ij •. 'I ·' Von Husserl zu Heidegger Kritik der phänomenologischen Philosophie Von !f f Dr. Julius Kraft Privatdozent an der Universität Frankfurt a. M. I . ·I I I Die gegenwärtige Lage der europäischen Wissenschaften nötigt zu radikalen BeHusserl sinnungen. 1 9 3 2 HANSBUSKEJVERLAGILEIPZIG liARWIRD COLLEGE LIBR'AR'f~ JACK.S~&­ ~~t'f44<· (I Alle Rechte vorbehalten Copyright 1932 hy Hans Buske, Verlag, Leipzig Printed in Germany Buch- und Kunstdruckerei E. Haberland, Leipzig Meinem Vater zum sechzigsten Gehurtstag Vorwort. Vor knapp zehn Jahren äußerte S c h e I e r die Hoffnung, "daß von der Phänomenologie aus sich allmählich ein Einheitshoden der Betrachtung für die ganze Philosophie entwickelt, von dem aus eine neue universale Sachphilosophie ... sich entfalten kann". S c h e 1 er verhehlte sich nicht, daß noch "viele fundamentale Fra· gen der Philosophie" in der Phänomenologie "ungeklärt sind"\ und dennoch sprach er seine hoffnungsvolle Prognose aus. Mit welchem Recht, so muß man um so mehr fragen, wo heute von einem solchen phänomenologischen Einheitshoden wenig erkennbar ist: Mit demselben Recht, das jede philosophische Schule für sich hat, die der Philosophie den ihr gebührenden Platz als Königin der Wissenschaften zu erobern strebt, und die für dieses große Ziel die geistige Energie philosophischer Führerpersönlichkeiten und ihrer Schüler aufbietet. Nicht etwa mit einem vermeintlich darauf zu gründenden Anspmch, daß man den Geist der Zeit für sich habe. Zwar kann die phänomenologische Schule nach anfänglichen heftigen Anfeindungen zu Beginn ihres Auftretens (vor dreißig Jahren) sich jetzt über mangelnde Anerkennung nicht mehr beklagen. Nicht nur in allen philosophischen Disziplinen, von der Logik bis zur Religionsphilo1 1922. Deutsches Lehen der Gegenwart, herausgegeben von W i t k o p , Berlin s. 204. 5 sophie, hat sie Anwendung gefunden, sondern auch in der Mathe- ßen Vorbildes H u s s e r I s : D e s c a r t e s aufs neue zu bestätigen matik, Physik, Biologie, Psychologie und Soziologie spielt sie min- scheint. "Die Philosophie", sagt Des c arte s gelegentlich, "er- destens eine methodische Rolle: es ist also nicht zuViel behauptet, daß die Phänomenologie das geistige Antlitz des beginnenden möglicht uns über alle Dinge mit dem Anschein der Wahrheit zu reden ...": Die Phänomenologie ist auch zum Ausgangspunkt eines 20. Jahrhunderts mitgeformt hat. Und dennoch wird sie hieraus solchen Scheinphilosophierens geworden, das seinen Kulminations- kein wissenschaftliches Recht für sich ableiten wollen, eingedenk der punkt in den Schrüten H e i d e g g e r s gefunden hat, deren Denk· Warnung B r e n t an o s , des Ahnherrn ihres fruchtbaren Gedanken- weise, wenn sie allgemein würde, Philosophie 'und Erfahrungswissen- kerns, in seiner klassischen Kritik Pi o t ins : Wer die Erfolge des Neuplatonismus kennt, der weiß wie wenig der Schluß von der schaft vernichten müßte. So entsteht das wichtige systematische Problem, an der Phäno- Größe eines philosophischen Anhanges auf die Größe einer Philo- menologie Haltbares von Unhaltbarem zu sondern, um von ihr zu 2 sophie beweist • Aber die Phänomenologen sind auf diesen faden- lernen, unl. ihre unheilvollen Folgen zu bekämpfen und ihren zwie- scheinigen Schluß gar nicht angewiesen, sie können auf theore- spältigen Entwicklungsgang zu verstehen. Es ist heute kein Rätsel tische Leistungen verweisen, mit denen ihr philosophisches Streben mehr, weshalb der Weg von P I a t o .zu P I o t i n , von A r i s t o - 'auch praktische Früchte geerntet hat. Wenn heute die Philosophie teles zu Thomas von Aquino, von Kant zu Hegel ihr Haupt in der Öffentlichkeit wieder erheben kann, ohne hinter führen konnte (wenn auch durchaus nicht führen mußte) : immer anderen Wissenschaften als Schleppenträgerin einherschreiten zu waren ursprünglich scho:O. Keime gelegt, deren Sprößlinge, nur ge- müssen, so ist dies, soweit es überhaupt in der Entwicklung der nügend gepflegt, die Saat philosophischer Wissenschaft überwuchern Philosophie selbst liegende Ursachen hat, zum großen Teil dadurch möglich geworden, daß H u s s e r ls Aufruf zur "Philosophie' als konnten. Daß auch das Bewegungsgesetz der Entwicklung von H u s s e r I zu H e i d e g g e r kein anderes ist, wird sich mit aller strenger Wissenschaft" überzeuFgskraft ·besaß: Aus H u s s e r ls Beiträgen zur Logik und zur Theorie der Erkenntnis, aus S c h e - Stringenz beweisen lassen. Eine andere Frage ist es, wie solche Leser, die sich an le r s ethischen und religionsphilosophischen Schriften spricht ein der "aktuellsten Problemlage" orientieren, auf. diesen Nachweis leidenschaftlich den Sachen selbst zugewandter philosophischer Geist, der aller bloßen Methodik, aller bloßen Kritik und aller reagieren werden. Soweit sie nicht etwa ·zu jener Gruppe gehören, die eine kritische Diskussion ihnen liebgewordener Meinun- bloßen Historie müde geworden ist und durch seinen Impuls wieder- gen von vornherein als Zeichen des Unverständnisses betrachten erwachenden philosophischen Selbstvertr~uens mitreißt. (und sich durch diese "Geisteshaltung" auf das Niveau eines kon- Dieses kraftvolle Schauspiel begleitet jedoch ein deprimieren- fessionellen Fanatikers stellen), werden sie sicher den Gedanken- des S c h a t t e n t h e a t e r , das den sarkastischen Satz eines gro- gang viel zu einfach, nicht auf der Höhe ihrer Probleme stehend 2 Philosophische Bibliothek, Bd.l95, herausgegeben von Kraus: "Was für ein Philosoph manchmal Epoche macht", S. 57. 6 finden. Aber es fragt sich ja gerade, ob diese Probleme wirklich so hoch sind..Tatsächlich sind sie es gar nicht, und der nicht zuletzt 1 durch dunkle Worte erzeugte GI a u h e an ihre Höhe versperrt nur die Möglichkeit, zu den wirklichen philosophischen Schwierigkeiten vorzudringen. Von vielen einaußreichen Seiten aus ist man heute bemüht, den R a t i o n a I i s m u s aus der Wissenschaft und Kultur über· haupt auszumerzen. Di~ Vieldeutigkeit dieses Schlagwortes ist der "theoretische" Schutzwall einer Kampfesleidenschaft geworden, lnhal tsverzeichnis. deren ungehemmtes Weiterwüten den Mephistophelismus des "Ver· Vorwort . . . . . achte nur Vernunft und Wissenschaft" erneut' zu blutigem Ernst 5 . 11 I. Philosophie als strenge Wissenschaft: H u s s er 1 werden lassen muß. Wer Rationalismus in kulturkritischer Absicht 2. Die Restitution des Wissenschaftscharakters der Philosophie Weltfrieden und unabsehbar viel anderes meinen: ilnmer aber 3. Die phänomenologische Methode und ihre Mängel . 4. Zur phänomenologischen Logik wird er seinen Angriff gegen den erhabenen Geist der Aufklärung idolen" freien Zukunft empfehlen. Zu dieser Empfehlung hat sich auch die Phänomenologie gehrauchen lassen, und zwar hauptsächlich in Form ihres, wie sich zeigen wird, mißlungenen Versuchs, das vielfach wider ihren Willen, an der Heraufführung des "neue n Mitte I a I t er s" mitgewirkt, in dem wir trotz aller Fortschritte der Erfahrungswissenschaften und der Technik, trotz aller Veränderungen der Gesellschaftsordnung so lange verharren werden, bis der irrationale und arationale Spuk der Gegenwart wieder zu weichen beginnt. Frankfurt a.JM., im April 1932. 1. Problemstellung und Methode der Philosophie 56 56 2. Zur materialen Wertethik und zur Religionsphilosophie . 67 3. Zur phänomenologischen Soziologie . 81 II. Philosophie als Metaphysik: S c h e 1 e r richten und sich selbst als Propheten einer von den "Aufklärungs- Werk K an t s zu entwurzeln. Zu ihrem Teil hat sie, wenn auch 11 12 18 41 1. Philosophische und historische Betrachtung der Phänomenologie . sagt, kann Logik, Logizismus, Vernunft, Liberalismus, Sozialismus, . . . . . 91 91 98 III. Philosophie als kosmisches Geschehnis: Heide g g er r 1. Problemstellung und Methode der Philosophie . I. 2. Die Nichtigkeit der Fundamentalontologie 1 . IV. Die Unmöglichkeit des Intuitionismus und die Aufgabe der kritischen Philosophie . 1. Die Entwicklungsetappen der phänomenologischen Schule . . . . . . . . . . , , . . . . . . 116 . 116 2. Die Unmöglichkeit des Intuitionismus . 119 . 3. Die Aufgabe der kritischen Philosophie . . . . . . . . '1.22 r l l I. r Philosophie als strenge Wissenschaft: Husse r l. ,- 1. Philo sop hisehe und historische Betrachtung der Phänomenologie. In einem für den Ernst seines Lehenswerkes sehr charakteristi· sehen Doppelsinn bezeichnet sich H u s s e r I als Anfänger in der Philosophie, als jemanden, der einen philosophischen Anfang gemacht hat und sich erst im Beginn der Ausschöpfung seines Anfangs weiß: H u s s e r I hat kein philosophisches System errichtet, er hat eine philosophische Methode ausgearbeitet und in immer wieder · erneuten elementaren Studien ihre Brauchbarkeit zu erproben ge· sucht. Es sind nun zwei wohl zu trennende Aufgaben, den Entwicklungsgang dieser Untersuchungen Schritt für Schritt historisch zu verfolgen und ihre' tragenden Grundgedanken zu würdigen. Die letztere Methode kommt für den theoretischen Zweck einer philo~ sophischen Betrachtung der phänomenologischen Schulentwicklung allein in Frage, kann daher von den für die erstere unvermeidlichen entwicklungsgeschichtlich(m Einzelheiten ahsel:!en und hält sich an die ty-pischen Gedanken H u s s er I s in ihrer jeweils ausgebildeten Gestalt3 4 • 3 Wofür vor allem folgende Werke H u s s e r I s die Grundlage bilden: Philosophie der Arithmetik, 1. Bd., Leipzig. Logische Untersuchungen, 3. Auf· Iage, Halle 1922. Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Halle 1913. Formale und transzendentale Logik, Halle 1929. Meditations Cartesiennes, Paris 1931. 4 Und gleiches gilt natürlich für die Erörterung der weiteren Entwicklungsetappen der phänomenologischen Schule. 11 So wäre es zum Beispiel chronologisch notwendig, von H u s - sophischen Erkenntnis. Wenn die Philosophie Wissenschaft ist (was s e r I s logischen Studien auszugehen und dann erst .die von ihm ihre ernsthaften Vertreter nie bezweifelt haben, mochten sie auch später voll entwickelte phänom~nologische Methode zu betrachten. inhaltlich noch so uneinig sein), dann muß sie Erkenntnisse ent- Da nun aber diese Methode das Spezifische seines und seiner Schule halten und steht insofern auf einer Linie mit dem, was man positive positiven Gedankenganges ist. und implizit von ihm auch schon Einzelwissenschaften nennt. Die Gegenüberstellung von Philosophie dann angewendet wird, wenn. sie explizit noch nicht vorliegt, muß . und Wissenschaft ist also mindestens außerordentlich irreführend sie das erste und zwar das Grundthema einer systematischen und erleichtert es nur, die Philosophie den Gebieten der Kunst oder Untersuchung der phänomenologischen Philosophie bilden. Erst, gar des subj~ktiven · Meinens zuzurechnen. Solchen verderblichen wenn die Bedeutung der phänomenologischen Methode fest- Desorientierungen gegenüber kann H u s s er I , als radikaler "An- steht, läßt sich ein prinzipiell-begründetes Urteil über ihre An- fänger"~ wieder mit dem Kantianer Rein h o I d sagen: "Meine wendungen, -bei H u s s e r I speziell über ihre Anwendung auf Philosophie weiß nicht vieles; die L o g i k , gewinnen. Prinzipiell begründet ist nämlich ein sol- Aus der Natur des philosophischen Wissens leitet H u s s e r I drei ches Urteil nur dann, wenn es nicht nur zu den philosophischen Folgerungen ab, die gerade zur Zeit seines Auftretens vorwiegend Ergebnissen Stellung nimmt, d. h. sie annimmt oder ablehnt, son- verkannt wurden und auch heute in neuer Form verdunkelt werden: aber sie meynt gar nichts" 5 • dern wenn es ihre Begründung prüft, d. h. ihren Zusammenhang 1. Die Unmöglichkeit des Relativismus. mit den methodischen Leitsätzen, durch deren Befolgung sie ge- 2. Die strenge Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand der wonnen sein sollen. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Beur- Erkenntnis. teilung ihrer Anwendungen besteht also die Notwendigkeii, einen 3. Die Unmöglichkeit der empiristischen Philosophie. ; Standpunkt zu der phänomenologischen Methode zu gewinnen, die Die Kritik des R e I nach der Meinung H u s s e r I s zum erstenmal in der Geschichte a t i V i s m u s6 geht von einer Selbstbesin- nung auf den Begriff der Wahrheit aus: "Was wahr ist, ist absolut, Philosophie als strenge Wissenschaft möglich gemacht hat. ist ,an sich' wahr; die Wahrheit ist identisch Eine, ob sie Menschen oder Unmen.Schen, Engel oder Götter urteilend erfassen." Da 2. Die Restitution des Wissenschaftscharakters aber das Moment der Wahrheit "im Begriff der Erkenntnis im der Philosophie. strengen Sinne liegt", hebt sich der allgemeine Relativismus, der In der. Erneuerung der Zielsetzung, Philosophie als strenge doch als Theorie auch Behauptungen aufstellt, selbst auf. H.u s - Wissenschaft zu betreiben, sind gewisse fundamentale Momente ent- s er I präzisiert diesen eindringlich formulierten alten Grundge- halten, die, obgieich nicht neu entdeckt, so doch im 19. und 20. Jahr- danken durch die wichtige Konsequenz, daß die Widersinnigkeit hundert vielfach verschüttet, von H u s s e r I wiederentdeckt wur- 5 Über das Fundament des philosophischen Wissens, Jena 1791, S. 3·, 4. Das Nähere hierzu findet sich im siebenten Kapitel des ersten Bandes der "Logischen Untersuchungen": "Der Psychologismus als skeptischer Relativismus." den (ohne indessen von seiner Schule festgehalten zu werden). Diese 6 Momente ergeben sich durch eine Analyse des Begriffs der philo- 12 13 l des allgemeinen Relativismus unabhängig davon besteht, ob er die Dieselbe Funktion hat die Festhaltung des elementaren Sach- Wahrheit durch das jeweils urt~ilende Subjekt {individueller Rela~ verhalts, daß alles Erkennen Erkennen von Etwas ist, und daß daher tivismus) oder durch die jeweilige Spezies urteilender Wesen {spezi- dieses Etwas, der Ge g e n s t an d der Erkenntnis, von der über fischer Relativismus, insbesondere Anthropologismus) relativiert ihn gemachten Aussage, dem I n h a I t der Erkenntnis, wohl zu denkt: Beide Male wird der Sinn der Wahrheit, den auch der unterscheiden ist. Erkenntnis ist nicht Hervorbringung, "Erzeu- Relativismus implizit für sich in Anspruch nimmt, verleugnet. Die gung" eines Dinges, sondern seine "Erfassung": Erkenntnis hat, wie Tragweite dieser Überlegung reicht, was für ihre richtige Auffassung sich H u s s e r I im Anschluß an B r e n t a n o ausdrückt, "den hervorzuheben wichtig ist, nicht so weit, um den Wahrheitscharakter Grundcharakter der Intentionalität", des Gerichtetseins auf Etwas. bestimmter inhaltlicher Behauptungen, zum Beispiel der Möglich- Wie aber die Kritik des allgemeinen Relativismus nicht beweist, keit einer Philosophie als strenger Wissenschaft, sicherzustellen7 : daß es bestimmte m~teriale, z; B. empirische Erke~tnisse gibt, so es wird nur eine grundsätzliche Verkennung der Natur des Wissens läßt sich aus dem Intentionalitätsprinzip nicht entnehmen, daß es überhaupt abgewiesen, und damit ein Hindernis für alle Wissen- bestimmte Realitäten {Außenwelt, Innenwelt) gibt. Das Prinzip schaft ~d also auch für die wissenschaftliche Philosophie beseitigt8. schließt aber die Behauptung aus, daß Inhalt und Gegenstand entweder in dem Bewußtsein oder außerhalb des Bewußtseins zusammenfallen. Angenommen selbst es gäbe nur Bewnßtseinsinhalte, so 7 Etwas ganz anderes als allgemeiner Relativismus ist jene k r i t i s c h e G es in nun g, die menschlicher Wissenschaft gegenüber Distanz einhält und sie für ständig verbesserungsfähig ansieht. Diese aus der Einsicht in die Oberbietharkeit a 11 e r menschlichen Leistungen sich ergehende Überzeugung zweifelt nicht an der Wahrheit der Erkenntnis, sondern hat vielmehr eine so hohe Meinung von ihr, daß sie es ablehnt, einen historisch gegebenen Wissenschaftsstand mit der Wahrheit selbst gleichzusetzen. Sehr schön sagt daher M a c h , "daß der Naturforscher sich gewöhnt habe, auch seine sichersten, bestbegründeten Ansichten und Grundsätze als provisorisch und durch neue Erfahrungen modifizierhar zu betrachten. In der Tat sind die größten Fortschritte und Entdeckungen nur durch dieses Verhalten ermöglicht worden". Diese "Denk- un•l Arbeitsweise des Naturforschet:s" ist jedoch nicht, wie Mach kontrastierend meint, "von jener des Philosophen, der in der glücklichen Lage ist, unerschütterliche Prinzipien zu besitzen", verschieden. (Erkenntnis und Irrtum, 5. Auflage, Leipzig 1926, S. 15, 16.) Wie der Naturforscher immer bereit sein muß, Korrekturen durch neue Erfahrungen entgegenzunehmen, so auch der Philosoph, sich niemals Ergehnissen neuen Denkens zu verschließen, während der Dogmatiker, als Naturforscher wie als Philosoph, auf seiner einmal gewonnenen Theorie beharrt. s Dieses Hindernis des allgemeinen Relativismus kann sich auch den Mantel der objektiven Wahrheit umhängen und heißt dann Dia I e k t i k. Die (auch 14 wären diese doch von den über sie gemachten Aussagen noch zu unterscheiden und also auch in diesem Grenzfall Inhalt und Gegenstand nicht dasselbe. Diese Unterscheidung zwingt sich am unmittelbarsten an den Fällen auf, bei denen Gegenstand und Inhalt der Erkenntnis nicht qualitati~-gleichartig sind, wie etwa in dem elementaren Beispiel H u s s e r I s , "daß so etwas wie ein materielles Ding, z. B. dieses im Wahrnehmungserlebnis gegebene Papier, prinzipiell kein Erlebnis ist, sondern ein Sein von total verschiedener Seinsart". Diese Einsicht ist unabhängig davon, ob man die Existenz einer materiellen- Welt anerkennt oder leugnet, wie auch die Intentionalität nicht erst ein Charakteristikum assertorischer, sondern von BoI z an o treffend und scharf zurückgewiesene) HegeIsche Dialektik könnte man als m a t e r i a I e n Relativismus bezeichnen: während der allgemeine Relativismus bereits den ,ßegdff der Erkenntnis widerspruchsvoll bestimmt, verlegt die Dialektik denselben Widerspruch in ein notwendiges Kriterium aller Erkenntnis - beide Male wird die Erkenntnis überhaupt aufgehoben. 15 schon problematischer Vorstellungen9 ist: bei jeder Annahme ist sachenerkenntnis; Tatsächliches ist aber "ganz allgemein gesprochen, ihr Gegenstand von ihrem Inhalt genau so unterschieden, wie bei einer Erkenntnis im eigentlichen Sinne, d. h. wie bei einer wahren zufällig. Es ist so, es könnte seinem Wesen nach anders sein". PhiloSophische Erkenntnis bezieht sich nun gerade· auf Nichttatsächliches, Behauptung10 • Diese Unterschiedenheit ist nicht irgendeine belie- Nichtzufälliges und kann daher ebensowenig empirisch begründet bige, sondern eine spezifische Verschiedenheit, kraft derer jedem werden, wie empirische Erkenntnis philosophisch. Wer sich also Inhalt als Inhalt ein von ihm unabhängiges Etwas, ein Gegenstand, "nach den Sachen selbst" richten will, kann kein Empirist sein, zugeordnet ist. Husse r I s Nachweis der Unmöglichkeit einer e m p i r i- sondern muß die Erfahrung auf ihr legitimes Gebiet beschränken11 • s t i s c h e Ii Philosophie ist mit klassischer Einfachheit geführt und schaftsprinzip angehören als die Erfahrungswissenschaften, von . erneuert gleichfalls alte philosophische Gedanken. Während die denen sie sich insofern i n h a I t I i c h differenziert. Es ist die Widerlegung des Relativismus und das Intentionalitätsprinzip aus Aufgabe echter Philosophie "die Idee _absoluter Erkenntnis zu verwkklichen" -·dies ist die stolze Form H u s s e r I s , die zwei prin- dem Begriff der Erkenntnis fo1ge~ beruht die Abweisung des Empirismus auf einem Vergleich empirischer und philosophischer Erkenntnis. Empirische Erkenntnis ist ihrem Gegenstand nach Tat9 B r e n t an o hat sein Intentionalitätsprinzip nicht· genügend von dem Prinzip der Objektivität der Erkenntnis getrennt. Die Objektivität der Erkenntnis fordert allerdings ihre Intentionalität, es gilt aber nicht das Umgekehrte, wie B r e n t a n o , nachdem er die von ihm ursprünglich vertretene, scholastische Lehre von der mentalen Inexistenz der Objekte kritisiert und aufgegeben hatte, behauptete. 1o Die Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand der Erkenntnis kann durch physikalische Theorien nicht widerlegt werden, da sie aus dem Begriff der Erkenntnis folgt und daher allen Theorien schon zugrunde liegt. Infolgedessen verbietet sich auch der naheliegende V ersuch, aus den viel diskutierten H e i s e n b e r g sehen Unbestimmtheitsrelationen eine solche Schlußfolgerung abzuleiten. Der Satz von der B~ei:Q.flussung des Beobachtungsgegenstandes durch das Meßinstrument setzt genau so, wie das durch ihn vermeindich erschütterte Kausalitätsprinzip (in der ausgesprochenen s p e z i e 11 e ·n Kau s a I b e zieh u n g zwischen Meßinstrument und Beobachtungsgegenstand), als Urteil über Etwas die Scheidung von Inhalt und Gegenstand voraus. Dann allerdings, wenn man in m a t e r i a 1 i s t i s c h e r Weise die Beziehung zwischen dem Inhalt des H e i s e n b e r g sehen Prinzips und seinem Gegenstand mit der in ihm behaupteten, speziellen physikalischen Kausalrelation gleichsetzt, wäre es als Argument gegen die Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand verständlich; aber diese Gleichsetzung ist offensichtlich unstatthaft und daher auch die Verwandlung der Inhalt-Gegenstandbeziehung in eine physi~alische Relation. 16 Die Philosophie muß infolgedessen einem anderen Wissen- 11 Diese prinzipielle Überlegung trifft den modernen, durch die logistische Symbolik differenzierten Positivismus genau so wie seinen naiveren Vorgänger. Es ist bemerkenswert, wie die Verlegenheit, in die der Positivismus durch diese Aufnahme der Logik in sein System kommen muß, dadurch gelöst wird, daß er sich dem logischen Nominalismus anschließt, so z. B. Hahn (Erkenntnis, I, 2--4, S. 98, 99) mit der Erklärung: "Logik ist daran g_eknüpft, daß etwas gesagt wird." "Sie ist eine Anweisung, wie man etwas Gesagtes anders sagen kann." Diese Kunst der Verwandlung des Den:kens in Sprechen wirbt der von S c h 1 i c k für den modernsten Positivismus in Anspruch genommenen "Wende der Philosophie" (1. c. I, 1, 4 ff)) wenig Vertrauen, noch weniger aber, wenn man folgende Betrachtung von C a r n a p , einem logischen Spezialisten dieser Schule, in Betracht zieht. C a r n a p will "die Ausschaltung der Metaphysik" (l. c. I, 1, S. 25) demonstrieren und glaubt dies folgendermaßen erreichen zu können: "Es werden in der Metaphysik", so stellt C a r n a p unwiderleglich fest, "Begriffe eingeführt, die weder auf das Gegebene noch auf das Physische zurückführbar sind. Es sind daher ( !) bloße Scheinbegriffe, die sowohl vom. erkenntnistheoretischen Standpunkt, als vom inhaltlich-wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus abzulehnen sind. Es sind sinnlose Worte, mögen sie auch noch so sehr durch die Tradition geheiligt und mit Gefühlen behangen sein". Man möchte beinahe annehmen, daß dieses Schulbeispiel einer petitio principii nach Regeln der positivistischen Logik des S p r e c h e n s zustande gekommen ist, da es doch nur allzu geringe Anstrengungen des D e n k e n s verrät, gegen den Apriorismus etwas auszurichten. Wichtige und zutreffende Argumente gegen die positivistische Logistik enthält D in g I e r s "Philosophie der Logik und Arithmetik", München 1931. 