ABC des Pfarrerdienstrechts Hans-Eberhard Dietrich, 2009 In diesem Beitrag sollen einige wichtige Stichworte zum Verständnis des Pfarrerdienstrechts erläutert werden: A Amtsverständnis E Eigenart des Pfarrberufes G Grenzen innerkirchlichen Eigenrechts O Ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung. Kirchenrecht darf es nicht ohne die Bindung an das Bekenntnis geben V Versetzung -------------------------------------------------------------------------------A Amtsverständnis Pfarrberuf – kein Beruf wie jeder andere Der Beruf des Pfarrers ist kein Beruf wie jeder andere. Er zeichnet sich durch eine Doppelstruktur aus: Neben der rechtlich-weltlichen besitzt er noch eine geistliche, theologische Dimension, die sich aus dem Amtsverständnis der protestantischen Theologie ergibt. Grundlage dieser Theologie die das Augsburger Bekenntnis, das von Lutheranern und Reformierten gleichermaßen anerkannt wird. Im Artikel V heißt es: „Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament zu geben, dadurch er als durch Mittel des heiligen Geist, gibt, welcher den Glauben, wo und wann er will, in denen, so das Evangelium hören, wirket, welches da lehret, dass wir durch Christus Verdienst, nicht durch unser Verdienst, ein gnädigen Gott haben, so wir solchs glauben.“ Glauben setzt Predigen voraus Der Glaube kommt aus dem Hören auf das Wort Gottes, wie es in der heiligen Schrift bezeugt ist. Dieses Wort muss ausgelegt, gelehrt und gepredigt werden. Das geschieht auf zweierlei Weise: Zum einen durch das Priestertum aller Gläubigen. Das heißt, jeder Christ ist zur Weitergabe der frohen Botschaft nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet. Eine christliche Gemeinde ist dort, wo das lautere Evangelium verkündigt wird. Diese Verkündigung ist jedem Christen aufgetragen. Die ganze Gemeinde hat diese Vollmacht, weil es in ihr keine Herrscher und Untertanen gibt, wie sonst in der Welt, sondern die Lehrer müssen sich dem Urteil der Zuhörer stellen, wobei wiederum jeder dem anderen untertan ist. Es gibt nur eine von der ganzen Gemeinde gemeinsam verantwortete Verkündigung. Neben dem Priestertum aller Gläubigen braucht die Kirche das Predigtamt. Es dient der öffentlichen Verkündigung. Denn das Evangelium richtet sich an alle Welt („gehet hin in alle Welt“, Matthäus 28). Deshalb braucht es eine Institution, die das gewährleistet: das Predigtamt. Das Besondere dieses Amtes ist: Gott selbst hat es eingesetzt. „Ein Predigtamt, Pfarramt und das Evangelium ist nicht unser, noch eines Menschen, sondern allein Gottes, unseres Herrn, der es mit seinem Blut erworben, geschenkt und gestiftet hat zu unserer Seligkeit.“( Martin Luther, Brief 25. Januar 1543 Weimaraner Briefe Band 10, Nr. 3844) Der Inhaber, die Inhaberin des Predigtamtes muss entsprechend ausgebildet, ordentlich berufen und eingesetzt sein. Unversetzbarkeit um des Amtes willen Wenn die Gemeinde jedoch einen Prediger gewählt und bestätigt hat (Luther hatte sich 1523 für das Recht der Gemeinde, sich einen Pfarrer zu wählen, ausgesprochen. (Otto Clemen, 1 Luthers Werke in Auswahl 2. Band, 1959 S. 395ff), nicht jedoch, den Pfarrer wieder abzuwählen. dann darf sie ihn nicht mehr entlassen, sofern er das reine Evangelium predigt oder sich eines unsittlichen Lebenswandels schuldig gemacht hat. Das Predigtamt hat eine von der Gemeinde unabhängige Qualität und Würde. Der mit der öffentlichen Verkündigung Betraute wird durch Ausbildung dazu befähigt und durch die Ordination von der Kirche