Shoah Workshop

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BJSD & Jafi go BACK TO THE ROOTS
Bedeutung der Shoa in unserer jüdischen Identität heute
Ziel dieser Aktivität:
Die Beschäftigung mit der Shoa, das Erinnern an die Opfer ist in den letzten 60 Jahren ein
wichtiger Bestandteil jüdischen Lebens in Deutschland und Lettland. Allerdings wird selten
hinterfragt, warum man der Shoah gedenkt, welchen Sinn und Zweck dies erfüllt.
Dies Fragestellung behandelt dieser Workshops. Ein zweites Ziel ist auch, den Studenten
überhaupt die Ideologie des Nationalsozialismus zu vermitteln. Zwar denken die meisten
Studenten, sie wüsste alles über die NS Zeit, evtl kann man insb. am Text von Weltsch aber noch
mal das besondere des rassischen Antisemitismus vor Augen führen.
Material:
Zitate über die Zeit der Shoa bzw. die Beschäftigung mit der Shoah in der Gegenwart auf Blätter
kopiert. Jeder soll zum Schluss alle Zitate haben. + Leere Blätter und Stifte.
Zeit:
Zwei Tage a zwei Stunden
Anleitung:
Der ganzen Gruppe werden die Texte, von Weltsch + Frank. Zu jedem der Texte sollen sich die
Studenten kurze Kommentare aufschreiben und überlegen, welche Themen den Autoren
besonders wichtig sind und warum. Was hat die Person aus der Situation gelernt. Weiter sollen
sich die Studenten entscheiden, mit welchem Text sie sich am meisten identifizieren können.
Gemäß dieser Entscheidung wird die Gruppe in insgesamt 4-5 Kleingruppen a 6-7 Menschen
aufgeteilt.
In den Kleingruppen sollen sich die Studenten austauschen, warum sie sich gerade für diesen
Text entschieden haben und was Ihnen an den einzelnen Texten gefällt oder nicht gefällt. Weiter
sollen sie diskutieren, welche Schlüsse man aus den Texten bezüglich des Gedenkens und der
Erinnerungskultur ziehen kann. Die Ergebnisse werden später in der großen Gruppe vorgestellt
und wieder diskutiert.
Am nächsten Tag wird den Gruppen der Text von Elkana verteilt. Wieder sollen sie sich
Gedanken zu dem Text machen (privat aufschreiben) und wieder überlegen, welche
Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede sie zu jenem Text sehen, den sie sich am Vortag
ausgesucht haben. Im Anschluss sollen die kleinen Gruppen nun eine Antwort auf den Text von
Elkana formulieren, warum es wichtig (oder nicht wichtig) ist, der Shoah zu Gedenken und
welche Lehren sie aus der Shoah ziehen können (oder eben auch nicht).
BJSD & Jafi go BACK TO THE ROOTS
Robert Weltsch
Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!
Robert Weltsch (Prag 1891-1982 Jerusalem) war von 1919 bis 1938 in Berlin Chefredakteur der
Jüdischen Rundschau, dem Publikationsorgan der Zionistischen Vereinigung für Deutschland. Nach dem
Novemberpogrom emigrierte er nach Palästina, lebt von 1946 bis 1978 in England und leitet viele Jahre
das Leo Baeck Institut in London. Unter dem Eindruck des Boykottaufrufs der Nazis gegen jüdische
Geschäfte schreibt er folgende Zeilen.
Die Juden können heute nicht anders als als Juden sprechen. Alles andere ist völlig sinnlos. [...] Der Spuk
der sogenannten "Judenpresse" ist weggeblasen. Der verhängnisvolle Irrtum vieler Juden, man könne
jüdische Interessen unter anderem Deckmantel vertreten, ist beseitigt. Das deutsche Judentum hat am 1.
April eine Lehre empfangen, die viel tiefer geht, als selbst seine erbitterten und heute triumphierenden
Gegner annehmen. [...] Auf Ereignisse von dieser Wucht mit sentimentalen Salbadereien zu reagieren,
überlassen wir jenen Juden einer vergangenen Generation, die nichts gelernt und alles vergessen haben.
Es bedarf heute eines neuen Tones in der Diskussion jüdischer Angelegenheiten. [...] Der 1. April 1933
kann ein Tag des jüdischen Erwachens und der jüdischen Wiedergeburt sein. Wenn die Juden wollen.
