1 Fall 1 „Martina“ Der 21jährige, deutsche Staatsangehörige Martin M. (M) fühlt sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Er bekennt sich offen zu seiner Transsexualität und tritt seit seinem 17. Lebensjahr seiner äußeren Erscheinung nach privat wie in der Öffentlichkeit als Frau auf. Im Freundes- und Bekanntenkreis lässt er sich mit „Martina“ anreden. M beabsichtigt nun seinen, seinen Vornamen auch offiziell von „Martin“ in „Martina“ umändern zu lassen und stellt einen entsprechenden Antrag beim örtlichen Amtsgericht. Dieses ist von dem ehrlichen und dauerhaften Zugehörigkeitsempfinden des M zum weiblichen Geschlecht überzeugt, nachdem es hierzu die zwei nach § 4 III des Transsexuellengesetzes (TSG) notwendigen, unabhängigen Sachverständigengutachten eingeholt hat, sieht sich an der Stattgabe des Antrags jedoch durch § 1 I Nr. 3 TSG gehindert. § 1 TSG lautet: § 1 Voraussetzungen (1) Die Vornamen einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, sind auf Antrag vom Gericht zu ändern, wenn 1. sie Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist oder wenn sie als staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und 2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und 3. sie mindestens fünfundzwanzig Jahre alt ist. (2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will. Die Namensänderung wird verweigert und es kommt zum Prozess. Der Prozessrichter ist von der Verfassungswidrigkeit von § 1 I Nr. 3 TSG und möchte die Frage vom Bundesverfassungsgericht klären lassen. Zutreffend weist er darauf hin, dass das BVerfG (BVerfGE 60, 123 ff.) die entsprechende Altersgrenze für Namensänderungen nach Geschlechtsumwandlungen (§ 8 I TSG, sog. „große Lösung“) bereits für verfassungswidrig erklärt habe. Seither sei eine Namensänderung nach Geschlechtsumwandlung ohne Altersbeschränkung möglich. Dann müsse dies aber erst recht für die wesentlich weniger belastende „kleine Lösung“ einer Namensänderung ohne Operation gelten. Wie kann der Richter die Verfassungsmäßigkeit von § 1 I Nr. 3 TSG vom BVerfG überprüfen lassen und falls ja, wie würde das BVerfG entscheiden Bearbeitervermerk: Das TSG ist formell verfassungsmäßig. 2 Lösungsskizze Fall 1 Konkrete Normenkontrolle, Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. BVerfGG A. Zulässigkeit I. Anhängiges Gerichtsverfahren Es muss ein konkretes Gerichtverfahren bei einem bestimmten Gericht anhängig sein. In Betracht kommt grundsätzlich jedes deutsche Gericht und jede Instanz. Hier: Vorlage kommt vom Amtsgericht (+) II. Vorliegen eines formellen und nachkonstitutionellen Gesetzes - Im Gerichtsverfahren muss es um die Anwendung eines formellen Gesetzes gehen. Dies können Bundes- und Landesgesetze sein (Art. 100 I 2 GG) - Es muss ein nachkonstitutionelles Gesetz sein, also nach dem 23.05.1949 verkündet worden sein - Vorkonstitutionelle Gesetze werden aber nachkonstitutionellen Gesetze gleichgestellt, wenn der Gesetzgeber sie in seinen Willen aufgenommen hat. Dies ist der Fall, wenn: Das Gesetz neu verkündet wurde (z. B das StGB In einem nachkonstitutionellen Gesetz auf ein vorkonstitutionelles Gesetz verwiesen wird zwischen dem vorkonstitutionellen Gesetz und einem nachkonstitutionellen Gesetz ein untrennbarerer Sachzusammenhang besteht - Vorlagefähig sind auch einzelne Paragraphen und Sätze. Hier: das TSG ist ein formelles, nachkonstitutionelles Bundesgesetz III. Überzeugung des Gerichts von der Grundgesetzwidrigkeit des Gesetzes Gericht muss von der Grundgesetzwidrigkeit des Gesetzes überzeugt sein. Bloße Zweifel reichen nicht aus. Handelt es sich um ein Landesgesetz reicht aus, dass das Gericht ein Landesgesetz für unvereinbar mit sonstigem Bundesrecht hält. Hier: Richter ist von der Grundgesetzwidrigkeit überzeugt IV. Entscheidungserheblichkeit Die Entscheidung des Gerichts müsste im Falle der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes anders lauten als im Falle der Verfassungswidrigkeit. Hier: Ist § 1 I Nr. 3 TSG verfassungsmäßig müsste das Gericht der Klage des M abweisen, falls nicht müsste es der Klage stattgeben Zwischenergebnis: die abstrakte Normenkontrolle ist zulässig. 3 B. Begründetheit Die Normenkontrolle ist begründet, wenn das dem BVerfG vorgelegte Gesetz tatsächlich verfassungswidrig ist (oder wenn das Landesgesetz gegen sonstiges Bundesrecht verstößt). I. Verstoß gegen Art. 3 I GG 1. Ungleichbehandlung von Personengruppen (Normadressaten) Die Anwendbarkeit des Art. 3 I Gg setzt zunächst voraus, dass verschiedene Personen ungleich behandelt werden Hier: § 1 I Nr. 3 TSG behandelt Transsexuelle Personen durch die Altersregelung ungleich 2. Taugliche Vergleichsgruppe eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung liegt nur dann vor, wenn wesentlich gleiches ungleich behandelt wird. Das ist der Fall, wenn eine Personengruppe oder Situation rechtlich anders behandelt wird als eine vergleichbare andere Personengruppe oder Situation. Man muss einen gemeinsamen Oberbegriff suchen Prüfungshinweis Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung darf nur dann angenommen werden, wenn die Vergleichsgruppen durch Handeln ein und desselben Kompetenzträgers betroffen sind. - Ein Bundesland verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, wenn es strengere Schulgesetze erlässt als ein anderes Bundesland Der juristische Fachbereich der Universität A verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, weil er eine strengere Promotionsordnung erlässt als Universität B Amtsgericht A verstößt nicht gegen Art. 3 I GG, weil es eine gesetzliche Vorschrift anders interpretiert als das benachbarte Amtsgericht B MERKE: Es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht, also keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung Prüfungspunkt 1. und 2. kann man auch zusammenfassen. Bei 1. wird in der Regel kein Problem auftauchen. Hier: § 1 I Nr. 3 TSG behandelt Transsexuelle Personen durch die Altersregelung ungleich. Gemeinsamer Oberbegriff ist die Transsexualität. Transsexuelle über 25 Jahre und Transsexuelle unter 25 Jahren stellen eine taugliche Vergleichsgruppe dar. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung liegt mithin vor. 4 3. verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung a) formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes - laut Bearbeitervermerk ist das TSG formell verfassungsmäßig b) materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aa) „Willkürformell“ des BVerfG Die Ungleichbehandlung muss auf einem sachgerechten, vernünftigen Grund basieren. (BVerfGE 4, 144 (155)) Hier: Die Altersgrenze schützt vor vorschnellen, unüberlegten Entscheidungen. Dies ist ein sachgerechter vernünftiger Grund. bb) „neue Formel“ des BVerfG Eine ungleiche Behandlung mehrer Gruppen von Normadressaten ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG nur vereinbar, wenn zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlungen rechtfertigen können. Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 82, 126 (146); BVerfGE 103, 310 (318f.) - Die neue Formel verlangt demnach eine Verhältnismäßigkeitsprüfung Anwendung der neuen Formel ( BVerfGE 88, 87 (96f.); 103, 310 (319) wenn: - Ungleichbehandlung auf personenbezogenen Merkmalen beruht, die denjenigen des Art. 3 III GG ähneln bzw. gleichen. Ungleichbehandlung von Sachverhalten, die an personenbezogene Merkmale anknüpft, eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt Bei Eingriffen von größerer Intensität Prüfungshinweis Die neue Formel gilt nur bei personenbezogenen Merkmalen, bei verhaltensbezogenen Merkmalen, die von dem Betroffenen beherrschbar sind gilt nach wie vor nur die Willkürformel Hier: Lebensalter ist personenbezogenes Merkmal; Verweigerung der Namensänderung als Teil der Identität ist ein Eingriff in größerer Intensität. Die „neue Formel“ ist daher anzuwenden, d. h. es muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden. (1) legitimer Zweck der Ungleichbehandlung - Zweck der Altersgrenze ist es, junge Menschen vor übereilten Entschlüssen zu bewahren (2) Geeignetheit - höheres Alter bringt in der Regel höhere Reife mit sich, Abschluss des sexuellen Orientierungsprozesses muss gesichert sein. 5 (3) Erforderlichkeit - milderes Mittel niedrigere Altersgrenze oder überhaupt keine, aber nicht ebenso effektiv um vor übereilten Entscheidungen zu schützen (4) Angemessenheit pro -Die Änderung des Vornamens als Erkennungsmerkmal der Geschlechtszugehörigkeit hat weit reichende Folgen - Reife ist geboten - - - contra weit reichender eingriff in Sexual- und Intimsphäre Personen vor 25. Lebensjahr wird zugemutet einen Vornamen zu tragen, der ihrem Geschlechtsempfinden zuwiderläuft Vornamen entspricht nicht Erscheinungsbild Probleme bei Arbeitgebern, Vereinen, Vermietern etc. Sachverständige müssen reichen „große Lösung“ also Namensänderung nach Geschlechtsumwandlung auch unter 25 Jahren möglich, dann erst recht „kleine Lösung“ ohne Geschlechtsumwandlung psychischer Druck zur Operation wächst Ergebnis: § 1 I Nr. 3 TSG ist unangemessen, damit unverhältnismäßig und verstößt gegen Art. 3 I GG. II. Verstoß gegen Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG 1. Eröffnung des Schutzbereichs a) persönlicher Schutzbereich (+) b) sachlicher Schutzbereich - Sexual und Intimsphäre gehört zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht 2. Eingriff (+) - Verweigerung der Namensänderung 3. verfassungsrechtliche Rechtfertigung - § 1 I Nr. 3 TSG ist unverhältnismäßig und damit auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (siehe oben) und verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des M III. Gesamtergebnis Die konkrete Normenkontrolle ist zulässig und begründet, das Bundesverfassungsgericht würde § 1 I Nr. 3 TSG für verfassungswidrig erklären. 6 Prüfungsschema (näheres siehe Übungsfall) Art. 3 I GG I. Ungleichbehandlung von Personengruppen II. Taugliche Vergleichsgruppen III. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 1. formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes 2. materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes a) Willkürformel b) neue Formel - genau schauen, ob sie zur Anwendung kommt und dann Verhältnismäßigkeitsprinzip Achtung bei Maßnahmen der Exekutive: Die Exekutive kann nur gegen Art. 3 I GG verstoßen, wenn ihr überhaupt ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum im Gesetz eingeräumt worden ist. z. B: … Die Behörde kann ... es gilt dann als Maßstab lediglich die Willkürformel steht aber im Gesetz : Die Behörde hat.. zu entscheiden oder ….ist… so kann die Behörde nicht aus ihrer Macht heraus ungleich behandeln 7 Fall 4: Frauenquoten Sachverhalt Im Bundesland N ist vor kurzem das „Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen von Frauen im öffentlichen Dienst" in Kraft getreten, mit dem die Position von weiblichen Bewerbern bei der Vergabe von Führungspositionen im öffentlichen Dienst gegenüber der bisherigen Rechtslage verbessert werden soll. Nachdem sich die zuständigen Stellen in N lange Zeit vergeblich darum bemüht haben, durch administrative Maßnahmen den bisher äußerst geringen Anteil der Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst signifikant zu erhöhen, fügt der Landesgesetzgeber in § 25 V des Landesbeamtengesetzes (LBG) einen neuen Satz 2 ein, so dass die Vorschrift nunmehr den folgenden Wortlaut hat: „Beförderungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen vorzunehmen. Soweit im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde im jeweiligen Beförderungsamt der Laufbahn der Anteil der Frauen unter 50 Prozent liegt, sind Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen." M, der verheiratet ist und vier Kinder hat, ist als Realschullehrer in der Gemeinde G des Landes N tätig. Er bewirbt sich ebenso wie die kinderlos verheiratete F, die als Lehrerin für die Sekundarstufe I an einer Realschule arbeitet, um die Stelle eines Realschulkonrektors in G. Die für die Beförderungsentscheidung zuständige Behörde schätzt die Qualifikation der beiden Bewerber um die Konrektorenstelle gleich ein und beabsichtigt, gestützt auf § 25 V 2 LBG, der F den Vorzug zu geben. M ist der Auffassung, dass die Vorschrift nicht angewendet werden dürfe, da sie mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Das Grundgesetz verbiete die Berücksichtigung des Geschlechts als Differenzierungsmerkmal bei Einstellungsund Beförderungsentscheidungen im öffentlichen Dienst. Bei gleicher Qualifikation hätte nach den bisher geltenden Beförderungskriterien aufgrund der in seinem Fall vorliegenden besonderen sozialen Umstände (vier Kinder) ihm der Vorzug gegenüber der F gegeben werden müssen. Ist § 25 V 2 LBG mit den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten des Grundgesetzes vereinbar? Hinweis: Kompetenzrechtliche Fragen sind nicht zu prüfen. Lösung § 25 V 2 LBG, der die bevorzugte Beförderung von Frauen im öffentlichen Dienst bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorsieht, könnte gegen die den Zugang zu Ämtern des öffentlichen Dienstes regelnde Vorschrift des Art. 33 II GG, ggfs. i.V. mit Art. 3 II, III GG, verstoßen. A. Art.33 II GG (gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern) Art.33 II GG schreibt vor, dass jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Eignung meint dabei die Person des Bewerbers mit ihren körperlichen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften. Mit dem Begriff der Befähigung werden Begabung, Erfahrung, allgemeines und fachliches Wissen sowie das berufliche Können