evangelische

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EVANGELISCHES
P F A R R A M T
R H E I N E C K
Predigten zum 1. Petrusbrief (2/10)
Predigt vom Sonntag, 30. August 2009 über
1. Petrus 1,13-25: „Heilig oder scheinheilig?“
Der Apostel Petrus –
Statue auf dem
Petersplatz in Rom
Predigttext 1. Petrus 1,13-25
(Luther-Übersetzung)
13 Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts, seid
nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die
Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung
Jesu Christi.
14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den
Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer
Unwissenheit dientet;
15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist,
sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.
16 Denn es steht geschrieben (3.Mose 19,2): »Ihr
sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem
Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der
Fremde weilt, in Gottesfurcht;
18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem
Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen
Wandel nach der Väter Weise,
19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines
unschuldigen und unbefleckten Lammes.
20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt
Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der
Zeiten um euretwillen,
21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit
gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott
habt.
22 Habt ihr eure Seelen gereinigt im Gehorsam der
Wahrheit zu ungefärbter Bruderliebe, so habt euch
untereinander beständig lieb aus reinem Herzen.
23 Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt.
24 Denn »alles Fleisch ist wie Gras und alle seine
Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist
verdorrt und die Blume abgefallen;
25 aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit« (Jesaja
40,6-8). Das ist aber das Wort, welches unter euch
verkündigt ist.
Predigt
Liebi Gmeind
Chöne Sie mit dem Begriff „heilig“ öppis aafoh? E Begriff,
wo schwierig isch. Im Witz am Aafang vom Gottesdienst isch
es um ne Schiinheilige gange. D’Heiligsprechige dur de
Papst sind öis Protestante ned unbedingt sympathisch. Und
mäng eine unter öis het vilicht scho abwehrend gseit: „Ich bi
doch kei Heilige!“ Oder het sich über ne andere lustig
gmacht: „Bisch jetz plötzlich heilig worde?“
S’Wort „heilig“ isch bi öis tendenziell also negativ bsetzt.
Wenn mir an e Heilige denke, so stelle mir öis e Mensch
vor, wo ständig mit emne fromme Lächle uf de Lippe umelauft, sanftmüetig und ruehig isch, jede und alles gern het,
keinere Flöige öppis chönnt z’leid tue, e süüselndi Stimm het
und immer friedfertig isch. Ich gibe zue: Das isch vilicht chli
übertriebe. Und doch: Wer vo Ihne het i de letschte Woche
s’Adjektiv „heilig“ im ne positiv gmeinte Sinn bruucht? Wohl
chuum öpper!
Das wird natürlich ned dem grecht, was d’Bible unter „heilig“
verstoht. I krassem Gegesatz zu de offizielle Heiligsprechige
vom Papst werde nämlich i de Bible d’Mensche vielfach als
„Heiligi“ aagsproche und zum „heilig sii“ ufgforderet.
Scho im Alte Testament: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin
heilig“ (Lev 19,2) befiehlt Gott im dritte Mosebuech – de
Petrus zitiert dä Vers i öisem Predigttext. Im Nöie Testament
werde d’Briefempfänger vo verschiedene Briefe als „Heiligi“
bezeichnet (z.B. Eph 1,1). Und über em Abschnitt vo öisem
Predigttext stoht als Überschrift i de Lutherbible: „Geheiligtes Leben“. Es gheiligets Lebe sölle d’Christe füehre.
Aber was heisst denn „heilig“ überhaupt – ganz abgseh
vo allne Assoziatione, wo mir spontan mit dem belastete
Begriff verbinde? I de Bible heisst „heilig“ ganz eifach: „zu
Gott ghörig“. Alles, was zu Gott ghört, isch heilig. Ned nur
Gott selber isch heilig – so wie mir’s vorher im Monatslied
gsunge händ, „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth“ –
sondern ebe au alles und alli us sim Umfeld. Und darum
chöne i de Bible ebe au d’Christe als „Heiligi“ bezeichnet
werde – au ohni Heiligsprechig dur de Papst. Denn mir ghöre zu Gott.
