 1.1 Eigenschaften von Wasser Wasser, auch H2O genannt, ist eine besondere und einzigartige Ressource unserer Erde. Die physikalische Bezeichnung H2O rührt daher, dass ein Wassermolekül aus einem Sauerstoffatom (O) und zwei Wasserstoffatomen (H) besteht. Da das Sauerstoffatom negativ und die Wasserstoffatome positiv geladen sind, halten die Atome zusammen. Die Kombination dieser Atome ist der Stoff aus dem das Leben besteht. Wasser ist uns als Schnee, Eis, Flüssigkeit oder Wasserdampf bekannt und ist damit der einzige Stoff, welcher auf der Welt in allen drei Zuständen, als Gas, Flüssigkeit und Eis, vorkommt. Bei 0 Grad Celsius gefriert Wasser zu Eis und bei 100 Grad Celsius verdampft es. Dazwischen befindet sich Wasser in der flüssigen Form. Es kann ungefähr doppelt soviel Wärme aufnehmen wie Gesteine und ist ein idealer Wärmespeicher. Des Weiteren ist Wasser das wichtigste Lösungsmittel auf unserem Planeten. Es transportiert alles Lebensnotwendige sowohl durch Pflanzen, Tiere und unseren Körper, als auch durch Ozeane, Flüsse und Seen.5 Wasser ist farblos, geruchlos, geschmacklos und ohne Nährwert. Trotzdem ist es die wichtigste Flüssigkeit des Lebens. Es ist eine Hochleistungssubstanz, der kein anderer Stoff gleichkommt, weder in Qualität noch Quantität. Für Wasser gibt es keine Substitute. Wasser ist einzigartig! 5 www.trinkwasser.ch Diplomarbeit Cyril Hofer 9 1.2 Das Lebenselixier Wasser ist der Quell allen Lebens und daher spricht man im Zusammenhang mit Wasser auch vom sogenannten Lebenselixier. Viele Forscher und Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass sich das Leben vor rund 4 Milliarden Jahren aus dem Wasser entwickelt hat. Tatsache ist, dass jeder Mensch zu rund 60% aus Wasser besteht, sein Blut gar zu über 90%, das Gehirn zu 75% und selbst die Knochen aus rund 22%. Andere Lebewesen, wie beispielsweise die Qualle, bestehen zu 98% aus Wasser. Landschnecken haben einen Wassergehalt von 95% und selbst Vögel bestehen zu rund 75% aus dem Lebenselixier.6 Im Laufe eines Lebens nimmt ein Mensch zwischen 55'000 und 65'000 Liter Wasser zu sich. 7 Diese Menge entspricht durchschnittlich rund 400 gefüllten Badewannen à 150 Liter Trinkwasser. Die Schweiz ist sehr reich an Trinkwasser und wird deshalb auch als “Wasserschloss“ Europas bezeichnet. Wir brauchen uns noch keine Sorgen darüber zu machen, ob das Trinkwasser auch am nächsten Tag frisch aus der Leitung sprudelt. Dennoch mag es erstaunen, wie wenig wir über den Lebensquell wissen und uns darüber Gedanken machen. Ein Mensch überlebt rund drei Wochen ohne Nahrung. Ohne Wasser aber, stirbt er bereits nach 72 Stunden. Trinkwasser ist ein unersetzliches Lebensmittel, welches dem Körper ständig neu zugeführt werden muss. Wasser - das Lebenselixier. „Wasser! Du hast weder Geschmack, noch Farbe noch Aroma. Man kann Dich nicht beschreiben. Man schmeckt Dich ohne Dich zu kennen. Es ist nicht so, dass man Dich zum Leben braucht: Du bist das Leben!“ *Antoine de Saint-Exupéry 6 7 www.trinkwasser.ch www.wissen.de Diplomarbeit Cyril Hofer 10 2. Grundlagen In diesem Kapitel werden dem Leser die Grundlagen zu den Bereichen Wasserkreislauf, Wassergewinnung, Wasserversorgung und Wasserqualität vermittelt. Dieses Grundwissen soll dem besseren Verständnis der weiteren Kapitel dienen und einige wichtige Fakten zum Wasser liefern. 2.1 Wasserkreislauf und Wassergewinnung Das Wasser der Erde ist, als Teil der Natur, in einen grossen Wasserkreislauf eingebettet. Wasser verdunstet durch die Wärmeeinstrahlung der Sonne auf Seen, Meeren, Pflanzen, Schnee und Flüssen und gelangt so in die Atmosphäre der Erde. Dabei wird der Umwelt Wärme entzogen. Unter bestimmten Umständen kondensiert der Wasserdampf zu kleinen Eiskristallen oder Wassertröpfchen. Wenn diese genug gross sind, fallen sie in Nebel oder Wolken als Niederschlag zur Erde zurück und geben die gespeicherte Wärme und das Wasser wieder frei. Aufgrund der Eingriffe der Menschheit in diesen, wie auch in andere Naturkreisläufe, sind weltweite katastrophale Folgen bereits zu sehen und noch schlimmere zu befürchten. Auf diese Folgen wird in Kapitel 3.2 näher eingegangen. Global gesehen, ist die Wassergewinnung in den verschiedenen Teilen der Erde sehr unterschiedlich. In der Schweiz wird Trinkwasser auf drei verschiedene Arten gewonnen: 1. Rund 40% des Schweizer Trinkwassers stammen aus Quellen. 2. Rund 40% des Schweizer Trinkwassers stammen aus mächtigen Grundwasserströmen. 3. Rund 20% des Schweizer Trinkwassers stammen aus Oberflächengewässer, wie beispielsweise Seewasser.8 Die Schweizer Wasserversorgungen fördern so rund 1 Milliarde Kubikmeter Trinkwasser (ca. die Wassermenge des Bielersees) jährlich. Diese Trinkwassermenge erscheint sehr gross, 8 www.trinkwasser.ch Diplomarbeit Cyril Hofer 11 doch entspricht sie nur rund 2% der jährlichen Niederschlagsmenge der Schweiz.9 Ökologisch gesehen ist die Wasserentnahme der Schweiz also bedenkenlos, wird doch 50 Mal mehr durch die natürlichen Niederschläge nachgeliefert. In anderen Teilen der Welt aber, übersteigt die jährliche Wasserentnahme die natürliche Zufuhr von Wasser bei weitem. 2.2 Wasserversorgung Die Wasserversorgung hat schon lange vor unserer Zeit eine wichtige Rolle gespielt. Bereits in der Bronzezeit wurde versucht Quellwasser zu fassen und damit eine Wasserversorgung sicherzustellen. In der Römerzeit wurden hochentwickelte Wasserleitungstechniken (u.a. Aquädukte) entwickelt, womit das lebensnotwendige Gut über grosse Distanzen transportiert werden konnte. Im Mittelalter wurden hölzerne Wasserleitungen gebohrt und öffentliche Brunnen errichtet, deren Verunreinigung der Übeltäter oftmals mit dem Leben bezahlte. Heute ist es in unseren Breitengraden schon fast selbstverständlich, dass wir über Dusche, Bad und fliessendes Wasser aus dem Wasserhahn verfügen. Erstaunlich, waren doch private sanitäre Einrichtungen in den Städten erst ab dem 20. Jahrhundert möglich, in ländlichen Gebieten sogar erst nach dem 2. Weltkrieg. Die Schweiz wird heutzutage von ca. 3000 eigenständigen Wasserversorgungen mit Trinkwasser versorgt. Die Trinkwasserversorgung fällt dabei in den Kompetenzbereich der Kantone, welche den Versorgungsauftrag oftmals an ihre Gemeinden weitergeben. In der Regel wird die Wasserversorgung in der Form einer öffentlichen Anstalt oder einer Kooperation betrieben. Vereinzelt gibt es auch Aktiengesellschaften, wobei die Mehrheit der Aktien in der Hand der Gemeinden ist. Ganz wenige Wasserversorger sind, wie die Wasserwerke Zug AG, seit jeher in privater Hand. In der Schweiz hat sich bislang, ganz gemäss dem schweizerischen Föderalismusgedanken, noch kein Einheitsmodell durchgesetzt.10 Tausende Reservoire und Wasserleitungen durchziehen die Schweiz und stellen eine wichtige und teuere Infrastruktur dar. Ungefähr 54'000 Kilometer (mehr als der Umfang der Erde) Trinkwasserleitungen versorgen alleine die Haushalte der Schweiz mit Trinkwasser. 9 Auskunft vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW). www.trinkwasser.ch 10 Diplomarbeit Cyril Hofer 12 Die Wasserleitungen sind denn auch das grosse Kapital der Wasserversorgungen. Auf rund 30 Milliarden Schweizer Franken wird die im Boden liegende Infrastruktur geschätzt. Diese teuren aber wertvollen Anlagen müssen ständig gewartet, gepflegt und erneuert werden. Pro Jahr geben die Wasserversorgungen in der Schweiz rund 600 Millionen Schweizer Franken für Investitionen in die Infrastruktur aus.11 2.3 Wasserqualität Die Trinkwasserqualität wird in der Schweiz durch die eidgenössische Gesetzgebung klar beschrieben und genügt höchsten Ansprüchen. In der Lebensmittelgesetzgebung sind die Qualitätsanforderungen verbindlich verankert. Die Wasserversorgungen dürfen das gewonnene Wasser nur dann als Trinkwasser verteilen, wenn es nachweislich frei von Krankheitserregern ist und nur unbedenkliche Substanzen von bestimmten chemischen Substanzen enthält. Die Trinkwasserqualität in der Schweiz darf, objektiv gesehen, als sehr hoch eingestuft werden. Laut einer repräsentativen Studie durch den Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) sind in unserem Land 6 von 7 Schweizern mit der Qualität des Trinkwassers zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Für zwei Drittel der Schweizer ist das Hahnenwasser dem Mineralwasser überlegen oder zumindest ebenbürtig.12 Doch nicht nur von Gesetzes wegen wird die Qualität des Wassers laufend überprüft. Die Wasserversorger kontrollieren die Qualität ihres Trinkwassers regelmässig selber und arbeiten nach einem strengen Qualitätssicherungssystems des SVGW. Unabhängige Inspektionen von Kantonslaboren sorgen für zusätzliche Sicherheit. Aufgrund dessen, dass die Trinkwasserqualität direkt von der Rohwasserqualität13 abhängig ist, sind die Wasserversorger an einem wirksamen Grundwasserschutz besonders interessiert. Trinkwasser soll möglichst ohne zusätzlichen Aufwand als Trinkwasser gewonnen werden können. Deshalb wird das unmittelbare Einzugsgebiet einer Trinkwasserfassung oft mittels eines Schutzareales besonders gut geschützt. Dies geschieht nicht ohne Grund, denn einmal verseucht oder verbraucht, ist das Grundwasser für immer verloren. 11 www.trinkwasser.ch Auskunft von SVGW. 13 Das in der Natur vorkommende Wasser, ohne Veränderung durch den Menschen, wird Rohwasser genannt. 12 Diplomarbeit Cyril Hofer 13 Zusammenfassend kann also gesagt werden, was die gute Qualität von Schweizer Trinkwasser, wie im eidgenössischen Lebensmittelgesetz beschrieben, ausmacht: 1. Einwandfrei: bezüglich Geschmack, Geruch und Aussehen 2. Frei von Krankheitskeimen: Trinkwasser muss in mikrobieller Hinsicht genusstauglich sein und muss den mikrobiologischen und hygienischen Anforderungen genügen. 