erfasst, während die fachliche Leistung sich auf die nach dienstlichen Anforderungen bewerteten Arbeitsergebnisse bezieht1. Art. 33 II GG ist seiner Struktur nach ein positiv formulierter Gleichheitssatz, d.h. er benennt positiv die Unterscheidungskriterien, an die bei den von der Vorschrift erfassten Maßnahmen anzuknüpfen ist. Die Vorschrift gilt nicht nur für Eingangs-, sondern auch für Beförderungsämter des öffentlichen Dienstes2. Aus Art.33 II GG folgt, dass eine Beförderungsentscheidung ebenso wie die erstmalige Ernennung eines Bewerbers nach dem Grundsatz der Bestenauslese vorzunehmen ist. Sind aus Anlass einer Beförderungsentscheidung Leistung und Eignung der Bewerber beurteilt worden, so gebührt demjenigen der Vorzug, der nach Maßgabe der Beurteilungen als der Bestgeeignete erscheint3. Der Wortlaut des Art.33 II GG sagt allerdings unmittelbar nichts darüber aus, was gelten soll, wenn — wie im vorliegenden Fall — Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zweier oder mehrerer Bewerber gleich zu beurteilen sind. Art. 33 II GG lässt sich nicht entnehmen, dass bei der Übertragung eines Amtes ausschließlich auf Eignung, Befähigung und 1 U. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rdnr. 30 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 473. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rdnr. 26. Der Begriff des „öffentlichen Amtes" in Art.33 II GG wird weit ausgelegt. Er umfaßt nicht nur Beamtenstellen, sondern alle Ämter der Verwaltung, der Rechtsprechung und der Bundeswehr in Bund und Län dern, mögen sie nun mit Beamten, Angestellten, Arbeitern, Richtern, Soldaten oder ehrenamtlich Tätigen besetzt sein, vgl. Battis, ebda., Rdnr. 24. 3 BVerfGE 56, 146 (163); BVerwGE 86, 244 (249); M. Sachs, Zur Bedeutung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze für das Recht des öffentlichen Dienstes, ZBR 1994, 133 ff. (134). 2 8 fachliche Leistung des Bewerbers abzustellen ist und andere Kriterien von vornherein außer Betracht zu bleiben haben4. Die Vorschrift will zum Zwecke der Erhaltung eines funktionsfähigen öffentlichen Dienstes sicherstellen, dass grundsätzlich nur der bestgeeignete Bewerber mit der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes betraut wird. Gibt es allerdings im konkreten Fall mehrere „Beste", so ermöglicht das Prinzip der Bestenauslese noch keine eindeutige Personalentscheidung. Vielmehr müssen weitere Auswahlkriterien hinzutreten, wobei durchaus auch soziale Gesichtspunkte in die Beförderungsentscheidung einfließen können. Der Dienstherr entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen, welchen zusätzlichen Kriterien er bei der zu treffenden Auswahl im Rahmen seiner Personalentscheidung Rechnung trägt5. Art. 33 II GG engt dabei durch das Kriterium des „gleichen Zugangs" sein Auswahlermessen nur insoweit ein, als die Auswahl unter mehreren gleich qualifizierten Bewerbern nicht nach willkürlichen, sachwidrigen Gesichtspunkten erfolgen darf6. Aus Art. 33 II GG ergibt sich aber nicht unmittelbar, dass die Anknüpfung an das Geschlecht bei der Auswahlentscheidung ein sachwidriges Kriterium ist. Für eine solche Feststellung bedarf es vielmehr zusätzlicher verfassungsrechtlicher Ansatzpunkte. B. Art. 33 II GG i.V. mit Art. 3 II, III GG (Gleichberechtigungsgrundsatz im öffentlichen Dienst) Begegnet die Anknüpfung an das Geschlecht wie gezeigt im Hinblick auf Art. 33 II GG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, so könnte sich durch die Einbeziehung der in Art. 3 II, III GG geregelten speziellen Diskriminierungsverbote etwas anderes ergeben. I. Vorliegen einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts Art. 3 III 1 GG verbietet u.a. Benachteiligungen wegen des Geschlechts. Art. 3 II 1 GG gebietet die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Gebots- und Verbotsnorm haben denselben Inhalt, soweit es um das Verbot geschlechtsbedingter Benachteiligungen geht, wobei allerdings Art. 3 III 1 GG das Diskriminierungsverbot deutlicher zum Ausdruck bringt7. Sie verbieten, das Geschlecht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung heranzuziehen8. Dies gilt auch für solche Regelungen, die nicht auf eine Privilegierung oder Diskriminierung angelegt sind, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgen9. § 25 V 2 LBG knüpft an das Merkmal Geschlecht an, indem er anordnet, dass Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt zu befördern sind. Mit dieser Regelung wird das der Beförderungsdienststelle zustehende Auswahlermessen im Falle gleicher Qualifikation zugunsten der weiblichen Bewerber reduziert. Das Vorliegen einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts nach Art. 3 II, III GG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach § 25 V 2 LBG von der Beförderung der Frau abgesehen werden kann (oder sogar muss), wenn in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Diese Klausel ist nur für die Schwere des Eingriffs von Bedeutung, indem sie in besonders gelagerten Fällen das Absehen von dem Geschlecht des Bewerbers als maßgeblichem Beförderungskriterium in Fällen gleicher Qualifikation erlaubt. Der Grundsatz, dass im Regelfall die gleich qualifizierte Frau den Vorzug vor ihrem männlichen 4 Ph. Kunig, in: v. Münch/Kunig, II, Art. 33 Rdnr. 34; a.A. aber wohl Chr. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 Rdnr. 329. Zur Rechtslage in Hessen vgl. VGH Kassel, NVwZ 1994, 1229 und ZBR 1995, 109 f., nach dessen Auffassung eine Berücksichtigung des Geschlechts als Hilfskriterium bei gleicher Eignung der Bewerber aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 8 I Hess. BeamtenG ausgeschlossen ist. 5 BVerwGE 86, 244 (246); BAGE 73, 269 (278) — Kalanke; Sachs, ZBR 1994, 134. 6 OVG Münster, NJW 1989, 2560 (2561). 7 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 Rdnr. 280. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob Art. 3 II GG nicht noch einen zusätzlichen, über ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts hinausgehenden Bedeutungsgehalt hat, dazu noch unter 2 b). 8 BVerfGE 84, 9 (17) — Ehenamen. 9 BVerfGE 85, 191 (206) — Nachtarbeitsverbot. 9 Mitbewerber erhalten soll, bleibt hiervon unberührt. Eine weitergehende Auslegung der Klausel würde dem erklärten Willen des Gesetzgebers, die rechtliche Position von Frauen in Bewerbungssituationen gegenüber der bisherigen Rechtslage zu verbessern, zuwiderlaufen. II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts in Art. 3 II, III GG gilt allerdings nicht absolut. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind differenzierende Regelungen zulässig, soweit sie (1.) zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich oder (2.) durch kollidierendes Verfassungsrecht gedeckt sind10. 