S’Problem a dere Sach isch allerdings, dass mir als Christe
zwar theoretisch scho „Heiligi“ sind – aber öises Lebe no
längst ned immer so „heilig“ usgseht. Und genau um das
goht’s am Petrus i dem Abschnitt: Um d’Heiligung vo öisem
Lebe. Dass öises Lebe heiliger wird. Dass öises Denke,
Rede, Handle, meh dem entspricht, wo mir theoretisch scho
sind. Also um ne Aawendig vo de Theorie i d’Praxis.
A dem Punkt chönnt’s am einte oder andere da inn ablösche.
Denn das bedüütet: Hüt git’s im wahrste Sinn vom Wort e
„Moralpredigt“. Richtig. Es goht um Ethik, um Moral, ums
rechte Handle. Und am altiigsessne Protestant schliicht
s’nackte Graue über de Rücke. Denn er het doch glehrt und
weiss, dass mir eleigge dur de Glaube, eleigge dur d’Gnad
vo Gott, eleigge dur de Chrüüzestod vo Jesus Christus gerecht werde – und ebe grad ned durs rechte Handle. Stimmt.
Aber dä Predigttext richtet sich ned a Mensche, wo noni
glaube. Ned a Mensche, wo zerst no müend erkenne, wie sie
Vergebig überchöme. Nei: Dä Text richtet sich a Christe, wo
im Glaube stöhnd. Und dene seit de Petrus: „Ihr sollt heilig
sein in eurem ganzen Wandel!“ (V.15) Interessant: I praktisch allne nöitestamentliche Briefe het’s ethischi Abschnitt,
sogar i dene Briefe wie de Römer- und de Galaterbrief, wo
bekannt sind für ihri dogmatisch Darlegig vo de Grundlage
vom Glaube!
Denn genau dodrinn liit ja die gross Gfahr vom Protestant,
vom evangelisch-reformierte Christ: Dass mir vor luuter Betonig vo de Gnad, vom Glaube, vom Handle vo Gott vergesse,
dass Gott au en Aaspruch a öis het. Dass er vo öis ebe es
gheiligets Lebe erwartet. Es Lebe, wo das widerspieglet, wo
mir glaube: Ned schiinheilig, sondern heilig. Ehrlich. Echt.
Dass öis das, e sones gheiligets Lebe, ned immer wird glinge, chan ich scho voreweg näh. Dodrüber müend mir ned
diskutiere. Aber das söll öis ned dra hindere, i öisem Lebe
nach em Guete z’strebe und de Wille und Aaspruch vo Gott
ernst z’näh.
Luege mir also es paar Tugende aa, wo de Petrus ufzellt.
Ich beschränke mich uf vier Aspekt, uf vier Tugende:
1. Nüchternheit
„Seid nüchtern!“ (V.13) forderet de Petrus sini Leser als ersts
uf. Er denkt da natürlich ned i erster Linie a Alkoholkonsum
– obwohl das bis hüt es Thema isch, wo vieli Müeh händ
demit und wo sich e Predigt drüber au würd lohne. Aber da
goht’s doch no um meh. Meh chönnt das „Seid nüchtern!“ au
mit „Seid besonnen!“ übersetze. Wenn ich nüechtern bliibe, denn bhalt ich e klare Chopf. Das isch ned nur i Bezug
uf de Alkohol so, sondern au i andere Gebiet vom Lebe.
Wenn mir d’Kontrolle über öisi Gedanke verlüüre, wenn mir
ebe de Chopf verlüüre – wie bi übermässigem Trinke – denn
chunnt’s ned guet.
Aber wie goht das: Geistlichi Nüechternheit? In ere
Gmeind drohe grundsätzlich zwei Gfahre. Erstens isch
Schwärmerei e Gfahr. Mensche, wo alles besser wüsse, wo
besser glaube, richtiger bätte, geistlicher lebe. Und wo überzügt sind: Wenn d’Gmeind i dem oder dem Punkt besser
würd, denn wär alles guet. Wo Patentrezept abgähnd und ihri Meinig als eleigültigi löhnd loh stoh. Da muess me nüechtern bliibe. Me muess prüefe, hinterfrage, sich ned loh mitriisse.