in sein Amt berufen und eingesetzt Damit ist das Predigtamt grundsätzlich der Verfügbarkeit der Menschen, auch der Glaubenden entzogen. Es ist nicht einfach eine Funktion der Kirche oder der Gemeinde. Die Gemeinde hat das Recht der Pfarrerwahl, nicht jedoch das Recht, den Pfarrer abzuwählen oder wegzuschicken. Kirche braucht beides: das Predigtamt und das Priestertum aller Gläubigen. Beide stehen in einem Spannungsverhältnis, nicht in einem Gegensatz. Gemeinde und öffentliches Amt sind gleichwertig nebeneinander mit je ihren besonderen Aufgaben betraut. Versetzung gegen den Willen des Stelleninhabers In der Tradition der Kirche wurde aus praktischen Gründen, nicht aus theologischen, immer auch eine Versetzung gegen den Willen des Stelleninhabers praktiziert, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Amtsinhaber und Gemeinde irreparabel gestört war. Der Rechtsschutz bestand darin, dass ein Geistlicher zwar seine Stelle verlor, nicht aber das Recht auf das Pfarramt, d.h. ihm wurde eine andere, gleichwertige Stelle angeboten oder zugewiesen und jeder Anschein einer Bestrafung wurde vermieden. Damit war eine rechtliche Konstruktion gefunden, die den Inhaber des Predigtamtes gewährleistete, unabhängig von der Gemeinde und der Kirchenleitung das Wort Gottes zu verkündigen. Zugleich aber wurde auch dem Interesse der Gemeinde Rechnung getragen, dass bei Verlust des gegenseitigen Vertrauens eine Versetzung des Stelleninhabers möglich war. Eine solche Versetzung war aber nicht mit negativen Rechtsfolgen verbunden. Literatur Hans-Eberhard Dietrich, Wider Kirchenraub und Kläffer. Luthers Ablehnung einer Zwangsversetzung von Pfarrern. Deutsches Pfarrerblatt 10/2008. Ders., Amtsverständnis und Pfarrerdienstrecht der protestantischen Kirchen in Deutschland. Dt. Pfbl. 6/2006. ------------------------------------------------------------------------------E Eigenart des Pfarrberufes Der Beruf des Pfarrers ist kein Beruf wie jeder andere Er zeichnet sich durch eine Doppelstruktur aus. 1. die geistliche Dimension, vom Glauben abgeleitet; (siehe: Amtsverständnis) 2. die weltlich-rechtliche Seite des Dienstverhältnisses. Er wird von einer Kirche angestellt und für seinen Dienst entlohnt. Sie ist weitgehend nach Kriterien des Beamtenrechts ausgestaltet, insbesondere die versorgungsrechtlichen Bestimmungen. 1. Die geistlich-theologische Seite des Berufes bedeutet: Der Geistliche ist Träger der öffentlichen Verkündigung. In dieser Funktion steht der Pfarrer mit seiner Überzeugung, seinem Glauben und seiner Person im besonderen Interesse nicht nur der Gemeindeöffentlichkeit. Er ist durch die Ordination an Bibel und Bekenntnis, die Ordnungen der Kirche und an das Beichtgeheimnis gebunden. Eine Verletzung dieser Amtspflichten hat auch dienstrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entlassung zur Folge. Geistliche haben ihren Beruf aus innerer Überzeugung gewählt. Sie wollen mit ihrem ganzen Leben der Verkündigung und ihrer Kirche dienen. Ordinationsversprechen des Pfarrers z.B. der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, zugleich Versprechen bei jeder Amtsinvestitur: 2 "Im Aufsehen auf Jesus Christus, den alleinigen Herrn der Kirche, bin ich bereit, mein Amt als Diener des göttlichen Wortes zu führen und mitzuhelfen, dass das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift gegeben und in den Bekenntnissen der Reformation bezeugt ist, aller Welt verkündigt wird. Ich will in meinem Teil dafür Sorge tragen, dass die Kirche in Verkündigung, Lehre und Leben auf den Grund des Evangeliums gebaut werde, und will darauf achthaben, dass falscher Lehre, der Unordnung und dem Ärgernis der Kirche gewehrt werden. Ich will meinen pfarramtlichen Dienst im Gehorsam gegen Jesus Christus nach der Ordnung unserer Landeskirche tun und das Beichtgeheimnis wahren ." (§ 2 Abs. 4 Einführungsordnung. Württembergisches Pfarrergesetz § 3 Abs. 1.) 