1. Biologische Unterschiede als zwingender Differenzierungsgrund Während die frühere Rechtsprechung neben biologischen auch funktional-arbeitsteilige Unterschiede zwischen den Geschlechtern als verfassungsrechtlich zulässige Anknüpfungspunkte für geschlechtsbedingt differenzierende Regelungen anerkannte11, gebraucht das BVerfG in neuerer Zeit eine restriktivere Formel, die auf die zwingende Notwendigkeit der differenzierenden Regelung zur Lösung geschlechtsspezifischer Probleme abstellt12. Danach dürften nur noch (objektiv feststellbare) biologische Unterschiede als Rechtfertigung für eine rechtliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in Betracht kommen, aber auch diese nur bei strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips13. Vorliegend sind objektiv feststellbare biologische Unterschiede, die zur Rechtfertigung der in § 25 V 2 LBG angeordneten geschlechtsspezifischen Differenzierung herangezogen werden könnten, nicht erkennbar. Die gesetzliche Regelung differenziert nicht nach dem jeweiligen Anforderungsprofil des Beförderungsamtes, sondern bezieht sich generell, ohne auf solche Unterschiede abzustellen, auf Beförderungsentscheidungen im öffentlichen Dienst. 2. Kollidierendes Verfassungsrecht Fehlt es somit an zwingenden biologischen Gründen für eine Bevorzugung von Frauen bei Beförderungsentscheidungen im öffentlichen Dienst, so ist an eine Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht zu denken. Für den besonderen Gleichheitssatz des Art.3 III GG, der nach seinem Wortlaut ein striktes Privilegierungs- bzw. Diskriminierungsverbot aufstellt, kann insoweit nichts anderes gelten als für die vorbehaltlos gewährleisteten Freiheitsrechte. Er genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber entgegenstehenden Verfassungsnormen und -prinzipien, sondern ist mit diesen nach den Grundsätzen praktischer Konkordanz zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen14. Als kollidierendes Verfassungsrecht kommt zunächst der Auftrag zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau aus Art.3 II GG (dazu a), daneben auch das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 I GG (dazu b) in Betracht. a) Art. 3 II GG Die in § 25 V 2 LBG vorgesehene Quotenregelung könnte eine verfassungsmäßige Konkretisierung des 10 BVerfGE 85, 191 (207, 209) — Nachtarbeitsverbot; 92, 91 (109) — Feuerwehrabgabe. 52, 369 (374) — Hausarbeitstag; 71, 224 (229). Die Anknüpfung an funktional-arbeitsteilige Unterschiede war indessen wenig überzeugend, ließ sich darin doch ein Einfallstor für Regelungen sehen, die auf die Perpetuierung der traditionellen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau gerichtet waren. Siehe hierzu D. König, Die Grundgesetzänderung in Art. 3 Abs. 2 GG, DÖV 1995, 837ff. (838). 12 BVerfGE 85, 191 (207). 13 L. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 274; W Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rdnr. 99. 14 I. Ebsen, Gleichberechtigung von Männern und Frauen, in: HVerfR, § 8 Rdnr. 23 ff.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 254. 11BVerfGE 10 Auftrags zur Herstellung der Gleichberechtigung aus Art. 3 II GG darstellen. aa) § 25 V 2 LBG als Konkretisierung des Förderauftrags in Art. 3 II 2 GG Art. 3 II GG enthält über ein Verbot geschlechtsbedingter Diskriminierungen hinaus ein Gleichberechtigungsgebot und erstreckt es auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. Dies war bereits seit längerem in der Rechtsprechung des BVerfG akzeptiert15 und ist durch die Einfügung von Art. 3 II 2 GG ausdrücklich klargestellt worden16. Das Gleichberechtigungsgebot und die nunmehr in Art. 3 II 2 GG ausdrücklich verankerte Förderpflicht des Staates zielen nicht nur auf die Beseitigung von Rechtsnormen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern auch auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter für die Zukunft. Sie ermächtigen und verpflichten den Staat, auf die Angleichung der Lebensverhältnisse und Erwerbschancen von Frauen und Männern hinzuwirken17. In dieser Sicht erweist sich das Fördergebot in Art. 3 II GG als Ausfluß der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte, wie sie das BVerfG seit der Lüth-Entscheidung in ständiger Rechtsprechung anerkennt. Die objektiv-rechtliche Dimension impliziert, daß der Staat nicht nur die (negative) Pflicht hat, Eingriffe in Grundrechte zu unterlassen, sondern auch (positiv) gehalten ist, durch geeignete Maßnahmen die Grundrechtsverwirklichung zu fördern und zu unterstützen18. Als Teil einer solchen Förderung kommen im Rahmen des Art. 3 II GG grundsätzlich auch Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Chancen von Frauen im Bereich des öffentlichen Dienstes in Betracht. Sie greifen je nach konkreter Ausgestaltung mit unterschiedlicher Intensität in das Recht der männlichen Bewerber auf Gleichbehandlung ein und unterliegen daher auch im Hinblick auf Art. 3 II, III GG differenzierten Rechtfertigungsanforderungen19. Von Bedeutung für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 25 V 2 LBG ist insoweit zunächst, dass diese Bestimmung nicht lediglich eine allgemeine Pflicht zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst statuiert, die es den zuständigen Behörden überlässt, wie sie dieses Ziel erreichen wollen20, sondern die Bevorzugung der gleich qualifizierten Frau zu Lasten der männlichen Mitbewerber im konkreten Fall zwingend vorschreibt. Eine solche Quotierungsregelung geht von dem empirischen Befund aus, dass Frauen trotz bestehender rechtlicher Chancengleichheit in leitenden Positionen des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zu Männern stark unterrepräsentiert sind21. BVerfGE 15, 337 (345); 48, 327 (340); 85, 191 (207) — Nachtarbeitsverbot. BVerfGE 92, 91 (109) — Feuerwehrabgabe. 17 BVerfGE 85, 191 (207) — Nachtarbeitsverbot; 92, 91 (109) — Feuerwehrabgabe. Zu den verschiedenen Interpretationen des Art. 3 II GG in der neueren Literatur s. Heun, in: Dreier, GG I, Art.3 Rdnr. 90, der selbst für die Interpretation des Art.3 II GG als „Dominierungsverbot" plädiert. 18 Sachs, ZBR 1994, 139 f. 19 Vgl. den Überblick bei B. Schmidt am Busch, Zulässigkeit der Frauenquote, Anmerkung zu EuGH v. 11.11.1997 (Marschall), RdJB 1998, 255 ff. (257f.); König, DÖV 1995, 841 f. 15 16 Vgl. Art. 8 Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung von Männern und Frauen (Bayerisches Gleichstellungsgesetz — BayGLG) v. 24.5.1996 (GVB1. 1996 S. 186); ferner § 9 des Gesetzes zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Männern und Frauen des Landes Baden-Württemberg (Landesgleichberechtigungsgesetz — LGIG) v. 21.12.1995 (GB1. 