3. Frei von schädlicher Substanz: Die strengen Toleranz- und Grenzwerte für Fremd- und Inhaltsstoffe müssen erfüllt werden. Trinkwasser muss in chemischer und physikalischer Hinsicht genusstauglich sein. Seit dem Frühjahr 2004 können die wichtigen Wasserqualitätsangaben vieler Gemeinden auf www.wasserqualitaet.ch eingesehen werden. Auf die Härte des Wassers (6 Härtestufen) wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Neben dem Wasserkreislauf, der Wassergewinnung und -versorgung und der Wasserqualität, wie in diesem Kapitel gesehen, spielt auch die Wassermenge eine entscheidende Rolle und beantwortet die Frage, wieso wir Wasser das blaue Gold nennen. Im folgenden 3. Kapitel werden deshalb die weltweiten Trinkwasserressourcen genauer betrachtet und es wird ein Blick in die nahe Zukunft gewagt. Diplomarbeit Cyril Hofer 14 3. Das blaue Gold der Gegenwart und Zukunft In diesem Kapitel geht es darum aufzuzeigen, wie wenig Trinkwasser es auf der Erde gibt, wieso man es auch das blaue Gold nennt und einen kurzen Blick in die Zukunft des Wassers zu werfen. 3.1 Wasserressourcen weltweit Die „Erde“ ist zu rund 75% mit Wasser bedeckt und müsste demnach eigentlich „Wasser“ heissen. Die gesamte Weltwassermenge entspricht 1.4 Milliarden Kubikkilometer. Möchte man alles Wasser der Erde in einen Würfel aus Glas giessen, müsste die Kantenlänge des Würfels rund 1120 Kilometer betragen, was ungefähr der Strecke (Luftlinie) Bern – Palermo entspricht. Man könnte sich also in dem Glauben wiegen, dass der Vorrat an Wasser unendlich gross sei. Doch dem ist nicht so. Nur knapp 2,6% des gesamten Wasservorrates der Erde ist Süsswasser. Ein Grossteil davon wiederum ist in den Eiskappen von Nord- und Südpol gefroren oder gilt als nicht erreichbares Grundwasser. Das bedeutet, dass die gesamte Menschheit lediglich zwischen 9'000 und 12'000 Kubikkilometer nutzbar zur Verfügung hat.14 Die Trinkwasserreserven der gesamten Menschheit würden in einen Würfel von 154 Kilometer15 Kantenlänge (Luftlinie ca. von Zürich nach Lugano) passen. Diese Menge ist seit der Entstehung unseres Planeten ungefähr gleich gross geblieben. Dasselbe Wasser zirkuliert seit Tausenden von Jahren unaufhörlich. Durch das laufende Bevölkerungswachstum, die Verschmutzung des Wassers durch die industrielle Produktion und die Übernutzung der Grundwasservorräte ist ein weltweit wachsender Wassermangel entstanden. Die Qualität hängt also rein davon ab, wie wir mit dem Wasser umgehen. Gemäss UNO Hochrechnungen leiden heute bereits 40% der Weltbevölkerung unter Wassermangel.16 Im Jahr 2025 wird damit gerechnet, dass vier der acht Milliarden Menschen, die zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise auf der Erde leben werden, keinen Zugang zu Wasser haben werden. 14 Blaues Gold, Barlow, S. 19. „Natur“, Werbebroschüre von Acua Clic. 16 Auskunft von SVGW. 15 Diplomarbeit Cyril Hofer 15 3.2 Zukunftsaussichten 1995 stellte der Weltbank-Vizepräsident, Ismail Seregeldin, für zukünftige Kriege die seither oft zitierte Prognose: „Wenn es in den Kriegen dieses Jahrhunderts um Öl ging, so wird es in den Kriegen des nächsten Jahrhunderts um Wasser gehen.“17 Kein Wunder also, nennt man Wasser bereits heute das blaue Gold. Die Anzeichen mehren sich, dass Seregeldin richtig lag. Engpässe in der Wasserversorgung von Ländern in der ganzen Welt sorgen immer wieder für Schlagzeilen in der internationalen Presse. „Erst dann wenn man etwas nicht mehr hat, weiss man, was es wert war.“ Diese Weisheit bewahrheitet sich für die Menschheit, so scheint es, auch mit Trinkwasser. Die jahrzehntelange Ausbeutung von Grundwasserreserven, die Umweltverschmutzung, der rasante Bevölkerungswachstum und nicht zuletzt die Arroganz der Menschheit zu glauben, sie sei stärker und schlauer als die Natur, führen dazu, dass die Quelle des Lebens langsam versiegt. Man möchte vielleicht denken und glauben, Warnungen wie die von Seregeldin seien unhaltbare Visionen vom Club of Rome18, oder vielleicht, dass Wassermangel lediglich ein Problem der Dritten Welt sei. Doch weit gefehlt. Bereits heute und schon vor Jahren gibt und gab es Kriege und Konflikte um Wasser, nur wurden diese bislang aus vordergründig anderen Gründen ausgetragen. Selbst Nationen wie die Vereinigten Staaten haben enorme Wasserprobleme, die es rasch zu lösen gilt. Um die Aufmerksamkeit auf die Wasserknappheit zu verstärken, sind einige weitere Beispiele zu nennen: In Indien sind die Grundwasserreserven bereits so stark ausgereizt, dass man damit rechnet, dass im Jahr 2020 auch diese letzten Grundwasservorkommen verschwunden sein werden. In Nordafrika wird die Verfügbarkeit von Wasser in den nächsten Jahren so stark zurückgehen, dass den Menschen vermutlich nur die Flucht nach Norden bleibt, um zu überleben. Der einst grösste Süsswassersee Europas, der Aralsee, wird bald nur noch eine wasserlose Wüste sein. 17 18 Der Kampf um das blaue Gold, Shiva, S. 13. Club of Rome: Club von Intellektuellen, Wissenschaftlern und Forschern, welche ökologische Zukunftswarnungen veröffentlichten. Diplomarbeit Cyril Hofer 16 Den Nebenflüssen des Aralsees wurde für die Bewässerung soviel Wasser entzogen, dass sich das Volumen des Sees von 1950 bis 2000 um 85% reduzierte. Wo früher grosse Fischereihäfen lagen, bläst heute der Sand über die Wüste. In weiten Teilen der Erde übersteigt die jährliche Wasserentnahme die Wasserzufuhr, so dass auch noch die letzten Grundwasservorkommen angezapft werden. Wenn etwas knapp wird und von Wert ist, erzielt es einen hohen Preis auf dem Markt. Die weltweite Privatisierung von Wasser ist in vollem Gange, wie wir im Kapitel 4. sehen werden. Arme Bevölkerungsschichten werden mit Schmutzwasser leben, während wohlhabende sich den Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser leisten können. Überall dort, wo Trinkwasser heute schon knapp ist, werden sich die Kriege und Konflikte in Zukunft mehren. Selbst dort wo Wassermangel heute noch kein Gesprächsthema ist, werden sich Menschen wahrscheinlich schon in wenigen Jahren buchstäblich die Köpfe einschlagen, wenn es um die Frage geht, wem das Wasser gehört. Was früher als Goldrausch bezeichnet wurde, wird in Zukunft vielleicht “Wasserrausch“ heissen. Nicht auszudenken, was für Kriege in Zukunft um Wasser gefochten werden. Trinkwasser wird in einigen Jahren teurer als Gold, Öl und Diamanten sein. Dann nämlich, wenn der Mensch merkt, dass er ohne Geld, Gold und Diamanten, nicht aber ohne Wasser leben kann. Zusammenfassend könnte man versucht sein zu sagen: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fisch gefangen, die letzte Pflanze vergiftet, der letzte Brunnen vertrocknet ist, wird der Mensch merken, dass er ohne Wasser nicht leben kann.“ Aber die Hoffnung auf Besserung stirbt zuletzt! Diplomarbeit Cyril Hofer 17 4. Die globale Privatisierung des Lebenselixiers Am Weltwasserforum in Den Haag im Jahr 2000 wurde in der Abschlusserklärung Wasser als Bedürfnis bezeichnet. Damit konnte also mit Wasser, ab sofort so gehandelt werden, wie mit jedem anderen Handelsgut. Diese Abschlusserklärung öffnete der Privatisierung somit Tür und Tor. Das Brisante an der Sache war unter anderem, dass die Veranstalter dieses Forums die grössten gewinnorientierten Wasserversorger des Planeten Erde, die Weltbank sowie Lobbyorganisationen wie Global Water Partnership waren. Und deren Ziel ist und war es, aus Wasser Kapital zu schlagen. Im nun folgenden Kapitel wird erläutert, wie grosse Unternehmungen sich die Kontrolle über das Wasser aneignen, wie damit gehandelt wird und wer alles vor und hinter der Kulisse mitspielt, im Geschäft des Wassers. 4.1 Der grosse Ausverkauf – Kontrolle über das Wasser Seit einigen Jahren gibt es eine neue Art von Beruf, der oft auch mit “Wasserjäger“ bezeichnet wird. Unternehmer, Wissenschaftler und Privatpersonen durchsuchen, aus Eigeninteresse oder im Auftrag von Dritten, unseren Planeten nach Süsswasserquellen. Haben sie diese gefunden und erworben, bieten sie das Wasser dem an, der am meisten dafür bezahlt. Eine neue Art von Schatzjägern des neuen Jahrtausends. Globalisierung In der heutigen Marktwirtschaft, die durch Globalisierung gekennzeichnet ist, steht alles zum Verkauf. Die wirtschaftliche Freiheit, selbst Gencodes, Bildung, Wasser und Luft zu verkaufen, verdeutlicht, dass die Interessen des Kapitals oftmals über den Rechten der Bürger stehen. Laut dem Washingtoner Institute for Policy Studies sind die 200 führenden Konzerne der Erde so gross und mächtig, dass ihr gemeinsamer Jahresumsatz die wirtschaftliche Gesamtleistung von 182 der 191 Länder der Welt übertrifft. Mehr noch, zu den 100 grössten Wirtschaftsgebilden der Welt gehören heute mehr multinationale Konzerne als Staaten – 53 an der Zahl. Vier US-Konzerne (International Paper, Georgia-Pacific, Kimberly-Clark, und Diplomarbeit Cyril Hofer 18 Weyerhaeuser) beherrschen weltweit die Forstwirtschaft und Papierindustrie. Nestlé und Unilever, zwei europäische Mischkonzerne, kontrollieren einen Grossteil der weltweiten Nahrungsmittelproduktion. Laut Rangliste der Global Fortune 500 für das Jahr 2000 liegt beispielsweise der Gesamtertrag von Exxon Mobil, der weltgrösste multinationale Konzern, so hoch, dass er nur noch von den Staatseinnahmen von 22 Ländern übertroffen wird. Wal Mart, derzeit an zweiter Stelle, besitzt ein grösseres Wirtschaftsvolumen als die Volkswirtschaften von 178 Ländern.19 Dieser Hintergrund verdeutlicht, dass Wirtschaftsunternehmen heutzutage über eine gewaltige Macht verfügen, oftmals sogar über eine grössere als Staaten. So erstaunt es nicht, dass immer mehr Länder sich dem Druck der Privatwirtschaft beugen müssen – auch im Wasserbereich. Formen der Privatisierung An dieser Stelle soll der oft verwendete Begriff der Privatisierung etwas genauer untersucht werden. Als Privatisierung wird bezeichnet, wenn das staatliche Vermögen in Privatvermögen umgewandelt wird. Es gibt verschiedene Formen der Privatisierung, welche in untenstehendem Organigramm20 kurz dargestellt werden sollen. Privatisierung Vollständige Privatisierung Quelle: SVGW Teilweise Privatisierung Wettbewerbsmärkte Finanzierungsprivatisierung Natürliche Monopole Produktionsprivatisierung Wie in obigem Organigramm zu sehen ist, kann zwischen der vollständigen und der teilweisen Privatisierung unterschieden werden. Bei der vollständigen Privatisierung differenziert man zwischen der Privatisierung von Wettbewerbsmärkten und der natürlicher Monopole. 