Wenn die Juden nicht so sind, wie sie von ihren Gegnern dargestellt werden. Das angegriffene Judentum
muß sich zu sich selbst bekennen. [Im Boykotaufruf heißt es:] "Es handelt sich ... selbstverständlich um
Geschäfte, die sich in der Händen von angehörigen der jüdischen Rasse befinden. Die Religion spielt
keine Rolle. Katholisch oder protestantisch getaufte Geschäftsleute oder Dissidenten jüdischer Rasse sind
im Sinne dieser Anordnung ebenfalls Juden." Dies ist ein Denkzettel für alle Verräter am Judentum. Wer
sich von der Gemeinschaft wegstiehlt, um seine persönliche Lage zu verbessern, soll den Lohn dieses
Verrats nicht ernten. [...] Der Jude, der sein Judentum verleugnet, ist kein besserer Mitbürger als der, der
sich aufrecht dazu bekennt. [...] Viele Juden hatten am Sonnabend ein schweres Erlebnis. Nicht aus
innerem Bekenntnis, nicht aus Treue zur eigenen Gemeinschaft, nicht aus Stolz auf eine großartige
Vergangenheit und Menschheitsleistung, sondern durch den Aufdruck des roten Zettels und des gelben
Flecks standen sie plötzlich als Juden da. Von Haus zu Haus gingen die Trupps, beklebten Geschäfte und
Schilder, bemalten die Fensterscheiben, 24 Stunden lang waren die deutschen Juden gewissermaßen an
den Pranger gestellt. [...] Die jüdische Antwort ist klar. Es ist der kurze Satz, den der Prophet Jona sprach:
Iwri anochi. Ja, ein Jude. Zum Jude-Sein Ja sagen. Das ist der moralische Sinn des gegenwärtigen
Geschehens. [...] Wir gedenken aller derer, die seit fünftausend Jahren Juden genannt, als Juden
stigmatisiert wurden. Man erinnert uns, dass wir Juden sind. Wir sagen Ja, und tragen es mit Stolz.
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Anne Frank
Tagebuch 15.Juli 1944
Anneliese Marie Frank (* 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main - Februar oder März 1945 im KZ BergenBelsen) war ein jüdisch-deutsches Mädchen, das sich mit seiner Familie während des Zweiten Weltkriegs
in Amsterdam versteckt hielt, aber noch kurz vor Kriegsende dem nationalsozialistischen Völkermord zum
Opfer fiel. Das Leben im Versteck hielt sie in einem Tagebuch fest, das erhalten blieb und nach dem Krieg
veröffentlicht wurde.
Liebe Kitty! [...] Ich habe einen sehr hervorstechenden Charakterzug, der jedem auffallt, der mich kennt:
meine Selbstkritik. Ich sehe mich in all meinen Handlungen, als wäre ich eine Fremde. Absolut nicht
voreingenommen oder mit einem ganzen Pack Entschuldigungen stehe ich dann dieser Anne gegenüber
und sehe zu, was sie Schlechtes oder Gutes tut. Diese Selbstbetrachtung läßt mich nie los, und bei jedem
Wort, das ich ausspreche, weiß ich sofort, wenn es ausgesprochen ist: "Das hätte anders sein müssen"
oder "das ist gut so, wie es ist". Ich verurteile mich selbst in namenlos vielen Dingen und sehe immer
mehr, wie wahr das Wort von Vater ist: "Jedes Kind muß sich selbst erziehen." Andere können nur Rat
oder Anleitung geben. Die endgültige Formung des Charakters hegt in eines jeden Menschen eigener
Hand. Dazu kommt dass ich außergewöhnlich viel Lebensmut habe, ich fühle mich immer so stark und
imstande, viel zu ertragen, so frei und so jung! Als ich das zum erstenmal fühlte, war ich froh, denn ich
glaubte nicht, daß die Schläge, die jeder aufzufangen hat, mich schnell zerbrechen könnten. [...] Ist es
denn wahr, daß die Erwachsenen es hier schwerer haben als die Jugend? Nein, das ist sicher nicht wahr!
[...] Wir Jüngeren haben doppelte Mühe, unsere Ansichten zu behaupten in einer Zeit, in der alle Ideale
vernichtet und zerstört werden, wo die Menschen sich von ihrer häßlichen Seite zeigen, wo gezweifelt
wird an der Wahrheit, am Recht, an Gott. Jemand, der dann behauptet, daß die Älteren im Hinterhaus es
viel schwerer haben, macht sich sicher nicht klar, in wie viel stärkerem Maße die Probleme auf uns
einstürmen, Probleme, für die wir vielleicht noch viel zu jung sind, die sich uns aber gewaltsam
aufdrängen, bis wir nach langer Zeit meinen, eine Lösung gefunden zu haben, eine Lösung, die meistens
keinen Bestand hat gegen die Tatsachen, die dann doch ganz anders sind. Das ist das Schwierige an dieser
Zeit: Ideale, Träume, schöne Erwartungen kommen bei uns noch nicht auf oder sie werden, getroffen
durch die grausame Wirklichkeit, total zerstört. [...] Es ist ein Wunder, dass ich all meine Hoffnungen
noch nicht aufgegeben habe, denn sie erscheinen absurd und unerfüllbar. Doch ich halte daran fest, trotz
allem, weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube. Es ist mir nun einmal nicht möglich, alles auf
der Basis von Tod, Elend und Verwirrung aufzubauen. Ich sehe, wie die Welt langsam mehr und mehr in
eine Wüste verwandelt wird, ich höre immer stärker den anrollenden Donner, der auch uns töten wird, ich
fühle das Leid von Millionen Menschen mit, und doch, wenn ich nach dem Himmel sehe, denke ich, daß
auch diese Härte ein Ende haben muß und wieder Friede und Ruhe die Weltordnung beherrschen werden.