1995 S. 890); § 8 des Gesetzes zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen (Sächsisches Frauenförderungsgesetz — SächsFFG) v. 31.3.1994 (GVB1. S. 684). Vgl. ferner § 7 des Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Zweites Gleichberechtigungsgesetz — 2. GleiBG) v. 24.6.1994 (BGBl. I S. 1406); dazu D. Schiele, Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder (1996), S. 469 f. Die Bundesregierung bereitet gegenwärtig ein neues Gleichstellungsgesetz für die Bundesverwaltung vor, nachdem die Regelungen des geltenden Frauenfördergesetzes nicht die erhofften Fortschritte bei der Durchsetzung der faktischen Gleichberechtigung der Frauen gebracht haben. Dieses Gesetz wird auch eine Entscheidungsregel für Beförderungen im konkreten Fall nach Art der im Ausgangsfall zugrundegelegten Quotenregelung enthalten, vgl. http://www.bmfsfj.de/geset/inhalt11.html 21 Siehe dazu die statistischen Angaben bei H.-W. Laubinger, Die „Frauenquote" im öffentlichen Dienst, VerwArchiv 87 (1996), 305 ff., 473 ff. (504). Laubinger gelangt aufgrund der von ihm ausgewerteten Zahlen zu dem Ergebnis, dass die Frauen gemessen an ihrem Anteil in der Wohnbevölkerung und an den Erwerbstätigen im einfachen und insbesondere im höheren Dienst unterrepräsentiert sind, während sie im mittleren und gehobenen Dienst stärker vertreten sind, als ihrem Anteil an der 20 11 Da nicht von einer typischerweise geringeren Qualifikation von Frauen für Leitungspositionen ausgegangen werden kann, legt dieser Befund die Annahme nahe, dass Frauen in der beruflichen Praxis häufig verdeckten Diskriminierungen ausgesetzt sind und vor allem bei der Bewerbung um höher qualifizierte und besser bezahlte Arbeitsstellen mit einem erheblichen faktischen Wettbewerbsnachteil rechnen müssen. Diesem Gleichberechtigungsdefizit, das seine Wurzeln in verdeckter Ungleichbehandlung hat, soll durch die Quotierung entgegengewirkt werden, indem den unterschwelligen, regelmäßig nur am aggregierten Effekt statistisch auszumachenden Benachteiligungen von Frauen eine kompensatorische Bevorzugungspflicht entgegengesetzt wird22. Verfassungsrechtlich zulässig kann im öffentlichen Dienst aufgrund des in Art. 33 II GG verankerten Grundsatzes der Bestenauslese von vornherein nur eine leistungsbezogene Quotierung sein23. Sie kann entweder als Ergebnisquote oder als Entscheidungsquote ausgestaltet sein. Mit einer Ergebnisquote werden die Dienststellen verpflichtet, innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums einen bestimmten Prozentsatz freiwerdender Stellen mit Frauen zu besetzen, wobei Sanktionen verwaltungsrechtlicher Art drohen, wenn das vorgegebene Ziel verfehlt wird24. Eine Entscheidungsquote zielt dagegen direkt auf die Entscheidung im Einzelfall: Sie verpflichtet die Dienststellen, im Falle einer gleichen bzw. gleichwertigen Qualifikation eines Bewerbers und einer Bewerberin solange Frauen einzustellen, bis ein gesetzlich vorgeschriebener Prozentsatz der Stellen in dem fraglichen Bereich mit Frauen besetzt ist. Diese Regelung kann entweder ausnahmslos gelten25 oder aber eine sog. Öffnungsklausel vorsehen, nach der die Frau ausnahmsweise dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn in der Person des männlichen Bewerbers liegende Gründe überwiegen26. Um eine solche Entscheidungsquote mit Öffnungsklausel handelt es sich bei der Vorschrift des § 25 V 2 LSG. bb) Verfassungsmäßigkeit der durch § 25 V 2 LBG normierten Entscheidungsquote mit Öffnungsklausel Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift setzt voraus, dass es sich bei der Entscheidungsquote mit Öffnungsklausel in § 25 V 2 LBG um die verhältnismäßige Konkretisierung eines unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 II, III GG legitimen Regelungszieles handelt. (1) Legitimes Regelungsziel Aus dem Charakter des Fördergebots als Maßnahme zur Realisierung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte ergeben sich bestimmte inhaltliche Vorgaben für die im Rahmen des Art. 3 II GG verfassungsrechtlich zulässigerweise verfolgbaren Förderziele. Wie für die objektiv-rechtliche erwerbstätigen Bevölkerung entspricht. Allerdings sei mit Sicherheit davon auszugehen, da ss der Frauenanteil mit zunehmender Bezahlungsgruppe abnehme. Nach den Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lag 1997 im Bereich der obersten Bundesbehörden der Frauenanteil im höheren Dienst bei lediglich 19 Prozent (http://www.bmfsfj.de/geset/inhalt11html). 22 L Ebsen, Leistungsbezogene Quotierung für den öffentlichen Dienst, Jura 1990, 515 ff. (521). 23 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 287. 24 So § 10 IV i.V.m. § 5 des Hessischen Gesetzes über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung (Hess. Gleichberechtigungsgesetz — HGlG) v. 21.12.1993 (GVBl. I S. 729), das Gegenstand des Vorlageverfahrens zum EuGH in der Rechtssache Badeck u.a. war (Urteil v. 28.3.2000 — C-158/97, JZ 2000, 667); ferner § 6 Abs. 3, 5 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst im Land Brandenburg v. 4.7.1994 (GVBl. I/94 S.254). 25 So § 4 a.F. des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst des Landes Bremen (BremLGG) v. 20.11.1990 (GBl. S. 433). Diese Bestimmung war Gegenstand des Vorlageverfahrens zum EuGH in der Rechtssache Kalanke (Urteil v. 17.10.1995 — Rs. C-450/93, Slg. 1995, 1-3051); ähnlich § 5 a.F. des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) v. 15.6.1994 (GVBl. S.246). 26 § 7 Abs. 1, 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesgleichstellungsgesetz — LGG) v. 9.11.1999 (GVBl. 590); § 5 Abs. 1 i.V.m. §6 des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst Schleswig-Holsteins (Gleichstellungsgesetz — GstG) v. 13.12.1994 (GVOBl. S.562); § 13 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) des Saarlandes (Gesetz Nr. 1371) v. 24.4.1996 (Amtsbl. S.623); § 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) Rheinland-Pfalz v. 11.7.1995 (GVBl. S. 209); § 5 n.F. NGG; § 8 des Landesgleichstellungsgesetzes (früher Landesantidiskriminierungsgesetz, LADG) des Landes Berlin v. 31.12.1990 (GVBl. 1991 S.8). 