19 20 Blaues Gold, Barlow, S. 114. Quelle: SVGW. Diplomarbeit Cyril Hofer 19 Die teilweise Privatisierung besagt, dass man entweder die Finanzierung oder die Produktion privatisiert. Produktionsprivatisierung wird auch „contracting out“ genannt. Dies deshalb, weil bei dieser Art der Privatisierung ein Konzessionssystem oder die Verpachtung angewandt wird. Diese ist die häufigste Form der Wasserprivatisierung und wird in der englischen Sprache mit „Public Private Partnership“ (PPP) umschrieben. Bei der Form des PPP vergibt die Regierung Konzessionen oder Pachtverträge an Wasserkonzerne, die dann die erforderlichen Dienstleistungen erbringen und die Kosten für die Instandhaltung des Röhrensystems übernehmen. Im Gegenzug erhalten die Wasserkonzerne Gebühren und erhalten den Überschuss als Gewinn zugesprochen. Vorgehensweisen zur Kontrolle über das Wasser Warum hat man überhaupt damit begonnen, die Wasserversorgungen zu privatisieren? Grundsätzlich kann gesagt werden, dass auch die gewinnorientierte Privatwirtschaft den Wert von Wasser erkannt hat und nun mit allen Mitteln versucht, das “kostbare Nass“ in ihre Hände zu bekommen. Zudem verfügen auch in unseren Breitengraden Gemeinden oft nicht mehr über genügend Steuereinnahmen, um all ihren Aufgaben nachzukommen. Viele Gemeinden und Städte erhoffen sich eine Erleichterung des Budgets, wenn Privatunternehmen den Unterhalt der sehr teuren und teilweise maroden Leitungs- und Kanalisationssysteme übernehmen. In Entwicklungsländern allerdings, wird die Privatisierung vor allem durch den Internationalen Währungs Fonds (IWF) und die Weltbank vorangetrieben. Als Bedingung für neue Kredite, verlangen IWF und Weltbank von den überschuldeten Ländern, dass sie die Wasserversorgungen privatisieren müssen. Im Rahmen von so genannten Strukturanpassungsprogrammen, als Bedingung für den Erhalt weiterer Kredite, verpflichtet der IWF die hochverschuldeten Länder dazu, den Wasserbereich der Privatwirtschaft zu überlassen. Die Weltbank flankiert in einem zweiten Schritt diese Politik, indem sie Kredite in Wasserund Abwasserbereich ausschliesslich dafür zur Verfügung stellt, privaten Unternehmen die Übernahme öffentlicher Wasserversorgungseinrichtungen zu erleichtern. Das heisst, dass mittels der Weltbankkredite die Wasser- und Abwasserinfrastruktur in ausgewählten Städten und urbanen Gebieten saniert wird. Danach werden Teilbereiche oder die gesamte Wasserversorgung an private Unternehmen ausgeschrieben. Häufig erhalten diese Unternehmen während der Aufbauphase weitere Subventionen oder Steuerbegünstigungen. Diplomarbeit Cyril Hofer 20 Dazu kommt, dass die Privatunternehmen vom jeweiligen Staat finanzielle Garantien erwarten, um ihre Risiken zu minimieren. So wird der Staat oftmals durch die Vertragsklauseln in den Wasserkonzessionen verpflichtet, den privaten Unternehmungen während der Vertragsdauer Gewinne zu garantieren. Ist die Privatisierung erst einmal vollzogen, findet fast keine öffentliche Kontrolle mehr statt. Die langfristigen Verträge (meist 20-30 Jahre) der privatisierten Wassergesellschaften sind nur schwer zu kündigen, selbst dann, wenn man den neuen Wasserversorgern ungenügende Leistung oder Vertragserfüllung beweisen kann. Zudem drohen die mächtigen Konzerne damit, Schadenersatz auf Nichterfüllung des Vertrages einzufordern, wenn man sie versucht anzugreifen. 4.2 Der weltweite Handel Wenn Wasser als Ware angesehen wird, die knapp und lebensnotwendig ist, dann dauert es nicht lange, bis damit globaler Handel getrieben wird. Ähnlich dem Gold, hat Wasser für alle Menschen der Erde einen Wert. Nur, dass der Mensch ohne Gold, nicht aber ohne Wasser leben kann. Um Wasser zu transportieren gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen an dieser Stelle die Wichtigsten und zugleich Brisantesten genannt werden sollen. Pipelines Pipelines, Rohrsysteme, werden im Ölgeschäft schon lange verwendet, um das flüssige Gold von A nach B zu transportieren. Doch wer weiss, dass bereits heute Frischwasser aus den österreichischen Alpen durch eine hochmoderne Pipeline in die Hauptstadt Wien transportiert wird? Wenn dies der Anfang ist, so ist der Ausgang ungewiss. Es gibt heute bereits Pläne zur Errichtung eines europäischen Wassernetzwerkes. Die Rohrleitungen sollen verlängert werden und vom Alpenraum bis nach Spanien, Griechenland oder in die Türkei reichen.21 Auf der ganzen Welt gibt es Pläne und Projekte, Wasser mittels Pipelines von wasserreichen in wasserarme Regionen zu pumpen. Selbstverständlich wird das Wasser am Ende der Rohre nicht gratis an die Menschen fliessen, sondern für gutes Geld verkauft. Die grössten im 21 Blaues Gold, Barlow, S. 170. Diplomarbeit Cyril Hofer 21 Wassergeschäft, Firmen wie Suez, Vivendi Environment oder RWE (siehe Kapitel 4.3), sind an diesen Plänen sehr interessiert und mischen bereits im Vorfeld kräftig mit. Supertanker & Kanäle Auch die ökologisch unsinnige Idee, Wasser mit Supertankern (riesige Frachtschiffe) zu exportieren, ist längst keine Zukunftsvision mehr. So hat beispielsweise das kanadische Unternehmen Global H2O einen Dreissigjahresvertrag mit der Stadt Sitka abgeschlossen, um pro Jahr 69 Milliarden Liter Gletscherwasser nach China zu exportieren.22 China, das Land mit der grössten Bevölkerung der Erde, im speziellen und Afrika und Asien werden in den nächsten Jahren vermutlich die grössten Probleme mit Trinkwassermangel haben. So wird wohl der Export von frischem Trinkwasser über die Meere in den nächsten Jahren noch weiter stark ansteigen. Eine weitere Möglichkeit Wasser zu transportieren sind grosse Kanäle. Auch hier gibt es kühnste Pläne, die Milliarden von Dollar verschlingen und auf die Natur keinerlei Rücksicht nehmen werden. Wasserschläuche Eine neue Technik, welche den grossen Supertankern künftig Konkurrenz machen wird, sind von Schleppern gezogene Wasserschläuche. Der grosse Vorteil dieser Art von Wassertransport ist, dass ein solcher Wasserschlauch bis zu fünf Mal die Wassermenge eines Supertankers aufnehmen kann. Dies gerade einmal für 1.25% der Kosten. Es gibt bereits Pläne einen 650 Meter langen, 150 Meter breiten und 22 Meter hohen Wasserschlauch, mit einem Fassungsvermögen von fast zwei Millionen Kubikmetern herzustellen. Wer nun aber denkt, dies seien Illusionen der Zukunft, irrt. Ein in Grossbritannien ansässiges Unternehmen, an dem auch Suez beteiligt ist, beliefert seit 1997 griechische Inseln mit Hilfe eben solcher Wasserschläuche. Eine norwegische Unternehmung transportiert seit dem Jahr 2000 Süsswasser von der Türkei nach Zypern.23 Laut Wasserexperten ist diese Form des Wassertransportes für die Umwelt mit Sicherheit besser als der Transport mittels Supertankern. Es fragt sich aber generell, wie die Natur solche 22 Information der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG). 23 Blaues Gold, Barlow, S. 178-180. Diplomarbeit Cyril Hofer 22 Einschnitte verkraften wird. Denn, der Mensch darf nicht glauben, dass er ungestraft in den Kreislauf der Natur eingreifen kann. Flaschenwasser Eine weitere Art, Wasser für den Handel zu transportieren sind so genannte Flaschenwasser. Perrier, Evian, Pure Life, Vichy, Vittel, San Pellegrino – um nur einige Markennamen für Flaschenwasser zu nennen. Laut Schätzungen des SVGW werden derzeit pro Jahr an die 30 Milliarden Liter Wasser in Flaschen abgefüllt und verkauft.24 Angenommen eine 1 Liter Flasche hätte die Höhe von 20 Zentimetern und man würde alle diese Flaschen horizontal hintereinander legen, die Strecke würde 6 Millionen Kilometer betragen. Oder anders gesagt, die Länge der hintereinander gelegten Wasserflaschen ergäbe pro Jahr eine Strecke von knapp 143 Mal um die Erde (gerechnet mit 42'000 Kilometer). Von den enormen externen Kosten für die Umwelt, die sich dadurch ergeben, einmal abgesehen. Bei dem so genannten Flaschenwasser, welches in Heil-, Mineral-, Quell- und Tafelwasser unterteilt wird, ist Nestlé der unangefochtene Weltmarktführer. Aber auch Coca Cola und Pepsi holen kräftig auf im Wassergeschäft. Die beiden konkurrieren sich mittlerweile nicht mehr nur mit ihren Softgetränken, sondern auch mit ihren Wassermarken. Die Wasserqualität lässt bei Flaschenwasser oftmals zu wünschen übrig. In diversen Berichten, die während dieser Arbeit vom Autor studiert wurden, ist zu finden, dass Flaschenwasser oftmals nicht besser ist, als das regionale Leitungswasser. Der Unterschied macht ein gutes Marketing. So verkauft beispielsweise Nestlé sein „Pure Life“, ein billiges aufbereitetes Leitungswasser mit Mineralzusatz, auf der ganzen Welt, mit der Behauptung es steigere das Wohlbefinden. Die Firma Britannia verkauft die Marke Evian in Indien zu fast 2 Dollar den Liter, was fast dem doppelten Mindeststundenlohn entspricht.25 Andere Wasserkonzerne kaufen regionales Leitungswasser für ein paar Cents, “reinigen“ es, füllen es ab und verkaufen es schliesslich für über einen Dollar weiter. 