2. Die weltlich-rechtliche Seite des Dienstverhältnisses Die rechtliche Ausgestaltung des Pfarrerdienstrechts muss den Gestaltungsprinzipien des Beamtenrechts folgen, weil es ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis ist, also dem so genannten Typenzwang unterliegt. „Es entspricht der historisch überkommenen Praxis der evangelischen Landeskirchen dies in weitgehender Übernahme oder Anlehnung an das staatliche System zu tun. Dazu ist folgendes festzustellen: Im kirchlichen Bereich gelten die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Artikel 33 Abs. 5 GG nicht unmittelbar. Die Kirchen sind aber an die tragenden Prinzipien gebunden, die das öffentlichrechtlich organisierte Beamtenverhältnis kennzeichnen, wenn sie ihre Dienstherrenfähigkeit nicht in Frage stellen wollen.“ (Jörg Winter, Kirchenrechtliche Entwicklung der Evangelischen Landeskirche Baden 1990 - 2000. In: Staat- Kirche- Verwaltung. Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag. Beck Verlag 2001 S.522.) Soweit die Kirche den Dienst des Pfarrers in Form eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausgestaltet, ist davon auszugehen, dass Art 33 Abs. 5 GG zwar nicht unmittelbar gilt, jedoch der Typenzwang, der vom staatlichen Recht vorgegeben ist, insoweit zu beachten ist als sich mit der Gestaltung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses im kirchlichen Rahmen gewisse typische Rechte und Verpflichtungen für beide Seiten ergeben. Mit dieser Ausgestaltung hat sich die Kirche eine Selbstbeschränkung auferlegt und muss sich auch daran halten. Die Alternative wäre ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis. Dann unterliegt aber der kirchliche Mitarbeiter der Sozialversicherungspflicht und der Sozialgesetzgebung. D.h. die Kirche muss sich immer an irgendwelche weltlichen Gesetze halten. Wieweit die weltlich-rechtliche Seite des Dienstverhältnisses Kriterien des Beamtenrechts entsprechen muss, ist staatskirchenrechtlich unentschieden, d.h. in der Rechtsprechung kirchlicher und staatlicher Gerichte bleibt diese Frage offen. Sieht man jedoch die Dienstherrenfähigkeit der Kirche als eine vom Staat abgeleitete Hoheitsbefugnis an, muss auch die weltlich-rechtliche Seite staatlicherseits nachprüfbar sein. ( ( Hermann Weber, NJW 2003 Heft 29 vom 14.7.2003 S. 2067ff. Bundesverwaltungsgericht. Urteil vom 30.10. 2002. Wie es Professor Hermann Weber) Diese Ansicht wird bestätigt durch ein Urteil des BVG vom 09.12.2008, in dem es heißt: „Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bedeutet keine Ausklammerung aus der staatlichen Rechtsordnung im Sinne rechtsfreier Räume, sondern sie begründet im Gegenteil eine die gemeinschaftliche Freiheitsausübung respektierende Sonderstellung innerhalb der staatlichen Rechtsordnung.