Inzwischen muß ich meine Ideale hochhalten; in den Zeiten, die kommen, werden sie dann vielleicht doch
noch ausführbar sein.
BJSD & Jafi go BACK TO THE ROOTS
Yehuda Elkana
Plädoyer für das Vergessen - Haaretz, 2 März 1988
Yehuda Elkana wurde 1934 in Jugoslawien geboren und immigrierte nach dem Krieg und einem Jahr im
Konzentrationslager 1948 nach Israel.
Als Zehnjähriger kam ich nach Auschwitz und habe den Holocaust überlebt. [...] Es wurde mir klar, daß,
was in Deutschland geschah, an jedem Ort passieren kann und jedem Volk, auch dem meinen.
Andererseits wurde mir bewußt, daß man solche Geschehnisse durch eine angemessene Erziehung in
einer entsprechenden politischen Umgebung verhindern kann. [...] In letzter Zeit setzt sich bei mir die
Überzeugung durch, daß eine tiefsitzende existenzielle Angst, die sich aus einer ganz bestimmten
Interpretation der Lehren aus der Schoa speist und aus der Bereitwilligkeit zu glauben, die ganze Welt sei
gegen uns und wir seien das ewige Opfer [...] das Verhältnis der israelischen Gesellschaft zu den
Palästinensern bestimmt. [...] Ich persönlich sehe in diesem langlebigen Glauben, den so viele heute
teilen, den tragischen und paradoxen Sieg Hitlers. [...] Jede Lebensweisheit oder Lebensauffassung, die
aus der Schoa resultiert, ist ein Verhängnis. Ohne die historische Bedeutung der Schoa für das kollektive
Gedächtnis verkennen zu wollen, ist doch eine Atmosphäre, aus der heraus ein ganzes Volk seine
Einstellung zur Gegenwart bestimmt und seine Zukunft durch die zentrale Bezugnahme auf die Lehren
der Vergangenheit festlegt, ein Verhängnis für die Zukunft einer Gesellschaft, die wie alle Völker in
relativem inneren und äußeren Frieden leben möchte. [...] Jefferson, einer der Gründerväter der
amerikanischen Nation, hat in einem seiner politischen Briefe ganz klar geschrieben, daß Demokratie und
Unterwerfung unter die Vergangenheit nicht miteinander vereinbar sind. Demokratie ist Pflege der
Gegenwart und der Zukunft. Die Pflege des "Erinnere Dich!" zachor und die Auslieferung an die
Vergangenheit unterminieren die Grundlagen der Demokratie. [...] Es gibt für mich keine größere Gefahr
für die Zukunft des Staates Israel als die Tatsache, daß die Schoa systematisch und mit Macht in das
Bewußtsein der gesamten israelischen Öffentlichkeit eingeschleust wurde [...]. Zum ersten Mal begreife
ich den Ernst und das Ausmaß unseres Handelns, wenn wir über Jahrzehnte jedes einzelne Kind in Israel
immer wieder nach Yad Vashem geschickt haben. Was erwarteten wir eigentlich, daß zarte Kinder mit
diesem Erlebnis anfangen sollten? Mit verschlossenem Verstand und auch mit versiegeltem Herzen haben
wir das "Erinnere Dich" deklamiert, ohne uns um seine Auslegung zu kümmern. Wozu? Was soll ein
Kind mit solchen Erinnerungen machen? Von sehr vielen werden solche Greuelbilder als Aufruf zum
Hass gedeutet "Erinnere dich!" kann als Aufforderung zu dauerndem und blindem Hass verstanden
werden. Ich sehe heute keine wichtigere politische und pädagogische Aufgabe für die Verantwortlichen
dieser Nation als die, sich auf die Seite des Lebens zu stellen, sich nicht von morgens bis abends mit
Symbolen, Zeremonien und den Lehren der Schoa zu beschäftigen. Sie müssen die Herrschaft des
historischen "Erinnere dich!" über unser Leben brechen.
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