24 25 Auskunft von SVGW. Auskunft von Hans Keller, Geschäftsführer und Erfinder des Urimat. Diplomarbeit Cyril Hofer 23 Viele dieser Konzerne schlagen Profit aus der Nachfrage nach sauberem und reinem Wasser. Dass viele der Unternehmungen ihre Werke auch noch mit dem Wort „Wasserherstellung“ bezeichnen, grenzt, so könnte man denken, an Überheblichkeit und Grössenwahn. Tatsache ist aber, dass der Markt für Flaschenwasser ein Wachstumsmarkt ist, der weiter in rasendem Tempo expandiert. Mit der Strategie, Wasser in geschlossenen Flaschen anzubieten, umgehen die Wasserkonzerne vielerorts die Privatisierung von Wasserversorgungen. Durch die geschickten Marketing-Kampagnen versprechen sie dem Konsumenten eine bessere Gesundheit, schönere Haut, … oder sogar ein erfolgreicheres Leben. Dadurch rechtfertigen sie dann unter anderem auch den Preis, der bis zum viertausendfachen des Preises von Leitungswasser geht. Sicherlich gibt es auch sehr gesunde Mineral- oder Quellwasser und es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass sämtliches Flaschenwasser von minderer Qualität ist. Die geschilderten Fakten sollen den Leser aber zum Nachdenken anregen, wenn er das nächste Mal Flaschenwasser konsumiert. 4.3 Die dicken Fische des Wassergeschäftes Der schier grenzenlos erscheinende Privatmarkt für Wasser wird von den beiden französischen Konzernen Suez und Vivendi Environment beherrscht. Beide zusammen haben Niederlassungen in 150 Ländern der Erde und erzielen bereits heute Milliardenbeträge im Wassergeschäft. Grund genug diese Wassergiganten etwas genauer zu betrachten. Suez Suez, dessen Gründervater im 19. Jahrhundert das riesige Projekt des Suezkanals in Angriff nahm, ist heute eines der beiden grössten Unternehmen im Wasserbereich. Die französische Unternehmung, welche im Bereich Energie, Wasserversorgung und Abfallmanagement tätig ist, verzeichnet gewaltige Wachstumsraten und expandiert weltweit im Wassersektor. Die Expansion lässt sich der Konzern viel Geld kosten, im Wissen, dass sich diese Investition sehr bald ausbezahlen wird. So schloss Suez beispielsweise im Jahr 2002 einen Vertrag über die Wasserversorgung der viertgrössten Stadt Chinas. Im selben Jahr unterschrieb Suez mit Puerto Rico einen Zehnjahresvertrag im Wert von 4,4 Milliarden Dollar für die Wasserversorgung der Stadt. In Diplomarbeit Cyril Hofer 24 den Vereinigten Staaten markiert Suez seit dem Jahr 2000 seine Präsenz. Durch den Aufkauf diverser nationaler Wassergesellschaften ist Suez auch in diesem Zukunftsmarkt (geschätztes Marktvolumen von 90 Milliarden Dollar) auf dem Vormarsch.26 Es gäbe Dutzende weitere Beispiele zu nennen, wie sich Suez auf unserem Planeten, Wasserrechte und Wasserversorgungsrechte sichert. Auffallend ist, dass überall dort wo Suez tätig wird, die Preise für Wasser (siehe Kapitel 5.) in der Regel in die Höhe schnellen und sich die Wasserqualität verschlechtert. Kein Wunder, denn mit den profitorientierten Investoren im Hintergrund und den hohen Fixkosten in der Wasserversorgung, ist auch Suez gezwungen Anpassungen, wie beispielsweise Preiserhöhungen, Stellenabbau, Qualitätsreduktion oder Nichtunterhalt von Rohrleitungen vorzunehmen. Das oberste Ziel von Suez ist es Erfolg zu haben. Gérard Mestrallet, der CEO von Suez, sagte einmal: „Erfolg zu haben bedeutet für uns, im Einklang mit unserer Geschichte und unserer Kultur zu stehen.“27 Dass dabei die Wasserkonsumenten und die Natur oftmals die Leidtragenden sind, scheint die oberste Führung von Suez nur wenig zu interessieren. Durch die zahlreichen Tochterfirmen von Suez in aller Welt, ist es schwierig, sich einen Gesamtüberblick über dieses Unternehmen zu verschaffen. Nicht ohne Grund wird praktisch für jedes Wasserprojekt ein neuer Firmenname entwickelt, um vordergründig nicht mit Suez am Markt aufzutreten. So finden sich auf der Internetseite von Suez Firmennamen wie Aguas Andinas, Aguas Argentinas, Aguas de Barcelona, Aguas de Amazonas, Degrémont, Eurawasser, Lydec, Lyonnaise des Eaux France, Macao Water, Ondeo Industrial Solutions, Sino-French Holding, United Water und WSSA. Alle Firmen im Abwasserbereich wurden hier noch nicht einmal erwähnt. In der Corporate Governance von Suez schreibt Gérard Mestrallet, dass sich Suez der globalen Reputation bewusst sei und dies auch als potentiellen Schwachpunkt ansehe. In der heutigen Welt brauche es Jahre, so sagt er, eine Reputation aufzubauen und nur Minuten, um diese zerstört zu finden. 26 27 Der Kampf um das blaue Gold, Shiva, S. 144-147. Blaues Gold, Barlow, S. 143. Diplomarbeit Cyril Hofer 25 Auf die Art und Weise wie Suez auf der Welt wirtschaftet, ist die globale Reputation einer der zentralen Schwachpunkte der Firma. Die Verflechtungen zum politischen Establishment28 indessen, tragen nicht viel dazu bei, Suez in einem besseren Licht dastehen zu lassen. Laut eigenen Angaben arbeiten 74'100 Angestellte bei Suez. Im Jahr 2003 erwirtschaftete Suez einen Umsatz von 12,3 Milliarden Dollar und belieferte nahezu 100 Millionen Menschen mit Trinkwasser.29 Vivendi Environment30 Der zweite Riese im Wassergeschäft, Vivendi Environment, duelliert sich seit Jahren mit Suez um die Spitzenposition im Wassermarkt. Vivendi Environment ist eine Tochtergesellschaft von Vivendi Universal, einem global tätigen Medienkonzern, welcher in den Bereichen Film, Fernsehen, Verlagswesen, Musik, Internet und Telekommunikation tätig ist. Vivendi Environment ist vor allem in den Bereichen Wasser- und Energieversorgung, Abfallbeseitigung und Transport tätig. Auch Vivendi Environment setzt seinen globalen Expansionskurs weiter fort. Genau gleich wie bei Suez, schiessen in der Regel die Preise für Wasserdienstleistungen in die Höhe, sobald der Riese die Bühne betritt. Und auch Vivendi Environment kauft auf der ganzen Welt Wasserkonzessionen ein oder schluckt kleinere Wasserdienstleister in allen möglichen Ländern. Die Struktur des Betriebes, mit seinen zahlreichen Tochterfirmen, ist genauso komplex, wie die seines Hauptkonkurrenten Suez. Es ist zu hoffen, dass sich die beiden Konzerne ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden und diese auch annehmen. Denn es darf nicht sein, dass man beispielsweise ärmeren Regionen einer Stadt das Wasser verweigert, nur weil dort die Zahlungsmoral niedriger ist (so geschehen zum Beispiel in La Paz). Mehr noch als der Zugang zu anderen Ressourcen, stellt der Basiszugang zu Wasser ein Menschenrecht dar. Von diesem Recht hängt das wirtschaftliche, soziale und biologische Wohl eines jeden Menschen ab. Neben Suez und Vivendi Environment gibt es noch zahlreiche weitere kleinere Wassergiganten, wie die deutsche Firma RWE, auf die hier allerdings nicht näher eingegangen werden soll. 28 Vergleiche Blaues Gold, Barlow, S. 147. www.suez.com 30 Der Name von Vivendi Environment ist inzwischen verschwunden respektive wurde zwischenzeitlich in Veolia Environment geändert. Weil aber in den meisten Büchern und Köpfen der Menschen nach wie vor der Name Vivendi Environment verwendet wird, soll hier der Name Vivendi Environment, der Verständlichkeit halber, beibehalten werden. 29 Diplomarbeit Cyril Hofer 26 5. Die Zukunft Spätestens das Weltwasserforum in Den Haag hat, wie schon erwähnt, gezeigt, dass beim Wasser schon lange nicht mehr nur von einem Menschenrecht gesprochen wird. Wasser ist auch zu einem Wirtschaftsgut geworden, das bereits hohe Preise erreicht und satte Gewinne erzielen lässt. Einige der grössten Unternehmungen der Erde haben sich, wie im vorherigen Kapitel gesehen, auf Wasser und dessen Vermarktung in vielfältigen Formen spezialisiert. Doch gerade in der heutigen Zeit, wo das Bewusstsein für die Quelle des Lebens langsam steigt, werden die Diskussionen, ob Wasser ein Menschenrecht oder Wirtschaftsgut ist, immer heftiger ausgetragen. Im folgenden Kapitel soll deshalb der Frage nachgegangen werden, wem Wasser gehört und ob es ein Menschenrecht oder ein Wirtschaftsgut darstellt. Des Weiteren wird der Begriff Wasserethik thematisiert und es werden Unterscheidungen zwischen Wert und Preis von Wasser vorgenommen. Die Zukunft formt man in der Gegenwart. 5.1 Wasser – Menschenrecht oder Wirtschaftsgut? Wem soll das Wasser in Zukunft gehören und wieso stellt sich diese Frage überhaupt? Ist es Privat- oder Gemeineigentum? Welche Rechte hat der Staat? Welche Rechte haben Unternehmungen und welche nicht? Auf alle diese Fragen kann nicht abschliessend geantwortet werden. Die Fragen können und sollen diskutiert werden. Je nach dem auf welcher Seite man steht, werden die Antworten darauf unterschiedlich ausfallen. Was heute niemand mehr bestreiten kann, ist, dass wir derzeit eine weltweite Wasserkrise haben, die sich in den kommenden Jahren noch drastisch verschärfen wird. Weil das Wasser der Erde immer knapper wird und sich die Weltbevölkerung in rasendem Tempo erhöht, wird es immer wertvoller. Dies auch deshalb, weil es für Wasser, wie bereits erwähnt, keine Alternative, kein Substitut gibt. So banal dies klingen mag, aber es gibt Menschen, die behaupten, dass sie, wenn es kein Wasser mehr gäbe, stattdessen Mineralwasser oder Softgetränke trinken würden. Auch dies zeigt, wie wenig wir uns in unseren Breitengraden zum Thema Wasser Gedanken machen. Diplomarbeit Cyril Hofer 27 In den letzten Jahren haben grosse Unternehmungen wie beispielsweise Suez und Vivendi Environment31, das wertvolle Gut Wasser entdeckt. Diese und andere Firmen haben erkannt, dass Wasser der Stoff der Zukunft sein wird, und dass sich damit sehr viel Geld verdienen lässt. Nach Schätzungen der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) betrug der Umsatz mit dem “kostbaren Nass“ bereits im Jahr 2000 rund 400'000'000'000 Dollar (400 Milliarden Dollar), Tendenz steigend. Unternehmungen der Privatwirtschaft, unterstützt durch den weltweiten Kapitalmarkt, haben oftmals die grössere Macht als Staaten und so verwundert es nicht, dass sich genau diese Organisationen der Wasserrechte bemächtigen können. Wer das Wasser hat, hat die Macht und wer Macht hat, kann sich das Wasser Untertan machen. Wirtschaftsgut Die Hauptargumente der Privatisierungsbefürworter im Wassersektor besagen, dass durch die Privatisierungen im Wassersektor und das Behandeln von Wasser als Wirtschaftsgut selbst wasserarme Regionen der Welt mit Wasser versorgt werden. Würde also mit Wasser gehandelt, fliesse Wasser automatisch in Regionen mit Wassermangel (Allokation der Güter). Zudem, so sagen die Befürworter dieser Meinung, erreiche