“ (Ziffer 4 des Urteils) Literatur: Hans-Eberhard Dietrich, Amtsverständnis und kirchliches Dienstrecht in protestantischen Kirchen. Dt. Pfbl. 6/2006. ------------------------------------------------------------------------------------------------G Grenzen innerkirchlichen Eigenrechts 3 Das Grundgesetz und seine Schranken Der Kirche wird durch die Verfassung zugestanden, ihre inneren Angelegenheiten durch eigenes Recht zu regeln: (Artikel 140 GG i.V.m. Art. 137 III WRV), das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“ Die Kirche darf nach dem Grundgesetz eigenes Recht erlassen, muss aber dabei „das für alle geltende Gesetz“ achten, mit anderen Worten, sie kann es nicht unbeschränkt und willkürlich tun. Das für alle geltende Gesetz sind nicht etwa die Gesetze, an die sich alle Menschen halten müssen. Der Umfang ist nicht genau festgelegt. Es hat sich Folgendes als verbindlich herausgebildet: Grundprinzipien der Rechtsordnung: Willkürverbot Art 3 GG Begriff der guten Sitten, Bürgerliches Gesetzbuch § 138 Abs. 1 „Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“ ordre public, d. h. öffentliche Ordnung, eine Rechtsnorm ist nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. (vgl. Artikel 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) Die Kirche ist deshalb nicht an die Grundrechte gebunden. „Aus dem Hinweis auf das „für alle geltende Gesetz“ ergibt sich freilich nicht, dass damit eine umfassende Grundrechtsbindung der Landeskirche einhergeht, mit zwei Ausnahmen: wenn die Kirche Gewalt ausübt als grundrechtsgebundene öffentliche Gewalt oder als Unterfall der Begrenzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts.“ „Grundrechte waren von Anfang an Schutzrechte des Staatsbürgers gegen die staatliche Gewalt, nicht aber gegen Mitbürger, Familienangehörige, Arbeitgeber oder sonstige nichtstaatliche Teilnehmer am Rechtsleben. Deshalb sind die Kirchen, solange sie nur kraft ihrer nicht vom Staat verliehenen Kirchengewalt tätig werden, an Grundrechte nicht gebunden.“(Axel von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 1996 3. Auflage S. 124.) „So weit dieses Pfarrerdienstrecht weltliche Belange berührt, wird es vom Staat auf Grund der öffentlich-rechtlichen Körperschaftsgarantie und der darin enthaltenen Dienstherrenfähigkeit der Kirchen als öffentliches Dienstrecht anerkannt- u.a. mit der Folge, dass Pfarrer nicht dem Arbeits- und Sozialrecht unterliegen.“ (Rainer Mainusch, Aktuelle kirchenrechtliche und kirchenpolitische Fragestellungen im Pfarrerdienstrecht. Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 47. Band 1. Heft März 2002, S. 3.) Selbst wenn nicht entschieden ist, wieweit der sog. Typenzwang reicht, ja das Bundesverfassungsgericht eine generelle Geltung verneint hat, kann das nicht heißen, dass die Kirche sich ein Recht schafft, das jenseits aller Logik rechtlicher Kategorien steht. In der konkreten Ausgestaltung ist das Kirchenrecht an die Logik und die Gestaltungsprinzipien allen sonstigen Rechts gebunden. Solange die Kirche nicht vollendete himmlische Gemeinde ist, ist sie auch ein soziologisches Gebilde und wird mit der Vernunft regiert. Die Vernunft hat in der abendländischen Tradition die Menschenrechte und die Gewaltenteilung hervorgebracht. Weicht die Kirche davon ab, muss sie es von ihrer Lehre her begründen. Das Kirchenrecht und seine Bindung Der Sinn des Kirchenrechts wird von der Augsburgischen Konfession so beschrieben: „Von Kirchen Ordnung, von Menschen gemacht, lehrt man diejenigen halten, die ohne Sünde mögen gehalten werden und zum Frieden und guter Ordnung in der Kirche dienen.“ (Augsburgische Konfession Artikel XV). 