2 Kraft, Von Husserl zu Heidegger 17 zipielle Momente umschließt: Philosophie bezieht sich auf ein der Nährstoff des gesamten Seelenlebens". Deshalb dürften Physik, transempirisches Gegenstandsgebiet und zwar auf das unwandel- Psychologie und Philosophie an der Phänomenologie nicht vorüber- bare Wesen der Dinge; philosophische Erkenntnis ist "Erkenntnis gehen. Was Stumpf unter diesem Namen zusammenfaßt sind jene aus letzter Begründung" und daher d i e strenge Wissenschaft, wäh- sinnespsychologischen, sinnesphysiologischen' und physikalischen rend alle anderen Wissenschaften in "dogmatischer Einstellung ver- Untersuchungen, die- es mit de~ sinnesanschaulichen Daten der harren". materiellen Welt, von denen die Mechanik abstrahiert, und ihren Den Realitätsbeweis dieser Bestimmungen soll die Au.sführung psycho-physiologischen Korrelaten zu tun haben. Phänomenologie der phänomenologischen Philosophie erbringen, die aus einer mit im Sinne S tu m p f s ist also eine Naturwissenschaft, die allerdings anschau~cher Klarheit in das Wesen der Dinge eindringenden Er- naturphilosophische und erkenntniskritische Betrachtungen nahe- kenntnis zu schöpfen beansprucht. Diese Erkenntnis heißt W e - legt13 (über primäre und sekundäre Qualitäten, sinnesanschauliche s e n s s c h a u : in der Auseinandersetzung mit ihrer Methode wird und mathematische Erkenntnis, usw.). Indem Stumpf den Sam- sich auch die Realität des Begriffs Philosophie entscheiden, .der ihr melllanien Phänomenologie einführt, prätendiert er also keineswegs zugrunde liegt. eine neue Philosophie zu begründen, und es bedurfte daher einer grundlegenden Umformung und Verallgemeinerung der empirischen Klassifikation S tu m p f s , um die phänomenol~gische Philosophie 3. Die phänomenologische Methode und ihre zur Entstehung zu bringen. Mängel. b) Die apriorische Psychologie. a) Der Stumpf sehe Ansatz. Ihr Begründer H u s s e r 1 gab seine anfängliche unmittelbar ln einer Rede über die "Wiedergeburt der Philosophie" spricht S tu m p f1 2 von einem "Gebiet", woran ,,Psychologen mit Naturforschern, namentlich seit H e Im h o I t z , zusammenarbeiten" und an B r e n t a n o und S t um p f orientierte Charakterisierung der Phä~omenologie als "deskriptive Psychologie" bald auf, um dem nennt es "Phänomenologie, d. h. eine bis zu den letzten Elementen gegen ihn erhobenen Vorwurf des Psychologismus be.Sser begegnen vordringende Analyse der sinnlichen Erscheinungen in sich selbst". zu können; statt dessen bestimmte er die Phänomenologie als S tu ni p f gibt als Beispiele solcher Erscheinungen Farben, Töne, "Wissenschaft vom Bewußtsein und doch nicht Psychologie"; sie Gerüche, Gestaltungen in Raum und Zeit an, die weder die phy- habe "es ausschließlich mit den in der Intuition erfaßharen und sische Wekseien, "wie sie sich dem Gebiete des Naturforschers· darstellt, noch die psychische Welt. Aber sie sind das Material woraus der Physiker schöpft, und sie sind zugleich der· Ausgangspunkt und 12 18 Philosophische Reden und Vorträge, Leipzig 1910, S. 186. analysierbaren Erlebnissen in reiner Wesensallgemeinheit zu tun, nicht aber mit empirisch-apperzipierten Erlebnissen als realen 13 Daher tritt in K an t s "Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft'·' und in Fries' "Mathematischer Na'turphilosophie" ein eigener Abschnitt "Phänomenologie" auf. 2* 19 Fakten, als Erlebnissen erlebender Menschen oder Tiere in der es sich bei Husse r l s Beispielen und ähnlichen Formulierungen erscheinenden und als Erfahrungsfaktum gesetzten Welt". . H u s - seiner Schüler.14 tatsächlich nicht; sie haben es nicht "mit realen s e r l nimmt au~h hiermit die B r e n t a n o sehe Konzeption einer Fakten zu tun", sie sind nur· problematische Vorstellungen, nicht deskriptiven, d. h. einer alle genetischen Gesichtspunkte ausschal- Behaup.tungen des Vorhandenseins solcher Fakten. tenden Psychologie auf und sucht diese allerdings als nicht-empi- Durch die Verwechslung von psychologischen Begriffen, im rische Disziplin zu entwickeln, die sowohl für die Psychologie als Das erstere hat sich zum Teil als berechtigt erwiesen. Die phä- Unters~hiede zu psychologischen Existentialsätzen, mit apriorischen Begriffen ergibt sich die Selbsttäuschung einer nicht-empirischen Psychologie. Dieser methodische Mangel kann zwar für nomenologische Maxime unbefangener Deskription hat, wie bereits die Einzelu:D.tersuchung folgenlos hleihen., führt jedoch immer die bei B r e n t an o, erheblich zur Erschütterung desSen s u a l i s m u s Gefahr mit sich, einer Verfeinerung durch weitere Deskriptionen beigetragen und damit einen Anstoß zur Verschärfung allgemeiner mit dem Hinweis auf psychologische Wesenseinsicht einen Riegel psychologischer Abstraktionen gegeben, so vor allem durch die vorschieben zu können, und.· wurde tatsächlich zu einer der wirk- psychologischen Arbeiten von Ge i g e r , P f ä n d e r , S c h e l e r , samsten Stützen jener Disziplin, die sich als g e i s t e s w i s s e n- Linke. Zwar halten sich alle diese Untersuchungen, gemäß dem s c h a f t l i c h e Psychologie bezeichnet, deren Inexaktheil der Korn- Naturwissenschaft, wie für die Philosophie grundlegend sei. methodischen Vorgang H u s s e r l s , für intuitive Wesensanalysen 14 psychischer Regionen (psychischen Seins überhaupt, von Wahrnehmungs-, ethischen, ästhetischen, religiösen Akten). Tatsächlich sind sie jedoch Aufweisungen von und Folgerungen aus elementaren psychischen Qualitäten und in diesem Sinne Grunduntersuchungen (die eine ' von der Experimentalpsychologie vielfach offen gelassene Lücke mit Recht auszufüllen suchen), aber sie heruhen prinzipiell doch nur a,uf empirischen Konstatierungen, wenn auch auf solchen e l e m e n t a r er Natur. Wenn z. B. H u s s er l die Sätze formuliert, "daß ein Urteil nicht farbig sein kann", "daß eine Wahrnehmung in sich Wahrnehmung von etwas ist", so sind diese "generellen Selbstverständlichkeiten", wie er sie nennt, Folgerungen aus den Begriffen des Urteils und der Wahrnehmung, deren' Materie aus der introspektiven Beobachtung geschöpft ist, also aus der gleichen Quelle, wie irgendwelche psychologischen Existentialsätze. Um solche handelt 20 :\ _,. Es ist durchaus nicht, wie Linke (Grundfragen der Wahrnehmungslehre, München 1918, S. 2) meint, "inkorrekt" die phänomenologische Psychologie als "begriffsanalytische" zu bezeichnen. In der Verwendung dieses Ausdrucks bei L i n k e kommt vielmehr das unwillkürlich zum Ausdruck., was die phänomenologischen Psychologen wirklich tun. Sie betreiben keine psychologische "Sinnforschung" (6) sui generis, sie produzieren keine apriorischen Intuitionen, sondern sie formulieren den Inhalt elementarer Beobachtungen in psychologischen Begriffen, die sie "analysieren". Linke täuscht sich also darin, daß er es nicht mit "Beobachtungsergebnissen" in der phänomenologischen Psychologie zu tun hat; er stützt sich allerdings nicht auf Ergebnisse komplizierter Experimentalordnungen, aber doch auf Beobachtungen im allgemeinen Sinne des Wortes. Im Gegensatz zu L i n k e beschreibt ein anderer Phänomenologe, F. K a u f m a n n , die phänomenologische Methode als eine ;,ohne Erfahrungsgrundlage undenkbare Verdeutlichungsthematik". (Gesellschaft, Staat und Recht, K e I s e n Festschrift, Wien 1931, S. 30.) Zwar sind viele phänomenologische Analysen nichts anderes als aus empirischen Begriffen folgende, sie insofern verdeutlichende Konsequenzen, die sich irrtümlich für Wesensanschauungen halten. Ah.er einmal entspricht dieser tatsächliche Sachverhalt nicht dem Programm der Phänomenologie, und außerdem hat sie die Methode der Begriffsanalyse nicht nur an empirischem, sondern ebenso an nicht-empirischem Material geübt, wie zum Beispiel in S c h e I e r s Ethik und Religionsphilosophie. 21 plexität ihrer Objekte wenig gerecht wird. Dieser Grenzfall zeigt deutlich, daß die phänomenologische Psychologie Empirisches apriorisiert, woraus sich durch eine Verallgemeinerung ein aprioristischer Einbruch in das Gebiet der Erfahrungswissenschaften überhaupt ergehen muß, dem diese um so mehr ausgesetzt sein werden, als sie sich noch in einem relativ-inexakten Zustand he-- Um Sinnes.anschauungen zu vollziehen, dazu sind keine komplizierten V orhereitungen erforderlich; anders bei den Wesensanschauungen, die gemäß der methodischen Vorschrift H u s s er 1 s nur nach solchen Vorbereitungen vollziehbar sind. W eieher Grund veranlaßt H u s s e r I aber überhaupt, die Philosophie als i n tu it i v e Disziplin aufzuhauen? Die bisherigen Leistungen der In- tuitionsphilosophie, die seit P I a t o immer wieder zum Mysti- finden (ll, 3.). Aber diese Zusammenhänge werden sich erst nach Erörterung der voll ausgebildeten phänomenologischen Methode zismus führte, sind doch nicht geeignet, eine wissenschaftliche ganz übersehen lassen. Philosophie zur Beschreitung dieses Weges zu ermuntern; und eines der gesichertsten Ergehnisse der Vernunftkritik K an t s ist der Satz von dem Nichtbestehen einer i n t e ll e k tu e ll e n A n - c) Intuitionismus und wissenschaftliche Philosophie. schau u n g, den Husse r I gleichwohl als schwersten Fehler Das Moment des Deskriptiven, das in dem paradoxen Postulat K an t s bezeichnet. Diese Sicherheit des Urteils muß ein zunächst einer "deskriptiven W esenslehre" wiederkehrt, -bildet das V er- wenigstens durchschlagendes Argument für sich haben: H u s- hindungsglied der apriorischen Phänomenologie H u s s e r I s mit s er I formuliert es mit seinem "Prinzip aller Prinzipien", dem- der empirischen S tu m p f s , deren optische und akustische gemäß "ein absoluter Anfang" in der Philosophie, wie in der Wissenschaft überhaupt, ein intuitiver sein müsse. Der Philosoph kann Gegenstände von H u s's er I immer wieder zur Exemplifizierung Zur es hiernach nur dann mit dem Naturforscher an Strenge auf- systematischen Gewinnung der W esensanschauungen, die primär nehmen, wenn er einem der Erfahrung "parallelen Prinzip" folgt. einfacher W esens~rusammenhänge herangezogen werden. nicht im Dienste der Erfahrungswissenschaften, sondern vielmeh,r Erfahrung beruht aber auf Sinnesa~chauung; folglich müßte die eines strengen Aufhaues der Philosophie stehen, hat Husse r I Philosophie auf einer "p~allelen" Anschauung, auf einer philo- eine .eigene Methode ausgebildet: die Methode der phänomeno- sophischen, wie H u s s e r I sagt, Wesensanschauung beruhen. Die logischen Reduktionen. Sie ist der eigentlich-theoretische Kern Orientierung an der Naturforschung gibt also Husse r I die der gesamten phänomenologischen Philosophie; ihre Aus-, Umbil- Sicherheit bei seinem Postulat der Intuitionsphilosophie, und es dung und Anwendung determiniert den wissenschaftlichen Ent- wird sich daher fragen, oh diese Form der philosophischen Orien- wicklungsgang der phänomenologischen Schule. Erst die Reduk- tierung an der Naturwissenschaft berechtigt ist. Der Gedanke, die tionsmethode umreißt die Forderung einer p s y c h o I o g i e- Sicherheit der Erfahrung, die in der naturwissenschaftlichen Exakt- ) f r e i e n Bewußtseinsforscihung, als welche die eidetischen Intui- heit ihren konzentriertesten Ausdruck findet, für die Philosophie tionen aufzutreten beanspruchen, genau genug, um sie einer ab- als Vorbild zu wählen, wird auf jeden Fall seine positive Bedeu- schließenden Beurteilung zugänglich zu machen. tung behalten; denn eine andere Orientierung gibt es für die wis- 22 23 senschaftliehe Philosophie nicht15 • Die programmatische Grund- punkte, die bei H u s s e r I zu einem intuitionsphilosophischen An- überzeugung der Phänomenologie, daß "nur durch Rückgang auf satz führen, zeigt zwar schon, daß dieser Ansatz nicht notwendig die originären Quellen der Anschauung u~d auf die aus ihr zu Ii aus ihnen folgt: das Analogieargument wie das logische Argument schöpfenden Wesenseinsichten die großen Traditionen der Philo- zieht die Intuitionsphilosophie keineswegs mit logischer Not- sophie nach Begriff und Problemen auszuwerten sind", hat aber wendigkeit nach sich; aber aus dieser logischen Möglichkeit eines noch ein elementareres Argument für sich, als es die Analogisie- anderen folgt natürlich nicht. die Unmöglichkeit des Intuitions- rung mit der Naturwissenschaft ist; und zwar den einfachen ansatzes. logischen Gedanken, daß für die' philosophischen Grundsätze eine schaftliche Bedeutung überhaupt muß an ihm selbst nachge- · u nm itt eIh ar ~ , d. h. nicht weiter zurückführbare Erkenntnis- grundlage angegeben werden muß, die, wie es H u s s e r I einmal· Seine Möglichkeit oder Unmöglichkeit, seine wissen- wiesen werden und das heißt zunächst an der R e d u k t i o n s m e t h o d e ·, dem Eingangstor zu den W esensanschauungen. formuliert, im "Gegensatz zur Mittelbarkeit eines unanschaulichen, etwa eines symbolisch-leeren Denkens" steht. Die Unmittelbarkeit dieser Erkenntnisgrundlage setzt H u s s e r I nun damit gleich, daß d) Die Reduktionsmethode. Um dieses Tor zu durchschreiten, muß der Philosoph die sie ihre Gegenstände "nach ihrer intuitiven Selbstgegehenheit" er- "phänomenologische epoche" vornehmen, die ihm jedes Urteil fasse, daß sie also selbst eine, wenn auch nicht sinnliche, so doch über räumlich-zeitliches Dasein "völlig verschließt". Er bezweifelt e i d e t i s c h e I n tu i t i o n sei. Die berechtigte Ablehnung einer nicht mit D e s c a r t e s .die W e1t des Nicht-ich, er klammert ledig- dogmatischen Urteilsevidenz als Kriterium der Wahrheit führt lich "die Generalthesis der natürlichen Einstellung" ein, in der H u s s e r I zu der Annahme einer nichturteilsmäßig gegebenen methodischen Absicht, in seinen Überlegungen von ihr keinen Ge- und in diesem Sinne unmittelbaren "Schau" ·als konstitutivem Prin- brauch zu machen. Diese Vorschrift, konsequent ausgeführt, he- zip der Philosophie16• Die Aufweisung der heuristischen Gesichts- sagt im Grunde nichts anderes als die Elimierung aller E x i s t e n t i a I u r t e i I e und ihre Ersetzung durch bloße Annahmen. Der 15 In diesem Gedanken begegnet sich H u s s e r 1 mit der kritischen Philo· sophie, nur mit dem Unterschied, daß K a n t die Analogie zwischen Philosophie und Naturwissenschaft in ihrer 1 o g i s c h e n Verwandtschaft als strengen Wissenschaften erblickt, jedoch nicht in einer gleichartig-intuitiven Erkenntnisgrundlage. Während H u s s e r I sich bemühte, K a n t in intuitiver Richtung fortzubilden, sChlugen die Neukantianer Co h e n und Nato r p den entgegen· gesetzten Weg ein, indem sie die reine mathematische Anschauung K a n t s in "reines Denken" umzuformen suchten, allerdings im Widerspruch zu Grundintentionen K an t s und ohne E~folg. 16 Den Begriff des konstitutiven Prinzips, d. h. der "Erkenntnisquell!l des in den Urteilen einer Wissenschaft ep.thaltenen Wissens" ·entnehme ich der Abhandlung von N e 1 s o n über "Die kritische Methode und das Verhältnis der 24 Philosoph behauptet von nun an als Philosoph nicht mehr, daß es Planeten, physiches und psychisches Menschenleben, Naturgesetze, Moralität, Schönheit und Göttlichkeit gehe, sondern er Psychologie zur Philosophie", Abhandlungen der Fries sehen Schule, N. F. Bd. I, H. 1, S. 46. In seiner Schrift "über das sogenannte Erkenntnisproblem", Göttingen 1908, S. 483, hat N e 1 s o n gezeigt, daß eine ·p s y c h o I o g i s c h e Evidenzdefinition kein Wahrheitskriterium und eine nichtpsychologische, o b j e k t i v e Definition kein Evidenzkriterium enthält!. Diese Schwierigkeit bedingt es, da.B H u s s e r I das Wort intuitiv sowohl im objektiven wie im subjektiven Sinne verwendet. 25 läßt die Existenz dieser Gegenstände dahingestellt: Er sieht also nitionen beliebiger Begriffe. Die Einklammerungsmethode kann sein Wissen so an, als ob es bloß aus Annahmen bestände. Es ist keiner dieser denkbaren Problemstellungen genügen: weder der klar, daß durch das bloße Absehen von der Existenz keine Wesens- Philosophie des Absoluten, noch der apriorisierten Erfahrungs- hestimmung möglich ist. Ob die Existenz eines Gegenstandes zuge- wissenschaft, noch der Philosophie der Erfahrungswissenschaften, gehen wird oder nicht, hat auf die Erkenntnis seiner Eigenschaften noch dem De:finitionensystem. Es müssen sich also von der postu- keinen Einfluß, und wenn also die phänomenologische Methode lierten Methode bis zu ihrer Anwendung Z w i s c h e n g I i e d e r nur in ·der Einklammerung besteht, dann ist mit ihr nur eine be- einschieben, die der phänomenologischen Philosophie zu Ergeh- langlose Modi:fikation des sonst schon gegebenen Wissens erreich- nissen verhelfen, die mehr sind, als Verwandlungen von Existen- bar, aber sicher keine W esenserkenntnis. tialbehauptungen in Annahmen. Diese Überlegung bleibt, solange nicht die Festsetzung: Wesen = Eingeklammertes eingeführt wird, unabhängig davon, was man e) Die Prävalenz der inneren Anschauung. sich unter W e s e n exakt denkt. Das Wesen eines Gegenstandes Eines dieser ZWischenglieder H u s s er I s ist die von ihm ist jedenfalls als Gegensatz zu seinen zufälligen Momenten zwar kritisierte, aber prinzipiell doch beibehaltene D e s c a r t e s - definiert; die Abstraktion von der Existenz betrifft aber Zufälliges B r e n t a n o sehe Lehre von der Prävalenz der inneren vor der und Wesenhaftes · in gleicher Weise, kann also auch zu ' keiner äußeren Wahrnehmung. H u s s e r 1 formuliert sie folgendermaßen: Scheidung zwischen ihnen dienen. Von Wesen kann man typischer- ,,Alles leihhaft gegebene Dingliche kann auch nicht sein, kein leih- weise in einem drei f a c h e n Sinne sprechen. Wesen bedeutet haft gegebenes Erlebnis kann auch nicht sein: das ist das Wesens- einmal überhaupt den Gegensatz zu einer Welt, in der es. Zufall gesetz, das diese Notwendigkeit und Zufälligkeit definiert." Dieses gibt. Wesen in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit dem Abso- Wesensgesetz ·leistet wohl seine De:finitlonsfunktion, aber es trifft luten, und eine philosophische Wesenserkenntnis dieser Art wäre nicht zu, und zwar nicht etwa deshalb, weil es von jedem Materia- also ein~ Philosophie des Absoluten. Wesen bedeutet weiter die listen geleugnet wird, sondern aus dem einfachen Grunde, weil Entgegensetzung zum Zufälligen beliebiger Dinge, insbesondere auch die Erlebnisse nur konstatierhare Fakten der "natürlichen auch räumlich-zeitlicher Erscheinungen: die Natur, die Substanz Welt" sind und daher widerspruchslos als nichtexistierend gedacht von N atu~dingen, speziell die Naturgesetze. Eine dementsprechende werden können. Dies gilt auch für jenes Erlebnis, für jenen Denk- Wesensphilosophie wäre eine apriorisierte Erfahrungswissenschaft, akt nämlich, durch den man sich widerspruchslos die Nichtexistenz im günstigsten Fall eine methodisch schwankende Philosophie der der Erlebnisse denkt: denn seine Existenz, wie die aller anderen Erfahrungswissenschaften. Wesen bedeutet schließlich soviel, wie Erlebnisse, wird nicht als logisch-notwendig durch Denken, son- logisch-notwendige Merkmale eines Gegenstandes, die also durch dern als zufällig-vorhanden durch innere Beobachtung erkannt. seinen Begriff gedacht werden. Eine dieser Auffassung ent- Der schon D es c a r t e s täuschende Schein des Gegenteils entsteht sprechende Wesensphilosophie ist eine Systematisierung von De:fi- durch die Überlegung, daß man doch auch denken müsse, um die 26 27 Nichtexistenz alles Psychischen zu denken; dies bedeutet jedoch wußtsein durch Existentialabstraktionen gibt die gleichen Rätsel entweder n.ur die Trivialität: wenn ich irgend etwas denke, muß auf wie die Transformation sonstiger Tatsächlichkeiten in Wesen. ich denken und sagt also nicht, daß wirklich gedacht wird, oder Daß sich durch diese Manipulation an die Stelle des wirklichen setzt, als Existentialbehauptung verstanden, eine Beobachtung die- ein Bewußtsein schiebt, dessen Realität dahingestellt bleibt, das ses Denkaktes voraus; und das Gegenteil dieser Behauptung bleibt, ist das einzige, was einleuchtet; wie aber auf diese Weise eine - wie das eines jeden synthetischen Urteils, immer denkbar. Trotz Wissenschaft konstituiert werden soll, "von derem gewaltigem Um- dieser Sachlage ist die vermeintliche Prävalenz der inneren An- fang die Zeitgenossen noch keine Vorstellung haben", das :bleibt schauung eine Voraussetzung mit Hilfe derer H u s s er l seine völlig im Dunkeln, es sei denn, daß man die Gewaltigkeit ihres Welt der W esenheiten zu bestimmen sucht. Nicht schon in der Umfanges darin erblickte, nunmehr psychologische und so:nstige Region der empirischen, sondern erst im Reich des r e in e n Be- Behauptungen nach geeigneter Umformung. in phänomenologische wußtseins sollen diese allerdings anzutreffen sein. Um jedoch von Terminologie übertragen zu können. Diese Vermutung wird von diesem in jenes zu gelangen, dazu ist eben die phänomenologische psychischen Akte des V orstellens, Interessierens, W ollens, des psy- H u s s e r I selbst völlig bestätigt, indem er nicht nur eine Phänomenologie "des naturwissenschaftlichen Bewußtseins", ,,sondern auch eine solche der Natur selbst", in specie eine .Phänomenologie chischen Lehens überhaupt, und schon eröffnet sich uns das Feld "des Menschen", "des sozialen Geistes", der "gesellschaftlichen Ge- des absoluten Bewußtseins, des transzendentalen Ichs, dessen .,Er- staltung", schließlich auch der ethischen, ästhetischen und reli- forschung die üherschwenglich große, aber durchaus angreifbare giösen Gegenstände fordert, so daß es also wirklich kein Gegen- und stufenweise zu lösende Aufgabe der transzendentalen Phäno- standsgebiet gibt, auf das die Phänomenologie nicht irgendwelche menologie ist": die beabsichtigte Bestimmung der Phänomenologie Ansprüche erhöhe. als psychologiefreier Bewußtseinsforschung ist erreicht, das reine Bewußtsein, dieses Korrelat einer vermeintlich ausgezeichneten der reinen Erlebnisse" in den Vordergrund stellt und erst in Reduktion da. Wir abstrahieren einfach von der Realität der Daß H u s s er I die Aufgabe einer "deskriptiven Wesenslehre empirischen Seinsphäre, ist das "phänomenologische Residuum" der eingeklammerten Welt, seine spezielle Untersuchung kann .he- zweiter Linie die dieser Disziplin zugeordnete Gegenstandsphäno- ginnen17. Diese Verwandlung des empirischen in das absolute Be- Ontologien" postuliert, findet seinen allgemeinsten Grund in H u s- menologie, das heißt die entsprechenden "formalen und materialen s e r I s Problemstellung der Philosophie, wie sie noch unabhängig 17 Unter dem H u s s er 1 sehen Gesichtspunkt muß man also unterscheiden: empirische Psychologie, apriorische Psychologie und transzendentale Phänomenologie, von denen nur die erste eine Naturwissenchaft ist. Die methodische ·Verwirrung der geisteswissenschaftlichen Psychologie kann man an der mit ihr sympathisierenden Darstell~g von S e i f e r t ermessen (Handbuch der Philosophie, Bd. 3, daraus: Psychologie, Metaphysik der Seele, S. 90 ff., München und Berlin 1931). 