man durch die Privatisierung des Wirtschaftsgutes Wasser enorme Effizienzsteigerungen im Wassersektor. Dass dies nur die halbe Wahrheit ist, wurde in den bisherigen Kapiteln schon mehrfach dargelegt. Ein weiteres Argument kommt vom Konzern Nestlé, welches besagt, dass in Flaschen abgefülltes Wasser ein Produkt und keine Ressource mehr sei! Im Unterschied zu den Menschen und Unternehmungen, die Wasser als Handels- oder Wirtschaftsgut ansehen, bezeichnet die Mehrheit der Menschen, die sich darüber schon Gedanken gemacht haben, Wasser als Gemeingut und Menschenrecht. Menschenrecht Menschen, die vertreten, dass Wasser ein Menschenrecht sei, sind der Meinung, dass Wasser in unser allem Interesse liegt und unter der demokratischen Kontrolle der Bevölkerung bleiben soll. Das öffentliche Gut Wasser könne nicht als Privateigentum besessen, dürfe nicht 31 Siehe Kapitel 4. Diplomarbeit Cyril Hofer 28 als Ware verkauft, solle gemeinschaftlich verwaltet werden und dürfe niemanden von dessen Nutzung ausschliessen. Da Wasser ein Gut ist, das jeder Mensch zum Leben braucht, kann nicht mit marktwirtschaftlicher Logik darüber entschieden werden. Wird Wasser als Handelsgut angesehen und privatisiert, so argumentieren die Gegner, erhalten in Zukunft diejenigen am meisten Wasser, die am meisten dafür bezahlen können. Schon heute gibt es arme Bevölkerungsschichten, die bis zu 20% ihres Einkommens für Wasser verwenden müssen. Zur Verdeutlichung; dies hiesse für einen Schweizer mit einem Einkommen von CHF 5'000.-, dass er alleine CHF 1'000.- für Trinkwasser aufwenden müsste. Während also die Reichen Mitbürger im blauen Gold schwimmen können, müssen die Armen oft mit einer schlammigen Brühe auskommen, für die sie auch noch teuer bezahlen. Das Thema Wasser geht uns alle etwas an, denn Wasser ist Leben. Und genau deshalb darf das blaue Gold nicht kampflos an Private Institutionen abgegeben werden. Wenn es darum geht, ein Menschenrecht zu privatisieren oder es zu verteilen, dann muss zumindest demokratisch und in der Öffentlichkeit darüber entschieden werden. Jeder Bürger der Erde, egal ob reich oder arm, hat eine Stimme, die erhört werden soll. Die Lösung für Unrecht heisst Demokratie. Vandana Shiva, die indische Autorin zahlreicher Bücher zum Thema Wasser, hat neun Prinzipien aufgestellt, auf der die Wasserdemokratie32 beruhen soll. Diese neun Prinzipien möchte ich an dieser Stelle in Kurzform aufführen. Neun Prinzipien, auf der die Wasserdemokratie beruhen sollte: 1. Wasser ist eine Gabe 2. Wasser ist lebensnotwendig 3. Leben ist durch Wasser miteinander verknüpft 4. Wasser muss für den Lebensunterhalt kostenlos sein 5. Wasser ist in begrenzter Menge vorhanden und kann sich erschöpfen 6. Wasser muss gehegt und gepflegt werden 7. Wasser ist ein Gemeingut, ein Menschenrecht 8. Niemand hat ein Recht auf Zerstörung und Verschmutzung des Wassers 9. Wasser kann nicht ersetzt werden 32 Der Kampf um das blaue Gold, Shiva, S. 66–69. Diplomarbeit Cyril Hofer 29 Ganz im Sinne des englischen Begriffes „Future Fitness“, müssen wir Menschen in Zukunft besser auf das Lebenselixier Wasser achten. Wir müssen dafür sorgen, dass auch künftige Generationen über genügend Wasser zum Leben verfügen. Zerstören wir das Wasser, so zerstören wir auch das Leben für uns und unsere Nachkommen auf der Erde. 5.2 Wasserethik Ethik, auch als die Lehre der Moral bezeichnet, besteht aus Recht und Moral. Recht bezieht sich dabei auf die Verfassung und die Moral auf die Kultur, einer Unternehmung oder eines Staates. Die heutige Wasserkrise ist darum entstanden, weil der Mensch die Natur nicht so akzeptiert hat, wie sie ist. Im Gegenteil, wir haben versucht die Natur zu zähmen und sie uns Untertan zu machen. Seit Jahrzehnten ignoriert der Mensch die Naturgesetze. Doch was man säht, das erntet man bekanntlich. Der Aufbau einer strengen und klaren Wasserethik, eines Wertesystems, ist deshalb zwingend notwendig. Wir müssen uns wieder darüber klar werden, dass wir in einen Kreislauf der Natur eingebettet sind und dass wir unsere Lebensgrundlagen zu schützen haben. Wasser, neben Luft der wichtigste Stoff für den Menschen auf der Erde, muss geschützt werden. Darunter haben sich alle anderen Ziele, vor allem wirtschaftliche, unterzuordnen! Grundsätzlich gibt es laut Lehrbüchern drei verschiedene Ethiktheorien, wobei als Wasserethik nur die von Aristoteles effektiv in Frage kommen kann. Die so genannte Tugendethik (Human Nature Ethics) von Aristoteles sagt vereinfacht, dass man nur so handeln dürfe, wie man selber behandelt werden möchte. Im Wassersektor braucht es Methoden die nachhaltig sind, denn nur so kann der Erhalt des kostbaren Wassers gesichert werden. Die Natur muss wieder in einem grossen Ganzen gesehen werden, als eine Folge von Ursache und Wirkung. Die Welt benötigt klare, einheitliche und internationale Vorschriften für den Umgang mit Wasser. Die Zuwiderhandlung gegen diese Gesetze und Vorschriften muss harte Konsequenzen nach sich ziehen. Diplomarbeit Cyril Hofer 30 Die Technik muss zum Guten verwendet werden, anstatt wie bisher technische Erfindungen dafür zu verwenden, nur die negativen Nachwirkungen von Falschhandlungen zu beseitigen. Das Wissen und umweltschonende der Erfindungsgeist Prinzipien der hervorbringen. Menschheit Ein müssen Beispiel ist nachhaltige die so und genannte Tröpfchenbewässerung33 in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft beansprucht heute weltweit an die 70% des vom Menschen genutzten Wassers und durch eine weltweite Umstellung auf Tröpfchenbewässerung könnten Milliarden Liter Trinkwasser erhalten werden. Der Mensch muss sich dem Wert des Wassers endlich bewusst werden und handeln, bevor es zu spät ist. 5.3 Wert und Preis von Wasser Das Wort „Wert“ könnte der Bedeutung nach auch mit „kräftig sein, etwas gelten“ umschrieben werden. In gewissen Staaten, wo das Wasser noch für heilig gehalten wird, ist Wasser die Lebensquelle für Mensch, Tier, Natur und das ganze Ökosystem. In Indien beispielsweise sagt man, dass Wasser etwas Lebendiges sei und dieses Lebendige sei Gott. Durch die Kommerzialisierung, hervorgerufen durch die Privatisierung, wird der Wert des Wassers auf seinen Marktpreis reduziert. Es ist also sehr wohl zu unterscheiden, ob man vom Wert oder vom Preis des Wassers spricht. Heutzutage wird oftmals von Werten gesprochen, mit denen aber eigentlich die Handelswerte, also den Preis das ein Gut erzielt, gemeint ist. Der Wert der Wälder beschränkt sich heute oft auf seinen Preis als Holzvorrat, Mineralien werde nicht mehr als Adern der Erde34, sondern als Rohstoffe angesehen. Ressourcen aber, können von hohem Wert sein, ohne einen Preis zu haben. Persönliche Gegenstände, Heilige Flüsse, Berge, Wälder und Städte sind die wohl besten Beispiele dafür. Die Gleichstellung von Wert mit Geldpreis stimmt also nicht. Wenn man uns Schweizerinnen und Schweizer danach befragt, welche 10 Dinge uns am wichtigsten sind, werden wohl die wenigsten darauf mit Trinkwasser antworten. 33 34 Auf die Technik der Tröpfchenbewässerung wird hier nicht weiter eingegangen. Der Kampf um das blaue Gold, Vandana Shiva, S. 190. Diplomarbeit Cyril Hofer 31 In einer nicht repräsentativen Umfrage in meinem privaten und beruflichen Umfeld (39 Männer und Frauen jeden Alters), sagten nur gerade 3 Personen das Wort Wasser oder Trinkwasser. Natürlich stellt Trinkwasser auch für uns ein, nach Maslow benanntes, Grundbedürfnis dar, doch dessen sind wir uns nicht mehr bewusst. Ganz gemäss dem 1. Gossenschen Gesetz (Gesetz des abnehmenden Grenznutzens) ist uns der Wert des Wassers verloren gegangen, weil wir in der Schweiz soviel Trinkwasser haben. Dieses Gesetz sagt aus, dass man eine zusätzliche Einheit von etwas umso weniger schätzt, je mehr man davon hat. Trinkwasser ist bei uns in der Schweiz günstig, vielleicht zu günstig. Damit kostendeckend gearbeitet werden kann, müssen Wasserversorger die immer kleineren Verbrauchsmengen (siehe Kapitel 6.3) längerfristig durch höhere Wasserpreise kompensieren. Durchschnittlich kosten 1000 Liter Trinkwasser (Leitungswasser) in der Schweiz heute CHF 1.50, was bedeutet, dass man für einen Liter Wasser bei uns gerade einmal 1,5 Rappen bezahlen muss.35 Doch was ist der adäquate Preis für Wasser? Dies ist global gesehen, sehr schwierig zu beantworten. Grundsätzlich sollten folgende Kriterien bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden: - Alle Verbraucher zahlen für die gleiche Leistung denselben Preis. - Die Preise sollen für die Wasserversorger kostendeckend sein. - Einführung von Preisaufschlägen für Vielverbraucher, keine Mengenrabatte. Für die Schweiz kann gesagt werden, dass aufgrund der sehr hohen Fixkosten der Wasserversorger, die Gesamtkosten im Wassersektor nur wenig von der gelieferten Wassermenge beeinflusst werden können. Gespart werden könnte vor allem im Unterhalt der Infrastruktur und im Personalaufwand. Genau dies ist auch das Rezept von privaten Unternehmen, die im Übrigen auch nicht daran interessiert sind, dass der Wasserverbrauch zurückgeht. Eines der wohl eindrücklichsten Beispiele der Wasserprivatisierung und was mit den Preisen für Wasser geschehen kann, wenn Trinkwasser nicht mehr in der Hand des Staates ist, liefert England. 