Die ander Gfahr isch aber genau s’Gegeteil: Verstaubtheit,
Gsetzlichkeit, Unbeweglichkeit: „Bi öis het me das immer
so gmacht!“ – „Das ist scho immer so gsi!“ Ich säge Ihne: Ich
bi sehr dankbar, dass ich settigi Sätz i minere Arbeit nur
sehr, sehr selte ghöre. Natürlich isch es liechter, sich hinter
Gwohntem z’verstecke, statt Veränderig zuez’loh. Aber au
da giltet’s, nüechtern z’sii. D’Situation sachlich aaz’luege.
Offe und parat z’sii für Nöis, ohni s’Alte müesse z’verlügne.
Das isch e gsundi Nüechternheit: De Verstand iisetze.
Ned in e Schwärmeri grate, aber au ned mit Scheuklappe
Christ sii. Das isch e gueti Tugend, wo am ne Lebe im Glaube, am ne gheiligete Lebe entspricht.
2. Gehorsam
Als zweiti Tugend erwähnt de Petrus de Ghorsam. „Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen
ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet.“ (V.14)
Ghorsam – e Tugend, wo vielne Müeh macht. Wem sölle
mir denn ghorsam sii? „Gehorsame Kinder“ sind aagsproche; de Vater isch i dem Fall Gott. Mir sölle Gott ghorsam
sii. Und de Wille vo Gott für öises Lebe finde mir i de Bible.
Wie viel aagnehmer isch es aber, sini Ziit z’verplemperle,
statt Ziit und Chraft für Gottes Riich iiz’setze! Wie viel liechter
isch es, schlecht über anderi Mensche z’rede statt sie z’segne und für sie da z’sii! Wie viel schöner isch es, sich irgenden unnötige Luxus z’leiste statt öppis vörigs für nes Hilfswerch z’spende!
Dä Punkt forderet öis use. Als „Heiligi“ sölle mir ghorsam sii.
Und mir wüsse: De Wille vo Gott stimmt ned immer mit mim
Wille überii. Ich muess mich selber diszipliniere, zwinge –
sicher ned immer, Gott sei Dank, aber immer wieder. Im
Wüsse, dass es mir im Moment kei Vorteil und Nutze bringt,
wenn ich ghorsam bi. Ja, Ghorsam fallt öis schwer!
De Petrus schriibt da a Mensche, wo vermuetlich us ere
ganz heidnische Umwelt zum Glaube cho sind. Darum redt
er vo de „Begierden, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet“, wo d’Leser sölle ablegge. Früehner sind
die Christe als Heide unwissend gsi. Darum händ sie gar ned
chönne ghorsam sii. So isch es au bi öis. Erst wenn mir
zum Glaube chöme, chöne mir ghorsam sii. Mir müend
öis darum ned ufrege über s’gottlose Handle vo vielne Ziitgenosse. Denn wer gottlos isch, dä kennt ja nüt anders. Wenn
mir aber Gott kenne, denn kenne mir si Wille. Und denn
chöne mir ghorsam sii. Denn chöne mir öis unterscheide vo
de gottlose Welt um öis ume.
3. Gottesfurcht
„Führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in
Gottesfurcht.“ (V.17) D’Furcht vor Gott isch öis abhande
cho. Da bewundere ich d’Katholike. Wenn sie i d’Chile chöme, mache Sie e Knicks und bekrüüzige sich. Was mache
mir, wenn mir i d’Chile chöme? Mir luege als ersts, wer scho
da isch, wo mir wänd änesitze (und nebe wem sicher ned!),
sitze ab und föhnd a schwätze.
Füehle mir öis mängisch chli z’sicher i öisem Glaube?