28 von seinem Intuitionismus vorliegt. Seine Idee absoluter Erkenntnis verlangt nämlich zweierlei: Erkenntnistheorie und Ontologie, "letzte Begründung" und Wissenschaft vom Absoluten. Das Postulat der letzten Begründung führt H u s s e r I zunächst auf eine allgemeine Theorie der Erkenntnis und der logischen Erkenntnis 29 insbesondere. Daß die Ausführung des H u s s e r l sehen Werkes Einführung bei H u über diese Untersuchungen hisher nicht hinausgelangt ist, ist mens einer Erkenntnistheorie im Sinne eine's Beweises der Gültig- durch sein Streben nach höchster Exaktheit bedingt, das, wenn keit der Erkenntnis überhaupt und insofern die Überwindung einer logisch urihaltharen Problemstellung. auch auf begrenztem Gebiet, so doch Grundlegendes schaffen 8 s er I emen Ansatz zur Sprengung des Rah- will. Die erkenntnistheoretische Problemstellung H u s s e r l s ent- H u s s e r I gibt aber noch eine weitere Auszeichnung der Er- hält jedoch eine wichtige, auch für die Entwicklung seiner Schule kenntnisphänomenologie an und zwar den p h ä n o m e n o I o - bedeutungsvolle Zweideutigkeit. Fordert sie nur eine Deskription g i s c h e n I d e a I i s m u s-, den er als essentielles Prinzip der der Erkenntnis oder will sie zugleich eine Begründung aller Er- Phänomenologie überhaupt ansieht. Es besagt, daß alles Sein kenntnis liefern? Für den ersten Fall ist das Prinzip der eide- "seine Seinsgeltung aus der transzendentalen Subjektivität" emp· / tischen, der nicht-empirischen "Deskription" unbegreiflich, das fange, daß es "im absoluten Bewußtsein" konstituiert werde, ohne indessen mit ihm zusammenzufallen. H u s s e r I mit der ausdrücklichen _Begründung einführt, die . Phänomenologie könne als "Grundwissenschaft der Philosophie" Unter der Voraussetzung dieser Lehre gewinnt die Bewußt- keine Erfahrungswissenschaft sein. Im zweiten Fall verfällt aber seinsphänomenologie auch einen ontologischen Sinn: sie ist Phä- auch H u s e r I der allgemeinen erkenntnistheoretischen Schwie- nomenologie des "sinngebenden Bewußtseins", "das seinerseits abso- rigkeit eines regressus ad infinitum: denn wenn es sich um die lut und nicht wieder durch Sinngebung ist". Sie ist damit Onto- Begründung aller Erkenntnis handelt, wie sollte dann die Wesens- logie einer ausgezeichneten, nämlich allein als absolut vorausge- anschauung davon ausgenommen werden können? H u ss er I s setzten Sphäre. Den Charakter der Selbstverständlichkeit erhält Antwort auf diese ihm wohl bewußte crux, die transzenden- der phänomenologische Idealismus jedoch nur durch eine einfache 8 tale Phänomenologie beantworte die Frage nach ihrer Möglichkeit Selbsttäuschung. Daraus nämlich, daß man über, Seiendes nur ur- durch sich seihst, vermag nicht zu genügen: diese Antwort durch- teilen kann, indem man urteilt, aus dieser Identität folgt keines- haut den erkenntnistheoretischen Knoten. sie löst ihn aber nicht. wegs eine Abhängigkeit des Beurteilten vom Urteil oder gar vom Nimmt man, wie H u s s e r l es tut, die erkenntnistheoretische Pro- reinen Bewußtsein. H u s s e r I sagt einmal über sein reines Be- blemstellung prinzipiell auf, dann ist die Annahme einer "letztbegründenden Erkenntnis" unmöglich18 • Andererseits bedeutet deren 18 Auf eine . halsbrecherische, aber für den Intuitionismus sehr charakteristische Art und Weise sucht sich I r m g a r d e n den Schlingen der Erkenntnistheorie zu entziehen. Nach Ir m gar den ist "jede Möglichkeit einer Täuschung bei der Intuition des Durchlebens prinzipiell ausgeschlossen", da die Intuition "eine Art Sympathie", ein "Sichhineinversetzen = in" "und ein Zusammenfallen = mit dem Gegenstand" ist (Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. IV, S. 564; Bd. V, S. 378). Diese mystische Konstruktion 30 . belegt es ausgezeichnet, wie leicht es der Intuitionist hat, von der Wissenschaft zur Phantasie hinüherzuwechseln. Die erschöpfendste Kritik des erkenntnistheoretischen Zirkels und seiner Erscheinungsformen bleibt die Schrift von Ne h o n "Über das sogenannte Erkenntnisproblem", Göttingen 1908. WennSchI i c k (Allgemeine Erkenntnislehre, 2. Auflage, Berlin 1925, S. 83) durch seine WOrtunterscheidung von Kennen und Erkennen den "Beweis der Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie" widerlegt zu haben glaubt, so kommt darin zum Ausdruck, daß S c h I i c k das Beweisargument, die Einsicht in die Unvermeidlichkeit von Prämissen für jeden, also auch .für den erkenntnistheoretischen Schluß, verkennt. 31 "\ \ wußtsein: "Es ist die Urkalegorie des Seins überhaupt (oder· in Bewußtseins und seiner Inhalte (denn nichts anderes ist das "reine unserer Rede die Urregion), in der alle andern Seinsregionen wur- Bewußtsein") 20 , befindet man sich im Beginn seiner phänomenolo- zeln, auf die sie ihrem Wesen nach bezogen sind, von der sie daher gischen Analyse. Da es nun aber nach Husse r I "Wesenswahr- wesensmäßig alle abhängig sind." Die unbegründete Kühnheit, mit heiten verschiedener Allgemeinheitsstufe" gibt, entsteht das Problem, der hier aus der Trivialität des Bezoge~seins allen Seins, nämlich auch synthetische Wesensintuitionen über die reinen Bewußtseins- als Gegenstand, auf ein Bewußtsein, nämlich als Inhalt, eine Ab- inhalte zu entwickeln. Hierfür zwei elementare Beispiele: Bei der hängigkeit, die mehr als diese Intentionalitätsheziehung ist, und Analyse der visuellen Wahrnehmung stellt H u s s e r l folgende insofern eine Ahsolutheit des rej.nen Bewußtseins gefolgert wird, eidetischen Sätze-auf: "Jede Dingwahrnehmung hat einen Hof von kann dadu~ch verschleiert werden, daß man kurzerhand das logisch Hintergrundsanschauungen"; überhaupt gehöre zum Wesen der nicht Einsichtige als Wesenserkenntnis diktiert. Eheuso steht es mit dem anderen Satz: "Alle realen Einheiten sind Einheiten des Wahrnehmung "jene merkwürdige Modifikation ..., die Bewußtsein im Modus aktueller Zuwendung in Bewußtsein im Modus der In- Sinnes", der, wenn man ihn noch so vorsichtig gebraucht, eine aktualität" überführe und umgekehrt. Daher könne "der Erlebnis- . äußerst mißverständliche Formulierung darstellt. Reale Einheiten strom ... nie aus lauter Aktualitäten bestehen". Diese Sätze gehen werden durch Einheiten des Sinnes, zum Beispiel des Sinnes· von sämtlich von introspektiven Beobachtungen aus, die zur Grundlage Sinnesanschauungen erfaßt, sie sind aber nicht notwendig seihst für die Formulierung psychologischer N a tu r g es e t z e gemacht Sinneinheiten. Sie als solche zu beschreiben, ist keine intuitive werden. Als unbestrittenes Beispiel eines Naturgesetzes gibt näm- Aufweisung, sondern eine de~ Intentionalitätsprinzip lich Husse r l seihst die Beziehung an: Alle Körper sind schwer. wider- sprechende Verwirrung von Inhalt und Gegenstand des erkennen- Orientiert man sich hieran, so muß die Beziehung: Alle Wahr· den Bewußtseins, genau so wie der reine Solipsismus, von dem sich nehmungen sind mit Hintergrundsanschauungen verbunden oder H u s s e r I ausdrücklich distanziert19 • allgemeiner: In dem Erlebnisstrom wechseln Aktualität und Inaktualität miteinander ah, gleichfalls als Naturgesetz anerkannt werden. H u s s e r I versucht dieser Konsequenz dadurch zu ent- f) Beispiele. Mit dem Satz vom Entspringen allen Seins aus dem seihst aller gehen, daß er das in der Wahrnehmung liegende "Erfassen" von Realität baren Gegenstand der problematischen Vorstellungen des Etwas als "Herausfassen" bestimmt und so scheinbar unabhängig von einer Erfahrung der Hintergrundsanschauungen mit Apodik- 19 Der phänomenologische Idealismus wird von L i n k e (1. c., 2. Auflage, S. 368 ff.) abgelehnt. Linkes "Gegenstandsphänomenologie", die er Husse r I s "Erlebnisphänomenologie" entgegensetzt, ist jedoch, wie Link e anerkennt, schon in dem allgemeinen Programm H u s s e r I s enthalten. Weitgehend richtig hatWund t (Kleine Schriften. Bd. I, Leipzig 1910) die Phänomenologie beurteilt, insbesondere ihre "Absorption des Psychischen durch das Logische" (574), "ihre Psychologie ohne Psychologie" (580}, die auch D ri es c h (Philosophische Forschungswege, Leipzig 1930, S. 18 ff.). treffend kritisiert. tizität sein Wesensgesetz von den "Hintergrundsanschauungen" gewinnt. Aber dieses Verfahren verdeckt nur eine tatsächlich zu20 Die Fiktivität des reinen Bewußtseins hat K r a u s in seiner Einleitung zum 2. Band der B r e n t an o sehen Psychologie (Philosophische Bibliothek. Bd. 207, Leipzig 1928, S. XXII) eindringlich hervorgehoben. 3 Kraft, Von Husserl zu Heidegger 32 ,.,, ;. 33 grundeliegende psychologische Konstatierung, sie vermag diese Konstatierung keineswegs üher:ßüssig zu machen. Ob übrigens die Der S i n n einer bestimmten Vorstellung ist nichts anderes, als eine ihr spezifische Qualität, die sie zu dieser bestimmten Vor- als Wesensintuitionen vorgetragenen psychologischen Zusammen- stell~g macht. Eine Vorstellung besitzt einen Sinn, so wie ein hänge wirklich vorliegen, ist eine Frage für sich, die sich in diesem Körper eine Farbe: nur ist der Sinn eine psychische, die Farbe Fall mit gewissen Einschränkungen bejahend beantwortet, weil es eine physische Qualität. Eine Qualität könnte man höchstens in sich um Zusammenhänge handelt, die aus Grundtatsachen des er- dem Sinn "irreal" nennen, als sie nur an etwas, aber nicht ohne dies, kennenden Geistes folgen. für sich bestehend, auftreten kann. Diese Irrealität besteht also . \ Dies gilt für das zweite Beispiel, nämlich für die Theorie der in ihrer spezifischen Unselbständigkeit, jedoch nicht in ihrer Zu- Noesis und des Noemas, nur mit bedeutend stärkeren Einschrän- gehörigkeit zu einem Reich der "Irrealitäten". Zu der Annahme kungen. Gemäß dem Intentionalitätsprinzip unterscheidet H ~ s - eines solchen Reiches wird H u s s e r 1 infolge seines phänomeno- s e. r 1 "zwischen eigentlichen Komponenten der intentionalen Er- logischen Ideali.smus gedrängt, demzufolge die klare Unterscheidung lebnisse und ihren intentionalen Ko~elaten", oder was dasselbe he- von Inhalt und Gegenstand verwischt wird. Infolgedessen überträgt sagt, zwischen noetischem und noematischem Gehalt. Und für diese sich auch die nichtfaktische Natur der mathematisch-philosophi- Gehalte, also für Inhalt und Gegenstand, formuliert H u s s e r I schen Gegenstände auf die sie erfassende Erlehnisinhalte, die dann "das sich überall bewährende W esensgesetz": "kein noetisches Mo- plötzlich als nichtreelle Komponenten erscheinen, wobei noch ihre ment ohne ihm spezifisch zugehöriges noemarisches Moment". Die- Gegenstände zu Sinneinheiten umgedeutet werden. .Dazu kommt ses Gesetz enthält zunächst eine neue Formulierung des bereits als zweite Fehlerquelle die Zweideutigkeit des Ausdruckes "Sinn". angeführten _analytischen Satzes, daß jede Vorstellung in sich Vor- Sinn bedeutet einmal soviel wie Inhalt und ist dann eine nur durch stellung von Etwas sei, also eine mit dem Begriff der Vorstellung introspektive Konstatierung erkennbare psychische Qualität. Sinn logisch-feststehende Wesenswahrheit, eine solche, "die nicht weg- bedeutet aber weiter soviel wie Gesetz, das erfüllt sein muß, damit gedacht werden kann" (Husse r 1). Aber die neue Terminologie ein psychischer Inhalt mit Grund auf Objektivität Anspruch er- "noetisch-noematisch" verbindet mit dieser Wahrheit angreifbare heben kann. So spricht man von einem lo<Tischen Sinn der für Vorimssetzungen. Das noetische Moment, der Sinn des Erlebnisses, Urteile, und von einem ethischen Sinn, der für Handlungen gilt Hu s s e r I ' o- ' auch einfach und eindeutig als Inhalt bezeichnet, und unterscheidet dann sinnvolle und sinnlose Urteile, h~ziehungs­ ist nämlich als nichtreelle Erlebniskomponente bestimmt und zwar weise Handlungen. Wie beschaffen aber auch das Verhältnis ge- als nichtreell unabhängig von einer etwa vorgenommenen Reduk- gebener Urteile und Handlungen zu den für sie gültigen Gesetzen den tion; auch das Noema, z. B. "das Wahrgenommene als Solches, das Er- sein mag, sie sind nie selbst diese Gesetze und verharren, mögen innerte als Solches, das Geurteilte als Solches", bestimmt H u s s e r 1 sie richtig oder falsch, gut oder schlecht sein, im Bereich des Psychischen. als Sinn, genauer als "gegenständlicher Sinn". Beides, der no.etische und noematische Sinn, sind jedoch unhaltbare Konstruktionen. 34 Diese Unterschiede nicht beachtend, proklamiert jedoch H u·s3* 35 s e r I den Satz: "Alles, was dem Erlebnis rein immanent und "Beseelende Funktionen" greifen erst dort ein, wo zur Auffassung reduziert eigentümlich ist" (und dazu gehören Noesis und Noem~), der sinnesanschaulichen Qualitäten die Bestimmung anderer Mo- "was von ihm, so wie es in sich ist, nicht weggedacht werden kann mente des Gegenstandes hinzutritt, z. B. seiner Gestalt und seiner und in eidetischer Einstellung eo ipso in das Eidos übergeht, ist von Stellung in einem naturgesetzliehen Zusammenh~ng. ~ller Natur und Physik und nicht minder von aller Psychologie Untersuchung der verschiedenartigen Erkenntnisse, die etwa zur durch Abgründe getrennt - und selbst dieses Bild als natura. listisches, ist nicht stark genug, den Unterschied anzudeuten" · H"Ier Bestimmung eines materiellen Dinges zusammentreten müssen, hat sich die Phänomenologie durch ihr intuitionistisches Axiom weit- liegt in Wirklichkeit ein Schulfall dafür vor, wie eine tiefe Ent- gehend verhaut, das sie vor allem den Reflexionselementen gegenüber blind macht. deckung gerade dort vermutet wird, wo sie sicher nicht vorliegt. Das ganze antinaturalistische Pathos bezieht sich im Grunde auf die V ergleicht man das Vorgehen der Erlebnisphänomenologie Verteidigung der Wahrheiten a priori gegenüber einer Grenzüber- mit der für sie entwickelten Reduktionsmethode, dann zeigt es schreitung der Tatsachenkenntnis. Aber der Apriorismus ist keines- sich, daß als Zwischenglieder von dieser zu jener nicht nur die wegs dadurch bedroht, daß man Begriffe psychologischer Quali- Prävalenz des Psychischen und der phänomenologische Idealis- täten nicht für philosophische Sätze hält. Vielmehr mißversteht er mus auftreten, sondern außerdem noch eine. über das Prinzip der sich selbst, wenn er eine Region der Erfahrung entrissen zu haben Existentialabstraktion hinausgehende Abstraktionsreget ·Diese Ah- glaubt, die ihr der Natur der Dinge nach nicht entrissen werden straktionsregel findet sich nirgends explizit formuliert, aber sie kann. läßt sich zum Teil rekonstruieren. Wenn H u s s er 1 Eidos und Be- An die Fiktion der irrealen noetischen Komponente schließt griff, Eidos und Nichtwegdenkbares gleichsetzt, dann haben wir sich noch eine charakteristische Konsequenz an. Erst durch die es mit der Ahstraktions.regel zu tun, alles Logisch-Zufällige eines irrealen sollen nämlich die realen (auch hyletisch genannten) Gegenstandes hinwegzudenken. Wenn dagegen eine materiale W e- Komponenten, z. B. visuelle Inhalte, "beseelt" werden. Erst durch sensregion postuliert wird, dann fehlt bei H u s s e r I eine analoge die Noesis soll der hyletische Bestandteil zur Erkenntnis, etwa zum Regel, und an ihre Stelle treten irgendwelche Gedankenfolgen, die W ahrnehmungshewußtsein von einem Baumstamm, z. B. von der mehr oder minder folgerichtig auf nicht-logische, aber dennoch .apodiktische Behauptungen führen. Diese Überlegungen, die der F arhe des Stammes, werden. Im Gegensatz zu dieser Theorie zeigt die psychologische Realität einer visuellen Anschauung keinen individuellen Willkür der Intuitionisten einen besonders weiten Grund zur Annahme solcher beseelenden Funktionen. Vielmehr Spielraum gewähren, treten allerdings bei H u s s er 1 infolge seiner erweist sich die Wahrnehmung eines Baumes unmittelbar als Er- Bevorzugung des Logisch-Einleuchtenden zurück, aber sie sind auch fassung seiner Farhenqualitäten. Diese Wahrnehmung hat insofern von ihm methodisch zugelassen und gelegentlich verfolgt worden. bereits einen bestimmten Inhalt und bezieht sich auf einen hestimmten Gegenstand: sie ist also Erkenntnis der Farhenqualitäten. Aber die Immerhin wird die logische Methode auch bei ihrem Ergebnis ·'' nach material gerichteten, phänomenologischen Untersuchungen 36 37 angewandt werden, da ihr Anspruch, Wesensanschauungen wissen· Argumente K a n t s gegen den Intuitionismus zur Kenntnis ge- schaftlieh aufzwingen zu können, zunächst noch am: meisten ein- nommen haben und sich über sie hinwegsetzen. leuchtet. Hieran erweist es sich klar, wie wenig Grund die Phäno- F i c h t e s22 Wissenschaftslehre (der K a n t ihren unendlichen menologen haben, von einer philosophischen Anschauung zu spre. Regreß nachgewiesen, und von der er erklärt hatte, daß er sie "für chen. Sofern sie sich überhaupt der Formen wissenschaftlicher Be- ein gänzlich unhaltbares System halte") behauptet, auf intellek- gründung bedienen und nicht einfach philosophische Behauptungen tueller Anschauung zu beruhen und zwar auf "einem Wissen vom 21 dekretieren, sind sie vielmehr die echten Logizisten • Wissen" "durchaus mit einem Blick". Hiermit spricht F i c h t e die typische Verwechslung von introspektiver Beobachtung und intellektueller Anschauung aus, die er wiederholt, wenn er diese g) Philosophiegeschichtliche Analogien. als "das unmittelbare Bewußtsein, daß ich handle" bezeichnet und V ergleicht man den phänomenologischen Intuitionismus mit damit glaubt, den "einzigen festen Standpunkt für alle Philosophie" F i c h t e s und S c h e ll i n g s intellektueller Anschauung, so gewonnen zu haben. Auch die für den Intuitionismus charakte· fällt neues Licht auf ersteren. Diese systematisch naheliege~de Zu- ~istische ~ersicherung der Unwiderleglichkeit fehlt h~i F i c h t e sammenstellung wurde hisher gegenüber einer Verfolgung des nicht: "Das also, was nun wirklich Wissenschaftslehre ist, kann von historischen Ursprungs der H u s s er I sehen Lehre vernachlässigt, einem vernünftigen Wesen nicht widerlegt, ihm kann nicht wider- obwohl die systematische Frage für die philosophische Beurteilung sprochen, es kann daran nicht einmal gezweifelt werden ..." Daß der Phänomenologie doch viel wichtiger ist. Was gerade den V er- das Wissen der intellektuellen Anschauung schließlich als Gott gleich mit Fichte und S c h e 11 in g so nahe legt, ist .die Tat· selbst erscheint, wenn auch als "Gottes Seyn außer seinem Sein" sache, daß heide nicht nur lntuitionisten sind (dieser Bedingung . rundet die Analogie ~u der Region des "absoluten Bewußtseins", in genügen auch P I o t i n mit sehter Ekstase und B er g s o n mit dem sich alle Realität konstituiert, befriedigend ab. seiner intellektuellen Einfühlung), daß sie nicht nur eine intuitive Auch S c h e ll i n g s23 Lehre vom "fortwährenden Potenzieren Philosophie des Absoluten erstreben, sondern, wie H u s s e r I , die der Selbstanschauung, deren erster Akt das Zusammentreffen von Objekt und Subjekt durch ihr Zusammenfallen erklären soll, Wenn S c h I i c k bemerkt, die phänomenologische Methode beruhe auf "der ·allbekannten Unterscheidung zwischen Existenz und Essenz, zwischen Dasein und Wesen" (Allgemeine Erkenntnislehre, 2. Auflage, Berlin 1925, S.128), so liegt hierin zwar die Erkenntnis des Reflexionscharakters ihrer vermeint· liehen Intuition, aber es fehlt die Einsicht in die Unbestimmtheit ihrer Abstraktionsregeln. Diesen Mangel der Reduktionsmethode hebt dagegen H ö n i g s w a l d klar hervor, der feststellt, daß nach vollzogener Reduktion "das Schauen dem Schauenden - methodenlos und kriterienfrei - iiberlassen" bleibe (Grund· fragen der Erkenntnistheorie, Tübingen 1931, S. 39; vgl. auch das Beispiel auf S. 72). Oi 38 nimmt ihren A~sgangspunkt von einer Umdeutung der introspektiven Beobachtung. Systematisch bemerkenswert ist der Ästheti· zismus S c h e ll i n g s , der ihn von F i c h t e unterscheidet, und den er in dem Satz formuliert: "Der eigentliche Sinn, mit dem diese 22 Sämtliche Werke, Bd. 2, herausg. von J. H. Fichte, Berlin 1845, sämtliche Werke, Bd. 2, herausg. von M e d i c u s , Leipzig 1912. 23 Sämtliche Werke, Stuttgart und Augsburg, 1858, Bd. 3. 39 r I Art der Philosophie aufgefaßt werden muß, ist also der ästhetische, und eben darum, die Philosophie der Kunst das wahre Organon der Philosophie." Und hieran knüpft sich als Konsequenz die clausula salvatoria: "alles vorgehliehe Nichtverstehen jenes Philosophierens hat seinen Grund nicht in seiner eigenen Unverständlichkeit, sondern in dem Mangel des Organs, mit dem es aufgefaßt werden muß". Eine ästhetisierende Ausdeutung der Wesensanschauung tritt in der phänomenologischen Schule erst bei S c h e I e r und H e i d e g g e r auf, während H u s s e r I diese Vermengung von Phantasie und Erkenntnis streng verpönt24 • Jedenfalls ist aber auch ihr Ästhetizismus der Phänomenologie von der Geschichte der Philosophie schon vo~demonstriert worden. Mit H e g e I , der die Fiktion der intellektuellen Jnschauung durch die seiner dialektischen Logik ersetzt, wird zwar der Intuitionismus F i c h t e s und S c h e ll i n g s verlassen, es bleibt aber 4. Z ur p h ä n o m e n-o I o g i s c h e n L o g i k. H u s s er I s Beiträge zur Logik gehören zu jener Klasse aufrüttelnder philosophischer Schriften, die unwiderleglich die Unvollkommenheit einer Wissenschaft beleuchten, derer man sich sicher zu sein glaubte. Dieser kritischen Leistung entspricht allerdings kein ihr adäquater positiver Ansatz, obwohl auch in dieser Richtung von H u s s e r I Anregungen gegeben wurden, die jedoch hisher _nicht in aufhauender Wei~e weitergewirkt haben; ja, seihst die kritischen Ergehnisse H u s s e r I s sind keineswegs Allgemeingut der Wissenschaft geworden. Die an diese Ergehnisse anknüpfenden Schlagworte, z. B. das beliebteste: "Psychologismus", können trotz ihrer V erhreitung nicht als Index für ein Durchdringen des Gedankens angesehen werden. H u s s e r I setzt bei einer Kritik der zur Zeit seines Auftretens vorherrschenden logischen Systeme ein, und man kann das prinzipielle Ergebnis dieser Kritik in zwei Sätzen zusammenfassen: die Philosophie des Absoluten mit ihrer charakteristischen Lehre vom höheren Wissen, vom Eindringen in das Wesen der Dinge, schließlich/vom Zusammenfallen des Denkens mit dem Gedachten im "konkreten Begriff": von der Phänomenologie eines "üherindi- I. Die Logik ist keine Psychologie des Denkens. 2. Die Logik ist keine normative Wissenschaft. Den Beweis hierfür führt H u s s e r I durch eine subtile V er- viduellen" Geistes, die damit Metaphysik des Alls der Dinge wird - gleichullg der entgegengesetzten Behauptungen (in ihren verschie- gleichfalls in unverkennbarer Verwandtschaft mit H u s s e r I s An- denen Varianten) mit dem wirklichen Inhalt logischer Aussagen. satz .vom absoluten Sein des transzendentalen · Bewußtseins, mehr Und dabei erweist es sich zwingend, daß solche weder etwas über aber noch mit Konstruktionen S c h e I e r s und H e i d e g g e r s. die Naturgesetze des Denkens noch über den Wert von Denkinhal- 24 Dagegen kommt z. B. G e i g e r der Lehre vom Mangel des Organs sehr nahe, wenn er der phänomenologischen Methode eine "aristokratische Natur" zuspricht und den Fall in Erwägung zieht, daß "selbst die Wesensmomente, die andere bereits erschaut haben, derjenige nicht wird erschauen können, dem die Begabung hierfür fehlt" (Zugänge zur Ästhetik, Leipzig 1928, ,S. 152). Man bedenke demgegenüber die Forderung K an t s, daß die Kritik der Vernunft "bloß aus dem Standpunkt des gemeinen, nur zu solchen abstrakten Untersuchunge~ hinlänglich kultivierten V erstand es zu betrachten ist". 