35 Auskunft von SVGW. Diplomarbeit Cyril Hofer 32 1989 privatisierten England und Wales ihre regionalen Wasser- und Abwasserunternehmen. Die damalige Regierung Thatcher pflasterte den Unternehmen den Weg in die Selbständigkeit und brachte sie an die Börse. Die neuen Privatunternehmen, wie zum Beispiel das Wasserwerk Yorkshire Water, hielten allerdings in der Folge die versprochenen Investitionen in den Unterhalt der Wasserleitungen nicht ein. 40% Wasser- und Abwasserverluste durch leckende Rohre wurden in Kauf genommen und damit ein ganzes Ökosystem beeinträchtigt. Die Mehreinnahmen von insgesamt 6 Milliarden Euro, die durch diese Kosteneinsparungen möglich wurden, wurden fast ausschliesslich als Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet oder für teuere Managerlöhne verwendet.36 Im Trockenjahr 1995 kam es dann zum Kollaps. Die Trinkwasserversorgung brach zusammen und mehrere Regionen wurden monatelang aus Tankwagen versorgt. Die Wasser- und Abwasserkosten verteuerten sich für die Haushalte innert zehn Jahren, inflationsbereinigt um 46%. Beispiele wie dieses gibt es auf der ganzen Welt. Unser Land ist bislang weitgehend von einer Wasserprivatisierung verschont geblieben. Auch wenn Suez bereits einen Firmensitz und eine Internetdomain (www.suez.ch) in der Schweiz eingerichtet hat, die föderalistische Wasserversorgungskultur wird uns hoffentlich auch in Zukunft so sicher mit Wasser versorgen, wie bisher. Eine oft gehörte These, nämlich dass die Schweiz fast keine Rohstoffe besitze, soll in diesem Kapitel korrigiert werden. Aufgrund der enormen Trinkwasserreserven der Schweiz, sitzen wir auf einem riesigen “Wassertank“. Dieser “Wassertank“ wird in Zukunft “Gold wert“ sein. Zusammenfassend sei aber nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Wert und Preis von Wasser nicht dasselbe sind. 36 www.wwf.ch Diplomarbeit Cyril Hofer 33 6. Praxisorientierte Lösungsansätze für den nachhaltigen Umgang mit Trinkwasser, die Ökologie und Ökonomie verbinden In diesem sechsten Gliederungspunkt sollen dem Leser zwei Schweizer Firmen vorgestellt werden, die es geschafft haben, Ökologie und Ökonomie im Wasserbereich erfolgreich zu verbinden. Der Grund dafür, dass diese Firmen ein eigenes Kapitel in dieser Arbeit erhalten, ist einfach. Firmen wie Urimat und Aqua Clic haben Vorbildcharakter, sie gehen neue Wege im Umgang mit Wasser und haben eine Vision, die drohende Wasserkatastrophe abzuwenden. 6.1 Urimat - die Schweizer Erfindung von Weltformat Die Urimat Schweiz AG, mit dem Erfinder und Schweizer Diplomingenieur Hans Keller, hat der Welt, in dieser wichtigen Phase des Umdenkens im Bereich Wasser, eine echte Innovation gebracht. Hans Keller störte sich schon lange an den bisherigen Pissoirs (auch genannt Urinale). Das Verhältnis der kleinen Menge Urin und der grossen Menge Trinkwasser, die zum Spülen notwendig ist, stimmte für ihn nicht. So machte er sich daran, dieses Problem zu lösen. Herausgekommen ist eine Schweizer Erfindung von Weltformat: der Urimat! Wasserspülung? Völlig überflüssig! Die Erfindung ist so einfach wie genial. Vor allem aber sehr wirksam. Abbildung 1: Siphon des Urimat Abbildung: Urimat Diplomarbeit Cyril Hofer 34 Der patentierte und austauschbare Geruchsverschluss-Einsatz des Siphons nimmt den Urin auf und leitet ihn (ohne Wasserverbrauch) in die Kanalisation ab. Ein Auftriebskörper dichtet dabei den Einsatz ab und verhindert jede Geruchsentwicklung. Abbildung 1, der Siphon, zeigt, wie das Herzstück des Urimat aussieht. Doch wie genau funktioniert diese Technik? Untenstehende Abbildung 2, der Querschnitt des Siphons, soll helfen, die Technik zu verstehen. Abbildung 2: Querschnitt Siphon Abbildung: Urimat Legende zu Abbildung 2: A: B: C: D: E: F: Quelle: Urimat patentierter Geruchsverschlusseinsatz zylinderförmiges Innenstück des Topfes Urin drückt Auftriebskörper nach oben und dichtet ab Flexible Dichtlippe hält Gerüche unter Verschluss Überlaufraum des Urins und Ableitung in Kanalisation Elektromagnet, der den Auftriebskörper nach unten zieht Erklärungen zu nebenstehender Abbildung 2: Der Geruchsverschluss-Einsatz (A) garantiert einen reibungslosen Betrieb ohne Sperrflüssigkeit. Er wird in die dafür vorgesehene Öffnung des Urimat eingesetzt. Der Urin gelangt ins zylinderförmige Innenstück des Topfes (B) und von dort in den Überlaufraum (E). Der Urin drückt den Auftriebskörper nach oben und öffnet dabei die Einlassöffnung (C). Die flexible Dichtlippe (D) hält Gerüche unter Verschluss. Erreicht der Urin im Überlaufraum eine bestimmte Höhe (E), läuft er in die Kanalisation ab. Vor, während und nach jeder Benutzung zieht ein Elektromagnet (F) den Auftriebskörper nach unten, um den Urin restlos in den Siphon zu leiten. Alles ohne einen Tropfen Wasser! Pro Urimat werden so bei jeder Benutzung drei bis sechs Liter wertvolles Trinkwasser gespart. Bei einer durchschnittlichen Benutzung sind dies rund 100'000 Liter frisches Trinkwasser, die pro Urimat jedes Jahr eingespart werden. Mit den momentan eingesetzten Urimaten (ca. 8'000 Stk.) werden aktuell rund 800'000'000 Liter frisches Trinkwasser pro Jahr gespart.37 37 Auskunft von Hans Keller, Geschäftsführer und Erfinder des Urimat. Diplomarbeit Cyril Hofer 35 Das Marktpotential für dieses Produkt ist schier unerschöpflich. Der Urimat ist aber nicht nur ein wasserloses Urinal, welches ohne Chemie auskommt und viel Trinkwasser spart. Dahinter verbirgt sich ein ganzes Umweltsystem, das alle Beteiligten zu Gewinnern macht. Abbildung 3: Das Umweltsystem Urimat Abbildung: Urimat Erklärungen zu obenstehender Abbildung 3: Das Spezialkunststoffbecken, welches zu 100% rezyklierbar ist mit nur 5,2 Kilogramm sehr leicht. Trotz dieser Leichtigkeit ist es bruchresistent und vandalensicher. Die neuartige Form wurde so konzipiert, dass sie rückspritzfrei ist. Das Herzstück des Urimat, der Hydrostatische Siphon, sorgt wie bereits beschrieben dafür, dass der Betrieb des Urinals ohne Wasser und Chemie auskommt. Die chemielose und rein biologische Reinigung funktioniert schnell und einfach mittels eines mikrobiologischen Reinigers. Als Zubehör gibt es neuartige Luftreiniger, die mit ätherischen Ölen die Luft reinigen. Doch der Urimat überzeugt nicht nur in technischer Hinsicht. Die Investitionskosten liegen grundsätzlich tiefer als bei herkömmlichen Diplomarbeit Cyril Hofer 36 Urinalen. Die Betriebskosten betragen gar nur einen Bruchteil. Ein Berechnungsbeispiel38 verdeutlicht, wie sehr der Urimat auch in ökonomischer Sicht überzeugen kann: Berechnungsgrundlage, Beispiel Schweiz: Restaurant mit 2 Urinalen, 300 Tage geöffnet, 80 Benutzungen pro Urinal pro Tag. Wasserpreis inkl. Abwasser CHF 4.50/m3, pro bestehende Spülung 4 Liter. Kosten OHNE Urimat: Wasserkosten pro Jahr CHF 864.- Kosten MIT Urimat: Siphonkosten pro Jahr: 2 Urinale à 3 Siphons x CHF 69.- = CHF 414.- Mit dem Urimat kann mehr als die Hälfte der Betriebskosten eingespart werden. Nach gut einem Jahr macht sich der Urimat bezahlt. Doch damit nicht genug, denn durch die integrierten Werbedisplays, kann sich der Urimat gar selbst kann finanzieren. Sobald man sich dem Urimat nähert, leuchtet das sensorgesteuerte beleuchtete Werbedisplay auf. Laut Studie des Marktforschungsinstitutes IHA-GfK im Jahr 2002 haben sich 90% der Benutzer an die Botschaft auf dem Werbedisplay des Urimaten erinnert.39 Ein wichtiger Zusatznutzen: Die Werbeflächen können vermietet und damit Mehreinnahmen generiert werden. Dieses geschlossene Umweltsystem Urimat, welches Betreiber, Verkäufer und die Natur zu Gewinnern macht, hat schon viele namhafte Firmen überzeugt. Mc Donalds hat den Urimat in der Schweiz bereits zum Baustandard erklärt. Mövenpick, die Firma für die ich derzeit arbeite, wird seine Betriebe bis Ende 2004 mit Urimat ausgerüstet haben. Das Fussballstadion St. Jakob-Park in Basel ist bereits mit Urimaten ausgestattet. Aber auch bei der Deutschen Bahn, den SBB und der ETH Zürich will man künftig voll auf den Urimat setzen. Und selbst grosse Unternehmen wie Swisscom, Bluewin, UBS, Credit Suisse, ZKB, Migros, BMW, ABB und SAP haben den Urimat schon im Einsatz. Das Einsatzgebiet für den Urimat ist gross. Hotels, Bars, Restaurants, Fussballstadien, Eishallen, 38 39 Flughafen, Bahnhöfe, Bergbahnen, Kinos, Autobahnraststätten, Messen, www.urimat.com Auskunft von Hans Keller, Geschäftsführer und Erfinder des Urimat. Diplomarbeit Cyril Hofer 37 Vergnügungsparks, Shoppings Center, Grossbanken, Schulen, Verwaltungen und Universitäten. Dort und an vielen anderen Orten könnte der Urimat seine Stärken ausspielen und ein Mehrfaches der bislang gesparten Wassermenge (800 Millionen Liter pro Jahr) einsparen. Es ist zu hoffen, dass sich dieses System rasch im Markt durchsetzen wird, damit auch in Zukunft tagtäglich etwas gegen das Wasserproblem getan werden kann. Um die Zukunft des Produktes Urimat genauer zu betrachten, wurde, mit Hilfe von Hans Keller, eine aktuelle SWOT-Analyse der Firma Urimat erstellt: Tabelle 1: SWOT-Analyse für die Firma Urimat Das Umweltsystem Urimat Kriterium Stärken ++ Idee USP der Geschäftsidee x Schutz durch Lizenzen x Abhängigkeit Einkauf Einzigartigkeit des Produktes Finanzen Strategien Umwelt ++ x x Platz für Geschäftsidee im Markt x Bekanntheitsgrad der Kundensegmente x Bekanntheitsgrad der Konkurrenz x Bekanntheitsgrad Kennzahlen Mitbewerber x -- x Marktpositionierung x Servicequalität x Marketing x Konjunktur x Baukonjunktur x x Energieversorgung x Marktraum x x Konkurrenz x Nischenstrategie x Kundennähe Produktinnovation - x Marktstruktur Produkt + x Finanzierung Umweltschutzbedingungen Markt -- Gefahren x Kostenmanagement Produktspezialisierung - Chancen x Gewinn Rentabilität des Produktes Markt + Schwächen x x Rohstoffabhängigkeiten x Fertigung x Lieferantenabhängigkeit x Imitationsgefahr x Legende: ++ = sehr stark, + = stark, - = schwach, - - = sehr schwach Diplomarbeit Cyril Hofer 38 Die SWOT-Analyse zeigt, dass dieses Produkt viele Stärken und Chancen besitzt und nur wenige Schwächen oder Risiken birgt, die es zu beachten gilt. Zum mit „schwach“ bewerteten Kriterium Gewinn ist anzufügen, dass die Firma Urimat im Jahr 2005 die Gewinnschwelle erreicht haben wird. Um noch mehr über den Urimat, seinen Erfinder und dessen Visionen zu erfahren, hat der Autor mit Herrn Keller ein sehr interessantes Interview geführt, welches an dieser Stelle aufgeführt werden soll. Interview mit Hans Keller: Herr Hans Keller ist Geschäftsführer und Verwaltungsratsmitglied der Firma Urimat. Herr Keller ist aber auch ein Visionär in Sachen Trinkwasser und er ist der Erfinder von Urimat. Das folgende Interview wurde am 9. Dezember 2004 in Tann-Rüti, am Hauptsitz von Urimat geführt. Was war ihre ursprüngliche Motivation den Urimat zu entwickeln und wie sieht ihre Vision aus? „Meine Vision und Motivation ist es, eine Lösung für das Wasserproblem zu finden. Und ich glaube, dass wir mit dem Urimaten erst am Anfang stehen.