12 Dimension der Grundrechte so gilt auch für die in Art. 3 II GG normierte Förderpflicht des Staates, dass sie die subjektive Geltungskraft der Grundrechte verstärken soll, diese jedoch nicht aushebeln darf. Auch der Förderungsauftrag des Art. 3 II GG und die auf ihnen gestützten Regelungen zur Verbesserung der Beschäftigungschancen im öffentlichen Dienst müssen daher auf die subjektiv-rechtliche Funktion des Gleichberechtigungsanspruchs bezogen bleiben28. Damit ist jedenfalls eine Regelung unvereinbar, die das gruppenparitätische Ziel der zahlenmäßig ausgewogenen Repräsentanz von Männern und Frauen in allen Bereichen des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens um ihrer selbst willen anstrebt. Damit wäre zugleich der Rahmen der Erforderlichkeit im Hinblick auf den konkreten Nachteilsausgleich gesprengt29. Die verfassungsrechtliche Legitimität der Geschlechterparität als selbständiges Ziel würde voraussetzen, dass Art. 3 II GG bereits de constitutione lata ein kollektives Grundrecht der „Gruppe der Frauen" auf Gleichstellung garantiert30. Einem kollektivrechtlichen Verständnis der Gleichberechtigung stehen jedoch sowohl systematische als auch entstehungsgeschichtliche Überlegungen entgegen. Verfassungssystematisch ergibt sich der Umfang, in dem soziale Gebilde neben dem Individuum Träger von Grundrechten sein können, aus Artt. 9, 19 III GG. Die Vorschriften zeigen, dass nur strukturierte, mit handlungsfähigen Organen ausgestattete Personenmehrheiten als Grundrechtsträger in Betracht kommen. Von der hierfür erforderlichen strukturellen Homogenität kann jedoch bei den Frauen in der heutigen Gesellschaft schon aufgrund ihrer stark unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Situation nicht die Rede sein31. Eine an dem Ziel der Geschlechterparität orientierte kollektivrechtliche Deutung des Gleichberechtigungsauftrags würde darüber hinaus den Intentionen des verfassungsändernden Gesetzgebers, der die kompensatorische Bevorzugung einer Gruppe im Rahmen des Art. 3 II nur in engen Grenzen zulassen wollte, nicht gerecht32. Bei der Bestimmung der legitimen Regelungsziele im Rahmen des Art. 3 II 2 GG ist ferner von Bedeutung, inwieweit das Gemeinschaftsrecht frauenfördernde Maßnahme zulässt oder gar vorschreibt33. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinie 76/207/EWG auf EG-Ebene positive Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Überwindung der faktischen Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben nur insoweit zulässig, als sie sich die faktische Chancengleichheit und nicht die tatsächliche Gleichheit der Ergebnisse zum Ziel setzen, die allein das Resultat einer konsequenten Durchsetzung des Grundsatzes der faktischen Chancengleichheit sein kann. Demgemäß stellen starre Entscheidungsquoten, die bei gleicher Qualifikation Frauen „absolut und unbedingt" den Vorrang einräumen, solange jeweils in der Vergütungsgruppe oder auf der Funktionsebene nicht mindestens ein Frauenanteil von 50 Prozent erreicht ist, einen Verstoß gegen (sekundäres) Gemeinschaftsrecht dar34, während Quotenregelungen mit „Öffnungsklausel", die bei Überwiegen der in der Person eines männlichen generell27, BVerfGE 50, 290 (337) — Mitbestimmung. Ebsen, in: HVerfR, § 8 Rdnr. 37; Sachs, ZBR 1994, 140 f. 29 W. Rüfner, in: BK, Art.3 Abs. 2 und 3, Rdnr. 763; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 283; M. Sachs, Verfassungsrecht II. Grundrechte, 2000, S. 256. 30 So V Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 67ff. 31 St. Huster, Frauenförderung zwischen individueller Gerechtigkeit und Gruppenparität, AöR 118 (1993), 109 ff. (124 ff.). 32 In der Begründung zum interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine vom Nachteil losgelöste Kompensation durch einen mit der konkreten Benachteiligung sachlich nicht verbundenen Vorteil nicht zulässig sein solle, vgl. BT-Drucks. 12/6633, S. 6. Vgl. dazu Neun, in: Dreier, GG I, Art.3 Rdnr. 92; S. Rademacher, Abgesang auf die Quotenregelung?, BayVB1. 1996, 681 ff. (683 f.). 33 Zur Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des nationalen Verfassungsrechts eingehend U. Maidowski, Umgekehrte Diskriminierung, 1989, S.61 ff., 96 ff.; ferner OVG Münster, NVwZ 1996, 494; Auswirkungen der europarechtlichen Beurteilung von Quotenregelungen auf die verfassungsrechtliche Lage dagegen generell verneinend Sachs (o. Erl. 29), S. 257. 34 EuGH, Rs. C-450/93, Slg. 1995, 1-3051 (3077f.) — Kalanke. Der EuGH hat auf dieser Grundlage die Quotenregelung des bremischen Gleichstellungsgesetzes v. 20.11.1990 (GVBI. S. 433), die für die Besetzung von Führungspositionen im öffentlichen Dienst bei gleicher Qualifikation eine automatische Bevorzugung des oder der weiblichen Bewerber vorsah, für unvereinbar mit dem gemeinschaftsrechtlichen Verbot geschlechtsspezifischer Diskriminierungen am Arbeitsplatz erachtet. — Bereits zuvor hatte das VG Schleswig, NVwZ 1995, 724, 725 auf der Grundlage des Art. 3 II GG eine zur Rspr. des EuGH weitgehend parallele Argumentation entwickelt, indem es die Gleichstellung als Gruppengrundrecht und die Gleichberechtigung als Individualrecht einander gegenüberstellte: nur die Gleichberechtigung, nicht aber die Gleichstellung finde in Art. 3 11, III GG eine Grundlage. 27 28 13 Mitbewerbers liegenden Gründe dessen Bevorzugung erlauben, grundsätzlich zulässig sein sollen. Stets muss jedoch die nationale Quotenregelung den männlichen Bewerbern, welche die gleiche Qualifikation wie die weiblichen Bewerber besitzen, eine objektive Bewertung ihrer Bewerbung garantieren, bei der alle die Person der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen, wobei stets vorausgesetzt wird, dass diese Kriterien gegenüber den weiblichen Bewerbern keine diskriminierende Wirkung haben35. Der Landesgesetzgeber in N will laut Sachverhalt mit der Neuregelung der Bestimmungen über die Bewerberauswahl bei Beförderungsentscheidungen im öffentlichen Dienst den bisher äußerst geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes nachhaltig erhöhen. Eine isolierte Betrachtung der 50-Prozent-Klausel in § 25 V 2 LBG könnte zwar den Schluss nahelegen, dem Gesetzgeber gehe es um die Verwirklichung der Geschlechterparität um ihrer selbst willen. Damit würde jedoch der oben hervorgehobene Gesichtspunkt unzureichend berücksichtigt, dass es sich bei dem Gleichberechtigungsdefizit von Frauen im Rahmen der Vergabe von Führungspositionen um ein strukturelles Phänomen handelt, das seine Wurzeln in verdeckter Ungleichbehandlung hat und regelmäßig nur am aggregierten Effekt statistischer Angaben wahrzunehmen ist. Die Annahme, dass ein strukturelles Problem dieser Art möglicherweise auch nur mit Hilfe ebenfalls strukturell, d.h. oberhalb des problematischen Einzelfalls ansetzender Maßnahmen beseitigt werden kann, liegt daher nicht fern, ohne dass hieraus auf die Preisgabe des gesetzgeberischen Regelungsziels der individuellen Besserstellung der konkret von gleichberechtigungswidrigen Praktiken betroffenen Frauen geschlossen werden könnte36. Nach den im Sachverhalt mitgeteilten Feststellungen hat sich der Landesgesetzgeber bei der Schaffung des § 25 V 2 LBG von dem Ziel leiten lassen, die bisher in der Verwaltungspraxis bestehenden Hindernisse für die Berufung von Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes zu beseitigen. Dieses Ziel kann im Hinblick auf den Förderungsauftrag des Art. 3 II 2 GG nicht als unzulässig qualifiziert werden. Die Frage, ob das vom Gesetzgeber gewählte Mittel einer schematisierenden Vorzugsregelung zugunsten von Frauen bei