40 ten (hzw. über die Mittel zu seiner Realisierung) enthalten, daß vielmehr alle V ersuche einer psychologischen oder einer normativen Behandlung der Logik zu widersinnigen Ergehnissen führen müssen. Diese im I. Band von H u s s e r I s "Logischen Untersuchungen"_ bewiesene Konsequenz ist deshalb unvermeidlich, weil dieLogik bei aller Naturwissenschaft und aller normativen Theorie 41 schon vorausgesetzt ist, und auf sie daher nicht reduziert werden kann25 • gisehe und apophantische Logik verwendet; ontologisch, weil auf Dinge überhaupt, apophantisch, weil auf Sätze bezüglich. Die onto- Die Logik muß also eine von diesen Wissenschaften unabhängige Wissenschaft sein, und es entsteht die Frage: Was für eine logische Logik ist gleichzeitig die Grundlage der von H u s s e r I postulierten formalen Ontologie, die apophantische Logik soll sich · Wissenschaft? Bereits diese Problemstellung erfährt durch H u s · bei H u s s e r I zu einer "apriorischen Wissenschaftslehre" gestal- s e r 1 eine bedeutsame Vertiefung, indem er die Vorfrage aufwirft, ten. Für beide Disziplinen fordert H u s s e r I jedoch noch eine ob die unter dem Namen Logik überlieferten Erkenntnisse über- Ergänzung. Sie genügen ihm zwar als "intentionale haupt Teile einer einheitlichen Disziplin sind, und es zeigt sich des eigentlichen Sinnes der formalen Logik", den sie durch eine bald, daß dies nicht der Fall ist. In der traditionellen Logik wird klare Disziplinunterscheidung erfassen, ·aber es steht ihnen keine einmal geurteilt über Dinge überhaupt, und zwar in solchen Sätzen Begründung ihrer Axiome zur Seite. Sie deduzieren aus zwar ein- wie A = A, kein A = Nicht-A; es wird ht ihr weiter geurteilt Exp~ation über leuchtenden Grundsätzen, für die aber ein Nachweis ihres Erkennt· Begriffe, Urteile, Schlüsse, also über eine . bestimmte Klasse von nisgrundes gefordert werden muß. Dieser' Forderung glaubt H u s- Dingen. Dies sind die beiden wesentlichen· Gegenstandsgebiete der s er I "ausschließlich im Zusammenhang einer transzendentalen traditionellen Logik, für die Husse r I die Terminologie ontolo- Phänomenologie" genügen zu können. Die transzendentale Phäno- 25 Dagegen glaubt R i c k e r t , "daß gerade durch die konsequente Trennung von Logik und Psychologie das Wesen der Logik als W ertwissenschaft, die H u s s er I noch bekämpft, erst recht deutlich wird" (271) •. Diese AnnahmeRicke r t s beruht auf seiner erkenntnistheoretischen Lehre, daß "allein im Sollen, welches. das Urteil anerkennt, das Moment zu finden sei", "das dem Erkennen Objektivität verleiht" (213) (Der Gegenstand der Erkenntnis, 6. Auflage, Tübingen 1928). Wenn dies allgemein der Fall wäre, müßte es natürlich auch für die Logik gelten, die sich damit als normative Wissenschaft herausstellen würde. Aber es trifft weder zu, daß jedes Urteil ein Sollen anerkennt, noch auch, daß dies speziell bei den logischen Urteilen der Fall ist, die vielmehr, wie allen material-bestimmten Sätze;,., so auch ·allen Sollsätzen zugrunde liegen. H u s s e r I s Verwerfung der normativen Logik behält also auch gegen R i c k er t Recht'·. Dagegen hat R i c k e r t gegenüber H u s s e r I insofern eine starke Position, als er den Intuitionismus ablehnt und die Bedeutung der gedachten Erkenntnis betont, was Kreis (Phänomenologie und Kritiziinus, Tübingen 1930) einseitig zugunsten R i c k e r t s verwendet. H u s s e ~ I s Kritik logischer Schulen siegt auch gegen jene modernen Empiristen, die eine nominalistische Symbolik vertreten (wohl zu unterscheiden von der symbolischen Darstellung der Logik, die in ihrem systematischen Aufbau fortgebildet, nicht aber, wie z. B. von Ca r n a p meint [Abriß der Logistik, Wien 1929], überwunden werden soll). 42 menologie hat es aber mit den noetisch-noematischen Strukturen des reinen ·Bewußtseins zu tun, das der Voraussetzung gemäß, wie allen Gegenstandsregionen, so auch der logischen Region "ihre Seinsgeltung verleiht". Daher findet die formale Logik ihre Begründung in dem allgemeinen Zusammenhang der Theorie des reinen Bewußtseins, sie wird zur transzendentalen Logik, "die nicht eine zweite Logik, sondern nur die in phänomenologischer Methode erwachsene konkrete Logik ist". Dieser Begründungsmethode der Logik liegen die Voraussetzungen der phänomenologischen Methode überhaupt und • speziell des phänomenolOgischen Idealismus 'zu·grunde, die sich beide als nicht-haltbar erwiesen (3.). Ihre Anwendung zum Zweck einer Begründung der Logik führt aber noch auf eine spezifische Schwierigkeit. Die Grundsätze der Logik liegen, wie aller Wissenschaft, so auch der Erlebnisphänomenologie zugrunde; sie wendet sie speziell in ihren verschiedenen Ahstrak~ tionen an, und die für das Reduktionsverfahren postulierte "Aus- 43 schaltung der Logik" ist nur eine durch die Fiktion der Wesens· anschauung erleichterte Selbsttäuschung. Infolgedess~n schließt aber di~ phänomenologische Begründung der Logik unmittelbar einen Zirkel ein, sie setzt das voraus, was sie ableiten 'will, ihre einzelnen Deduktionen müssen daher Trugschlüsse sein. Die transzendentale Logik H u s s e r I s verkennt also die aus ihrem Grundsatzcharakter folgende Unahleitharkeit der logischen Grundsätze und ist also eine Analogie zu dem Grundmangel von K a n t s transzendentalen Beweisen aus dem Prinzip der Möglichkeit der Erfahrung. "··"~/ Die nach H u s s e r I für den strengen Aufhau der Logik grundlegenden und ihrem Ausgangspunkt, wenn auch nicht ihrem Au~hau nach unanfechtbaren Unterscheidungen von apophantischer und ontologischer, formaler und transzendentaler Logik erhalten ihre abschließende Bestimmung erst durch H u s s e r I s Vergleich der Logik mit der Mathematik. Immer wieder behauptet er, daß die Logik über ihre Gegenstände "ganz analog, wie die reine Arithmetik über Zahlen, die Geometrie über Raum· gestalten spricht, auf Grund reiner Anschauung .in ideativer Allge· meinheit". Es müßte also eine logische Anschauung gehen, deren Objekte ehensowenig Tatsachen sind, wie Zahlen und Raumfiguren. Diese Überlegung wird noch durch die weitere Voraussetzung' gestützt, daß die allgemeinsten Größenbegriffe "Ahleitungsgestalten des Etwas überhaupt" sind, woraus H u s s er I schließt, daß for· male Logik und formale Mathematik sich nur durch das Fehlen· einer "wissenschaftstheoretischen Intention" bei letzterer unter· scheiden. Angenommen, es träfe zu, daß formale Mathematik eine Ableitungsgestalt der formalen Ontologie sei (worüber die Entscheidung ganz von der genauen Bestimmung des Terminus "Etwas überhaupt" abhängt), so würde hieraus die H u s s e r I sehe Konse· 44 quenz doch nicht· folgen. Denn zu den Bestimmungsstücken des Etwas überhaupt, die auf jeden Fall gegeben sein müssen, und ohne die überhaupt keine Ableitungsgestalt aus ihm gewonnen werden kann, gehört, daß es den logischen Grundrelationen genügt, die also auch in der formalen Mathematik vorausgesetzt werden und daher nicht (bis auf die wissenschaftstheoretische Anwendungsintention) "mit ihr zusammenfallen. Wenn sich auch die Identität von formaler Mathematik urid Logik nicht aufrecht 'erhalten läßt, so fragt es sich doch noch, welche Bedeutung ihrer Analogisierung zukommt. Daß sie nicht im Sinne eines logischen Intuitionismus verstanden werden darf, steht bereits fest. Aber auch die Gegenstandsanalogie, d. h. diejenige zwischen logischen und mathematischen Objekten, ist in dem Umfang, wie H u s s er I sie versteht, nicht gegeben. Sehr einleuchtend erörtert Husse r I den fundamentalen Unterschied zwischen den psychischen Akten des Z ä h I e n s und dem arithmetischen Ohj.ekt der Z a h I e n r e i h e : "Die Zählungsakte entstehen und vergehen; in Beziehung auf die Zahlen ist von dergleichen sinnvoll nicht zu sprechen." Der entsprechende Satz für die Logik müßte lauten: Die sich auf die logischen Gesetze beziehenden Denkakte entstehen und vergehen; in Beziehung auf die logischen Gesetze ist von dergleichen sinnvoll nicht zu sprechen. In diese elementare Parallele schleicht sich jedoch bei H u s s e r I ein weittragender Fehler ein, indem er nämlich nicht die Zahlen mit den logischen Gesetzen, sondern jene mit ihren Anwendungsbedingungen in der apophantischen Logik vergleicht. Diese Anwendungs· hedingungen sind aber die Denkinhalte, denen die Denkgesetze die notwendigen Bedingungen ihrer Wahrheit bestimmen. Und so überträgt sich das, was für die Denkgesetze richtig ist: ihre Zeit.}osigkeit, ih~e Idealität, auf die Denkinhalte, für die sie Gültigkeit besitzen: Begriffe, Urteile, Urteilsreihen sind plötzlich in eine 45 "ideelle Region" versetzt, obwohl die psychologische Natur der lung der Logik zeigen also wohl, was die Logik nicht ist, sie schlie- Akte des Begriffhildens, des Urteilens, Schließens zugegeben' wird. ßen verfehlte Gebietsumgrenzungen der Logik aus, aber gelangen zu Hier liegt jedoch ein offenkundiger Widerspruch vor, denn es ist keiner ausreichenden positiveU: Bestimmung. Zwei wesentliche Mo- unmöglich, daß aus Psychischem Ideelles entspringt: eine solche mente hat allerdings H u s s e r I auch hierfür angegeben: Die Idee Transformation wäre ein logisches Wunder. der "Doppelseitigkeit der Logik" (ontologische und apophantische H u s s e r I ist der Auflösung dieser Schwierigkeit, die ihn Logik) und das PoStulat der Begründung der Logik. Das erste wird immer wieder beschäftigt, sehr nahe gekommen. Er hebt nämlich wichtig für die Einordnung des Systems der Logik in die Philo- ausdrücklich hervor, daß die logischen Gesetze sich nicht auf Denk- sophie iiberhaupt, das zweite für die vemunftkritische Untersuchung akte, sondem auf Denkinhalte beziehen. Für die Logik ist es irre- der logischen Grundsätze, womit Aufgaben der kritischen Logik um- velant, wann, wo, von wem, ob überhaupt gedacht wird, sie schrieben sind, an deren Lösung sie 1m Anschluß an K an t s Unter- macht lediglich von dem Begriff · des Denkinhalts und seiner scheidung der analytischen ~nd synthetischen Urteile, sowie auf Komplexionen Gehrauch und entwickelt Regeln ihrer Wahrheit Grund seiner Problemstellung der Kritik der V emunft (wozu auch und Falschheit. eine Kritik der logischen Vemunft gehört) herangehen muß. Es bleibt. also richtig, daß die Logik keine Theorie der Naturgesetze des Denkverlaufs ist, aber als Lehre von H u s s e r I s Konstruktion einer ideellen logischen Sphäre Im den Denkgesetzen muß sie doch den Begriff einer psychischen Bewußtsein ist nicht nur eine für die Einzelheiten der phänome- Qualität, den des Denkinhalts, einführen, ohne den ihr das An- nologischen. Logik belanglose Abstraktion, sondern ein wirklich an- wendungsgehiet fehlen würde. Die gelungene Kritik des logischen gewandter Gedanke, dessen Mängel in seinen Anwendungen immer Psychologismus erkauft H u s s e r I also mit einem psychologischen wieder hervortreten und gleichzeitig die V erfehltheit der Phäno- Mystizismus, bezüglich dessen er sich der richtig gemeinten, aber menologie überhaupt beleuchten. Für die Technik der phänomeno- irreführend formulierten Lehre B o I z a n o s vom Satz an sich anschließt26. Husse r I s Bemühungen um eine exakte Prohlemstel26 B o I z an o formuliert seinen Gedanken folgendermaßen: "Soll eine Vorstellung A in dem Gemüte eines denkenden Wesens wirklich vorhanden sein: so ist der Satz, dies Wesen habe. die Vorstellung, eine Wahrheit, und zwar auch, wenn es niemand gibt, der diese Wahrheit denket, d. h. also eine Wahrheit an sich" (Wissenschaftslehre, Bd. II, S. 819, Sulzbach 1837). B o 1 z an o drückt hiermit aus, daß der Wahrheitsbegriff auf gedachte Inhalte angewandt wird, unabhängig davon, ob sie wirklich gedacht werden. Er verbindet aber diese Einsicht·mit der Konstruktion eines spezifischen Gegenstandsgebietes"Wahrheiten an sich" und hierin liegt eine Fiktion. Die Wahrheit eines Satzes ist kein neben diesem Satz· bestehender "Satz an sich", sie ist vielmehr seine in keiner Zeitbestimmung ausdrückbare Übereinstimmung mit einer, wie H u s s e r 1 sagen würde, originär gebenden Erkenntnis. 46 Unter dem Titel "Vom Psychologismus" hat B r e n t an o (Psychologie vom empirischen Standpunkt, Bd. II, Leipzig 1925, S. 179 ff.) sich ausdrücklich gegen die Lehren vom Satz an sich, vom reinen Bewußtsein, von der ideellen Urteilsregion, usw. gewandt. B r e n t an o wendet sich mit Recht gegen den gedankenlosen Gebrauch des Schlagwortes "Psychologismus", insbesondere da· gegen, daß auch derjenige des Psychologismus geziehen werden soll, "der da glaubt, daß die Psychologie in der Erkenntnislehre· und Logik irgendein Wort mitzusprechen habe". "So sehr ich", sagt er, "den Subjektivismus verdamme, so wenig werde ich mich dadurch zur Verkennung dieser Wahrheit verleiten lassen.'" In diesem Gedankengang B r e n t a n o s liegt die volle Auflösung der prinzipiellen Sch·wierigkeiten, mit denen H u s s e r 1 in der Logik kämpft. Aus dem Satz, daß die Logik keine Denkpsychologie ist, folgt nicht, daß sie von keinen psychologischen Begriffen Gebrauch machen darf. Vielmehr muß sie von solchen Gebrauch machen, um ihrer Aufgabe als apophantischer Logik genügen zu können. 47 logischen ldealitätsfiktionen ist es nun äußerst charakteristisch, daß ist also zum Verständnis dieses Sachverhaltes nicht erforderlich. und wie H u s s e r I die "Idealität des Sprachlichen" zu beweisen Sie ist aber darüber hinaus zu seinem Verständnis auch gar nicht sucht. Denn, wenn bereits "die Sprache . . . die Objektivität der Gegenständlichkeiten der sogenannten geistigen Welt oder Kulturwelt r' geeignet, sondern führt auf die unlösbare Schwierigkeit, wie ein Naturphänomen eine Idealität hervorbringen könne. Wenn übrigens und ni.cht die der bloßen physischen Natur" hat, dann muß sicher die Reproduzierbarkeit eines Dinges das Kriterium seiner Idealität das Gleiche für die durch sprachliche Ausdrücke bezeichneten Be- wäre, so müßte auch das Sprechen, wie alle in der Gewalt . des deutungen gelten, die überhaupt nicht mit der physischen, sondern {Menschen befindlichen Tätigkeiten, ja alle. wiederholbaren Natur- nur mit der psychischen Natur direkt in Beziehungen stehen. H ~ s · / prozesse Idealitäten sein. Tatsächlich zieht die Phänomenologie s e r l unterscheidet "die aktuell geredete Rede, genommen als ein •~··;.;;;h diese Konsequenz, indem sie sogar allen Naturerscheinungen sinnliches, speziell als ein akustisches Phänomen ... von dem Wort ein ideales "Wesen" als das ihnen zukommende "unzerbrechliche und Aussagegesetz selbst oder der eine größere Rede ausmachenden Selbige, im Anders und Immer-wiederanders" (Husse r I) zu- Satzfolge selbst". "Das Wort selbst, der grammatische Satz selbst" ordnet. Die zur Begründung der Sprachidealität, zur Einführung aber sei "eine ideale Einheit, die sich mit ihren tausendfältigen einer "apriorischen Grammatik", verwendeten Argumente bedeuten Reproduktionen nicht vervielfältigt". Reduziert man diese Überlegung auf ihren Kern, so ergibt sich nur die Behauptung, daß die also in ihrer Verallgemeinerung eine Mystifikation der Natur überhaupt27. in physiologisch-physikalischen Vorgängen bestehende Tätigkeit des In der Logik findet diese Sprachtheorie ihr Analogon in der Redens von den erzeugten Worten zu differenzieren sei. Diese Diffe- phänomenologischen Lehre vom B e g r i f f und vom Ur t e i I. Beide renzierung besteht jedoch nicht zwischen der. physischen Natur werden nicht als psychische Qualitäten (und zwar solche von Denk- zwisch~n physio- prozessen), sondern als spezi:fis~he "Bedeutungskomplexionen" oder logisch-physikalischen Prozessen und ihren spezifischen, in diesem "Sinneinheiten" aufgefaßt. Auf die Bedeutungseinheiten kommt und der geistigen Welt, sondern innerhalb ersterer Fall a~Mstischen Qualitäten. Das Wort, der Satz, die Satzfolge sind H u s s e r I in Anwendung seiner allgemeinen Auffassung der apo- nichts a:d-;es als akustische Qualitäten mechanischer Prozesse, phantischen Logik, als einer speziellen Disziplin vom reinen Be- an ·denen sie auftreten, und daher ist auch dieselbe Sprache durch wußtsein, durch die Unterscheidung von Bedeuten und Bedeu- immer neue Sprachakte reproduzierbar - tung, Begreifen und Begriff, Urteilen und Urteil, Schließen und genau so, wie derselbe Denkinhalt, derselbe Gedanke, durch immer neue Denkakte. Die 27 Die Voraussetzung einer spezifischen Ku I tu r o h j e k t i v i t ä t Wie für das Sprechen und die Sprache, könnte man natürlich für das Klingen .und den Klang, das Singen und den. Gesang, das Arbeiten und die Arbeit, das Beten und das Gebet, aber auch für das Bewegen und die Bewegung, kurz für jede einem Prozeß spezifische Eigenschaft ihre Idealität beweisen. Seine Unterscheidung von den ihm spezifischen Qualitäten tritt somit neben die Existentialabstraktion. die Abstraktion vom begrifflich Zufälligen, usw., um eine Wesensregion aufzuweisen, die jedoch tatsächlich weder durch Intuition erkannt, noch überhaupt vorhanden ist. 48 4 Kraft, Von Husserl zu Heidegger Reproduzierbarkeit einer und der~elben Qualität durch numerisch verschiedene Abläufe ist also nur eine Folge davon, daß ihr Auftreten nicht einem numerisch-bestimmten, sondern einem gewissen naturgesetzliehen Bedingungen genügenden Ablauf zugeordnet ist. ,. ·~ :· .:; ' 49 Schluß, also durch seme Qualitätsabstraktion (die philosophische. streifen. Diese Papierstreifen haben alle die gleiche Qualität rot. Ausdeutung des S tu m p f sehen Ansatzes [3.]). Die Idealitäts- Genau so ist es mit den Bedeutungen. Diese Vorstell~g des A fiktion 'täuscht hier besonders leicht, weil sowohl im allgemeinen von diesem Rot hat eine spezifische Bedeutung, d. h. eine spezi- Sprachgebrauch, ·wie verstärkt durch den phänomenologischen fische Inhaltsqualität, die sie mit allen Auffassungsakten derseihen Idealismus Begriff und Begriffenes, Urteil und Urteilsgegenstand, Farbe gemeinsam hat. Die spezifische Inhaltsqualität verhält sich Schluß und Schlußg~setze nicht klar ge~hieden werden. Infolge- also zu dem ihr zugeordneten Vorstellungsakt keineswegs so, wie dessen tritt wieder die Übertragung logischer Gesetze auf die sie eine "allgemeine Vorstellung" zu einer individuellen, was schon erfassenden Inhalte ein - ein Vorgang, der sich bei Husse r I daran erkennbar ist, daß die "allgemeine Vorstellung" auch einen fortwährend wiederholt. So, wenn er davon spricht, daß "Gegen- allgemeinen Aktcharakter besitzen müßte, und dieser doch zuge- stände überhaupt nur urteilsmäßig sind", oder wenn er in charakte- gebenermaßen für die Bedeutung belanglos ist. Soviel bleibt aller- ristischer Vieldeutigkeit den "transzendentalen Gegenstand" "den dings bestehen: Wenn der Logiker von einem Begriff oder Urteil den einzelnen Erlebnissen immanenten und doch in der sie über- spricht, so reflektiert er nur auf spezifische Denkinhalte und läßt steigenden Identität transzendenten Identitätspol" nennt. Das Bild es dahingestellt, von wem auch immer, oder ob sie überhaupt ge- des Identitätspols erhält seine Erklärung dadurch, daß die Theorie dacht werden. Diese Abstraktion vom "tragenden Akt" hat jedoch des Begriffs und Urteils außer durch die Qualitätsabstraktion noch mit allgemeinen Gegenständen nur das eine gemein, daß die vor- durch eine im bestimmten Sinn b e g r i f f s ~ e a I i s t i s c h e Über- gestellte Qualität dieseihe bleibt unabhängig von ihren individuell legung gestützt wird. ,,Die Bedeutungen bilden" nämlich nach wechselnden Trägem - H u s s e r I eine Klasse von Begriffen im Sinne von "allgemeinen ,,Idealitäten" .versetzt ist, so wenig wie "in der Röte" die roten Pa- womit sie jedoch keineswegs ins Reich der Gegenständen". "Die Bedeutung verhält sich ,hiernach' zu den je- pierstreifen "gründen", die vielmehr unter den Begriff des roten weiligen Akten des Bedeutens (die logische Vorstellung zu den Vor- Körpers fallen. H u s s er I lehnt zwar die ,.metaphysischen Hy- stellungsakten, das logische Urteil zu den Urteilsakten, der logische postasierungen" der allgemeinen Gegenstände ab. Dennoch vollzieht Schluß zu den Schlußakten) wie etwa die Röte in specie zu den er sie seihst; denn es bleibt eine metaphysische Fiktion, für Begriffe, hier liegenden Papierstreifen, die alle dieselbe Röte ,haben'." Die- Urteile, Satzfolgen und Wissenschaften eine eigei::te ideale Region ser Vergleich mit der "Röte" ist zur Erhellung der "Bedeutung" in Anspruch zu nehmen - sehr aufschlußreich. Was .ist nämlich diese Röte, die "weder in Annahme dieser Region sei mit Evidenz aufgedrungen. Die An- diesem Streifen, noch sonst in aller Welt existiert"? Sie ist der nahme einer evidenten Wesenserfassung entspricht haargenau der Gegenstand der problematischen und daher keine Existenz erfassen- Gleichsetzung von "Wesen" und "allgemeinen Gegenständen'•. Denn auch dann, wenn man behauptet, die den Vorstellung Rot. Und dieser Gegenstand ist wirklich in keiner der "allgemeine Gegenstand" ist d i e klassische Begriffshyposta- Welt, weder in der realen noch in einer "idealen" vorhanden. Vor- sierung und die Lehre von seiner evidenten Anschauung die seit handen sind allein bestimmte rotgefärbte Körper, z. B. Papier- PI a't o ihm zugeordnete Erkenntnis:fiktion. Die typische phäno- 50 51 menologische Wendung des "gründen in Etwas" bringt auch ungewollt die Voraussetzung der "allgemeinen Gegenstände" zum Ausdruck28. Was von den Denkgebilden falsch ist, das ist von den für sie gültigen logischen Gesetzen richtig: sie gehören einer idealen Region an und sind der psychologischen Erfahrung entrückt. Die allgemeine phänomenologische Idealitäts:fiktion schließt also den logischen Gesetzen gegenüber ihre empiristische Mißdeutung aus. Die phänomenologische Logik beabsichtigt aber mehr zu leisten, sie will zu einer vertieften Auffassung der logischen Gesetze, so, wie sie in den logischen Grundsätzen erfaßt werden, vordringen. In diesen glaubt H u s s e r I eine unzulässige Voraussetzung gefunden zu haben, nämlich die Voraussetzung der W i r k I i c h k e i t oder M ö g I i c h k e i t einer Welt. Mit der Möglichkeit kann H u s s e r I nicht jene Möglichkeit meinen, die durch die logischen Gesetze, als solche der formalen Ontologie, selbst bestimmt wird. Sagt er doch selbst, daß "die in sich geschlossene Gesetzlichkeit der ,Widerspruchslosigkeit' diejenige möglicher Wahrheit", also auch möglichen Seins überhaupt, "fundiert". Die Wirklichkeits- oder Möglichkeitsvoraussetzung der tradionellen Logik müßte also eine 28 H us s e r 1 unterscheidet eine "Konsequenzlogik" oder "Logik der ... Widerspruchslosigkeit" und eine "formale Wahrheitslogik". Diese formale I ;Wahrheitslogik müßte also auf Prinzipien anderer Art, als diejenigen es sind, i zu denen der Satz des Widerspruchs gehört, beruhen. Welche Prinzipien dies sind, hat Husse r I nicht angegeben. Jedenfalls aber geht er davon aus, daß "jeder Widerspruch ... von vornherein Fragen der Adäquation" ausschließt, daß er vielmehr "a limine eine Falschheit" ist. Sobald man jedoch von einem wahren oder falschen Urteil spricht, ist bereits der Begriff des Denkinhalts (sofern e:r gewissen Gesetzlichkeitsbedingungen genügt oder nicht genügt) eingeführt. über diese unvermeidliche psychologische Voraussetzung der apophantischen Logik kann man nicht hinwegkommen. Wenn auch die Logik nicht den Ablauf des Urteilens erforscht, so muß sie doch, um die notwendigen Bedingungen der Wahrheit von Urteilen überhaupt entwickeln zu können, von dem Begriff des letzteren Gebrauch machen, und dieser Begriff entstammt der psychologischen Erfahrung. synthetische sein: die Behauptung, daß es eine Welt gehe, oder die, daß sie nur nach bestimmten, z. B. Naturgesetzen, möglich sei. Keine dieser Voraussetzungen ist jedoch in den logischen Grundsätzen enthalten. Der Satz A = A z. B. sagt weder, daß es eine Welt gehe, noch daß es nur eine bestimmten synthetischen Bedingungen genügende Welt gehen könne. Er sagt vielmehr: Wenn es (was auch immer für ein) A gibt, dann ist es mit sich selbst identisch: er behauptet die Unmöglichkeit der Nichtidentität des Identischen. Auch die Allgemeingiiltigkeit der logischen Giundsätze wird von H u s s e r I bezweifelt, da nämlich seiner Meinung nach ",alle inhaltlich sinnlosen' Urteile die Gültigkeit des Sat~es vom ausgeschlossenen Dritten" durchbrechen. Ein inhaltlich sinnloses Urteil, etwa das von Husse r I gebildete Beispiel: "ein Mensch und ist", ist jedoch gar kein Urteil, d. h. eine gedachte Be hau p. t u n g • sondern eine Reihe von W o r t e n , die zwar jedes für sich eine einzelne Bedeutung, jedoch nicht als Wortfolge eine solche zusammengesetzte Bedeutung besitzen, wie sie für ein Urteil erforderlich ist. Diese Annahme einer Ausnahme vom Satz des ausgeschlossenen Dritten beruht also auf der Verwechslung eines grammatischen mit einem logischen Gesichtspunkt: Wo nichts behauptet, sondern nur geredet2 9 wird, da liegt kei~ Denkinhalt und also auch kein Anwendungsfall für logische Gesetze vor. Auf dem Boden der von H u s s e r I entwickelten methodischen Leitsätze hat P f ä n d e r 30 mit großer Klarheit eine phänomeno29 Husse r l meint einmal: "Ein Papagei redet in Wahrheit natürlich nicht." Versteht man in diesem Zusammenhang unter wahren Reden, sinnvoll ~eden, dann ist der Bereich des Redens auch beim Menschen mit seinem Sprechen uherhaupt keineswegs zusammenfallend, und es ist eine aprioristische Einschränkung der tierpsychologischen Forschung, von vornherein dem Papagei die :Fähigkeit des wahren Redens abzusprechen. 