“ Wie sehen die Expansionspläne mit dem Urimaten aus? Dieses geniale Produkt müsste doch weltweit schnellstmöglich in Einsatz kommen, damit Wasser gespart werden kann. Wie schätzen Sie das Marktpotential ein? „Sehen Sie, wir verkaufen ja nicht den Urimaten im eigentlichen Sinne, sondern ein Umweltsystem. Wir wollen eine „Trinkwasser-Kultur“ verändern. Aber gerade dies ist in gewissen Ländern sehr schwierig. So mussten wir uns beispielsweise aus dem türkischen Markt verabschieden, weil es nach dem islamischen Glauben nicht erlaubt ist, die Notdurft ohne Wasser zu erledigen. Aber selbstverständlich erschwert uns auch die Wasserindustrie, die ja nicht Wasser sparen möchte, in unseren Expansionsplänen. Wir haben bereits in Europa, Asien und Australien sehr gute Partner gefunden und sind nun daran, diese auch in den USA und China zu finden. Wir wollen weltweit tätig sein, wichtig ist uns aber, dass wir organisch wachsen. Das Marktpotential sehen wir bei rund 40 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr, weltweit gesehen.“ Diplomarbeit Cyril Hofer 39 Wieso gibt es keine Zusammenarbeit mit Aqua Clic oder Wasserverbänden. Damit könnten doch enorme Synergien genutzt werden und es würde einen steigenden Bekanntheitsgrad mit sich führen. „Wir haben auch schon probiert z.B. Aqua Clic Produkte über unseren Aussendienst zu verkaufen. Das Problem ist, dass diese Produkte in „jedem Migros“ gekauft werden können, der Urimat aber ist erklärungsbedürftig. Und leider arbeiten heute viele auch in unserer Branche für sich alleine. Aber ich bin mit meinen Visionen bereits voraus und habe einige Ideen, die ich noch umsetzen möchte. So braucht die Welt meines Erachtens dringend einen Botschafter für Wasser, so wie es Adolf Ogi im Sport ist.“ Sie haben offensichtlich mit dem Urimat ein Produkt entwickelt, dass sowohl ökologische wie auch ökonomische Ziele vereinbart. Wie geht das in der heutigen Zeit? „Es ist klar, dass dies in der heutigen Zeit nicht einfach zu verwirklichen ist. Mit dem Urimat ist mir glücklicherweise die Erfindung eines Produktes gelungen, mit dem wir ab nächstem Jahr auch Geld verdienen können. Aber es waren harte Jahre und ich habe meinen letzten Rappen in dieses Produkt und diese Vision gesteckt.“ Was ist ihr Lieblingsgetränk? "Wasser! (lacht), nein ehrlich. Ich trinke täglich mehrere Liter Wasser, aber kein Mineralwasser. Das haben wir aus unserer Firma verbannt. Wenn qualitativ so hochwertiges Trinkwasser aus unseren Hähnen fliesst, sollte man nicht bis zu 1000 Mal teureres Mineralwasser kaufen. Das ist ökologischer Unsinn. Wir haben, wie Sie gesehen haben, einen Wassercooler und unsere Leute angehalten, sie sollten mindestens 2-3 Liter Wasser pro Tag trinken. Das ist zentral für die Gesundheit des Menschen. Aber ich muss gestehen, dass ich ab und zu auch ein Red Bull trinke (lacht)." In der Schweiz, dem “Wasserschloss“ Europas, gibt es doch genügend Wasser. Wieso also sollte Herr und Frau Schweizer mit Wasser sparsam umgehen? Respektive wie kann man das Bewusstsein in der Bevölkerung für das Lebenselixier fördern? „Wenn mich das jemand fragt, antworte ich immer damit, dass die Schweizer auch beim America’s Cup mitsegeln, obwohl sie kein Meer haben. Wir suchen die Diplomarbeit Cyril Hofer 40 Herausforderungen. Ich meine, irgendwie ist es doch auch erstaunlich, dass wir in der Schweiz, einem der trinkwasserreichsten Länder der Welt, den Urimaten erfunden haben. Aber auch logisch, denn wenn jemand 12 Stunden pro Tag damit beschäftigt ist, Wasser zu suchen, dann hat er keine Zeit neue Produkte zu entwickeln. Da geht es um das nackte Überleben. Zudem ist zu sehen, dass jeder Tropfen Wasser der nutzlos durch den Abfluss läuft, mit viel Aufwand und Energie wieder aufbereitet, transportiert und gereinigt wird. Ein grosser Teil dieses Aufwands liesse sich einsparen. Ich glaube es muss uns Menschen in den nächsten Jahren klar werden, dass bald der letzte Tropfen Trinkwasser versiegt oder verseucht ist und dass Wasser einen enormen Stellenwert für uns hat. Ich selber halte seit Jahren immer wieder Vorträge zum Thema Trinkwasser. Es ist so wie bei vielem im Leben, erst wenn man es nicht mehr hat, weiss man was es wert war. Wenn uns dies allerdings beim Wasser passiert, ist es schon viel zu spät.“ Wie stehen Sie zur weltweiten Privatisierung von Trinkwasser? Was ist Ihnen darüber bekannt? „Grundsätzlich bin ich ein klarer Gegner der Privatisierung im Trinkwasser- resp. Wasserbereich. Ich meine, Wasser ist ein so genanntes freies oder öffentliches Gut, ein Gut das allen Menschen gleich gehören sollte. Bei der Wasserprivatisierung und da gibt es schon einige Beispiele wie England, übernehmen profithungrige Unternehmen die Dienste der öffentlichen Hand. Geld wird nicht in den Unterhalt des Wassersystems gesteckt, sondern fliesst in die Hände der Aktionäre, bis die Rohre überall lecken. Dann, oder wenn die privatwirtschaftliche Unternehmung Konkurs geht, soll die Öffentlichkeit wieder übernehmen. Ich bin aber dafür, dass die öffentlichen Verwaltungen und Anstalten mehr nach dem privatwirtschaftlichen Grundsatz (New Public Management) arbeiten sollten. Dies auch, weil sie sich damit gegen die Hauptargumente der Privatisierungsbefürworter wehren können.“ Was sind die Gefahren bei der Privatisierung von Trinkwasser? „Die Hauptgefahr sehe ich darin, dass ein lebenswichtiges und unersetzbares Gut wie Wasser in die Hände einiger weniger grosser Unternehmen gerät. Diese werden dem Wasser geben, der am meisten dafür bezahlt. Wasser bedeutet heute und in der Zukunft Macht. Darum sollte Wasser auch ein Menschenrecht bleiben.“ Diplomarbeit Cyril Hofer 41 6.2 Aqua Clic - Sparsamer Umgang mit Wasser im Haushalt Eine weitere Schweizer Firma, welche ökologische und ökonomische Ziele im Bereich Wasser hervorragend verbindet, ist die Firma Aqua Clic mit Sitz in Zürich, die hier kurz präsentiert werden soll. Das Hauptprodukt Aqua Clic ist eine kleiner Aufsatz für Wasserhähne. Einmal angeschraubt, reduziert Aqua Clic den Wasserverbrauch um rund die Hälfte. Durch die moderne Technik des Aqua Clic wird bewirkt, dass ein konstanter Durchfluss von sechs Litern Wasser pro Minute (im Vergleich zu 10-17 Liter pro Minute beim herkömmlichen Wasserhahn) erreicht wird, egal wie stark der Hahn aufgedreht ist. Trotzdem das weniger Wasser durchfliesst, ergibt Aqua Clic einen vollen und weichen Wasserstrahl. Das innere Sieb des Wasserhahns verkalkt ca. zwölf Mal langsamer als die handelsüblichen Siebe aus Metall.40 Neben dem Produkt Aqua Clic hat die Firma ihr Sortiment bereits erweitert. Es gibt einen Clic-WC-Stop, mit dem man den Spülvorgang selber dosieren kann, auch Duschbrausen (Clic Douche), die ohne Komfortverlust mehr als die Hälfte des Wassers einsparen. Mit den Produkten von Aqua Clic gewinnt Mensch und Natur. Ein Berechnungsbeispiel41 soll auch hier aufzeigen, wie man mit Umweltschutz Geld sparen kann. Ausgangslage für Berechnungen: Haushalt mit 4 Personen, ausgerüstet mit Aqua Clic Wasserhahnen, Clic Douche und WC-Stop, Basis: Trink- und Abwasserpreis CHF 4.00 / m3 und CHF 0.18 pro kWh Energie. Einsparungen pro Jahr: Wasser: 70'000 Liter = CHF 270.- Energie: ca. 1000 kWh = CHF 190.- Total: = CHF 460.- Diese Berechnung zeigt das Sparpotential, würde sich jeder Haushalt, jede Firma und jede öffentliche Einrichtung mit den Produkten ausrüsten. 40 41 Werbebroschüre Aqua Clic, www.aquaclic.com interne Unterlagen von der Firma Aqua Clic. Diplomarbeit Cyril Hofer 42 Durch die positiven Erfahrungen mit den Produkten von Aqua Clic, kann der Autor dem Leser die Produkte von Aqua Clic zum Kauf empfehlen, um damit einen Beitrag zum Schutz der Umwelt zu leisten und Geld zu sparen. Übrigens gibt es die Aqua Clic Produkte in vielfältigen, von Künstlern kreierten, Designs zu kaufen. Firmen können sich bereits ab 100 Stück eigene Wasserhähne gestalten und für öffentliche Hähne gibt es diebstahlhemmende Clic-Modelle. Ein weiterer erwähnenswerter Punkt ist das Nachhaltigkeits-Programm der Firma Aqua Clic. Schulen, gemeinnützigen produktunabhängiges Organisationen Schulmaterial zum und Thema Gemeinden Wasser zu wird angeboten, bekommen. Mittels Demonstrationsbrunnen kann die Wirksamkeit der Produkte vor Ort getestet werden. Und die Gewinner von Kindermalwettbewerben dürfen jährlich ein neues Aqua Clic Design entwerfen. „Keiner spart schöner!“ Auch der Slogan dieser Firma scheint aufzugehen. Nicht nur für Menschen, sondern auch für die Natur. 6.3 Wasserverbrauch im “Wasserschloss“ Schweiz - Fakten Während wir in der Schweiz praktisch im Wasser schwimmen, ist Trinkwasser in anderen Teilen der Erde knapp. Im Durchschnitt verbrauchen wir heute im Privathaushalt rund 162 Liter Wasser pro Person und Tag. Vieles davon benötigen wir für die Hygiene. In Ruanda beträgt der Verbrauch gerade einmal 10 Liter pro Person und Tag.42 Insgesamt benötigen wir durchschnittlich 404 Liter Wasser pro Tag und Person.43 Herr und Frau Schweizer verzeichnen seit 30 Jahren einen rückläufigen Wasserverbrauch. 1981 beispielsweise betrug der Verbrauch pro Tag und Person noch ganze 500 Liter Wasser.44 Wie bereits erwähnt, haben die Wasserversorger einen sehr hohen Fixkostenanteil und der reduzierte Verbrauch verteuert den Preis für Wasser. Trotzdem, im Durchschnitt kosten 1000 Liter Trinkwasser in der Schweiz CHF 1.50. 