4 Das heißt: Das Kirchenrecht muss sich wie alles Recht an dem Zweck der Friedenssicherung, der Konfliktlösung und dem gerechten Interessensausgleich orientieren. Hier wird aufgenommen, was die Reformatoren „Friede und guter Ordnung in der Kirche“ nannten. Neben der Bindung an die Vernunft muss in gleicher Weise die Bindung an das Bekenntnis stehen, das heißt es muss der Verkündigung und dem christlichen Leben der Gemeinde dienen. Nur von dieser Aufgabe her wird das Recht legitimiert. Die „Qualität“ des Kirchenrechts muss mindestens dem des weltlichen Rechts entsprechen. Aus alle dem ergibt sich die unbestrittene Forderung, das Kirchenrecht muss dem Evangelium dienen oder es ist keine rechte Ordnung. Deshalb kann das Kirchenrecht nicht einfach begründet werden mit rein pragmatischen Notwendigkeiten ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung. „Im übrigen müssen wir uns im Kirchenrecht frei machen von jener oberflächlichen aber zäh festsitzenden Anschauung, derzufolge die Wahrnehmung kirchlicher und gemeindlicher Dienste nur eine ‚praktische Notwendigkeit` sei ohne geistlichen Sinn und vor allem ohne geistliche Ordnung, ohne biblische Weisung.“ (Erik Wolf, Bekennendes Kirchenrecht. In: E. Wolf, Rechtsgedanken und biblische Weisung. Furche Verlag Tübingen, 1948, S. 76.) Diese Mahnung der Bindung an das Bekenntnis wird ein halbes Jahrhundert später von Peter von Tiling vehement eingefordert, wenn er schreibt: „Es gibt doch auch im kirchlichen Recht selbst Schranken. Wenigstens das Bekenntnis ist eine solche Schranke, aber auch überkommene Grundprinzipien des kirchlichen Rechts, des gemeinen Kirchenrechts, die eine grundrechtsähnliche Wirkung entfalten. Manche Kircheinleitungen und Synoden gerieren sich so, als hätten die Weimarer Artikel die Kirche nicht nur von staatlicher Bevormundung befreit, sondern die zentralkirchlichen Organe auch in die Position eine absoluten Monarchen gebracht, der im Bereich der eigenen Angelegenheiten alles kann, Patronate und Erbbegräbnisse aufheben, ortskirchliche Stiftungsvermögen einziehen und Dienstverhältnisse nach Belieben gestalten. Hat nicht der Grundsatz der Unversetzbarkeit des Pfarrers mit dem lutherischen Bekenntnis zu tun?“ (Peter von Tiling, Die Versetzung von Pfarrern, insbesondere „mangels gedeihlichen Wirkens“. ZevKR 1998, S. 67ff.) Literatur Hans-Eberhard Dietrich, Menschenrechte in der Kirche. www.igrechtinderkirche.de ders.: Ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung. Kirchenrecht darf es nicht ohne die Bindung ans Bekenntnis geben. 2009 Mauskript --------------------------------------------------------------------------------------O Ohne Bindung an Bibel und Bekenntnis Fehlende Maßstäbe Misst man die Bestimmungen des Pfarrerdienstrechts, die eine „Veränderung der Dienstverhältnisse“ regeln (Wartestand), so kommt man zu dem Urteil, dass weder bei der Gesetzgebung noch bei der Fortschreibung der Gesetze in den letzten 60 Jahren ein Bezug zum Bekenntnis erkennbar ist. Dies ist um so erstaunlicher als seit Barmen (1934), insbesondere aber seit der Nachkriegszeit ein Konsens darüber besteht, dass das Kirchenrecht nicht ohne Bezug zum Bekenntnis stehen darf. Trotz Barmen, trotz der Aufnahme wichtiger theologischen Termini im bayerischen Pfarrerdienstgesetz von 1939, trotz der Aufbruchstimmung nach 1945, sich im Kirchenrecht nach dem Bekenntnis zu richten, trotz intensiver Beschäftigung mit den einschlägigen theologischen Themen bei der Gesetzgebung der EKU 1960 und der VELKD 1963, trotz einer dringenden Bitte des Pfarrvereins 1957, das Gesetz müsse auf Schrift und Bekenntnis Bezug nehmen und es müssen praktische Folgerungen daraus gezogen werden, schlägt sich 5 das Bekenntnis nicht im Dienstrecht nieder. Der Geistliche genießt bis heute trotz der Behauptung der Unversetzbarkeit keinen seiner Aufgabe der Verkündigung adäquaten Rechtsschutz. (Hans-Eberhard Dietrich, Ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung. Kirchenrecht darf es nicht ohne die Bindung ans Bekenntnis geben. 