30 Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische F orsch ung, Bd.4. S· 139 ff.., Halle 1921; vgl. insbesondere S. 334, 349, 376, 377. 52 53 logische Logik entwickelt und versucht darin auch eine phänomenologische Begründung der logischen Grundsätze, die bereits H u s s e r I postuliert hat. P f ä n d er s Argument läßt sich am besten auffassen, wenn man einige seiner Begründungen nebeneinanderstellt: Der Satz der Identität beruht nach Pfänder darauf, daß "es im Wesen des Gegenstandes unnrittelbar und letztlich h~grün­ det" liegt, ... "daß er mit sich selbst identisch ist". Der Satz vom Widerspruch beruht darauf, daß "ein Gegenstand, der in bestimmtem Sinne P ist, ... nicht zugleich in demselben Sinne nicht P sein" kann. Der Satz vom Grunde findet nach P f ä n d e r seinen eigenen "zureichenden Grund" "in dem Wesen des Urteils und in dem Wesen der' Wahrheit": "Es liegt im Wesen der Urteile, ihre ganze Legitimation von ihren Objekten her zu beziehen. Sie bedürfen, wie Papiergeld notwendig der hinreichenden Deckung durch die Sachen." Diese Beispiele genügen für die Feststellung, daß die Begründungen P f ä n d e r s (die übrigens den Begriff des reinen Bewußtseins nicht verwenden, sondern o n t o I o g i s c h vorgehen), sämtlich a~ einem Z i r k e I beruhen. Was sie als ,,Wesen" des Gegenstandes voraussetzen, aus dem sie sein Nicht-Anders-Sein-Können ableiten, ist erst als solches durch die abzuleitenden logischen Gesetze bestimmt. Und so muß es sich verhalten, da diese Ge- setze Gesetze möglichen Seins überhaupt sind. Im Falle .des Satzes vom Grunde trennt dazu P f ä n d e r die Objektivität der Wahrheit nicht genügend von der Begründungsbedürftigkeit der Urteile, die der Satz vom Grunde ausspricht, und verkennt daher, daß dieser üherha"!lpt keinen ontologischen lnhalt81 hat und daher noch aus einem besonderen Grunde nicht ontologisch begründet werden kann. Es ist natürlich auch ein "erlehnisphänomenologischer" V ersuch Dies erörtert Fr i e s einleuchtend in seinem "System der Logik", Beideiberg 1837, Neudruck Leipzig 1914, S. 135 ff. 31 54 Z1ll' Begründung der logischen Grundsätze denkbar, der aber gleich- falls scheitern müßte, da auch er diese Grundsätze bereits voraussetzt. Es kann überhaupt keinen Beweis dieser Grundsätze gehen; sofern vielmehr die Phänomenologie die Logik dadurch zu reformieren sucht, daß sie den V ersuch macht, sie aus höheren Urteilen abzuleiten, wird sie nur zu ihrer Fiktion der ideellen Region ~d zu sonstigen Trugschlüssen verleitet82 • Diese Fiktion ist es, aus deren Verallgemeinerung und Syste- matisierung sich die W e s e n s r e g i o n und die W es e n s s c h a u ergehen, d. h. aber diejenigen Fehlgriffe hervorgehen, die bereits in H u s s e r ls Werk schwerwiegende Mängel hinterlassen, die aber, schon bei S c h e I e r beginnend, vor allem aber bei H e i d e g g e r , fortschreitend die wissenschaftliche Philosophie überhaupt verdrängen. So hat es sich gezeigt, wie aus einem theoretischen Fehler in der Logik der irrige phänomenologische Ansatz entspringt, und es wird sich weiter zeigen, wie dieser die phantastischsten Sprößlinge aus sich heraustreiht, die ihren wissenschaftlichen Mutterhoden schließlich völlig überwuchern. Diese Fehler .sind i~plizit schon in H u s s e r I s Unterscheidung von Philosophie als der allein strengen Wissenschaft, durch die alle anderen Wissenschaften erst zu echten werden, und Erfahrungswissenschaften (samt Mathematik) als in dogmatischer Einstellung verharrenden Disziplinen, enthalten. Aus diesen Begriffsbestimmungen folgt unmittelbar die Problemstellung einer allgemeinen Zurückführung der nichtphilosophischen Wissenschaft auf philosophische und zwar auf die aUgemeinste philosophische Wissenschaft; d. h. für H u s s er l speziell, auf die "transzendentale Phänomenologie", als "letzte Wissenschaft", die dem erkenntnistheoretischen circulus vitiosus dadurch entzogen wird, daß man kraft ihrer Definition ilire "wesensmäßige iterative Zurückbezogenheit" auf sich selbst dekretiert. H u s s e r I hat für seine Begriffsbestimmungen und die Ausführbarkeit ihrer Konsequenzen den Realitätsbeweis nicht erbracht. Die Kritik zeigte, daß dieser Beweis nicht erbracht werden konnte, und leitet damit mittelbar zu einer brauchbaren Unterscheidung von Philosophie und nichtphilosophischer Wissenschaft an. 32 55 zu sehr auf Originalität und also auf Unnachahmlichkeit hin orientiert, dazu war sein Gedankensystem nic~t geschlossen genug, sein philosophischer Entwicklungsgang zu (,ri:h:ii~t:il Es ist bezeichnend, ~! daß solche seiner Leistungen, wie die Ethik, die sich strengerer theoretischer Formen b~dient, im engeren Sinne philosophische Nachfolge gefunden haben. II. Während H u s s e r I auf dem Weg über die Kritik der psycho- Philosophie als Metaphysik: S c h e 1er. logistischen Logik zu sein~r Phänomenologie geführt wurde, gelangte S c h e I e r zu H u s s e r I s Intuitionismus auf Grund einer l. Problemstellung und Methode der Philosophie. Loslösung vom Neukantianismus (die sich später zur Ablehnung Unter den Führern der phänomenologischen Schule ist ohne des K a n t ianismus überhaupt steigerte). "Das Sein des Gegen- Zweifel S c h e I er der Geist mit der größten Weite und dem glän- standes mit dem Gegenstandsein eines Seienden zu verwechseln'', zendsten Komhinationsvermögen. Sein Gesichtskreis und Arbeits- so formuliert S c h e I er in einer seiner letzten Arbeiten die aus feld reichen von der Religion bis zum individuellen und sozialen . dem Jntentionalitätsprinzip abgeleitete Kritik der neukantischen Menschenleben, das er in dem Brennspiegel seiner unveröffentlich-. · Ei-zeuguilgstheorie, "ist einer der Grundfehler des Bewußtseins- · ten philosophischen Anthropologie zum zentralen Gegenstand seines 'idealismus"34. Es ist klar, daß Sc h e I er bei dieser entschiedenen / ' l Philosophierens macht. S c h e I e r s Phänomenologie '~··i-) .,". ~._:·,~:.~;; I ist in einem Opposition auch H u s s e r s phänomenologiscl?-en Idealismus nicht tieferen Sinne des Wortes iillmer "interessant": sie fesselt immer !.~!!e.~.~onnte und daher diese grundlegende Voraussetzung H u s - das Interesse, weil sein Gedankengang aus den Quellen einer un- s er I s fallen ließ: " ... nicht bewußtseinsimmaU:ent und idea- gemein-erfüllten Persönlichkeit gespeist wird, die dazu mit einem listisch ..., sondern ontologisch und realistisch gew!l:r;tdte Unter- 33 besonders-"eingängigen", oft glänzenden und hinreißenden Stil ausgestattet ist. Es ist daher verständlich, daß Sehe I er faszinierend gewirkt hat, wenn er auch nicht in de:.;n Maße, wie H u s s er l , schulenbildende Kraft besaß. Dazu war seine Persönlichkeit viel 33 Für deren Würdigung ich mich vor allem auf folgende WerkeSche l er s beziehe:. Die psychologische und die transzendentale Methode, 2. Auflage, Leipzig 1922. Philosophische Weltanschauung, Bonn 1929. Idealismus-Realismus, Philosophischer Anzeiger, 2. Jahrgang, H. 3, S. 255 ff., Bonn 1927/1928. Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 3. Aufl~ge, Halle 1927. Wesen und Formen der Sympathie, 3. Auflage, Bonn 1929. Vom Ewigen im Menschen, Leipzig 1923. Die Wissenschaft und die Gesellschaft, Leipzig 1926. 56 ~"'l:-))~)1. 34 Dabei schweben S c h e I e r solche paradoxen Formulierungen vor, wie z. B. die folgende Co h e n s : "Natur ist Erfahrung, das ist mathematische Naturwissenschaft, deren Möglichkeit in den ,allgemeinen Naturgesetzen' der synthetischen Grundsätze beruht. In dieser Möglichkeit der Erfahrung liegt somit alle Naturnotwendigkeit der Natur beschlossen. Das ist die Summe transzendentaler Einsicht in die apriorischen Bedingungen der Erfahrung." (Kants Theorie der Erfahrung, 3. Auflage, Berlin 1918.) Daß eine solche Verkehrung des Verhältnisses von Naturwissenschaft und Natur, allgemeiner von Erkenntnis und Gegenstand auf die Dauer nicht ertragen werden konnte, sondern schließlich eine entschiedene Gegenströmung hervo~rufen mußte, kann denjenigen nicht in Erstaunen setzen, der die Tiefe der Philosophie nicht in ihrer Absonderlichkeit erblickt und dieselbe Einschätzung auch .bei anderen mindestens als eine Komponente ihres Philosophierens voraussetzt. 57 suchung der nur durch unmittelbare evidente Anschauung zugäng- Natur, Gesellschaft und Geschichte" diene, von denen das zweite, lichen W esenshestände der Welt und des Geistes", so lautet das von diesem Zwang frei, rein-kontemplativ beschaffen sei, während sich hieraus ergehende, in seinen methodischen Konsequenzen sich das dritte keine "vergegenständlichende Betrachtung", sondern "ak- von H u s s e r I weit entfernende phänomenologische Programm Schelers. Der Konflikt mit H u sse r I beginnt schon auf tiver Einsatz" des ganzen Menschen "Mitvollzug des ewigen Aktes ·- einer unserem Trieblehen spürbaren Drangswucht" sein soll. höher liegenden Stufe, auf einer Stufe, die noch vor der phäno- Daß die psychologische Disposition zur Erfahru.ngswissenschaft menologischen Methode (sei sie erlebnismäßig .oder ontologisch hier pragmatistisch uingedeutet, daß die ontologische Phänomeno- ausgestaltet) liegt: bei der Problemstellung der Philosophie über- logie als berechtigte philosophische Disziplin vorausgesetzt wird, haupt. Von dem Postulat der Philosophie als strenger Wissen- kann für die Erörterung der allgemeinen philosophischen Problem- schaft ist der Intuitionismus logisch abtrennbar und daher auch stellung außer Betracht bleiben. Es kommt auf die Konfrontie- mit einer anderen Aufgabenbestimmung der Philosophie verbind- rung von Betrachtung und Einsatz, auf die, mystische Töne an- bar. Er drängt sogar zu einer anderen Verbindung: denn, da der schlagende Bestimmung der "allem Philosophieren" zugrundeliegen- Intuitionismus sich wissenschaftlich aus naheliegenden und ein- den "Geisteshaltung als liehebestimmtem Aktus der Teilnahme des leuchtenden Gründen nicht stützen läßt, besteht für denjenigen,_ ·Kernes einer endlichen Menschenperson am Wesenhaften aller mög- der sich ihm dennoch anvertraut, eine starke Verführung, sich im lichen Dinge" an, die e x p I i z i t die Preisgabe einer konsequent- Besitz eines der Wissenschaft überlegenen, eines höheren Wissens wissenschaftlichen Problemstellung der Philosophie, dieser grund- zu dünken. Dieser Verführung ist S c h e I e r , zwar mit Kompro- legendsten Wiedereroberung Husse r I s, enthalten. Zwar möchte missen, aber dennoch unterlegen. Sein Ziel, "die apriorischen W e- S c h e I er daran festhalten, daß "Philosophie Erkenntnis ist und sens- und Ideenstrukturen, die als objektiver Logos die. gesamte der Philosoph ein Erkennender", die Philosophie soll sogar die Weltwirklichkeit durchflech,ten und (im Sinne der Gültigkeit) he- voraussetzungsloseste Erkenntnis sein. An den Früchten ihrer Kon- herrschen, aufzudecken", führt~ ihn unmittelbar, vor allen Ergeh- sequenzen beurteilt, erW-eisen sich jedoch diese mit der "aktiven nissen, schon i~ seiner Fragestellung von den strengen Forde- Einsatztheorie" unvereinbaren Bestimmungen als zu nichts ver- rungen der wissenschaftlichen Philosophie a h. Dies zeigt S c h e - pflichtend. Die Philosophie besitzt nämlich nach S c h e I e r "ihre I~ r s bekannte Unterscheidung der drei Wissensarten: Herrschaft- eigene Idee von Strenge", die offenbar auf Widerspruch_slosigkeit wissen (Erfahrungswissenschaften), Wesenswissen (insbesondere Lo- ____ )~.einen Wert legt. Tatsächlich vertritt S c h e I e r die Meinung, es g:h: ,,kei~~ gik, ontologische Phänomenologie) und Heilswissen (Philosophie des Absoluten in Kombination mit dem ~,vulgären Wissen" und der 58 --ill.gemeingültig wahre, sondern nur eine indi~dual gültig wahre . . . inhaltliche" Weltanschauung, wohl aber eine "streng allgemeingültige Methode" zur Gewinnung dieser individual- "prima philosophia"), von denen das erste unter dem Zwang des "Trieb und Bedürfnissystemes" "unserer möglichen Macht über sowohl der geistigen ideenbildenden Tätigkeit als seiner in .. \. gültigen WeltanSchauung. Hiermit ist ein weiterer Grundpfeiler 59 Husse r I s kurzerhand umgestürzt: denn, was S c h e I er "indi- lischen Epoche sprach er jedenfalls den (durch entsprechende Stil- vidual gültige Weltanschauung" nennt, ist R e I a t i v i s m u s , der änderung leicht einem anderen Glauben anzupassenden) Satz aus: nur nicht die Offenheit seiner positivistischen Spielart besitzt, den ,,Nur als ,freie Magd' des Glaubens vermag die Philosophie die Wahrheitsbegriff über Bord zu werfen. Die Methode S c h e I e r s Würde einer Königin der Wissenschalten zu bewahren, und sie kann daher keines1\'"egs "allgemeingültig" sein. Wäre sie dies, muß notwendig Diener_in, ja Sklavin und Hure der ,Wissenschaften' so müßte sie auch zu eindeutigen Ergebnissen führen können. Da werden, wenn sie sich erkühnt, sich als Herrin des Glaubens zu ge- ihr diese Fähigkeit aber ausdrücklich abgesprochen wird, könnte bärden." Diese "autonom vollzogene Unterwerfung unter die gött- ihre "Gültigkeit" (zur Gewinnung metaphysischer Wahrheit) nur liche Offenbarungsordnung" (sei sie theistisch, pantheistisch oder darin bestehen, daß ihre Anwendung allen Menschen den GI a u - sonstwie gedacht) hat man in der Autoritätsphilosophie des Mittel- b e n an den Besitz solcher Wahrheiten erwerben könnte. Aber alters bedeutend-klarer unumwunden als Unterordnung der Philo- auch das ist unmöglich, da nicht alle Menschen in der Philosophie sophie unter die Theologie ausgesprochen, woran sich das Schein- auf Widerspruchslosigkeit verzichten wollen, und da, sofern sie es königtum der von S c h e l e r postulierten Philosophie und die me- wollten, sie. sich überhaupt keine Meinungen mehr bilden können: thodische Verwirrung ermessen läßt, die aus einer auch nur kurzen Denn jede, auch die individuellste Mein'img, muß als M e i n u n g Herrschaft dieaer scheinköniglichen Regierung im Reiche der Philo- einen bestimmten Inhalt haben; diese Bedingung entfällt aber, wenn man Widersprüche in seinem Meim~ngssystem zuläßt 35 Jr.. sophie und der sonstigen Wissenschaften entstehen muß. S c h e l e r definiert die . Philosophie als "ihrem Wesen nach streng evi- • S c h e 1 e r selbst findet sich mit einem fundamentalen Wider- dente dnrch Induktion unvermehrbare und unvernichtbare, für alles spruch in seiner individualgültigen Weltanschauung ab, indem zufällig Daseiende ,a priori' gültige Einsicht in alle nur an Bei- er nämlich die Unterordnung der Philosophie unter den Glau- spielen zugä.D.glichen W esenheiten und Wesenszusammenhänge des ben fordert (unter welchen Glauben bltl:lbt dabei. natürlich auch Seienden, und zwar in der Ordnung und dem Stufenreich, in denen Sache freien Ermessens, wie ja S c h e I e r sich vom Katholi- sie sich im Verhältnis zum absolut ·Seienden und seinem Wesen zismus zu einer Art Pantheismus entwickelte). In seiner katho- befinden". Aus dieser Erklärung (die den Intuitionismus einfach "Nicht nur bestimmte Resultate, sondern überhaupt eine ganz bestimmte Methode ihrer Auffindung unter eine Sanktion stellen zu wollen, die ihren Rechtsgrund auf die positive Offenbarung zurückführt, ist sachlich widersinnig" - so meint S c h e l e r und wäre völlig im Recht, wenn er das, was er für die Methode behauptet, auch für deren Resultate in Anspruch nähme. Wenn 'es sachlich widersinnig ist, eine Methode unter autoritäre Sanktion zu stellen, so gilt dies notwendig auch für die Resultate, die ja nichts anderes sind als die Konsequenzen der Anwendung einer Methode. Es ist also sachlich widersinnig zwischen Methode und Resultat hinsichtlich ihrer Bestimmtheit durch den S a t z v o m G r u n d e, d. h. hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit von einer autoritären Sanktion, einen Unterschied zu machen. definitorisch einführt) geht klar hervor, daß das Prinzip der indi- 35 60 "idualgültigen W ahrheit 36 sich über die ganze Philosophie erstreckt, 36 ·. \ Nach N. Hartmann untersteht die Philosophie der a p o r e t i s c h e n Methode, . kraft derer sie ihre Fragen nicht "löst", sondern nur "behandelt" (Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, 2. Auflage, Berlin 1925, S. 123). Diese aus einer Verzerrung des aristotelischen Erörterungsverfahrens (das vorschnelles Aburteilen ausschließen soll) entstandene Meinung drängt unwiUkürlich die Frage auf, wozu man überhaupt noch philosophieren soll, und worin die aporetische Methode sich von ziellosem Problematisieren unterscheidet. 61 da alle ihre Wesensaussagen zu einer Weltanschauung, d. h. hier Sphäre) : Wissen bedeute nichts anderes als T e i I h a b e n an zu einer Anschauung der Abhängigkeit aller Dinge von Gott, ge- Etwas, und zwar entweder "ekstatisch" (bei Tieren, Primitiven, hören. S c h e i er zieht vieHach diese Konsequenz der generellen Kindern, beim Erwachen aus der Narkose) oder "bewußt"' (gegen- "lndividualgültigkeit"' nicht und nimmt, z. B. für die Ethik, Allge- ständliches Wissen, im Gegensatz zu ersterem nichtgegenständlichen meingültigkeit in Anspruch _:___ unter welcher Voraussetzung auch Haben). diese und manche andere seiner Werke betrachtet werden müssen. Diese platonisierende Konstruktion bricht aus einem elemen- Insbesondere gilt dies auch für seine Methode der W esensanschauung, taren Grunde zusammen: der ihr zugrunde gelegte Begriff der Teil- die er mit einer Kritik der H u s s e r I sehen Reduktionsmethode habe ist nämlich, als Verhältnis des Teiles zum Ganzen verstanden, verbindet. Die Unzulänglichkeit der in dem H u s s e r I sehen Reduktions- nisbegriffs. Die Erkenntnis ist weder ~in Teil ihres Gegenstandes, verfahren postulierten Existentialabstraktion hat S c h e l e r sehr noch ihr Gegenstand ein Teil seiner Erkenntnis. S c h e I e r will es durchaus keine geeignete Grundlage zur Bestimmung des Erkennt- treffend kritisiert. -Wie er nämlich mit Recht bemerkt, "sieht man . · · allerdings dennoch so, denn sein "Haben", seine "Ekstase" be- gar nicht, was an dem ,blühenden Apfelbaum' (ein Beispiel H u s- zeichnet diese logisch unmögliche Beziehung zwischen den beiden s e r I s) nun anders werden soll durch die bloße Zurückhaltung des Momenten der Erkenntnis: diese offene Erkenntnismystik. Es ist Daseinsurteils, man sieht gar nicht, wie sich nur dadurch eine neue charakteristisch für die Denkweise S c h e I e r s , daß er diese My- Gegenstandswelt eröffnen soll, die in der natürlichen W eltan- stik an die angegebenen empirischen Beispiele knüpft, die doch schauung noch nicht mit enthalten war. Vom Wesen bleiben wir nur Fälle von mehr oder minder u n r e f I e k t i e r t e n Erkennt- dabei völlig fern - und verwundert muß man sich fragen: Wozu nissen sind, im übrigen aber so "gegenständlich", wie jede ausge- denn das Ganze?" Aus dieser Abweisung der Existentialabstrak- . baute Theorie. S c h e I e r liegt eben daran, ein "lebensnaher", d. h. tion, verbunden mit der des phänomenologischen Idealismus, ergibt sich für s' c h e I er die Notwendigkeit, eine neue Methode zur Gewinnung von W esensanschauungen, eine gegenüber der H u s - in diesem Falle aber methodisch, ein auf Umfassung von Erfahrung und Philosophie bedachter Philosoph zu sein, wovon jedoch beide Gebiete ihren Schaden tragen müssen. s e r I sehen modifizierte phänomenologische Methode zu entwickeln Versteht man unter Teilhabe aber nur ein B i I d für die Inten- - (die auch, wenigstens in ihren Grundzügen, vorliegt). Zu diesem tionalität der Erkenntnis, dann ist diese sicher auf kein "Seinsver- Zweck überbietet Sc h e I er die von H u s s er I vorgenommene hältnis", auf keine ontologische Beziehung gegründet, und es gibt aprioristische Umdeutung der Erkenntnis zu einer spezifischen auch dann kein übergegenständliches Haben der Sache an sich. Das idealen Region dadurch, daß er den Begriff des Wissens durch allge- Teilhabebild verdeckt in diesem Falle nur die petitio principü der meinste o n t o I o g i s c h e Merkmale zu bestimmen sucht. "Das ganzen Ableitung, die deshalb scheitern muß, weil Erkenntnis nur Wissen"', erklärt er, "ist ein letztes eigenartiges und nicht weiter ab- durch introspektive Erfahrung in ihrer qualitativen Eigenart er- leitbares Seins-Verhältnis zweier Seienden" (also keine irreale faßt werden kann. Die Fiktion des Habens zieht bei S c h e I e r 62 63 eine weitere, für seine Methode der Wesenserfassung grundlegende Fiktion nach sich. S c h e I er glaubt nämlich, ein elementares Wis- c sen aufweisen zu können, das notwendig einen e k s t a t i s h e n. Die Hauptvorschrift von S c h e I e r s phänomenologischer "Techne" besteht darin, nicht nur mitHusse r I die "in der natürlichen Weltanschauung stets implizierte Daseinssetzung auszuschal- Grund hat: Das Wissen von Existenz überhaupt. Realität sei ur- ten", sondern "die es gehenden voluntaristischen Funktionen zu he· sprünglich kein Gegenstand des Erkennens, sondern des Leidens, seitigen" oder populärer ausgedrückt, "alles begierliebes triebhaftes ~es V erhalten möglichst ruhen zu lassen". Diese Methodik (deren konse· W i d e r s t a n d s e r I eh n i s s e s. "Ein nur erkennendes W e- # die unmögliche Verwandlung sen hätte keine Realität, wobei Realität den Inbegriff alles dessen quente Durchfühning 'bedeutet, was gegen unser Streben Widerstand leistet." In dieser in ein rein-komtemplatives Wesen voraussetzt - des Menschen Form wird der "voluntaristische Realismus" S c h e I er s zu einer räterische Wort ,,möglichst") wiederholt 'eklatant den gerade von Tautologie: ein Wesen, das nicht leidend mit seiner Umwelt zu- S c h e I er kritisierten Grundfehler der Reduktionsmethode H u s- daher das ver· sammenstößt, stößt mit ihr nicht leidend zusammen. Die eigent- s e r 1 s. Ob das Realitätsmoment voluntaristisch oder intellektuell liche Behauptung, daß es ohne Widerstandserlebnisse keine Reali- "entfernt" wird (natürlich nur als entfernt g e d a c h t, nicht etwa tätserfassung gehe, ist jedoch, wie man sie auch interpretieren mag wirklich entfernt wird, wie S c h e I er , seinen Realismus über Bord (ob genetisch oder deskriptiv), ein offensichtlich bloß hingeworfener werfend, einmal behauptet): "vom Wesen bleiben wir dabei völlig Aphorismus. Dieser Aphorismus mag denjenigen blenden, bei dem ·fern". Sc h eIergelangt sogar mit seiner Technik noch nicht ein, die Erinnerung an Prügel, an Zahnziehen oder an Sonstiges, das mal zur Existentialahstraktion, weil eben Realität nur für einen seinem "Streben Widerstand" leistete, noch mit so starken Unlust- kleinen Ausschnitt von Gegenständen durch Widerstandserlebnisse gefühlen assoziiert ist, daß er darüber die Ruhe verliert, seine Er- gegeben ist, und weil, sofern sie so gegeben ist, ihre Ausschaltung kenntnisakte genau zu beobachten. Kehrt jedoch sein psychisches doch einen D .e n k a k t voraussetzt, so daß S c h e I e r , noch mehr Gleichgewicht wieder ~urück, dann wird er sofort zugehen, daß man 37 Die von N. Hartmann im Anschluß an Dilthey und Scheler entwickelte