Afrikas Elend, der G-8-Gipfel und die Initiative von Tony Blair Die Initiative von Tony Blair und das Engagement der Unterhaltungsszene, z. B. Bob Geldof, offenbaren viel Herz und geschickte Selbstinszenierung, aber wenig entwicklungspolitische Kenntnisse. Blairs Initiative zeigt brillante symbolische Politik an. Er kennt die Nöte Afrikas bestens und will damit sehr geschickt vor allem sein Image vom Kriegspremier im Irak zum Helferpremier in Afrika verändern. Die anderen Gipfelteilnehmer müssen weitgehend mitziehen, um nicht als hartherzig zu erscheinen. Geldof & Co verbinden echtes Helferengagement mit Reklame für sich selbst, das ist legitim und klug. Leider wird es der Problemlage in Afrika nicht gerecht und vermag nicht weiter zu helfen. Afrika hat nur ein kleines Geldproblem, aber ein großes Elitenproblem. Die deutsche Helferdebatte kehrt das immer noch zu oft unter den Teppich. Aufklärung tut Not. Immer noch hängen zu viele Meinungsmacher in den deutschen Medien aus dem linken bis liberalen Spektrum unkritisch an den alten 68er Klischees der Dekolonisation und Befreiung. Sie helfen damit aber nicht den Menschen in Afrika, sondern den korrupten Staatsklassen, Warlords und Diktatoren vom Typ des Altgenossen Robert Mugabe. Die afrikanischen Staatschefs schonen notorisch die schwarzen Schafe in ihrem Kreis, aber nicht ihre Bevölkerungen. Das gilt leider auch für den südafrikanischen Staatschef Thabo Mbeki, der Mugabe durch ostentatives Schweigen politische Deckung verschafft. Westlichen Politikern und den Helfern in den NGOs ist das zwar peinlich, aber im Interesse der Spendenfreude wird das leidige Thema auf kleiner Flamme gehalten. Beim Thema Afrika ist viel mehr Enthüllungsjournalismus über die Eliten der zerfallenden Staaten geboten. Die angemessene treffende offene Sprache führen hingegen längst Fachkollegen in der angelsächsischen Welt. Hier ein Beispiel, das hierzulande leider zu schnell als peinlich überhört würde: “Africa has long been saddled with poor, even malevolent leadership: predatory kleptocrats, military-installed autocrats, economic illiterates, and puffed-up posturers“. (Robert Rotberg, Strengthening African Leadership, in: Foreign Affairs 83, 2004, 4, S. 1) Das sinnvolle Rezept für Afrika ist altbekannt: Handel ist besser als Hilfe. Dafür muss endlich die Protektion in den Industrieländern z. b. beim Zucker abgebaut werden, um die afrikanischen Exportchancen zu erhöhen. Wo Hilfe nötig ist, dürfen nur wirklich valide Projekte gefördert werden und strikte Kontrolle ist unumgänglich, sonst werden den Kleptokraten blauäugig weiter die Taschen gefüllt. Afrikanische Klagen der Staatschefs damit werde ihre Ehre verletzt und das sei Rassismus sind nicht ernst zu nehmen. Was vor 30 Jahren ein gutes Argument war, ist inzwischen zur Ausrede geworden, auf die aber immer noch viele Gutgläubige im Westen hereinfallen. Jean Bédel Bokassa, verstorbener Tyrann der Zentralafrikanischen Republik und selbsternannter Kaiser, gekrönt 1977 in Bangui, hatte es freimütig so formuliert: „Alles in unserem Land wird von der französischen Regierung bezahlt. Wir fragen die Franzosen nach Geld, wir bekommen es - und verschwenden es.“ (James Shikwati, kenianischer Wirtschaftsexperte, Inter Region Economic Network, Nairobi, in : Der Spiegel 27, 4.7.2005, S. 107) Der Gipfelbeschluss zur Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 50 Mrd. $ im Jahr, wenn er denn in voller Höhe umgesetzt wird, ist plakative Politik, die mit Geld auf eine komplexe Problemlage wirft. Das könnte in eine neue Verschwendungswelle münden. Hoffnungssignale in Richtung auf ein Ende der Armut sind leere Versprechungen. Bei der Korrumpierung der afrikanischen Eliten leisteten der Ost-West-Konflikt und sein Austrag in Afrika einen wichtigen Beitrag. Die Hilfe für die jeweiligen „Freunde“ fragte kaum nach effizienter Verwendung, sondern folgte den Regeln der Linientreue. Afrikas Eliten nutzten die Chance zur Mitnahme aus und wechselnden im Bedarfsfall das Lager. Dabei bildete sich eine international geschickt agierende politische Klasse heraus, die eine Empfängermentalität und ihre Forderungen perfektionierte. Nach dem Ende des Ost-WestKonflikts brach dieses System vorläufig zusammen. Die Klagen über eine neue Vernachlässigung und einen angeblichen Neokolonialismus konnten nicht verhindern, dass gute Regierungsführung (Good Governance) zumindest auf dem Papier ein immer wichtigeres Vergabekriterium für Hilfe wurde. Auch das Vorbeisteuern von Hilfe an den korrupten Regierungen über Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wurde ein neuer Weg, der den Staatsklassen missfiel. Es besteht die Gefahr, dass unter dem Sichtwort Kampf und Hilfe gegen den Terrorismus die korrupten Eliten in Afrika eine neue große Mitnahmechance erhalten. Sicherheitshilfe kann nicht effizient ohne funktionierende Staaten geleistet werden. Der Kontrollbedarf für Hilfsgelder wird deshalb ernorm wachsen. Hilfe großen Stils gegen Staatszerfall und Terrorismus ist zwar ein sinnvolles Ziel, aber der Weg ist steinig und für spektakuläre Aktionen ungeeignet. Da eine Kulturbruchlinie zwischen Islam und Christentum samt Naturreligionen quer durch Afrika und mitten durch viele afrikanische Staaten verläuft, ist dort eine alte Konfliktlinie nicht zuletzt durch sehr erfolgreiche aggressive islamische Mission aktiviert worden. Auf diesem Feld wartet mühsame und stille Kärnerarbeit, Politshowbizz à la Blair nützt der Sache wenig. Sie dient vor allem dessen persönlichem Profil. Die deutsche Regierung war gut beraten zu mäßigen und zu bremsen zu versuchen. Angesichts des Spektakulums im schottischen Gleneagles, wo auch ein weiteres politisches Signal der Solidarität gegen den islamistischen Terrorismus gesetzt werden sollte, blieb ihr allerdings keine Wahl als wider besseres Wissen nachzugeben.