42 www.trinkwasser.ch www.trinkwasser.ch 44 Auskunft von SVGW. 43 Diplomarbeit Cyril Hofer 43 Da Wasser bei uns so kostengünstig ist, vergessen wir aber oftmals leicht den wahren Wert (Vergleiche dazu Kapitel 5.3) dieses kostbaren Stoffes. Viel Wasser könnte gespart werden, würden wir undichte Wasserhahnen oder Spülkästen reparieren, beim „kleinen Geschäft“ den Spülvorgang unterbrechen, während dem Zähne putzen und Rasieren das Wasser nicht fliessen lassen, Duschen statt Baden, das Auto anstatt mit dem Schlauch, mit Eimer und Schwamm reinigen, gesammeltes Regenwasser für die Gartenbewässerung brauchen und Pflanzen nicht im Sonnenschein giessen.45 Durch einen bewussten Konsum könnten wir Wasser (und Geld) sparen, ohne dafür auf den bisherigen Komfort verzichten zu müssen. Produkte wie die von Urimat oder Aqua Clic sind dafür das ideale Beispiel. Weltweit verbraucht der Mensch rund 70% des Wassers in der Landwirtschaft, 22% in der Industrie und verhältnismässig nur gerade 8% in den Haushalten. Und trotzdem möchte ich genau diesen kleinen Sektor der Haushalte näher betrachten. Denn in der Schweiz verteilt sich der Wasserverbrauch anders. Für öffentliche Zwecke wird 9% gebraucht, im Gewerbe und der Industrie 20%, 13% werden durch Verluste und ganze 58% werden in den Haushaltungen verbraucht.46 Wenn die Menschen in den Haushaltungen der Schweiz mit gutem Beispiel voran gehen, wird hoffentlich ein Bewusstsein (und auch ein Druck auf die Landwirtschaft und Industrie) entstehen, zu was für Veränderungen wir fähig sind. Wasserverbrauch im Schweizer Haushalt Laut einer Erhebung des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) aus dem Jahr 1999, verbrauchen wir in der Schweiz am meisten Wasser mit der Toilette. Das Säulendiagramm auf der nächsten Seite soll den durchschnittlichen Verbrauch der Schweizer Haushalte verdeutlichen. 45 46 Auskunft von SVGW. Quelle: SVGW. Diplomarbeit Cyril Hofer 44 Diagramm 1: Durchschnittlicher Wasserverbrauch im Privathaushalt der Schweiz (162 Liter pro Einwohner und Tag) 35 Quelle: www.trinkwasser.ch Geschirrspüler 30 29.5 Sonstiges 25 Lavabo Bad 20 18.6 19.6 Kochen/Trinken 15 15.0 Waschmaschine 12.8 10 Baden/Duschen 5 2.2 2.3 Toilette 0 in Prozent Wie in obenstehendem Säulendiagramm (Diagramm 1) zu sehen, ist die Toilette, mit fast 30% Anteil, der mit Abstand grösste Wasserverbraucher im Schweizer Haushalt. Es sei nochmals auf die Erfindung von Herrn Hans Keller, den Urimat (vergleiche Kapitel 6.1), aber auch auf die WC-Stop Vorrichtung von Aqua Clic verwiesen. Viel Wasser wird in unserer Welt aber auch indirekt für die Herstellung von Lebensmitteln und Gütern verbraucht. Um das Bewusstsein für Wasser auch im Alltag zu schärfen, an dieser Stelle einige interessante Beispiele für den indirekten Verbrauch des Wassers. Tabelle 2: Der indirekte Verbrauch47 Objekt Wasserverbrauch Objekt Wasserverbrauch Tropfender Hahn 6'000 Liter p.a. 1 Kg Kartoffeln 500 Liter Undichter Spülkasten 20'000 Liter p.a. 1 Kg Garn 2’500 Liter Produktion Alu-Dose 40 Liter 1 Liter Orangensaft 1'000 Liter Produktion Plastiktüte 15 Liter 1 Kg Reis 1'900 Liter Produktion Illustrierte 30 Liter 1 Kg Pouletfleisch 3'500 Liter 60 Liter Benzin 3'000 Liter 1 Kg Rindfleisch 100'000 Liter Herstellung 1 Auto 380'000 Liter 1 Blatt Papier 0,5 Liter 47 Die Verbrauchsdaten wurden der Werbebrochure (2004) von Aqua Clic entnommen. Diplomarbeit Cyril Hofer 45 7. Die „10 Gebote“ für eine wassersichere Zukunft Unabhängig jeder Nationalität, Religion, Hautfarbe und jeden Einkommens, wollen die Menschen auch in Zukunft über genug sauberes Trinkwasser verfügen, müssen sie handeln. Die hier aufgeführten Schritte respektiv Forderungen zu einer wassersicheren Zukunft sind nur Worte auf Papier, wenn sie nicht gelebt werden. I. Dachorganisation für alle Wasserverbände und Wasserorganisationen dieser Welt schaffen. Gebündelte Kraft, damit man den Herrschern des Wassers stark gegenübertreten und erfolgreich für Wasser kämpfen kann. II. Kampagne zum Thema wassersichere Zukunft lancieren. Das Bewusstsein der Bevölkerung der Erde muss endlich geweckt werden. III. International gültige Gesetze für den Umgang mit Wasser festlegen und harte Sanktionen und Strafen für Verstöße gegen die Gesetze durchsetzen. IV. Wasser als Menschenrecht in allen Verfassungen der Länder der Erde festhalten. V. Nationale Wasserbotschafter und Weltsonderbotschafter in Sachen Wasser erküren. VI. Weltweites Wasserabkommen verabschieden, an das sich jeder Staat, jede Unternehmung und jeder Mensch halten muss. VII. Sonderprogramm für alle Schulen der Erde lancieren; Wasserlektionen für Kinder. VIII. Unterstützung der Anti-Staudamm-Projekte. IX. Qualitativ hoch stehendes Leitungswasser dem Mineralwasser vorziehen. X. Eigenen Verbrauch so gut wie möglich einschränken. Global denken! Diplomarbeit Cyril Hofer 46 Zusammenfassung & Schlusswort: Viel Zeit bleibt uns Menschen nicht mehr, die drohende Wasserkatastrophe abzuwenden. Die globale Privatisierung des Lebenselixiers schreitet in rasantem Tempo voran und es ist zu befürchten, dass das Wasser bald schon von einigen wenigen gewinnorientierten Wassergiganten beherrscht wird. Umweltverschmutzung, industrielle Verschwendung, Abholzung der Wälder, der Bau von Staudämmen, das Bevölkerungswachstum, um nur die Hauptursachen für Wassermangel zu nennen, gehen weiter. Die Kriege um Wasser mehren sich. Aus Wasser ist das blaue Gold der Gegenwart und Zukunft geworden. Nur langsam beginnt der Mensch zu merken, dass ihm das Trinkwasser ausgeht. Erste Schritte in die richtige Richtung sind, wie anhand der Beispiele in Kapitel 6. gesehen, gemacht. Protestbewegungen auf der ganzen Welt zeugen davon, dass sich der Widerstand gegen die Herrscher über das Wassers, langsam formiert. Dies alles ist aber nur der Anfang. Das Wichtigste ist, dass sich jeder Mensch der enormen Wichtigkeit von Wasser bewusst wird und im Grossen und Kleinen damit beginnt, für das Wasser und somit für das Leben der Erde zu kämpfen. Die eingangs gestellten Fragen wurden meiner Ansicht nach beantwortet. Allerdings ist zu betonen, dass diese Antworten, aufgrund des Umfanges der Diplomarbeit, nicht umfassend und abschliessend sein können. Ausführlichere Informationen und Antworten finden sich vor allem in den beiden lesenswerten Büchern, „Der Kampf um das blaue Gold“ von Vandana Shiva und „Blaues Gold“ von Maude Barlow und Tony Clarke. Vielleicht ist diese Diplomarbeit nur ein Tropfen auf den heissen Stein, im Kampf um das Wasser. Wenn sie aber nur bei einigen wenigen Lesern das Bewusstsein für das Element Wasser geweckt hat, habe ich mein persönliches Ziel erreicht. Veränderungen beginnen im Kopf. Mit dem Abschluss meiner Diplomarbeit geht für mich die intensive Beschäftigung mit dem Thema Wasser nicht zu Ende, sondern beginnt erst gerade. Ich werde weiterhin Vorträge besuchen, Bücher lesen und vielleicht auch einmal meine berufliche Zukunft dafür verwenden, für Wasser zu kämpfen. Wasser ist Leben und umgekehrt. Jeder Tropfen zählt! Diplomarbeit Cyril Hofer 47 Abbildungs- und Quellenverzeichnis: Abbildungsverzeichnis: Titelbild: http://www.tom-foto.de/picshow/frei/pages/wassertropfen.htm, mit freundlicher Genehmigung von tom foto studios gmbh Abbildungen: Abbildung 1, Seite 34: mit freundlicher Genehmigung von Urimat Schweiz AG Abbildung 2, Seite 35: mit freundlicher Genehmigung von Urimat Schweiz AG Abbildung 3, Seite 36: mit freundlicher Genehmigung von Urimat Schweiz AG Tabellen: Tabelle 1, Seite 38: mit freundlicher Mithilfe von Urimat Schweiz AG Tabelle 2, Seite 45: Daten der Werbebrochure von Aqua Clic 2004 Diagramme: Diagramm 1, Seite 45: http://www.trinkwasser.ch/dt/html/bildergallerie/frameset.htm, Zugriff am 06.01.05 Quellenverzeichnis: Literatur: Alexandersson, Olof (1998): Lebendes Wasser, über Viktor Schauberger und eine neue Technik unsere Umwelt zu retten, Ennsthaler Verlag, Steyr Barlow, Maude / Clark, Tony (2003): Blaues Gold, Das globale Geschäft mit dem Wasser, Antje Kunstmann Verlag, München Petrella, Riccardo (2000): Wasser für alle, Ein globales Manifest, Rotpunktverlag, Zürich Shiva, Vandana (2003): Der Kampf um das blaue Gold, Ursachen und Folgen der Wasserverknappung, Rotpunktverlag, Zürich Diplomarbeit Cyril Hofer 48 Internet: Aqua clic, http://www.aquaclic.ch/, Zugriff am 30.12.04 Bundesamt für Wasser und Geologie, http://www.bwg.admin.ch/, Zugriff am 09.01.05 EAWAG, http://www.eawag.ch/news/trinkwasser/, Zugriff am 09.01.05 Global Water Partnership, http://www.gwpforum.org/servlet/PSP, Zugriff am 05.01.05 Grundwasserausstellung, http://www.grundwasser.ch/, Zugriff am 30.12.04 International Water Association, IWA, http://www.iwahq.org.uk/template.cfm?name=home, Zugriff am 30.11.04 Internationaler Währungs Fond, IWF, http://www.imf.org/, Zugriff am 06.01.05 SVGW, http://www.svgw.ch/deutsch/pagesnav/AK.htm, Zugriff am 10.01.05 SUEZ, www.suez.com, Zugriff am 09.01.05 Trinkwasserportal des SVGW, www.trinkwasser.ch, Zugriff am 12.01.05 Urimat AG, http://www.urimat.com/homepage_ch/index.htm, Zugriff am 30.12.04 Wasserportal Unesco, http://www.unesco.org/water/ihp/, Zugriff am 30.12.04 Wasserversorgung Zürich, http://www3.stzh.ch/internet/wvz/home.html, Zugriff am 30.11.04 Weltbank, http://www.worldbank.org/, Zugriff am 03.01.05 World Trade Organisation, WTO, http://www.wto.org/, Zugriff am 06.01.05 World Water Forum, http://www.worldwaterforum.org, Zugriff am 30.11.04 WWF, http://www.wwf.ch/de/index.cfm, Zugriff am 30.12.04 Diplomarbeit Cyril Hofer 49 30 Geschirrspüler 29,5 25 Sonstiges Erklärung: 20 18.6 15 Kochen/Trinken Hiermit erkläre 15,0 und bestätige ich, Cyril Hofer, dass ich die vorliegende Diplomarbeit zum 12.8 10 5 Lavabo Bad 19,6 Thema 2.2 Trinkwasser selbständig gekennzeichnet habe. verfasst Waschmaschine und fremdes Gedankengut als solches Baden/Duschen 2.3 Toilette 0 Aus Liebe Wasser! in zum Prozent Cyril Hofer, im Januar 2005 Ich widme diese Diplomarbeit all jenen Menschen, welche tagtäglich dafür kämpfen, dass sauberes Trinkwasser ein Menschenrecht bleibt. Diplomarbeit Cyril Hofer 50