Lehre von den "emotional-transzendenten Akten" als Grundquellen der Erkenntnis deren Reflexionselementen H a r t m a n n , auch schon S c h e I e r , wieder gerechter wird als H u s s e r 1 - unterliegt prinzipiell . der gleichen Kritik, wie aus m e i n e r Diskussionsrede zu H a r t m a n n s Vortrag auf der Haller Tagung der Kautgesellschaft hervorgeht· (Philosophische Vorträge der Kantgesellschaft, Heft 32, S. 57 ff., Berlin 1931). Daß Hartmann weder von einer h!oßen Erkenntnistheorie, noch von Erkenntnisphänomenologie, sondern klar und deutlich von "Metaphysik der Erkenntnis" spricht, bedeutet für die Kritik eine systematisch-wichtige Klärung. Den dennoch verbleibenden, unauflöslichen Schwierigkeiten der Erkenntnismetaphysik kann H a r t m a n n nich~ etwa dadurch entgehen, daß er sich auf die, wie er meint, der Metaphysik nun einmal eigentümlichen , ,irrationalen Restprobleme" zurückzieht. Denn gibt man einmal diese "Restprobleme" zu, so folgt unweigerlich die "Irrationalität" der Metaphysik überhaupt, da doch ihre für sich rationalen Teile in ihr System eingegliedert sind, das bereits durch einen einzigen "irrationalen" Satz gänzlich irrational wird. Die Hochschätzung H a r t m a n n s für die H e g e I sehe Dia· lektik ist also kein Zufall. • 64 5 Kraft, Von Husserl zu Heidegger von der schmerzerregenden Natur des z'ahnziehens und der Prügel zwar durch Unlustgefühle, von diesen auslösenden Tätigkeiten selbst aber durch seinen Gesichtsinn weiß. Er wird weit~r zugehen, daß dieses doppelte Wissen nicht auseinander ableitbar ist, daß das eine ohne das andere auftritt, und daß speziell das Widerstandserlebnis nur eine beschränkte Klasse von W ertqualitäten, sonst aber nichts erfaßt37 • 65 als H u s s e r I , für die Anwendung seiner Methode auf Zwischen- 2. Zur materialen Wertethik und zur Religionsphilosophie. glieder angewiesen bleibt. S c h e I er s Philosophie entwickelt sich ausdrücklich nicht nur in Form der Wesenserkenntnis; in ihren höchsten und I. abschließenden Teilen, in der Anthropologie und Religions- Neben H u s s er I s "Ideen" ist S c h e I e r s "Ethik" die selbständigste Leistung aus der phänomenologischen Schule und an Ge- philosophie, tritt schon programmatisch eine neue "Erkenntnis- halt in ihr sogar unerreicht dastehend. Sie greift die von Husse r I quelle" auf: der aktive Einsatz, die liehende Hingabe, die Sym- gestellte Aufgabe einer phänomenologischen Ethik wirklich an und pathievereinigung mit dem All der Dinge. Systematisch betrachtet, hat eine Systematisierung und Fortbildung bei N. Hartman n 40 ist dies ein Ersatz für den phänomenologischen Idealismus, der H u s s e r I die Realität garantieren soll. Aus dem Schattenreich gefunden. Daß auf Grund der phänomenologischen Methode die Ethik gerade d i e Gestalt erhielt, die S c h e I e r und H a r t m a n n des absoluten Bewußtseins flieht S c h e I er zum "Lehen, We~en, Wollen, ·Denken ,in ihm' und kraft seiner und gleichsam aus ihm ihr gegeben haben, ist natürlich keinesfalls notwendig. Da allgemein heraus - Augustmus - das keine Spur mehr von jener gegenständlichen Ein- stellung einschließt, wie wir sie bei aller Welt-, Selbst- und Fremd~eohachtung zu haben pflegen." Die ontologische Phänomenologie S c h e I e r s landet so bei dem Satz "Gefühl ist alles": die Wissenschaft dankt bei ihr insofern endgültig ah38 39• 38 Der bisher zum großen Teil unveröffentlichte Nachlaß Sc h e I er s wird auch einen Ausbau seiner Erkenntnislehre (genauer Erkenntnismetaphysik) ent· halten. Wesentlich neue Gesichtspunkte zu ihrer Beurteilung sind darin kaum zu erwarten, denn schon die vorliegenden Ansätze zu einem solchen Aufhau zeigen, daß dieser vollkommen der Haltlosigkeit seiner Gmndlage entsprechen wird. ·S c h e I e r s "Funktionalisiemng der Wesensanschauungen an den Sachen selbst" - · eine andere Bezeichnung für das Teilhaben, die gleichzeitig die Wandelbarkeit der Wesenserkenntnisse, die relativistische Metaphysik Schelers, bezeichnen soll - erlaubt in praxi alle jene Kombinationen vorzunehmen und als Wesenserkenntnisse auszugeben, die dem funktionalisierenden Philosophen gerade einfallen. So überläßt man es dem "westeuropäisch-voreingenommenen'' K a n t , vom Raum als Gegenstand einer Anschauung zu sprechen, und vollzieht selbst das "ekstatische Haben", daß "Räumlichkeit ..., nach ihrer subjektiven Seite hin gesehen, ... zunächst weiter nichts als die erlebte Macht, Bewegungen vom Wesen der Vitalbewegung vollziehen zu können" ist, daß der leere Raum "aus dem Erlebnis der Unhefriedigung und Unerfülltheit eines Triebhungers nach 66 sowohl die Materialauswahl wie der Grad seiner Reduktion dem cognoscere in lumine dei, velk in deo, nannte es spontaner Bewegung entstammt". Für die Vorstellungen der Zeit, der Kausalität und für sonstige Grundkategorien lassen sich leicht analoge Kombinationen aus· führen, die jedoch immer einen gleich-spielerischen Charakter haben und durchaus keine Vertiefung des Kategoriesystems bedeuten. Sie müssen vielmehr zu einer jeder wissenschaftlichen Mode anpaßbaren V erwirmng führen und haben tatsächlich schon dazu geführt (7.). Eine für alle Einzelfälle explizierte Aufweisung der von dem voluntaristischen Realismus in seiner Erkenntnismetaphysik fortwährend geübten petitiones principii und seiner genetisch-psychologischen Willkürlichkeiten erübrigt sich deshalb, weil diese Mängel sich jeder aufmerksamen Lektüre aufzwingen und sie dazu nur Konsequenzen ihres bereits kritischerörterten Gmndprinzips sind. Gegen den lntuitionismus, insbesondere in seiner ekstatischen und emotionalen Form, wendet sich mit treffenden Argumenten S o m o g y i (Philosophia perennis, Bd. II, S. 700 ff., Regensburg 1930). 39 Diese Abdankung nimmt also bei S c h e I e r eine doppelte Form an: einmal die der Unterordnung der Philosophie unter den Glauben und außerd~m die Aufnahme außererkenntnismäßiger "Haltungen" in die philosophischen Erkenntnisquellen. Da das Erlösungswissen S c h e I e r s die Prätention hat, alles sonstige Wissen mit dem vom Absoluten in Beziehung zu setzen, muß sein Gesamtaufbau der Philosophie "ekstatisch" durchsetzt sein und jenes eigentümliche Mischungsverhältnis von L i t e r a t e n t u m und S c h o I a s t i k zeigen das S c h e I e r idealtypisch verkörpert. ' 40 Ethik, Berlin und Leipzig 1925; auch auf dieses Werk muß daher im folgenden Bezug genommen werden. 5* 67 Ermessen des Phänomenologen überlassen bleiben, besteht a priori K an t s kategorischen Imperativ. als eme Fiktion, ohne zur Be- die Möglichkeit, vielerlei phänomenologische Moralsysteme zu ent- gründung dieser Kritik etwas anderes anzuführen, als daß K a n t wickeln. Die Rolle der Zwischenglieder wird hier also wieder her- zu keiner I n h a l t s hestimmung seines Sittengesetzes vorgedrungen vortreten; eine gegebene Reihe solcher Glieder determiniert dann ist. Der von S c h e I e r besonders populär gemachte, aber auch in allerdings eine bestimmte Ethik. So ist z. B. die phänomenologische der Schule des Kritizismus. erkannte und ausgesprocheneH Forma- Rechtsph:ilosophie eine Wiederholung der Theorien J e 11 i n e k s , lismus der K a n t ischen' Ethik veranlaßt also schon B r e n - :K e I s e n s und altüberlieferter Naturrechtsideen, also bereits in t a n o , den Begriff des ethischen Ge s e t z e s , als zum Aufhau sich völlig ge~palten41 und zum großen Teil durchaus nicht in jener der Ethik untauglich, zu verwerfen. In Analogie zu seiner Lehre Opposition gegen die imperativische Ethik, der S c h e I er s Haupt- von der Urteilsevidenz führt er statt dessen den Begriff des rich- angriff gilt42 • In allen Hauptpunkten ist die phänomenologische Ethik von tigen Liehens, allgemeiner des richtigen Vorziehens, als vermeintlich evidente, tatsächlich aber bereits logisch (infolge ihres Psycho- B r e n t a n o vorweggenommen worden. In seiner Schrift "Vom logismus und der in ihr enthaltenen petitio principii) untaugliche Ursprungs sittlicher Erkenntnis" 43 bezeichnet bereits B r e n t an o Grundvoraussetzung der Ethik ein. Auf dem Umwege über die alte Lehre vom höchsten Gut, das nach B r e.n t anodenhöchsten Gegen- Näheres hierüber findet sich in meiner Abhandlung: Die wissenschaftliche Bedeutung der phänomenologischen Rechtsphilosophie, Kantstudien, Bd. 31, 41 H. 2/3, S. 286 ff. 42 Deutlicher als S c h e l e r und H a r t m an n spricht es Li t t aus, was dieser Kampf gegen die imperativische Ethik bedeutet. Er befreit uns "in voller Bewußtheit von jenem Dualismus von Wert und Wirklichkeit, der mit seiner äußerlichen Entgegensetzung des innerlichen Zusammengehörigen gleich· unerträglich ist für das Denken, das die angeblich r.adikal geschiedenen in der inneren Erfahrung unausgesetzt sich durchwirken sieht, wie für das Handeln, das nur als ,Aufhebung' jener Trennung seinen höheren Sinn gewinnt." Um dies ganz zu verstehen, muß man berücksichtigen, daß sich L i t t die Beziehung zwischen Wert und Wirklichkeit als "dialektische Vereinigung" vorstellt. (Handbuch der Philosophie, herausgegeben von Bäumler und Schröter, Bd. 3, daraus: Ethik der Neuzeit, S.180, 182, München und Berlin 1931.) Die Vereinigung zwischen Wert und Wirklichkeit ist also nach L i t t s eigenem Zeugnis widerspruchslos nicht möglich, womit für ·die wissenschaftliche Ethik die Notwendigkeit anerkannt ist, in vollem Bewußtsein den Dualismus von Wert und Wirklichkeit, als logisch unvermeidlich, vorauszusetzen und auf den höheren Sinn des Handeins V erzieht zu leisten, der, als dialektische~, doch nur Schein ist. Die Konsequenzen der Litt sehen Dialektik für die Staatstheorie hat K e l s e n schlagend in seiner Schrift: Der Staat als Integration, Wien 1930, kritisiert. 42 2. Aufl., herausgeg. u. eingeleitet von Kr a u s , Leipzig 1921. 68 stand des "als richtig charakterisierten Bevorzugens" bildet, tritt in dieser Ethik der Pflichtbegriff wieder auf, und zwar als Pflicht der maximalen Förderung des höchsten Gutes, womit im Keime die materiale Wertethik vorliegt. Der logische Weg B r e n t an o s besteht also. darin, in seiner Lehre vom r i c h t i g e n Vorziehen die materiale Wertethik vorauszusetzen, um sie dann aus dieser Voraussetzung, d. h. im Wege eines Trugschlusses, abzuleiten. S c h e I e r s ethischer Ansatz ist nun keine unselbständig aus; > geführte Kopie B r e n t a n o s , sondern entwickelt sich in freier Anlehnung an ihn aus gewissen systematischen Voraussetzungen, die der phänomenologischen Philosophie (in der Fassung Sc h el e r s) überhaupt eigentümlich sind. Die schon von H u s s e r I postulierte, von S c h e I e r noch 4 ~ Z. B: mit besonderer Klarheit und Ausführlichkeit von N e I s 0 n in seiner Schrift: Die kritische Ethik bei K an t , Sc h 1• 11 e r un d F r 1· e s , G""ot-\ tingen 1914. 69 mehr in den Vordergrund gerückte Philosophie des Absoluten, quent vollzogen, wie etwa daraus hervorgeht, daß er der reinen schließt in ihrer Konsequenz eine selbständige Ethik aus. Es liegt Solleusethik ,.sittliche Verblendung" vorwirft, während doch viel- in dem Begriff einer solchen Philosophie, daß sie den V ersuch mehr die s i t t 1 i c h e Verblendung gerade dort liegt, wo man ,.das machen muß, aus e i n e r philosophischen Disziplin alle übrigen Leben in einer entwerteten und entheiligten Welt" nicht ertragen abzuleiten. Bei H u s s er I spielt die B e w u ß t s e i n s phänomeno- kann (Hartmann), wo man sich also aus dem unversöhnlichen logie diese ausgezeichnete Rolle. In s~inem letzten Entwicklungs- Ernst der ethischen Aufgabe und dem Kontrast ihres Inhalts zu der stadium sprach p o I o g i e diese Sonderstellung zu. Im Verhältnis zu seiner Ethik Wirklichkeit ·des Lebens in eine Welt metaphysischer Phantasie :flüchtet. ist jedoch die R e I i g i o n s p h i I o s o p h i e die übergeordnete überhaupt sind die phänomenologischen Argumente gegen den Disziplin, wie dies vollkommen der Frage nach dem höchsten Gut ursprünglichen Aufgabencharakter der Ethik, sofern sie nicht nur entspricht. S c h e I e r s Ethik ist insofern eine religiöse Ethik, den Formalismus gerade der K an t ischen Ethik kritisieren und wenn auch unmittelbar keine theologische, da sie den V ersuch hiermit den Ansatz der Aufgabenethik gar nicht treffen, wenig macht, unabhängig von konfessionellen Traditionen ein System weiterführend. Daß S c h e 1 er K a n t s Prinzip der Gesinnungs- Sch eIe r einer philosophischen A n t h r o - ethischer Sätze zu entwickeln. moral als pharisäisch verdächtigt, daß er das Prinzip des katego- Da der Ansatz einer religiösen Ethik sowohl aus dem Begriff rischen Imperativs als Ideologie des preußischen Absolutismus dar- der Philosophie des Absoluten wie aus der Idee der Wertethik folgt, stellt und um solche Analysen sich ernsthaft bemüht, kann nur als ist es lediglich eine Inkonsequenz, wenn man als Phän0 menologe Produkt einer übereifrigen Kritik verstanden werden. Denn es dennoch die in der kritischen Philosophie entwickelte Selbständig- genügt, den Unterschied zwischen p:ßichttreuer, also erfolgsabholder keit von Ethik und Religionsphilosophie aufrecht erhalten will. und gefallsüchtiger, also erfolgsuchender Gesinnung, zwischen H a r t m an n , de~ dies versucht, fällt auch schon mit seiner allge-. P:ßichterfüllung und Gehorsam aufzufassen, um die g~nze Willkür- meinsten Fragestellung ~eder in die religiöse Ethik zurück. H a r t - lichkeit dieser psychologisch-soziologischen Einordnungen zu er~ m a n n s systematische Grundfrage lautet nämlich: ,.Was ist wert- kennen. voll im Leben, ja in der Welt überhaupt?" Erst aus der Antwort Theoretisch ernster zu nehmen ist die Einführung des W e r t . auf diese Frage folgt nach Hartmann, was der Mensch tun soll. begriffs und des Begriffs der Werts c h a u , als Mittel zur Über· Faßt man die Ausgangsfrage, die mit der nach dem höchsten Gut windungdes ethischen Formalismus. In einem gewissen Sinne näm· zusainmenfällt, streng auf, so muß auf sie eine religiöse Antwort lich ist der Begriff des Wertes für die Ethik unvermeidlich, und gegeben werden; diese Antwort zu verweigern, bedeutet die Frage zwar insofern, als ohne Rücksicht auf von den Menschen v~r­ willkürlich abzuschneiden, allerdings auch den Fortschritt, implizit folgbare Werte sich keine P:ßichten entwickeln lassen. Dies be- zu einer logisch-selbständigen ethischen Problemstellung .zurückzu- deutet jedoch nicht, daß die Pflichten aus Werten folgen, sondern kehren. Diese Rückkehr ist bei H a r t m a n n keineswegs konse- vielmehr nur, daß sie ohne gegebene Werte nicht aufgestellt werden 70 71 :,Ta ., ' I h können. Im Sprachgebrauch der kritischen Philo'sophie: Die Werte sophie" entschließen, weil eine emotionale, philosophische Disziplin gehören zur Materie der Pflicht, aber die Pflicht· selbst ist kein die ein Widerspruch in sich ist. Es bleibt also von der Wertschau an Handlung auszeichnendes Verdienst, sondern bloße Schuldigkeit. An diesem fundamentalen Sachverhalt muß jede W ertethik, wenn Formalismus- in den von Irrtum und Widerstreit der Gefühle so sie sich auch noch so sehr sträubt, Zweck- und Güterethik genannt heftig erfüllten Tatsachen des ethischen Lehens findet sie sicher zu werden, scheitern und daher ·prinzipiell auf die alte Lehre vom keine Grundlage45 • Positivem nichts übrig, als die Intention zur Überwindung des höchsten Gut zurückführen, die von K a n t endgültig widerlegt In einem wichtigen Punkte weicht die phänomenologische Ethik wurde. Die Einführung der Wertschau ·beruht nach S c h e I e r auf von ihrem Vorbilde B r e n t an o ab, und zwar als Folge der o n t o I o g i s c h e n Orientierung S c h e I e r s , die ihn die Ethik "dem höchsten Grundsatz der Phänomenologie", kraft dessen ein nicht als Lehre vom richtigen Vorziehen, sondern von den Gegen- Zusammenhang zwischen dem Wesen des Gegenstandes und dem ständen dieses Vorziehens, den durch die Menschen darzustellen- Wesen des intentionalen Erlebnisses besteht. Dieser höchste Grund- den Werten aufhauen läßt. Hierdurch wird der psychologistische satz ist eine verallgemeinerte Formulierung der Annahme, daß alle Fehler B r e n t a n o s korrigiert, gleichzeitig aber ein E m p i r i s - Urteile schließlich intuitiv begründet werden müssen, woraus un- m u s der ethischen Inhalte eingeleitet: mitt~lhar folgt, daß die ethischen Urteile, als Sätze a priori, auf S c h e 1 e r eine Wesensanschauung "sittlicher Tatsachen", die not- einer eidetischen Intuition beruhen müssen. Die Grundlagen der wendig zu einer Verwirrung vo~ Geltendem und Gültigem führt. phänomenologischen Ethik sollen aber nicht nur intuitiv-eidetische, Die Idee der sittlichen Tatsache folgt solange nicht aus dem Ge- Ausdrücklich fordert sondern darüber hinaus jenseits intellektueller Erfaßbarkeit ·lie- danken der materialen W ertethik, als man diese nicht als Lehre gende, e m o t i o n a I e Inhalte sein. Der emotionale Apriorismus, vom höchsten Gut, sondern nur als solche von gewissen positiv der in Anlehnung an P a s c a I s logique du coeur concipiert und ausgezeichnetenWerten (die darum nicht beanspruchen, das höchste ein Spezialfall der antiintellektuellen, voluntaristischen Philosophie Gut der Welt zu sein) entwickelt. Auf die sittlichen Tatsachen, S c h e I e r s ist, beruht jedoch auf einem doppelten Mißverständnis: 45 er mißdeutet einmal ethisches Lehen als auf ethischer Erleuchtung beruhend und hält sodann diese für die konstitutive Grundlage der philosophischen Ethik. Daß "der brave Mann seine Pflicht tat, ehe noch Weltweise waren", stellte bereits Schiller fest, ohne hieraus einen emotionalen Intuitionismus für die Ethik abzuleiten. Daß es ohne sittliches Interesse keine moralischen Handlungen gehen kann, war K a n t kein Geheimnis. Dennoch konnte er sich auch für die Ethik nicht zur Anerkennung einer "Lehensphilo- 72 In scharfsinniger und aufklärender Art und Weise wird der ethische Intuitionismus S c h e l e r s und H a r t m a n n s als Gegenstück zu dem ethischen Logizismus K a n t s von G y s i n (Recht und Kultur auf dem Grunde der Ethik, Zürich 1929, S. 30 ff.) erörtert. Anregend setzt sich auch·von Aster (Zur Kritik der materialen Wertethik, Kantstudien, Bd. 33, H. 1/2, S. 172 ff.) mit Hartmanns Ethik auseinander und stellt, den Kern der Sache treffend, fest: "Indem wir Wertethiker werden und den Maßstab lebendigen Wertgefühls an Dinge, Personen, Sachverhalte, schließlich an uns selbst legen, verwischen wir die Grenze zwischen der Moral und der Welt des Ästhetischen, der Kunst" (188). Leider vermindert von A s t e r die Stärke seiner kritischen Position durch ein Bekenntnis zum ethischen Relativismus. 73 d. h. aber auf das ethische Immanenzprinzip, gelangt man erst Willens muß in emer religiösen Ethik, wie es die phänomenolo- durch konsequentes Zuendedenken der Abhängigkeit des Systems gische ist, verkannt werden und damit die ethisch ausgezeichnete der Ethik von der Religionsphilosophie: Die ethischen Tatsachen Bedeutung des Willens. erscheinen dann als eine Klasse jener Tatsachen, in denen sich die Heiligkeit Gottes in dieser Welt offenbart. Auch die phänomenologische Idee der ethischen "Wertrangord" nung" und einer "Rangordnung reiner W ertpersontypen" ordnet sich Diese Grenzverwirrung zwischen Religion und Ethik bestimmt in das Bild einer religiösen Ethik ein. Als höchster Wert in ihrer den gesamten Aufbau d~r phänomenologischen Moralphilosophie. konsequenten Ausgestaltung bei S c h e l e r erscheint die Heiligkeit, So vertritt S c h e l e r als eine seiner grundlegendsten ethischen Ein- als höchste Wertperson das göttliche Wesen. Dessen Heilige sind hier sichten (und ihm folgend Hartmann und Hildehrand46 ) die auf Erden kraft göttlicher Sanktionierung legitimiert, Pflichten zu Meinung, daß ursprünglich nicht der W i 11 e des Menschen, son- setzen, ebenso, wie die ihnen nachgeordneten Wertpersontypen des dern seine "Person", sein "individuelles Wertwesen" Gegenstand Genies, des Helden, des führenden Geistes mit diesem Privileg aus- der ethischen Beurteilung sei. Die "selbstverständlich gewordene gestattet sind. Die materiale Wertethik erweist sich mit dieser Be- Voraussetzung, daß der Wille der alleinige Träger des Sittlichen rufung auf bestimmte Willensinhalte als Autor i t ä t s ethik,. mit- sei, von Grund auf zu prüfen", hält H i l d ehr an d für ein funda- telbar sogar als Moraltheologie, da ihr oberster irdischer W ertperson- mentales Problem und S c h e I e r zögert sogar nicht, "Gesamt- typ, der ohne weiteres das sittlich "Beste" repräsentierende Heilige, personen" (Volk, Staat, Kirche) als ethische Subjekte einzuführen, kein Gegenstand der Erkenntnis, sondern nur des durch Wider- was übrigens H a r t m an n wieder korrigiert.. Der haltbare An- sprüche nicht zu beirrenden Glaubens ist. Die materiale Wesens- stoß zu der mit der Verkennung des Aufgabencharakters der Ethik anschauung der Wertewelt klassifiziert daher in ihrer Ausführung nahegelegten "personalistischen" Neuerung liegt ebenso, wie die beliebige, darunter vor illern historisch geltende W ertvorstellung~n. Einführung des W erthegriffs, in einer Hervorhebung der M a t e r i e Während S c h e I e r s Wertrangordnung von Gott, der "Person ethischen Verhaltens. Zu dieser gehören zweifellos vom Willen der Personen" zum "Künstler des Genusses" hinabsteigt und dazu unabhängige Momente des ethischen Subjekts, wie z. B. "Güte, mit dem fragwürdigen Einfall der Gegenstandsunfähigkeit des Per- Großmut, Edelmut hzw. Kleinlichkeit, Bosheit" (H i l d ehr an d), . ~ sonseins helastet ist, begnügt sich H a r t m a n n , das Wertreich in die sogenannten Temperamentstugenden und -Untugenden. Es ge- seine ihm wesentlich erscheinenden Teile zu zerlegen, ohne dabei hören zu ihr die Interessen und die Geistesverfassung des Men- ein höchstes Grundprinzip, eine "punktuelle Einheit", erreichen zu schen, die aber nicht an die Stelle jener Kraft treten können, die wollen. Was H a r t m a n n über das Gute, das Edle, die Fülle, die allein zur ethischen Verwirklichung fähig ist: des Willens. Das Reinheit, die Gerechtigkeit, usw. teils richtig, teils falsch47 er- V erwirklichungsprohlem und damit die ethische Bedeutung des 46 Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. III, S. 126 ff., Bd. V, S. 462 ff. 74 47 Nach Sc h e l er ist für das Bestehen einer Verpflichtung immer ein Befehlsakt Voraussetzung, diese leite ihre Verbindlichkeit aus dem materialen Wert der befehlenden Autorität ab. Diese autoritative Form der Umdeutung sittlicher 75 Das eigentliche Ziel der phänomenologischen Ethik, die Über- örtert, ist für die Beurteilung seiner Ethik viel weniger wich:tig windung des ethischen Formalismus, ist ihr also nur in sehr approxi- als die eigenartige, an das Dogma von den Pflichtenkollisionen mativem Grade gelungen. Die Verkennung des Aufgabencharakters erinnernde Lehre, daß es unaufhehhare ethische Widersprüche, der ethischen Ziele, die Umdeutung des Guten zu einem klar ge- ethische Antinomien, gehe. Dieser Gedanke spielt bei H a r t m a n n fühlten materialen Wert werden durch die Anregungen keineswegs eine ähnliche Rolle, wie· bei S c h e l er , die Konzeption der uner- aufgewogen, die von manchen ihrer psychologischen und manchen kennharen Person: Er ist das charakteristische metaphysische Ge- ihrer Wertanalysen ausgehen, und die heiderseits, auch soweit sie heimnis, das uns durch den Tiefblick der ethischen Schau enthüllt positiv zu beurteilen sind, auf keiner Schau, sondern auf einzelnen wird, wenn es sich auch bei kühler Betrachtung immer als V er- glücklichen phil,~sophischen Abstraktionen und