2009 Mauskript) Folgen der Theologielosigkeit Die Ausklammerung der Theologie aus dem Bekenntnis hat dienstrechtliche Regelungen hervorgebracht, die geradezu die Grundlagen der Kirche erschüttern, weil eine unabhängige Wortverkündigung nicht mehr möglich ist, wenn der Inhaber des Pfarramts keinen adäquaten Rechtsschutz genießt. Die Gründe für die Ausklammerung der Theologie Worin liegen die Gründe? Peter von Tiling bringt diese Problematik auch in einem Aufsatz aus dem Jahre 2000 zur Sprache. „Zur Umsetzung des Programms (Barmen ernstnehmen) ist es nur in den verfassungsrechtlichen Grundaussagen gekommen, nicht aber deutlich in den Pfarrergesetzen selbst. Der Grund dafür lag daran, dass man das Pfarrerdienstrecht überwiegend als eine technische Materie sah, dem Beamtenrecht nachgebildet und bestimmt durch Verfahrensvorschriften und rechtsstaatlichen Sicherungen. Einen Bezug zum Bekenntnis wollte man nicht wahrhaben, ja alle Theologie wollte man vermeiden.“ (Peter von Tiling, Die Bedeutung des Bekenntnisses für das Pfarrerdienstrecht. Zeitschrift der Savoyen-Stiftung für Rechtsgeschichte, 2000, S. 525) Wenn aber die Kirche allen Bezug auf das Bekenntnis vermeidet und das Pfarrerdienstrecht rein technisch wie das Beamtenrecht ansieht, dann darf der Wartestand nicht länger dem Selbstverständnis der Kirche und dem Kernbestand kirchlicher Arbeit zugerechnet werden. Denn in der Bindung des Kirchenrechts an das Bekenntnis und seine Gültigkeit für das Pfarrerdienstrecht geht es nicht um Allotria, sondern um das Kernstück evangelischen Kirchenverständnisses: eine unabhängige Verkündigung der frohen Botschaft. Ausklammerung der Theologie aus dem Kirchenrecht verstößt gegen die Kirchenverfassung Es stellt sich die Frage, ob die handelnden Personen der Kirchenleitung und der Synoden ihre eigene Verpflichtung auf die Grundlagen der Kirche – die Kirchenverfassung – ernst nehmen, in der es z.B. in Württemberg heißt: „Die evangelische Kirchen in Württemberg, getreu dem Erbe der Väter, steht auf dem in der Heiligen Schrift gegebenen, in den Bekenntnissen der Reformation bezeugten Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn. Dieses Evangelium ist für die Arbeit und Gemeinschaft der Kirche unantastbare Grundlage.“ (§ 1 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.) Die Grundordnungen, bzw. Verfassung aller anderen Landeskirchen und der EKD enthalten ähnliche Selbstverpflichtungen. -----------------------------------------------------------------------------------------V Versetzung Regelungen im Beamtenrecht Versetzung ist ein Begriff aus dem Beamtenrecht. Der Versetzung geht beim Normaltypus eines Beamten (nicht beim Wahlbeamten oder politischen Beamten (Die derzeitige Rechtslage verbietet es, den Pfarrer wie einen politischen Beamten zu behandeln. Siehe dazu Urteil Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht vom 24.11.2006 AZ 3 LB 15/5 11A 128/01.) eine Ernennung auf Lebenszeit voraus. (Siehe hierzu auch Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof Frankfurt a.M. vom 22.03.2004) Der Dienstnehmer verspricht dem Arbeitgeber lebenslange Treue. Dieser Treuepflicht entspricht auf Seiten des Arbeitsgebers Fürsorgepflicht und Bezahlung, Alimentation. 