Beförderungsentscheidungen in der öffentlichen Verwaltung zu diesem Ziel in einem angemessenen Verhältnis steht, ist im Rahmen der nunmehr vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zu thematisieren37. (2) Geeignetheit der Quotenregelung zur Förderung der Gleichberechtigung Bei der Beurteilung der Eignung des § 25 V 2 LBG zur Herstellung tatsächlicher Chancengleichheit im öffentlichen Dienst ist von Bedeutung, dass die Quotenregelung von vornherein nur die Fälle erfasst, in denen die männlichen und weiblichen Bewerber als gleich qualifiziert beurteilt werden. Sie ist damit nicht geeignet, faktischen Benachteiligungen auf der dem Auswahlermessen vorgelagerten Stufe zu begegnen, die sich aus der unterschiedlichen Bewertung der Leistungen von Männern und Frauen aufgrund latent existenter, aber nicht offengelegter geschlechtsspezifischer EuGH, Rs. C-409/95, Slg. 1997, 1-6363 (6392 f.) — Marschall betr. die nordrhein- westfälische Quotenregelung. Bestätigt durch Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-158/97, JZ 2000, 667 (m. Anm. Starck) — Badeck u.a. betr. die Quotenregelung im hessischen Gleichstellungsgesetz. Jüngst auch Urteil v. 6. 7. 2000, Rs. C-407/98 — Abrahamsson. 36 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 285. 37 Aufbauhinweis: Für diejenigen Bearbeiter, die §25 V 2 LBO als Ausdruck einer verfassungswidrigen gruppenparitätischen Konzeption staatlicher Frauenförderung ansehen, wäre die Prüfung des Rechtfertigungsgrundes aus Art. 3 II 2 GG an dieser Stelle an sich beendet; angesichts der kontroversen Diskussion um die grundsätzliche Zulässigkeit von Quotenregelungen und der engen Verflechtung dieser Frage mit dem Problem ihrer verhältnismäßigen Ausgestaltung empfiehlt es sich jedoch, zumindest hilfsweise die Verhältnismäßigkeit der inhaltlichen Ausgestaltung des § 25 V 2 LBO zu prüfen. 35 Ebenso wenig wie in anderen Konstellationen, in denen sich ein Konflikt zwischen verschiedenen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten ergibt, vermag hier der das Gleichberechtigungsgebot konkretisierende Förderungsauftrag das ebenfalls unmittelbar aus dem Gleichberechtigungspostulat folgende Diskriminierungsverbot einfach beiseite zu schieben. Praktisch bedeutet dies, dass die Quotenregelung nur insoweit zulässig ist, als sie sich zur Herstellung tatsächlicher Gleichberechtigung als geeignet und erforderlich erweist und die sich aus ihr ergebende Verkürzung des Anspruchs auf Schutz vor geschlechtsbedingter Benachteiligung den betroffenen männlichen Bewerbern noch zumutbar ist. 14 Vorurteile ergeben können. Allerdings handelt es sich hier um rechtswidrige Entscheidungen, auch wenn sie in der Praxis als Anwendung des Leistungsprinzips getarnt werden mögen38. Der bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen eröffnete Beurteilungsspielraum hat sich positiv an den Kriterien des Art. 33 II GG zu orientieren und findet negativ in den Diskriminierungsverboten des Art. 3 III GG seine Grenze. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber sich darauf beschränkt, zur Förderung der faktischen Chancengleichheit das der Beförderungsdienststelle im Falle gleicher Qualifikation zustehende Auswahlermessen zu reduzieren. Im übrigen wird die Geeignetheit einer Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt, dass es andere, möglicherweise noch wirksamere Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels gibt, von denen der Gesetzgeber aber aufgrund der damit verbundenen gravierenden Nachteile keinen Gebrauch gemacht hat. (3) Erforderlichkeit Größere Schwierigkeiten ergeben sich hingegen bei der Feststellung der Erforderlichkeit der Quotenregelung im Hinblick die angestrebte effektive Durchsetzung der Chancengleichheit der Frauen. Hier darf die mit der Quotenregelung einhergehende strukturelle Benachteiligung der Männer bei Beförderungsentscheidungen nicht weiter gehen, als erforderlich ist, um die bisher in der Praxis wahrnehmbare strukturelle Diskriminierung der Frauen zu beseitigen39. Diesen Anforderungen genügt z.B. eine Regelung, die sich bei der Festlegung der Quote an dem Anteil von Frauen orientiert, der bei tatsächlicher Chancengleichheit vorhanden wäre, wobei allerdings gewisse Typisierungen und Pauschalisierungen im Hinblick auf die Praktikabilität der Regelung unvermeidlich sind40. Wenn das Geschlecht bei der Ausübung des personalpolitischen Ermessens keine Rolle spielte, wäre zu erwarten, dass der Frauenanteil an den jeweils erstrebten Positionen dem Frauenanteil an den jeweils gleich geeigneten Bewerbern entspräche, wobei offenbleiben kann, ob die Quote sich nur auf die tatsächlichen Bewerberinnen beziehen darf 41 oder gegebenenfalls auch den Prozentsatz der potentiellen Bewerberinnen, d.h. den Anteil der weiblichen Beschäftigten im Bereich der Beschäftigungsbehörde, welche die dienstrechtlichen Voraussetzungen für eine Bewerbung zwar erfüllen, tatsächlich aber von der Bewerbung (u.U. auch im Hinblick auf mögliche Diskriminierungen) absehen, zum Maßstab nehmen kann42. Allerdings berücksichtigt eine 38 E. Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, 1986, S. 160. Ultima-ratio-Charakter der Quotenregelung, vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, Art.3 Rdnr. 286. 40 Vgl. Ebsen, Jura 1990, 520f. 41 So die bis 1996 im Saarland geltende Regelung. § 2 des Gesetzes zur Förderung von Arbeitnehmerinnen im öffentlichen Dienst, das als Art. 2a des Gesetzes zur Förderung von Frauen und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften am 10.5.1989 erlassen wurde (Amtsbl. S. 977), lautete: Frauen sind, um Benachteiligungen auszugleichen, bei Einstellungen, bei der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten und bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen mindestens entsprechend ihrem Anteil an gleich geeigneten Bewerbern zu berücksichtigen, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Seit 1996 gilt auch im Saarland eine der im Text vorgestellten Bestimmung vergleichbare Quotenregelung mit Öffnungsklausel, vgl. o. Erl. 26. 