vor allem auf dem wechslung von U n t e r s c h i e d e n und G :e g e n s ä t z e n mit psychologischen Scharfblick S c h e I e r s beruhen. Widersprüchen darstellt, wie dies schon die Methode der Widerspruchs"entdeckung" H e g e l s war, und wie es von der apore- II. tischen Ethik lediglich wiederholt wird48 • Verpfiichtung vermeidet H a r t m a n n , geht aber statt dessen von dem aporetischen Gedanken aus, das Gute sei "partial irrational", was ihn nicht hindert, es material als "Auslese der Werte selbst nach dem Prinzip der Werthöhe" zu bestimmen: Das Gute ist hiernach "die Teleologie der Werte in der realen Welt" oder einfacher, das Mittel zu ihrer Realisierung, also doch ein "Mittelwert", genau so, wie bei dem von H artman n scharf abgelehnten Utilitarismus. Die teleologische Theorie des Guten ist die logische Folge der Eliminierung des kategorischen Imperativs, der durch den hypothetischen Imperativ verdrängt wird. das materiale Wertreich zu realisieren. Dies selbst ist bei H a r t m a n n mehr ein Gegenstand traditionell-erbaulicher Betrachtungen als philosophischer Einsichten. So erscheint in diesem Reich die "Idee der Menschheit" als "tief unwirklich", es gilt daher auch keine "Einheitskultur der Menschheit", sondern nur eine "völkische Kultur". Die Gerechtigkeit muß sich gefallen lassen, als Mittelwert für andere Güterwerte niederer und höherer Art bestimmt zu werden;· dagegen wird an dem positiven Recht der Sinn erschaut, "Formulierung menschlicher ,Urrechte' in ihren weitverzweigten Konsequenzen zu sein" und insofern eine immanente Tendenz zur Gerechtigkeit zu besitzen. Um wieviel klarer hat der von H artman n so viel genannte Ar i s t o t e 1 es im Anfang der "Nikomachischen Ethik" seinen Gegenstand umschrieben: "Wenn es nun ein Ziel des Handeins gibt", sagt Ar ist o t e I es, "das wir seiner selbst wegen wollen, und das andere nur um seinetwillen, und wenn wir nicht alles wegen eines anderen uns zum Zwecke setzen - denn da ginge die Sache ins Unendliche fort, und das menschliche Begehren wäre leer und eitel - , so muß ein solches Ziel offenbar das Gute und das Beste sein." 48 Während Sc h e·I er seine materiale Wertethik konsequent in einer 76 Wie indifferent die phänomenologische Methode gegen die durch sie mit vermeintlich absoluter Evidenz zu erschauenden Inhalte ist, wie sich also durch die gleiche Methode der Reduktion inhaltlich ganz verschiedene Ergehnisse ableiten lassen, dafür ist der krasse Wechsel der religionsphilosophischen Anschauungen S c h e I e r s ein klassischer Beleg. In einer seiner letzten Abhandlungen bekennt sich S c h e I er zu der metaphysischen Lehre: ,,Der Mensch ist der einzige Ort, in dem und durch den das Urseiende sich nicht nur selbst erfaßt und erkennt, s~ndern er ist auch das Religionsphilosophie ihren Abschluß finden läßt, vertritt H a r t m a n n den ·~~Gedanken einer durchgängigen A n t i n o m i e zwischen Ethik und Religion, -~ '.J ohne irgendeine zureichende Begründung hierfür angeben zu können. Widersprüche können nur dann auftreten, wenn die Religion in die Ethik oder die Ethik in die Religion Übergriffe vollzieht. Beides tut die materiale Wertethik, und insofern enthält s i e allerdings Antimonien. Diese Schwierigkeiten liegen jedoch nicht in der Idee der Ethik und der Religion, sondern in ihrer mangelhaften Ausführung durch den phänomenologischen Intuitionismus. Wenn es in den exakten Wissenschaften als conditio sine qua non gilt,- Widersprüche zu vermeiden, so hat nunmehr die Philosophie des Schauens geradezu dahin geführt, Widersprüche zu suchen, ein seltsames Beispiel dafür, welche spekulativen Erfindungen die Metaphysik geschaut zu haben sich einbilden kann. 77 bejaht, das seinem Wesen widerstreitet, da es der Sphäre endlicher, Seiende, in dessen freier Entscheidung Gott sein bloßes Wesen zu verwirklichen und zu heiligen vermag." Fünf Jahre vorher bezeich- kontingenter Güter angehört. Es besteht das Wesensgesetz: Jeder nete er Eduard v. H artman n s Gedanken einer Erlösung Gottes endliche Geist glaubt entweder an Gott oder an einen Götzen." durch den Menschen mit dem zwingenden Hinweis als widersinnig, Die Plastik dieser und ähnlicher Formulierungen läßt über die es sei unmöglich, "daß das Abgeleitete den Grund erlösen soll, der metaphysischen Willkürlichkeiten, die mit ihr verbunden sind, hin- Mensch, in dem .doch nichts an positiven Kräften sein kann, was wegsehen, so z. B. über die Sätze: Alles Wissen über Gott ist Wis- nicht auch in seinem und seines Geistes Ursprung ist, diesen Ur- sen durch Gott; der religiöse Gegenstand trägt notwendig personale sprung". Das logische Verständnis dieses Schwankens bereitet keine Gestalt; der religiöse Akt ist immer gleichzeitig individueller und Sch~erigkeiten: läßt es die phänomenologische Methode doch sozialer Art. Solche Diktate sind immer in Wesensaussagen trans- durchaus dahingestellt, ob man als Ausgangspunkt seiner Reduk- formierte, konfessionelle und philosophische Dogmen, die ihre histo- tionen ein theistisches, ein pantheistisches, ein jüdisches, ein christ- rische Herkunft aus dem P I a t o nismus und Katholizismus ohne liches oder ein mohammedanisches Glaubensbekenntnis wählt: wie weiteres verraten. in der Ethik, so begünstigt sie auch in der Religionsphilosophie Die tiefste Schwäche der Religionsphilosophie S c h e I e ·r s liegt einen Empirismus der Inhalte. Sie begünstigt aber gleichzeitig eine nicht-sensualistische Reli- in ihren Distinktionen über die notwendigen Offenbarungsgrund- gionspsychologie, für die sich S c h e I er (in der methodisch ver- ethischen Intuitionismus. S c h e I e r geht von dem elementaren fehlten Form einer Aktphänomenologie, die sich über ihren Cha- Tatbestand aus, daß religiöses Leb e n sich nicht in religiöser Er- rakter als d e s k r i p t i v e Psychologie nicht klar ist) mit beson- kennt:njs erschöpft und diese nicht in Religionsphilosophie, um aber ders gelungenen Darstellungen eingesetzt hat. Es ist weniger die hieraus eine grenzenlose Verwirrung zwischen religiösen Interessen, religiöser Gefühlsgewißheit und Religionsphilosophie abzuleiten, Schärfe seiner psychologischen Begriffsbildung, als die bildhafte Anschaulichkeit seiner Sprache, die den Wert dessen ausmacht, was er zur Wiederentdeckung der religiösen Akte des menschlichen Geistes beigetragen hat. Ein tiefes Gefühl für das Wesentliche der hier zu erforschenden Tatbestände leitet S c h e I er, wenn er z. B. sagt: "Da der religiöse Akt eine wese~notwendige :Mitgift der menschlichen geistigen Seele ist, kann gar nicht die Frage ergehen, ob er von einem Menschen vollzogen wird oder nicht. Es kann nur die Frage ergehen, ob er das ihm adäquate Objekt :findet, das Ideenkorrelat, zu dem er wesensmäßig gehört oder ob er auf ein Objekt zielt und es als heilig und göttlich, als absolutes Wertgut 78 lagen der Religion. Es verhält sich hiermit ähnlich wie bei dem' als wichtigsten Anwendungsfall seiner allgemeinen Untero~dnung der Philosophie unter den Glauben. Die kritisch-wicht.igste Auf~gabe der Religionsphilosophie, die Begründung ihrer Selbständigkeit gegenüber jeder konfessionellen Dogmatik und jedem konfessionellen Bekenntnis, wird also von S c h e I e r vollständig verkannt. Und dies, obwohl alle Voraussetzungen zur Widerlegung des Scheins, den die .Lehre von einer selbständigen, d. h. von den Quellen der religionsphilosophischen Überzeugungen gänzlich-unabhängigen, religiösen Glaubensgewißheit hat, ihm vollkommen zur Verfügung standen. In der Konsequenz dieses grundlegenden Mangels gestaltete 79 sich die Religionsphilosophie S c h e 1 e r s in ihrer Wirkung vor- wandten Inhalt der z w e i t e n Prämisse allein vorausgesetzt hätte, wiegend zu einer religiösen Ideologie. Diese Tendenz wurde noch unterstützt durch S c h e I er s Intui- der nämlich den Inhalt seiner Behauptung enthält: Wenn ich weiß, tionen über das göttliche Wesen. So .scharfsinnig und treffend viele so weiß ich es natürlich auch für d i e s e Welt. Die Frage ist aber seiner Bemerkungen auch hier sind, so die Lehre von dem not- gerade, ob für jede mögliche Welt ein geistiges Sein vorauszusetzen wendig negativen, hzw. analogischen Charakter aller Aussagen sei, und diese Frage gibt S c h e I e r einfach wieder zurück. daß das Sein j e d e r möglichen Welt ein geistiges Sein voraussetzt, über das Ewige, schließlich verliert sich seine Darstellung der gött- S c h e I e r s Religionsphilosophie ist im doppelten Sinne ein lichen Attribute doch in einen sublimierten konfessionellen Anthro- Torso. Das Vorliegende ist mehr Skizze als ausgearbeitete Lehre; er pomorphismus49, der durch sehr brüchige Argumentationen gestützt selbst hat sich von ihr losgelöst. Ihre Bedeutung im Rahmen der wird. Ein Prototyp sol~her Argumentation ist S c h e 1 e r s Beweis phänomenologischen Schule ist daher vorwiegend eine exemplifi- der Geistigkeit Gottes. Dieser Beweis lautet folgendermaßen: zierende: sie belegt eine m ö g I i c h e Ausgestaltung der ·phäno- 1. Diese Welt ist in ihrem Sein unabhängig vom Dasein meines menologischen Religionsphilosophie. Darüber hinaus ist sie der geistigen Akts und vom Dasein jedes Aktes desselben W e- Grenzfall einer Sphärenverwirrung zwischen subjektivem Bekennt- sens; jeder ihrer Gegenstände ist nur teilweise und inadäquat nis und wissenschaftlicher Einsicht, die durch die phänomenolo- solchem geistigen Akte (möglich) immanent. 2. Es gehört gleichwohl zum Sein jeder möglichen Welt, das gische Philosophie logisch ermöglicht, sich gerade bei S c h e I er bis in seine empirischen Untersuchungen hinein fortsetzt. Deren Sein eines möglichen Geistes und zu jedem Gegenstand, volle Kritik ermöglicht erst ein vollständiges Erfassen des phänomeno- mögliche Immanenz dieses Gegenstandes in diesem Geiste. logischen Einbruchs in die Erfahrungswissenschaften, der sich 3. Also gehört ~uch zur Welt ein Geist, der - wenn ich 'die para~ digmatisch in der S o z i o I o g i e 50 vollzogen hat. Welt setze- notwendig mitzusetzen ist und der (auf Grund der ersten Prämisse) nicht der menschliche Geist sein kann - weder seinem Dasein nach, noch· seinem Wesen nach. 3. Zur ph änomeno log.ischen S oz.iolo gie. S c h e I e r wäre dieser Be~eis bedeutend einfacher möglich Wie kaum eine andere Erfahrungswissenschaft, spiegelt die ~Soziologie d~n heftigen Methodenstreit wieder, der sich zwi- gewesen, wenn er den dem phänomenol~gischen Idealismus ver- schen dem hergehrachten Positivismus und der wieder erwachten Solange S c h e I e r die Unhestimmbarkeit des göttlichen Wesens durch Naturbegriffe, wie Raum, Zeit, psychologische Qualitäten. entwickelt, ist er seinen Kritikern aus dem Kreise der katholischen Philosophie (Pr z y w a r a, Ge Y s er) überlegen. Aber mit der Lehre. von den analogischen Attributen Gottes (z. B. Geist, natürliche Offenbarung, Wille, Schöpfermacht) lehnt sich Sc h e I er allzueng an die A u g u s t i nische Mystik an, gegen die der T h o mismus in entscheidenden Punkten siegreich bleibt. Metaphysik abspielt. Es koexistieren heute soziologische Theorien, 49 80 die sich ausdrücklich als Tochterdisziplinen einer theologischen 50 Ich wähle das Beispiel der Soziologie., weil es mir .aus eigener Arbeit vertraut ist, und weil es die früher entwickelte Bedingung der relativen Unentwickeltheit (I, 3.) erfüllt, die es aprioristischen Eingriffen im besonderen Maße aussetzt. 6 Kraft, Von Husserl zu Heidegger 81 Dogmatik bezeichnen mit solchen, die dem radikalsten Positivismus folgen, und es ist ·daher nicht leicht, diesen Gegensätzen und den fall der A n t h r o p o I o g i e auffaßt, diese aber - sich zwischen ihnen einschiebenden vermittelnden Ansichten gegen- als "philosophische Anthropologie" bearbeitet, deren Thema nicht über einen adäquaten Standpunkt zu gewinnen. Die Schwierigkeit wächst bei einem tieferen Studium, das in jeder der vorliegenden die Stellung des Menschen in der Natur, sondern seine "Stellung im Kosmos" ist. Die Problemstellung der philosophischen Anthro- Theorienbildungen irgendeinen auswertbaren Gedankenkern finden pologie ist nichts anderes als eine Weiterführung der von S c h e • wird. Es ist kein Zufall, daß innerhalb dieses Bildes die phäno- I e r in seiner Religionsphilosophie vertretenen Lehre von der natür- mächtig gefördert, daß er - mit Recht - die Soziologie als Sondermit Unrecht - menologische Soziologie nicht auf jener Seite steht, die auch in lichen Offenbarung Gottes im Menschen (die von dem Wandel der Soziologie das Ideal der exakten Wissenschaft, d. h. aber das seines Gottesbildes unberührt bleibt). Die von S c h e I e r mit so der N a tu r w i s s e n s c h a f t im Sinne der Grundintention von großer Verve gegen den Sensuiilismus wieder zu Ehren gebrachte, M.a r x und P a r e t o vertritt. Die phänomenologische Soziologie über die bloße Animalität hinausweisende Seite der menschlichen ist vielmehr die sublimierteste Form der antinaturalistischen Ten- Seele verwandelt sich ihm so in ein partielles Herausfallen des denzen in der Soziologie, und in dieser Form ist sie bereits von Menschen aus dem Natursystem überhaupt: die philosophische An- H u s s e r I postuliert worden. Die "intersubjektiven Gemeinschaf- thropologie S c h e I er s führt in den . Formen der phänomeno- ten" erweisen sich nämlich nach einer Bemerkung Husse r I s "obschon wesentlich fundiert in psychischen Realitäten, die ihrerseits logischen Metaphysik zu der uralten t h e o I o g i s c h e n Anthropologie zurück51• im Physischen fundiert sind, als neuartige Gegenständlichkeiten Für die phänomenologische Soziologie ergibt sich hieraus die höherer Ordnung". 'Oberhaupt zeige es sich, daß es vielartige Gegen· Konsequenz, daß auch sie philosophische Gedanken dort einführen ständlichkeiten gehe, "die allen psychologistischen und naturalistischen Umdeutungen trotzen. So alle Arten von W ertohjekten und wi!d, wo eigentlich die Erfahrung zu sprechen hat, und daß siebereits dem P r i n z i p der Erfahrungswissenschaft, das die Einfüh- praktischen Objekten, alle konkreten Kulturgehilde, die unser aktuelles Lehen als harte Wirklichkeiten bestimmen, wie z. B. Staat, rung transzendenter Beziehungen in die empirische Analyse überhaupt ausschließt, nicht Genüge tun wird. Sehr treffend bemerkt Recht, Sitte, Kirche usw." Dieser Hinweis H u s s er I s läßt sich S c h e I e r. einmal: " ... jede Geschichtslehre hat in einer bestimm- zwanglos als Analogie zu seiner .Apriorisierimg der psychischen ten Art von Anthropologie lhren Grund, gleichgültig, ob sie dem Inhalte zu einer autonomen Sinnregion deuten. Der Sinnregion des reinen Bewußtseins entspricht auf. sozialem Gebiete die höhere Gegenständlichkeit seiner Erscheinungen, wobei bei H u s s e r I he.reits, wie seine Beispiele Recht, Staat und Kirche zeigen, wert· immanente Gedankengänge eine unterstützende Rolle spielen. Die Apriorisierung des Sozial~n wird von S c h e I er dadurch 82 51 Es besteht ;lwischen H u s s e r I s Avriorisierung des Psychischen durch die Lehre vom reinen Bewußtsein und S c h e I e r s philosophisch~r Anthropo· logie kein wesentlicher Unterschit"d. Die Annahme einer durch psychische Akte "getragenen" transnaturalen Sinnregion impliziert bereits die Leugnung des Naturcharakters des IV.Ienschen. S c h e I e r denkt diesen Gedanken lediglich zuende, indem er sich das Verhältnis des "Ewigen im Menschen" zum Kosmos und zu Gott zum metaphysischen Problem macht. Die transzendentale Verdrängung . der Psychologie ist also die Vorstufe der philosophischen Anthropologie. 6* 83 Historiker, Soziologen oder Geschichtsphilosophen bewußt und be- gischen Methodenlehre der Sozialwissenschaften hat S o m h a r t 52 kannt ist oder nicht." Die Konsequenz aus dieser Einsicht ist aber in Analogie zur geisteswissenschaftlichen Psychologie entwickelt. durchaus nicht die Ableitung der Soziologie aus philosophischen S o m h a r t s Argumentation beruht durchgehend darauf, daß er Spekulationen über die Natur des Menschen, sondern die Vertiefung die methodischen und inhaltlichen Mängel der Aufklärungs- und soziologie und des soziologischen Positivismus gegen den sozial- Verfeinerung ihrer e m p i r i s c h - p s y c h o 1o g i s c h e n Voraussetzungen. Die phänomenologische Soziologie ist charakterisiert durch die wisSenschaftlichen Naturalismus auszuspielen sucht,. um aber im Ergebnis mit seiner verstehenden Sozialwissenschaft nicht mehr Fragestellung, das W e s e n der sozialen Erschein~gen durch We- zu gehen als inexakte Empirie mit metaphysischen Dekorationen. sensanschauung zu bestimmen. Man kann diese Aufgabe einmal B~ides steht völlig außer Zusammenhang mit den empirischen Fort- meth schritten der Nationalökonomie und der sonstigen soziologischen 0 d i s c h verstehen und kommt dann auf eine phänomeno- logische Philosophie der Sozialwissenschaften. Man kann sie aber Disziplinen: ein deutliches Zeichen dafür, wie wenig die Praxis auch in haItIich auffassen und erhält dann die Aufgabe einer der sozialwissenschaftliehen Forschung von der phänomenologischen philosophischen und einer nach ihren Leitgedanken zu behandeln- Methodenlehre zu erwarten hat. Die materiale Soziologie der Phäno- den empirischen -Soziologie.· Diese Möglichkeiten entsprechen den menologen zerfällt deutlich in zwei Gruppen: in die doktrinäre und bereits erÖrterten (I, 3.) Grundfällen einer W e s e n s wissenschaft, in die essayistische, von denen jene zwar nach Exaktheit strebt, es mit dreierlei zu tun haben kann: mit dem Inneren eines aber zu keinen wesentlichen Ergehnissen gelangt, während diese Gegenstandes, worüber uns G o e t h e eindringlich helehrt hat, sich ihren Einfällen überläßt und daher, wenn sie von einem Kopf, daß es keinem erschaffenen Geist zugänglich ist; weiter mit den- wie S c h e I e r , behandelt wird, Anregungen bietet. jenigen Momenten, die durch den Be g r i f f eines Gegenstandes Daß die sozialen Phänomene einen "Zustand innerer Verbun- gedacht werden, . aber zu, deren Bestimmung . bedarf es keiner denheit" aufweisen, daß sie "eigene -Gebilde gegenüber den ein- besonderen Anschauung, sondern nur des Denkens; schließlich mit zelnen" seien, -daß die Gemeinschaft sich "durch Ausweitung des der Natur bestimmter Erscheinungen, z. B. mit der Natur des Ichhewußtseins" konstituiere, die Gruppe ein "soziales Objektiv- Staates, d. h. mit dem für sein Auftreten in der Geschichte bestehen- gebilde", der Vertrag aber einen "zarte~ Regenbogen einer sittlichen den Gesetzmäßigkeiten: diese finden wir jedoch allein auf erfah- V erhundenheit" darstelle, zu diesen und anderen logisierend-ästhe- rungsmäßigem Wege, so daß_ also die phänomenologische Soziologie tisierenden Thesen bedarf man keinerlei Schau, zu ihrer Aufstel- metaphysische Konstruktionen, Begriffsbestimmungen sozialer Er- lung braucht man nur hergehrachte soziologische Unhestimmtheiten scheinungen und empirische soziologische Theorien enthalten wird, in die phänomenologische Terminologie zu übertragen. Der herech- die sie sämtlich von anderen übernommen oder sich selbst gebildet, keinesfalls aber erschaut hat. Eine charakteristische Zusammenfassung der phänomenolo84 52 "Die drei Nationa!ökonomien", München und Leipzig 1930; näheres zur Beurteilung S o m hart s bringt meine Abhandlung "Somharts drei Nationalökonomien", Die Volkswirte, 29. Jahrg., Nr. 13/16, S. 220 ff. 85 tigten Forderung nach einer tieferen anthropologischen Fundierung nieren" ein höchst wichtiger Faktor des sozialen Geschehens ist. der Soziologie wird auch dadurch keineswegs Genüge getan, daß Es bedeutet daher eine unhegründhare, aprioristische Vorwegnahme ein Katalog von Triehen (etwa: Selbstgefühl, Unterordnungstrieh, Kampftrieh, appetitus socialis, usw.) als Ur p h ä n.o m e n e hinge- der Erfahrung, wenn S c h e I e r prinzipiell Planwirtschaft, Weltstaat und Eugenik auf Grund seiner Lehre von der Machtlosigkeit stellt werden, wo es sich doch tatsächlich dabei um komplexe Phä- des Geistes für Utopien erklärt. Die unbestreitbare Tatsache macht- nomene handelt, die nur analytische Aufgaben nennen, aber keines- voller Hemmungen für die Verwirklichung solcher und anderer auf menschlichen Fortschritt abzielenden Einrichtungen.läßt sich nicht falls einen Abschluß der Untersuchung bedeuten5 3 • Diese Form der unzureichenden psychologischen Begriffen beruhenden, klassi:fik.ato- a priori, sondern nur empirisch für bestimmte historische Epochen in ihrer Relevanz bestimmen. . rischen Darstellung, im Grunde genommen also auf eine inhaltsent- Ein unglücklicher Gedanke S c h e I e r s ist auch die in seinen phänomenologischen Soziologie führt also zu einer auf theoretisch- leerte Soziologie ohne eigentlichen Erklärungswert zurück. soziologischen Untersuchungen immer wiederkehrende Behauptung Mit großer Kombinationskraft hat S c h e I e r eine phänomeno- von dem N i c h t h e s t e h e n einer Einheit der Menschennatur. logische Soziologie im Sinne einer teils metaphysischen, teils empi- Zwar lehnt er den groben M a r x sehen Soziologismus, der Wissen- rischen Betrachtung entwickelt und dabei die P:t:ohleme der Ku 1- schaft, Kunst und Religion dem Götzenbild des bewußtseinsbestim- t u r soziologie bevorzugt. Wie er richtig betont, kann eine Ana- menden gesellschaftlichen Seins opfert, scharf ab, gelangt aber lyse der religiösen, künstlerischen, rechtlichen, wissenschaftlichen dennoch in bedenkliche Nähe zu dem Grundansatz dieser Theorie Zwecken dienenden, sozialen Organisationen sich mit einer bloßen mit dem, was er Wissenssozi o I o g i e nennt. Hiermit hat Trieblehre nicht begnügen, sondern bedarf der Ergänzung durch er eine soziologische Sensation eingeleitet, bei der gegenwärtig eine den höheren psychischen Funktionen gewidmeten Theorie, die Seine eigene Geistlehre unterliegt jedoch immer mehr die ungesunden die gesunden Elemente überwuchern. Zwei grundlegende Tatsachenreihen legt S c h e I e r anschaulich in schwerwiegenden Einwänden. So z. B. seine bekannte, an der mate- ihrer Bedeutung klar: Die Abhängigkeit gegebener Wissensentwick- rialistischen Geschiehtsauffassung und dem Pragmatismus überhaupt orientierte These von der M a c h t I o s i g k e i t des Geistes lungen. von der sonstigen Gesellschaftsorganisation und cler Gesell.Schaftsorganisation überhaupt von der Wissensentwicklung, heide in der Geschichte. Diese Lehre beruht nur auf einer Verwechslung Male die T a t s a c h e des Wissens als gegeben voraussetzend. der höheren geistigen Akte mit ihren Ge g e n s t ä n d e n. All~r­ Wer Betrachtungen darüber anstellt, wie Staat und Kirche die Entwicklung von Philosophie und Naturwissenschaft gehemmt und er Geistlehre nennt. dings: weder die Wahrheit noch das Recht können handelnd in der Geschichte auftreten, aber S c h e I e r selbst hebt ausdrücklich hervor, daß das S t r eh e n nach ihnen durch die "freie Tat von Pio53 Die Beispiele aus: Vier k an d t, Gesellschaftslehre, Stuttgart 1923, 5.17, 203, 321, 241, 24ff'. 