Händ mir de Respekt vor Gott verlore? Isch öis bewusst,
dass Gott i verschiedene Stelle vo de Bible au furchterregend isch, zornig isch, bestraft und vernichtet? Natürlich, das
isch ned im Vordergrund. Gott isch zerst und vor allem Liebi.
Doch sini Macht söll i öis au e gwüssi Ehrfurcht erzüüge.
Mir sind doch ganz i sine Händ! Jede Moment chönnt er öis
uslösche! Jede Moment chönnt er öis zur Recheschaft zieh
für öisi Schuld! Und grad wer Vergebig empfange het, dä
muess doch ehrfürchtig stuune und aabätte: Gottes Gnad
isch gross. Lehre mir darum, i Gottesfurcht z’lebe.
Gottesfurcht macht öis ned ängstlich und niedergschlage. Im
Gegeteil: Wer Gott fürchtet, cha froh und frei sii.
4. Bruderliebe
Chöme mir no zu de vierte Tugend: Bruederliebi: „Habt
euch untereinander beständig lieb aus reinem Herzen.“
(V.22) Da sind mir jetz bim ne ganz bekannte Stichwort aaglangt. Über d’Bruederliebi, also über d’Liebi zwüsche de
Glaubensgschwisterti isch a vielne Stelle im Nöie Testament d’Red. Aber grad das Stichwort macht öis vilicht no
meh Müeh als die erste drü. Denn wie öisi liibliche Gschwisterti, so chöne mir au öisi Glaubensgschwisterti ned ussueche. Es het da eifach Christe drunter, wo mir unsympathisch sind – das eleigge gieng ja grad no –, won ich Krach
und Striit ha mit ihne oder won ich ihne süsch us em Weg
goh.
Und es isch darum sicher ned falsch, wenn ich behaupte: Au
hüt Morge het’s unter öis Persone, wo sich gegesiitig nie
zum ne Znacht würde iilade. Das isch e Tatsach.
Verlangt de Petrus da ned Unmöglichs vo öis? Mir chöne
doch ned über de eiget Schatte springe. Und mir chöne au
d’Vergangeheit ned vergesse mache, wo öis e sogenannte
„Brüeder“ verärgeret und verruckt gmacht het!
Ja, Bruederliebi isch schlussendlich öppis Unmöglichs!
Oder ums mit emne bekannte Wort vo Jesus us anderem
Zämehang z’säge: „Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber
nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“ (Mk
10,27) Bruederliebi isch so au Veränderig, wo Gott möglich
macht. Vilicht isch’s nur e chliine Schritt, wo möglich isch.
Als „Heiligi“, als Christe sölle mir probiere, dä chlii Schritt
z’mache. Bruederliebi wird nie perfekt funktioniere. Aber
denke mir dra: Mir werde ned nur no einigi Jahr mitenand i
öisere Chilegmeind verbringe, sondern schlussendlich au
d’Ewigkeit im Himmel! Da muess es doch möglich werde,
mit Gottes Hilf e Schritt ufenand zuez’goh.
Mir chöme zum Schluss vo dere „Moralpredigt“. Es gheiligets
Lebe isch es Lebe, wo ned nur Gott ghört, sondern wo
sich au vo Gottes Richtlinie loht loh leite. Oder das wenigstens probiert! Das isch s’Paradoxe: Obwohl d’Christe i de
Bible als Heiligi aagsproche werde, sind sie’s ja eigentlich
doch noni, denn sie sind noni perfekt. Darum gfallt mir de
Schluss vom ne Lied vom christliche Komiker-Duo „Superzwei“. Det heisst’s: „Ich bin kein Heiliger, doch einmal werd
ich’s sein.“
Mi Wunsch für mich: Dass d’Mensche mich ned als schiinheilig aaluege, sondern erkenne, dass mis Lebe öppis usstrahlt: Liebi zu Gott. Dass Mensche nöigierig werde uf dä
Gott. Dass Mensche dur mis Lebe, wo erst afe echli heilig
isch, Interesse überchöme a dem grosse, heilige Gott.
Amen
Pfarrer Christian Bieri
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