6 Die Ernennung ist mit einem konkreten Amt verbunden. Ein Grundsatz des Berufsbeamtentums ist das eigene Recht zur Amtsführung, d.h. die Zuweisung eines konkreten Aufgabengebietes, z.B. Bearbeitung von Hundesteuer und die Zuweisung einer dienstrechtlichen Stellung in einer Behörde, z.B. Inspektor, Regierungsrat. Er wird entsprechend seiner Ausbildung eingesetzt und dafür in der Besoldungshierarchie alimentiert. Durch eine Versetzung kann der Inhalt des Amtsführungsrecht zwar geändert werden, z.B. statt Hundesteuer, Strafzettel. Insofern besteht kein Recht auf eine unveränderte Beibehaltung eines bestimmten Aufgabengebietes. Das Amtsführungsrecht selbst steht jedoch auch im Rahmen einer Versetzung nicht zur Disposition, da die Versetzung nur in ein anderes Amt möglich ist, nicht aber in einen Zustand ohne Amt. Eine Versetzung ist nur auf eine gleichwertige (zumindest gleich bezahlte) Stelle möglich. Dem Beamten, der Beamtin darf ohne Einverständnis keine Tätigkeit zugewiesen werden, die – gemessen an ihrem statusrechtlichen Amt, seiner/ ihrer Laufbahn und ihrem Ausbildungsstand - „unterwertig“ ist. Sie darf nicht von vornherein befristetet sein. (Entscheidung Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 26.Oktober 2004 – Vf. 15-VII-01.) Eine Versetzung zur Untätigkeit ist nicht zulässig (§ 26 BBG). Es ist eine Verletzung des Gebotes der amtsangemessenen Beschäftigung. Kurzzeitige Nichtbeschäftigung setzt voraus, dass eine Übertragung eines Amtes in absehbarer Zeit in Aussicht steht. Kritik an kirchenrechtlichen Regelungen Die Normalform des Beamten ist der Beamte auf Lebenszeit. Ein Gesetz, das die Ausgliederung ermöglicht, ist staatskirchenrechtlich äußerst bedenklich. Denn das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Pfarrers sieht in gleicher Weise wie das Beamtenrecht die lebenslange Dauer des Dienstverhältnisses vor. Die lebenslange Dauer zählt zu den unverzichtbaren Grundsätzen des Berufsbeamtenrechts und bindet auch die Kirche bei der Gestaltung ihres Dienstrechts. Die Zehnjahresbefristung z.B. macht den Pfarrer, die Pfarrerin de facto zu einem Wahlbeamten, bzw. politischen Beamten, ohne dass er auch so gezahlt und rechtlich so abgesichert wird. Die Abwahlmöglichkeit z.B. bedeutet Wartestand, also einen Status minderen Rechts. Ein solcher Status ist mit den tragenden Grundsätzen des Beamtenrechts unvereinbar. Abweichung der Kirchen vom Beamtenrecht Umstritten und von der Rechtsprechung nicht eindeutig entschieden ist die Frage, ob sich die Kirche an den sogenannten Typenzwang halten muss und wenn, in welchem Umfang. Nach dem Selbstverständnis der Kirche darf sie im Hinblick auf die Versetzung in den Wartestand von Kriterien des Beamtenrechts abweichen, um einen Konfliktfall zu lösen. Nur so könne sie ihrer Verpflichtung zu einer ordnungsgemäßen Verkündigung gerecht werden. Widerspruch zum Amtsverständnis Ein von einem protestantischen Amtsverständnis abgeleitetes Kirchenrecht widerspricht einer solchen Regelung. Die Versetzung in den Wartestand, die eine Ausgliederung aus dem Beruf zur Folge hat, ist historisch gesehen ein Bruch in der Rechtsgeschichte seit der Reformation. Literatur Hans-Eberhard Dietrich: Wider Kirchenraub und Kläffer. Dt.Pfbl. 10/2008. ders. Die Versetzung von Pfarrern in der protestantischen Tradition und die Einführung des Wartestandes. EvKR 2008/2. 7