1 Achtung: Die Übung am 2.4.08 muss wegen einer dienstlichen Verhinderung entfallen und wird nachgeholt. Walter Berka Übung Öffentliches Wirtschaftsrecht II: Analyse komplexer Fälle SS 2008 Fall 1: Tierschutz auf dem Prüfstand Lernziele: Grundzüge des Berufsrechts (Gewerbebegriff, Arten der Gewerbe) Grundrecht der Erwerbsfreiheit Beschränkungen des Berufsantritts (Bedarfsprüfung) und Berufsausübungsregelungen Das Gesetzesprüfungsverfahren Recherche im Internet Sachverhalt und Fragen: I. In einer österreichischen Landeshauptstadt betreibt die Franz Knurr GmbH seit vielen Jahren ein Zoofachgeschäft für Tierbedarf und für den Handel mit Haustieren. Seit ehe und je wurden im Geschäft in dafür geeigneten Käfigen auch Hunde und Katzen gehalten und zum Verkauf angeboten. Zur Betreuung der Tiere steht rund um die Uhr geeignetes Tierpflegepersonal zur Verfügung; auch ein Tierarzt ist vertraglich mit der regelmäßigen veterinärärztlichen Beaufsichtigung der gehaltenen Tier beauftragt. Am 1. Jänner 2005 ist das Tierschutzgesetz (TSchG) des Bundes BGBl I 2004/118 in Kraft getreten. Es sieht in seinem § 31 Abs 5 die folgende Regelung vor (der gesamte die Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten regelnde § 31 TSchG ist im Anhang wiedergegeben): „(5) Hunde und Katzen dürfen im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten gemäß Abs. 1 in Zoofachgeschäften und anderen gewerblichen Einrichtungen, in denen Tiere angeboten werden, zum Zwecke des Verkaufes nicht gehalten oder ausgestellt werden.“ Nach der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung könne eine artgemäße und verhaltensgerechte Haltung von Hunden oder Katzen bei Zurschaustellung ein einem Zoofachgeschäft nicht gewährleistet werden; das Verbot sei daher notwendig, um Tierleid und schwer psychische und physische Schäden für die Tiere zu vermeiden, weil sowohl Katzen wie auch Hunde ein hohes Maß an sozialen und explorativen Ansprächen stellen, denen in einer reizarmen Umwelt mit begrenzten Räumlichkeiten nicht Rechung getragen werden können. Auf Grund dieser Regelung geht der Geschäftsführer der Franz Knurr GmbH davon aus, dass im jeder Handel mit Katzen oder Hunden praktisch verboten worden ist. Bei allem Verständnis für den notwendigen Schutz von Tieren meint er, dass dieses Verkaufsverbot über das Ziel schieße: Es sein unverständlich, warum es Zoofachhändlern untersagt würde, Hunde und Katzen in den Zoofachgeschäften zu halten oder auszustellen. Zweifelsohne könne durch entsprechende Bestimmungen im TSchG, welche im Übrigen bereits bestehen, eine artgerechte Haltung in Zoofachgeschäften nicht nur bestmöglich gewährleistet, sondern auch seitens der Behörde problemlos im Zuge der ohnehin stattfindenden Kontrollen überprüft werden. Das Gesetz enthalte ausführliche Regelungen über das notwendige Tierpflegepersonal und über art- und verhaltensgerechte Haltungsbedingungen. Das Verbot sei daher nicht erforderlich: Überdies sei nicht einzusehen, warum es ein derartige Halteverbot nur für Hunde und Katzen, nicht aber auch für andere Haustiere, wie etwa Fische 2 oder Kleinsäuger gebe. Vor allem für Jungtiere (Welpen) komme es unter den Bedingungen einer Haltung in Zoofachgeschäften zu einer dauerhaften Stressbelastung, die schwerwiegende Infektionskrankheiten zur folge haben könnten. Frage 1: Die Franz Knurr GmbH betreibt eine Tierhandlung. Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein oder kann jedermann (oder jede juristische Person) ohne weiteres mit Tieren handeln? Gibt es für den Betrieb einer Tierhandlung irgendwelche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die zu beachten sind? Frage 2: Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Franz Knurr GmbH eine Gewerbeberechtigung benötigt: Um welche Art von Gewerbeberechtigung wird es sich handeln? Frage 3: Die Franz Knurr GmbH hält die Regelung des § 31 Abs 5 TSchG für verfassungswidrig und möchte sie beim VfGH nach Art 140 B-VG anfechten. Ist eine solche Anfechtung möglich? Frage 4: In welches oder in welche Grundrechte könnte das Verbot des § 31 Abs 5 TSchG eingreifen? Kann sich die Franz Knurr GmbH als juristische Person überhaupt auf Grundrechte berufen? Frage 5:Beurteilen Sie die fragliche Regelung unter den Gesichtspunkten des Grundrechts der Erwerbsfreiheit. Welche Erwägungen sind dabei anzustellen? a) Wo ist dieses Grundrecht geregelt? b) Was ist der Schutzbereich dieses Grundrechts? c) Das Grundrecht der Erwerbsfreiheit steht unter einem „formellen Gesetzesvorbehalt“ – was bedeutet das? d) Handelt es sich wirklich um eine „Verkaufsverbot“? d) Unter welchen Bedingungen darf der Gesetzgeber die Erwerbsfreiheit beschränken? Liegen diese Umstände hier vor? Frage 6: Wie wird der VfGH nach Ihrer Ansicht entscheiden? II. Nach dem Inkrafttreten des TSchG nahm der „illegale Handel“ mit Hunden einen erheblichen Aufschwung, vor allem in der Form, dass von Personen ohne entsprechende Gewerbeberechtigung Hunde auf Parkplätzen angeboten und quasi aus dem Kofferraum heraus verkauft wurden. Häufig handelte es sich dabei um Tier, die ohne entsprechende sanitäts- und veterinärmedizinische Vorkehrungen vom Ausland nach Österreich gebracht wurden. Auch medial viel beachtete Proteste der Tierschutzorganisationen veranlassten den Gesetzgeber zum Handeln. Durch eine Novelle zum TSchG wurde zunächst ein neuer § 8a in das Gesetz eingefügt, durch den das Feilbieten und Verkaufen von Tieren auf öffentlich (frei und allgemein) zugänglichen Plätzen (wie insbesondere auf Parkplätzen, Straßen, Gehsteigen, öffentlichen Plätzen) und das Feilbieten von Tieren im Umherziehen verboten wurde. Außerdem sollte nun wieder der Handel mit Tieren und Katzen in Zoofachgeschäften erlaubt werden, deshalb wurde eine neuer § 31 TSchG beschlossen, der den folgenden Abs 5 enthielt: „(5) Hunde und Katzen dürfen im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten gemäß Abs. 1 in Zoofachgeschäften und anderen gewerblichen Einrichtungen, in denen Tiere angeboten werden, zum Zwecke des Verkaufes dann gehalten oder ausgestellt werden, wenn eine entsprechende behördliche Bewilligung vorliegt. Die Behörde hat eine solche Bewilligung nach Maßgabe des Bedarf zu erteilen, wobei in jedem politischen Bezirk eine derartige Bewilligung, in Städten mit über 100.000 Einwohnern für jeweils 100.000 Einwohner jeweils eine weitere Bewilligung erteilt werden darf.“ 3 In der Begründung zu dieser Novelle wird angeführt, dass sich die ursprüngliche Beschränkung des Haltung von Hunden und Katzen in Zoofachgeschäften nicht bewährt habe, dass aber weiterhin aus Gründen des Tierschutzes und zur Vermeidung von Tierleid entsprechende Bewilligungen nur restriktiv und eingeschränkt auf den unmittelbar gegebenen Bedarf erteilt werden sollten. Die Franz Knurr GmbH würde wieder gerne in den Handel mit Hunden und Katzen einsteigen, sie weiß allerdings, dass die Zahl der möglichen Bewilligungen nach § 31 Abs 5 TSchG in der betreffenden Stadt schon durch andere Zoofachgeschäft ausgeschöpft ist. Frage 7: Kann die Franz Knurr GmbH § 31 Abs 5 TSchG auch in der geänderten Fassung unmittelbar beim