42 Vgl. hierzu § 7 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern im hamburgischen öffentlichen Dienst (Gleichstellungsgesetz) vom 19.3.1991 (GVB1. S. 75): Bei der beruflichen Entwicklung, insbesondere bei 1. der Übertragung eines Amtes mit a) höherem Endgrundgehalt b) höherer Amtsbezeichnung beim Wechsel der Laufbahngruppe 2. der Höhergruppierung 3. der Vorentscheidung für eine Maßnahme nach Nummer 1 oder 2, sind Bewerberinnen bei gleichrangiger Qualifikation vorrangig zu berücksichtigen, bis Frauen innerhalb der Dienststelle in der jeweiligen Bezahlungsgruppe entsprechend ihrem Anteil an den Beschäftigten in der nächstniedrigeren Bezahlungsgruppe der Laufbahn oder des Berufs in der Dienststelle vertreten sind. Die vorrangige Berücksichti gung von Bewerberinnen bei gleichwertiger Qualifikation endet, sobald Frauen in der jeweiligen Bezahlungsgruppe zur Hälfte vertreten sind. 39 15 Orientierung an dem Potential der Bewerberinnen in der nächstniedrigeren Bezahlungsgruppe nur unzureichend, dass auch die Zusammensetzung dieser Beschäftigtengruppe möglicherweise auf einer gleichheitswidrigen Beförderungs- und Einstellungspraxis beruht, d.h. sie verschiebt im Ergebnis lediglich das Problem auf die nächstniedrigere Ebene. Daher wird man auch einer Quote, die sich an dem arithmetischen Mittel von 50 Prozent orientiert, nicht die Erforderlichkeit im Hinblick auf das angestrebte Ziel der faktischen Chancengleichheit von Frauen im öffentlichen Dienst absprechen können, sofern feststeht, dass andere, weniger intensiv in den Anspruch der Männer auf Gleichbehandlung eingreifende Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen bzw. sich als unwirksam erwiesen haben. Hier spricht für die Erforderlichkeit der Quotenregelung, dass die zuständigen Stellen in N sich laut Sachverhalt „lange Zeit" erfolglos bemüht haben, die Aufstiegschancen von Frauen im öffentlichen Dienst durch administrative Maßnahmen zu verbessern. Das Gewicht des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 II 1, III 1 GG verlangt zwar, dass der Gesetzgeber alle zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um die Chancengleichheit von Frauen und Männern unter strikter Wahrung des Gleichbehandlungsgebots durchzusetzen. Andererseits kann von ihm im Hinblick auf den Rang des Gebots effektiver Gleichberechtigung nicht gefordert werden, dass er sich zeitlich unbegrenzt auf weniger wirksame Maßnahmen einlässt, wenn diese bereits über einen längeren Zeitraum keine erkennbare Verbesserung der faktisch gleichheitswidrigen Situation herbeigeführt haben und auch keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie dies in absehbarer Zukunft tun werden. Mit Blick auf die im Sachverhalt geschilderte besondere Situation im Lande N ist daher von der Erforderlichkeit der Quotenregelung zur faktischen Durchsetzung der Chancengleichheit auszugehen. (4) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Die in der Quotierung liegende Einschränkung des Anspruchs der männlichen Bewerber auf Gleichbehandlung darf im Hinblick auf das hierdurch verfolgte Ziel der faktischen Gleichberechtigung der Frauen allerdings nicht exzessiv, d.h. für die betroffenen männlichen Kandidaten nicht unzumutbar sein. Für die damit angesprochene Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erlangt die Existenz und Handhabung von Öffnungsklauseln eine entscheidende Bedeutung43. Inwieweit eine Klausel wie die in § 25 V 2 LBG enthaltene Bestimmung, wonach bei Vorliegen überwiegender Gründe in der Person eines männlichen Mitbewerbers diesem trotz der allgemeinen Vorrangregelung zugunsten der Frauen der Vorzug gebührt, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem Ziel der faktischen Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frauen einerseits und dem Anspruch der Männer auf Gleichbehandlung andererseits verwirklichen kann, hängt maßgeblich von ihrer Auslegung ab. Versteht man sie als Härtefallklausel, die nur in ganz besonderen Ausnahmesituationen die Berücksichtigung des gleich qualifizierten männlichen Mitbewerbers ermöglicht, so dürfte sie an der durch die Quotenregelung herbeigeführten schematischen Benachteiligung der Männer nichts Wesentliches ändern. Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn man mit dem EuGH in der Öffnungsklausel eine wirksame Schranke für die automatische Bevorzugung der gleich qualifizierten weiblichen Bewerber erblickt, die in jedem Einzelfall garantiert, dass jede Bewerbung Gegenstand einer objektiven Beurteilung ist, bei der alle die Person des Bewerbers betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen44. Denn damit ist sichergestellt, dass allein das Kriterium des Geschlechts bei einer Beförderung nie ausschlaggebend sein darf, ein Beförderungsautomatismus aufgrund des weiblichen Geschlechts, der den Anspruch der männlichen Bewerber auf Gleichbehandlung unzumutbar weit zurückdrängen würde, also vermieden 43 Vgl. Schmidt am Busch, RdJB 1998, 260. EuGH, Rs. C-409/95, Slg. 1997, 1-6363 (6392 f.) — Marschall. In diesem Sinne hat das OVG Münster, NVwZ-RR 2000, 176 (177) entschieden, eine Beförderungsentscheidung zugunsten des männlichen Mitbewerbers setze voraus, daß deutliche Unterschiede für ihn sprechen; andererseits könne nicht verlangt werden, daß seine Zurückstellung eine unerträgliche oder besonders schwere Benachteiligung wäre. Solche „deutlichen Unterschiede" hat es (DÖD 2000, 137) bei ansonsten gleicher Qualifikation in einem um mehr als fünf Jahre höheren Dienstalter des männlichen Mitbewerbers gefunden. In eine ähnliche Richtung bewegt sich das OVG Saarlouis, NVwZ-RR 2000, 31 (33 f.), das die einschränkende Auslegung des in § 13 SaarlGleichstellungsG enthaltenen Ausnahmetatbestandes i.S. einer Härteklausel unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich ablehnt. 44 16 wird45. In dieser Auslegung ist daher die Öffnungsklausel prinzipiell geeignet, eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Quotenregelung sicherzustellen. b) Sozialstaatsprinzip Befugnisse des Gesetzgebers zur Einschränkung des Diskriminierungsverbots aus Art.3 III GG ergeben sich möglicherweise auch aus dem in Art.20 I GG verankerten Sozialstaatsprinzip. Ein Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip kommt deshalb in Betracht, weil der Förderungsauftrag in den größeren Zusammenhang des sozialstaatlich fundierten Staatsziels gehört, nicht nur bestimmte grundlegende Rechte zu gewährleisten, sondern auch die Voraussetzungen für deren tatsächliche Ausübung zu schaffen und in diesem Zusammenhang auch in der Vergangenheit erlittene Nachteile zu kompensieren46. Allerdings ist sehr zweifelhaft, ob das Sozialstaatsprinzip unmittelbar als Grundrechtsbegrenzung herangezogen werden kann. Diese Frage kann hier jedoch offenbleiben, da das Ziel der Herstellung faktischer Chancengleichheit von Frauen und Männern gerade eine Konkretisierung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips darstellt und Art.20 I GG jedenfalls keine weitergehenden Einschränkungen des Diskriminierungsverbots begründen kann als die speziellere Vorschrift des Art. 3 II 2 GG47. Ergebnis: § 25 V 2 LBG ist nach Maßgabe der Ausführungen zu B. II. 2. a) bb) mit den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten des Grundgesetzes vereinbar. 45 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 3 Rdnr. 289. Dazu BVerfGE 74, 163 (180) — Altersruhegeld; Ebsen, in: HVerfR, § 8 Rdnr. 38. 47 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 280. 46