VfGH anfechten? Frage 8: Beurteilen Sie die Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung. Hat sich durch die Neufassung etwas an der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit geändert? Zur Vorbereitung: Lesen Sie in einem Lehrbuch des Verfassungsrechts das Kapitel über die Gesetzesprüfung durch den VfGH (Art 140 B-VG), insbesondere über die Möglichkeit der Einbringung eines Individualantrages Arbeiten Sie in einem Lehrbuch des Verfassungsrechts das Kapitel über die Erwerbsfreiheit durch Wichtige Informationen zu dem vorliegenden Fall könnten Sie durch eine Internetrecherche zusammen tragen: o Der VfGH hat sich bereits mit dem § 31 Abs 5 TSchG in der ursprünglichen Fassung beschäftigt. Finden Sie diese Entscheidung und setzen Sie sich mit der Argumentation des VfGH auseinander. o Dem Parlament wurde tatsächlich eine Regierungsvorlage vorgelegt, die auf eine Änderung des § 31 TSchG zielt, freilich in einer anderen Form, als sie hier für den Übungsfall angenommen wurde. Finden Sie die Regierungsvorlage und diskutieren sie die tatsächlich vorgeschlagene Regelung. Anlage: Tierschutzgesetz BGBl I 2004/118 (Auszug) Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten § 31. (1) Die Haltung von Tieren im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (§ 1 der Gewerbeordnung, BGBl. Nr. 194/1994)bedarf einer Bewilligung nach § 23. (2) In jeder Betriebsstätte, in der Tiere im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit gehalten werden, muss eine ausreichende Anzahl von Personen mit Kenntnissen über artgemäße Tierhaltung regelmäßig und dauernd tätig sein. In Tierhandlungen sind diese Personen verpflichtet, Kunden über die tiergerechte Haltung und die erforderlichen Impfungen der zum Verkauf angebotenen Tiere zu beraten sowie über allfällige Bewilligungspflichten zu informieren. Die Erfüllung dieser Verpflichtung muss der Behörde, etwa in Form der Bereithaltung entsprechender Informationsangebote, glaubhaft gemacht werden können. (3) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung und die sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch Verordnung Vorschriften über die Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten, insbesondere auch über die von den mit der Tierhaltung beschäftigten Personen nachzuweisende Ausbildung, zu erlassen. (4) Die gewerbliche Haltung von Tieren zum Zweck der Zucht ist vom Halter der Behörde vor Aufnahme der Tätigkeit zu melden. Die Behörde hat die Haltung zu untersagen, sofern dies aus Gründen des Tierschutzes erforderlich ist. Die Anzeige hat den Namen und die Anschrift des Halters, die Art und Höchstzahl 4 der gehaltenen Tiere, den Ort der Haltung und weitere Angaben zu enthalten, die zur Beurteilung durch die Behörde erforderlich sind; das Nähere ist durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Frauen zu regeln. Die Tierhaltung ist binnen sechs Wochen zu untersagen, wenn sie nicht den Grundsätzen nach § 13 entspricht. Kommen nachträglich Untersagungsgründe hervor, so ist § 23 Z 5 sinngemäß anzuwenden. (5) Hunde und Katzen dürfen im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten gemäß Abs. 1 in Zoofachgeschäften und anderen gewerblichen Einrichtungen, in denen Tiere angeboten werden, zum Zwecke des Verkaufes nicht gehalten oder ausgestellt werden. Strafbestimmungen § 38. (1) und (2) [...] (3) Wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen die §§ 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3 750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7 500 Euro zu bestrafen.