86 gefördert haben, oder wie das techni~che Wisstm für die Wirt~ Schaftsentwicklung relevant wurde, reduziert damit das Wissen nicht auf andere Daten, sondern setzt es zu außerintellektuellen Bedingungen in eine g e n e t i s c h e Beziehung. Ganz anders ge- 87 Beid~_ staltet sich die Sachlage, wenn man das Wissen selbst auf andere, I 11 u s i o n e n. und zwar sogenannte soziologische Bedingungen zu reduzieren sich zwar selbst, aber hierfür steht das bewährte Hilfsmittel der s~cht. Dann ergibt sich unweigerlich ein Rückfall in die Fiktion He g e 1 sehen Dialektik zur Verfügung, das mit seiner Eliminierung heute so verbreiteten Lehren widersprechen der sozialen W esenheiten, wie auch S c h e l e r seine geistreiche des Satzes vom Widerspruch die hier durch die Soziologie voll- Wissenssoziologie mit dem aprioristischen Diktat einleitet: Kein zogene Vernichtung des Denkens allgemein formuliert 54• Ich ohne Wir, und zwar ohne Gruppenseele und Gruppengeist. Die- Die Methode, ungebundene Einfälle als soziologische W esensan- ser Ansatz hat den groben Materialismus des M a r x ismus beseitigt, schauungen vorzutragen, steigert sich noch weiter in der a n g e- erneuert aber dafür Hege l s objektiven Geist und S a v i g n Y s wan V olksgeist. S c h e I e r-s bekannter Katalog klassenmäßig bestimmter S c h e 1 e r s Stellung zum Kriege, den er während des Weltkrieges in formaler Denkarten, z. B. Unterklasse- W erdensbetrachtung, Ober- seiner "erkenntnisdisponierenden Bedeutung für die Erfassung abso- klasse - dt e n Soziologie. Hierfür ist das eindringlichste Beispiel Seinsbetrachtung, steht auch auf schlechtem Fuß mit der luter Realitäten", "als Ahmesser der Gesamtwerte einer Nation", Erfahrung. Er umfaßt keineswegs "formale Denkarten", sondern "als Vorstufe der religiösen Liebesmoral" lobpries, und dem er später Klassifikationen historisch-variabler Betrachtungsarten, ähnlich mit gleicher Apodiktizität die Forderung des Weltfriedens ent- wie die Aufreihung sogenannter Kategorien des deutschen und gegenstellte. Gerade an diesen politischen Konsequenzen erweist englischen Denkens im "Genius des Krieges und der deutsche sich die ganze praktische Gefahr, die in der Sphärenverwirrung Krieg". überhaupt ist die Verwandtschaft der Wissenssoziologie liegt, wie sie in der phänomenologischen Soziologie vollzogen wird. mit der national orientierten Kulturgeschichte auffallend: In dieser Was sie im Ergebnis gebracht hat, ist kein Fortschritt über den spielt die metaphysische Potenz der Volksindividualität dieselbe Positivismus hinaus, sondern eine Untergrabung des Exaktheits- Rolle, wie in jener die Klasse. Beide Male wird das ignoriert, was strebens in den Sozialwissenschaften55• die Grundkräfte des kulturellen Geschehens in sich enthält: das produktive und das rezeptiveIn d i v i du u m. Die Wissenssoziologie im Sinne einer Z~rückführung des Wissens auf soziale W esenheiten (diese Konsequenz ist unvermeidbar, da die empirisch gegebenen sozialen Erscheinungen bereits Wissenselemente enthalten und zu einer Reduktion des Wissens überhaupt sich also nicht eignen) führt zu folgender typischen Konsequenz: man muß entweder die Möglichkeit einer Wahrheitserfassung o h n e Wissensgrundlage annehmen und kommt dann auf die sogenannte Klassenwahrheit, allgemeiner ~uf das "seinsgebundene Denken" (Mann heim), oder aber man erklärt alle Vorstellungen für 88 Die durch die Phänomenologie beförderte fundamentale V er54 V ergleiehe hierzu m e i n e Abhandlungen: "Soziologie oder Soziologismns?'\ Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie, 5. Jahrg., H. 4, sowie: "Reine und augewandte Soziologie", Gesellschaft, Staat und Recht, Festschrift für Hans K e I s e n, Wien 1931, S. 42 :ff. An diesen Beitrag schließt sich die obige Stellungahme zur Wissenssoziologie an; eine ansgezeichnete Kritik von Sc h e I er s "Wissensformen und die Gesellschaft" bietet Kreis (Kantstndien, Bd. 34, H. 3/4, S. 479 :ff.). 55 Zur Beurteilung der ans der phänomenologischen Soziologie ableitbaren politischen Konsequenzen vergleiche man S c h e I e r : Der Genins des Krieges und der deutsche Krieg, 3. Anfl., Berlin 1916; Die Idee des Friedens und der Pazifismus, Berlin 1931; außerdem D. v. H i I d e brand, Metaphysik der Gemeinschaft, Augsburg 1930, der ein vollständiges katholisches Naturrecht phänomenologisch entwickelt. 89 wirrungzwischen Religion und Erfahrung zersetzt im weiteren Entwicklungsgang der Schule fortschreitend ihre eigentlich-philosophischen Teile. Logik, Metaphysik und Erfahrung werden trotz ihrer unaufhehharen Schranken disziplinlos durcheinander geworfen, und ail Stelle der Gedanken breitet sich ein undurchdringlicher W ortnehel aus. m. Philosophie als kosmisches Geschehnis: Heidegger. l. Problemstellung und Methode der Philosophie. Der höchste Zweck, dem Husse r I s Philosophie nachstrebt, ist das Ideal der strengen Wissenschaft. Schon S c h e I e r :findet an dieser Aufgabe kein Genügen mehr und schwankt zwischen Bekenntnis und Wissenschaft unentschieden hin und her. Bei He i · d e g g e r wird der w i s s e n s c h a f t l i c h e Ausgangspunkt H u s s e r I s völlig verleugnet und der Sprung in die Mystik hinein vollzogen. Die Richtung, in der He i d e g g e r die Phänomenologie umgebildet hat56, ist schon in seiner Erstlingsschrift über D u n s "·~;--;~tu s vorgezeichnet. He i d e g g er bezeichnet dort "Philosophie als vom Lehen ~_hgelöstes, rationalistisches Gebilde", als "machtlos", "Mystik als irrationalistisches Erleben, als ziellos", ; woraus sich unmittelbar seine Aufgabe ableitet, eine r a t i o n a I e . . L.Mystik, hzw. einen m y s t i s c h e n Rationalismus zu entwickeln. Ganz in der Richtung des letzteren liegt schon die Art, wie H e i d egge r H u s s er I s Prinzip der logischen Sinnreg.!,~n ...............-.... ~- •.-.,~ auffaßt. 56 Für die Beurteilung H e i d e g g e r s beziehe ich mich auf folgende seiner Schriften: Die Kategorien- und die Bedeutungslehre des. Duns Scotus, Tübingen 1916. Sein und Zeit, 2. Aufl., Halle 1929. Kant und das Problem der Metaphysik, Bonn 1929. Vom Wesen des Grundes, Bonn 1929. Was ist Metaphysik? 2. Aufl., Bonn 1930. 90 91 Er hält es für notwendig, diesen "Gegenstandshereich hinsichtlich seiner Wirklichkeitsform. •.. noch weiter zum Problem" zu machen, und zwar "mit den systematischen Mitteln einer prinzipiell weltanschaulich· orientierten Philosophie", die sich "die Aufgabe einer letzten metaphysisch-teleologischen Deutung des Bewußtseins" stellen müsse. H u s s e r I s Apriorisierung des Psychischen wird hier also im Sinne ihrer ·~~~ordnung in eine· Kosmologie gesteigert, deren Ansatzpunkt der Mensch ist. Bei der Präzisierung seiner metaphysischen Konstruktionsaufgabe konnte H e i d e g g e r in entscheidenden Stücken auf H u s s e r I und S c h e I er zurückgreifen. Dies gilt schon für seine eigentümliche Sprachtechnik, die sich auf H u s s er I s allgemeine Legitimation berufen kann, die Eigenart der phänomenologischen Erkenntms. mache auch e~ne besondere Sprache nötig. H u s s e r I seihst benutzt vielfach sprachliche Neubildungen, allerdings mit der - auch seiner allgemeinen sprachlichen Darstellungsregel zugrunde liegenden - Absicht maximalster Klar- heit, die. er auch i~ seinen gelungensten Untersuchungen wirklich erreicht, während der für H e i d e g g e r typische Stil sich gerade durch das Verschwimmen aller bestimmten Konturen auszeichnet. Bereits in seinen "Ideen'', noch eindringlicher in den "Medi~ . . tations cartesiennes", hat H u s s e r I eine phänomenologische 0 n t o I o g i e postuliert: ,;la phenomenologie transcendentale, systematiquement et pleinement developpee, est eo ipso une ·authentique ontologie universelle". He i.d egge r brauchte nur noch nach dem Vorbild S c h e I e r s auf den ·phänomenologischen. Idealismus zu verzichten, um die Phä~omenologie überhaupt als Ontologie he· treiben zu können. Auch H e i d e gg 'e r s Vorliehe für die Metaphysik des Nichts und des Menschen, findet hei H u s s er I und S c h e I e r verschiedene Anregungen. Die Irrealität· des· reinen Bewußtseins in seiner merkwürdigen Funktion der Garantie aller 92 Seinsgeltung, S c h e I e r s Schaudern vor dem "Abgrund des absoluten Nichts" konnten durch entsprechenden Aushau leicht eine bevorzugte ontologische Stellung erhalten. Der lehensphilosophische Einschlag H e i d e g g e r s , das Ausgehen vom "ln-der-Welt-sein" des "Daseins", d. h. des Menschen, findet gleichfalls ein Vorbild hei S c h e I e r , der die philosophische Anthropologie als Zentraldisziplin der Philosophie ansah und eine Phänomenologie der natürlichen Weltanschauung skizzierte, die sich u. ·a. mit dem jeweiligen "Umweltsein" des Subjekts hefaßi. übrigens n.ach H u s s er I s Anweisung, der das Moment des "Seins in der Welt" als . Grund- cha~a!-:teristikum der ,,natürlichen Erkenntnis" hervorheht57 • 57 , Unter die Phil~sophen, auf die H e i d e g g er sich zu stützen sucht, ist auch K an t gerückt, wobei H e i d e g g er erkennt, daß K an t die Metaphysik nicht einfach zermalmen, sondern ihr vielm"ehr einen· sicheren Grund bereiten wollte. Die Metaphysik; die K a n t von H e i d e g g er unterlegt wird, ist aber von solcher Art, ilaß sie an interpretatoiischer Willkür nicht ihresgleichen findet. Allerdings: eine Interpretation, die "notwendig Gewalt brauchen" muß, um das "noch Ungesagte durch das Gesagte vor Augen" zu legen, kennzeichnet sich damit se~bst "als schweifende Willkür", mag sie noch so emphatisch "die Kraft einer vorausleuchtenden Idee" beschwören. Nach dieser Methode ist "das Problem von ,Sein und Zeit'" niir eines der unendlich vielen Probleme, die man, bei entsp:rechender "Kraft zur Durchleuchtung'', als der Kritik der Vernunft zugrunde liegend, "ait den Tag bringen kann".· Aber auch für diese Vieldeutigkeitskonseque~z ist VorsÖrge get~offen. Denn "die Metaphysik des Daseins ist" nun einmal "überhaupt kei~ fest und bereit liegendes ,Organon', sie muß sich jederzeit unter Verwanjllung ihrer Idee in der Ausarbeitung der Möglichkeit der Metaphysik erneut umbilden".. . . Bei solchen Interpretationsprinzipien kann. die. Behauptung nicht in Erstaunen setzen, daß die_ "Wesensstruktur der Achtung in sich die ursprüngliche Verfassung der transzendentalen Einbildungskraft hervortreten läßt". ,In wem bei dieser "fundamental-ontologischen Analyse" "qas ständige, obzwar meist verborgene Erzittern alles Existierenden" nicht "geschieht", der mag alle Bemühungen um die Pilosophie als hoffnungslos aufgeben, und all die überraschenden Kombinationen, die K an t s feierlicher,. vorläufiger Suspendieru~g der Metaphysik zum Trotz die Litik der Vernunft zu "einer Metaphysik des Daseins" umdeuten, sind für den dergestalt philosophisch Unbegabten doch zu nichts 93 Zu diesen konkreten Anknüpfungsmöglichkeite11 kommt der allgemeine systematische Sachverhalt, daß die Phänomenologie, als der Logik im "Wirbel eines ursprünglicheren Fragens" (He i d e g. g e r) auflöst, wenn man sie ~it S c h e I er s Absage an die Idee der Philosophie des Absoluten, eine allgemeine Ontologie, eine Lehre vom "Sein des Seienden", ebenso begünstigt, wie sie mit der We- wissenschaftlichen Philosophie vergleicht, so charakterisieren: sie ist eine Übersteigerung des voluntaristischen Realismus zu einem sensanalyse j e d e s Gegenstandsbereichs auch einer solchen des kosmischen Mysterium. Sie begnügt. s,~ch nicht, in der Philosophie menschlichen Daseins die Bahn freigibt. He i d e g g e r , der als die Erkenntnis durch Glaube, Trieb, Gefühl und Offenbarung einzu- philosophische Gesamterscheinung in so krassem Gegensatz zu schränken und damit tatsächlich zu verdrängen, sondern sie will von H u s s e r I steht, ordnet sich also dennoch dem Gang der phäno- vornherein n~r ein Mysterium sein und als solches geglaubt werden. menologischen Schulentwicklung zwanglos und kontinuierlich ein. Die Argumentationsmethode dieser Philosophie ist daher keine nach Regeln 'der Logik fortscheitende B e g r ü n d u n g , sondern Seihst unter Berücksichtigung dieser systematisch-historischen Zusammenhänge ist es bei der Dunkelheit der H e i d e g g er sehen etwas, was man besser B e w o r t u n g nennen kann, eine Kunst der Sprache nicht leicht, seine wirklichen Meinungen über Aufgabe, "Belehnung" mit Worten. Die Bewortung substituiert alten Bezeichnungen n~ue, um so auf unmerkliche Weise alte und neue Methode und Inhalt der Philosophie festzustellen. Immerhin, über einen entscheidenden Punkt spricht er sich klar aus: "Seine Philosophie kann nie am Maßstab der Idee der Wissenschaft gemessen Vorstellungsinhalte miteinander · vertauseilen zu können. Sie helegt aber nicht minder alte IDhalte mit neuartigen Bezeichnungen werden." Die Metaphysik gehört nach Heide ggerzur "Natur .des Menschen". Sie ist weder ein Fach der Schulphilosophie- sie ist wid glaubt schon damit eine philosophische Einsicht zu ve~it­ "das Grundgeschehen im und als Dasein seihst". "Sofern der Mensch existiert, geschieht das Philosophieren." Aber wie geschieht es? Bis- stantiva um, sie verselhständigt W ortsilhen und vermeint durch . diese Bezeichnungsart neuartige .Entitäten aufzuweisen5s. her philosophierte man mit dem Kopf, aber um die Geheimnisse des Die Husse r I sehe Forderung: "Zu den Sachen selbst" ist das Sprungbrett, von dem aus sich H e i d ~ g g e r zu seiner "Fundamentalontologie" .emporschwingt59• Dieser Emporschwung beruht teln. Sie bildet Präp6'Sitionen, V erha .und Konjunktionen zu Sub- Seins und des Nichts zu entschleiern, genügt der Kopf nicht. Wir müssen uns den "Grunderfahrungen" der "Langeweile" und der "Angst" hingehen, um des "In-die-Nähe-Kommen zum Wesentlichen , aller Dinge" teilhaftig zu werden. Dann offeilhart uns die Langeweile "das Seiende im Ganzen" und die Angst das "Nichts", von dem wir schaudernd inne werden: "das Nichts nichtet". Man kann diese ·philosophische Methodik, bei der sich die Idee nütze. Im einzelnen hat C a s s i r e r (Kaut und das Problem der Metaphysik, Kantstudien., Bd. 36, H. I/2, S. 1 'ifJ die Unhaltbarkeit der He i d e g g er sehen ~"':K.-;~ti~terpretation gezeigt. 94 58 Die Geistesverfassung der Verbalphilosophie drückt in theologischer Sprache charakteristisch B u 1 t m a n n aus, der sich zu dem Satze versteigt: "Eine andere Möglichkeit, daß die Vergebung Gottes für den Menschen Wirklichkeit werde, als das Wort, gibt es nicht" (L c. S. 200). Religiöser Glaube wäre · also W ortglaube. Die Religion offenharte sich im Wort, wir wären auf die Stufe der Wortmystik herabgesunken. ' 59 Yor H e i d e g g. e r hat sich in dieser Richtung, aber ohne ähnlichen Erfolg in der Öffentlichkeit, Hedwig C o n r a d - M a r t i u..s bemüht, z. B. in ihrer ~.Realon~oiogie" (Jahrb., Bd. VI, X) und i~ den "Metaphysischen Gesprächen", die, sich über Dämonen, Engel, Pflanzen, Tiere und Menschen verbreitend, eine typische ."Bilderbuchphänomenologie" enthalten. 95 auf folgender einfacher Bewortungsanweisung: Man setze an die legung", als "Hermeneutik", bezeichnet. Durch geeignete herme- Stelle von "Zu den Sachen seihst": ,,Das was sich zeigt, so wie es neutische Behandlung von Worten, d. h. sich von ihm selbst her zeigt, von ihm seihst her sehen lassen". Worte und entsprechende Sinnvefschiehii:Dg~~. wird dem W o r t • Was ist aber "notwendig Thema einer ausdrücklichen Aufweisung ?" s e i n und damit auch - Offenbar solches, "was sich zunächst und zumeist gerade nicht phische Vieldeutigkeit der H e i d e g g e r sehen Grundfrage voraus- zeigt ..." gesetzt -,dem Begriff des Seins und dem absoluten Sein seihst jener Was zeigt sich aber' zunächst nicht? Das "Sein · des Seienden". Durch Wortersetzung ist hier folgende Verschiebung erzielt "Sinn" durc~ Substituierung neuer die philologisch-logisch-religionsphiloso- Iieigeie'~~ der sich H e i d ·e g g e r "erschlossen" hat. . worden: Von der Intuitionsphilosophie zum ,,Begegnen von Sub- Der Weg zu dieser Erschließung geht über "die ontologische -_)· Analytik des Daseins", das als das grundsätzlich "vorgängig auf jekt und Objekt", von dem sich Zeigenden zu dem sich nicht sein Sein zu befragende Seiende fungiert". Es hat· keinen Sinn, Zeigenden, d. h. von den psycho-physischen Qualitäten B r e n · diesem Umweg, einer ontologischen Umdeutung der Husse r I- t a n o - S t um p f s und ihrer Apriorisierung bei H u s s er l- schen Bewußtseinsphänomenologie, entgegenzuhalten, daß es zur S c h e I er zum Sein an sich, das "am wenigsten je so etwas sein" Klä~ng des..fulJE-Sbegriffs nicht erforderlich ist, eine Hermeneutik kann, dahinter "noch etwas steht, was nicht erscheint": Die intui- des menschlichen Daseins, eine Existentialanalytik, auszubilden; tionistische Philosophie des Absoluten endet bei den von vorn- daß man sich vielmehr an Hand des Sinnes der C o p u I a belie- herein nicht geschiedenen, sondern durcheinander geworfenen, biger Sätze, des Wortes "ist", den Begriff des Seins klarmachen . fundamentalontologischen Fragen nach dem "S~-.'!~~-§ein", nach dem "Sinn des Sein", nach dem ,,Begriff des Seins", nach dem kann. Auf eine solche Betrachtung würde der Fundamentalonto. loge erwidern, daß er auf den Sinn des Seins abziele, dieser "Sein des Seienden". Diese exemplarische Vieldeutigkeit der funda- aber gerade nur durch das Medium menschlichen Daseins sich er· mentalontologischen Problemstellung, deren "konkrete Ausarbei- schließe. Und wer darauf den logischen Zweifel äußern würde, tung" die "Absicht" von "Sein und Zeit" ist, ermöglicht es H e i • wie der S.inn eines b e s tim m t e n Seins (angenommen er sei d e g g e r durch reine Bewortung philologische, religionsphilo- seihst erkennbar) der sophische, logische Fragen ,,in eins" zu "lösen". Seine Technik be- müßte sich belehren lassen, daß logische Einwendungen einem so steht also darin, fortwährend das Gegenteil von dem zu tun, was tiefen Ansatz P I a t o n in dem von H e i d e g g e :r:., s,!> geschätzten "Sophistes" s~t~id~g geg~nüber S.~pn des Seins überhaupt sein soll, der von vornherein als steril abzuweisen seien. . Die Fundamentalontologie kann also beruhigt als Existentialana- der Begriffe vorzu- lytik beginnen: sie wird "beweisen", daß das menschliche Dasein nehmen und weder ein und demseihen Begriff verschiedene Be- "in Zeitlichkeit fundiert" ist, und sie wird erahnen, daß diese· deutungen' noch verschiedenen Begriffen dieseihe Bedeutung zu Zeitlichkeit der Horizont "e~~s---~!len Seinsverständnisses überhaupt" ist. eindringlich fordert: "Die richtige gebe~ ..." Es ist nur eine naive Seihstcharakterisierung, wenn H e i d e g g e r seine phänomenologische Deskription als "Aus- 96 1 Kraft, Von Husserl zu Heidegger 97 2. Die Ni eh tigkei t d.er Fundamen talontolo gie. a) bung60 auf dem Fuße folgt: Dem Dasein geht es in semem Sein um sein Sein. Wie D e s c a r t e s von dem Ich zu Gott, so gelangt Die Existentialanalytik. H e i d e g g e r vom Menschen zur Welt, auf Grund des Existentials: Die Existentialphilosophie verwirklicht in mythologischer Das Sein des Daseins ist das "In-der-Welt-sein", und zwar zunächst, Form eine Konsequenz, die schon aus H u s s e r I s Wesenslehre d. h. vor aller philosophischen Spekulation, das Sein in d~r Welt [ . folgt und an ihr nachgewiesen wurde (!z..~) : die l.!Y~~~~~~ryng der Natur, vor ~.!l_l:l.!'- des Menschen. Wie aber unternimmt dies die Existentialanalytik mit dem Menschen? Sie will keine Biologie, keine ?der Alltäglichkeit. Vom Sinn des Seins sind wir so zum Seinssinn Psychologie, selbst keine philosophische Anthropologlie sein, son- lichkeit und Uneigentlichkeit" oder, wie der vorontologische Geist· ' des Menschen und seiner alltäglichen Umwelt geführt worden, deren Existentialien uns Rede stehen sollen über seine "Eigent- dern sich auf eine weit höhere Sphäre als diese Disziplinen be- es ausdrücken würde, über sein wirkliches Ich und über sein ziehen. " ... nicht vorhandene Eigenschaften eines so und so aus- besseres Ich. sehenden vorhandenen Seienden, sondern je ihm mögliche Weisen zu sein und nur das" untersucht die Existentialanalytik. Das Sein des Dasein das sie "abhört", sind seine "Existentialien". Daher b) Die Erkenntnis. Kombiniert man aus dem Existential "In-der-Welt-sein" die der Satz: "Das ,Wesen' des Daseins liegt in seiner Existenz" - Anfangs- mit der Endsilbe, so ergibt sich das ,,In-Sein", die for- ' wofür man ohne weiteres einsetzen kann: ,,Das ,Wesen' des Daseins male Bedingung des "Im-Raum-sein" des Daseins. Wie beschaffen liegt in seinem ,Wesen' "; denn die ~~4e.J:! des Seins sind natür- diese formale, nicht-räumliche Sphäre des In-Seins ist, läßt H e i- lich nichts anderes als Eigenschaften, die nach dem Vorbilde mit- d e g g e r vorsichtigerweise dahingestellt, um ihr später durch ge- -~.."... telalterlicher Universalien zu spezifischen ~,xistell:~ialien umge. eignete Auslegungen um so überraschende~e Aspekte entlocken zu deutet sind. Die Q. .u.a.lLtä t s abstrakt i o n, die bereits H u ss e r I zur Einführung der ;~rfehlten Sinnregion diente (I, 4.), wird . können. 'Wenn man beachtet, was alles sich als "Weisen" des "In- ,..",,.~.,...,··~"'"''" also von H e i d e g g e r als Hermeneutik von Existentialien mißverstanden. Welches Erstaunen würde D e s c a r t e s erleben, wenn er sein Cogito nicht nur zur phänomenologischen Reduktion umgebildet, sondern zu Heide g g er s "Jemeinigkeit" des Daseins erhöht fände. Wahrscheinlich würde er aber in der "J emeinigkeit" eine Erniedrigung erblicken, denn als Philosophen der wissenschaftlichen Strenge wäre es ihm kaum möglich, den Satz: "Ich bin ich" in das Existential der Jemeinigkeit umzuformen, dem die Sinnverschie- 98 60 Auch nach M i s c h (Lebensphilosophie und Phänomenologie, 2. Aufl., Leipzig und Berlin 1931) muß "jedem, der genauer hinsieht, auffallen, daß" ... H e i d e g g er s "maßgebende Begriffe zuweilen etwas Schillemdes haben: eine ,Doppelbödigkeit' der ganzen Stellung scheint sich darin zu verraten". "Aber diese Zweideutigkeit", so meditiert Mi s c h weiter,. "braucht nicht ein Mangel zu sein, sondern könnte wesentlich zu dieser Art von Begriffen gehören, die nicht eigentliche Begriffe im Sinne von termini, sondern ausdruckskräftige Worte der Sprache sind, oder sein müßten, da sie hinter die ~::ein diskursiv-logische Schicht zurückdringend, die ,Lebendigkeit in ihr Recht einsetzen' wollen" (4). Weiche unbegreiflichen Kräfte müssen H e i d e g g e r , diesem "starken Denker" (7), dessen "Begriffe ... mit der neuen Lebensfülle geladen sind" (175) zur Ver· fügung stehen, daß ihm z. B. der Beweiszirkel zum Mittel tiefsten "Verstehens'' (8) wird, daß er durch Wortmystik sonst unenthüllbares Sein bannen kann! 99 Seins" darstellen soll - Herstellen von etwas, Unternehmen, Be- Besorgungen, die Näherin an der Nähmaschine, die Stenotypistin fragen, Betrachten, Bestimmen, Versäumen, Ausruhen - , und daß an der Schreibmaschine von d e r s e I b e n Erkenntnis Gehrauch diese Weisen· die "Seins-Art" des "Besorgens" haben, so ist schon machen müssen, die der Philosoph in der Existentialanalyse, voll ein kleiner Vorgeschmack von den Auslegungsmöglichkeiten mensch- des hermeneutischen Dranges, aus dem Auge verliert. lichen Daseins gegeben, die noch zu erwarten sind.. H u s s er I sprach von Wesensschau; S c h e I e r ging von hier sophie das Erkennen mit anderen psychischen Tätigkeiten in V er· zum Haben, zur Teilhabe, zur Extase über; Heide g g er genügt wh:rung gebracht und daran die Lehre von der natürlichen Offen- beides nicht. Um die "ontologische Notwendigkeit und vor allem barung Gottes im Menschen geschlossen. H e i d e g g e r begnügt den ontologischen Sinn" der "Subjekt-Objekt-Beziehung" zu sehen, sich mit dem Zeug, das sich selbst offenbart und mag damit fundiert" er das Erkennen im In-der-Welt-sein: "Erkennen selbst Lesern, die nach m a r x istischer oder überhaupt wissenssoziolo- vorgängig in einem Schon-sein-bei-der-Welt, als welches gischer Methode die Erk-enntnis für einen Überbau der Produk- das Sein von Dasein wesenhaft konstituiert" (hier liegt in dem tionsverhältnisse, der Klassenlage halten, das beglückende Bewußt- "grÜndet Schon S c h e I e r hatte in seiner Ethik und Religionsphilo- Schon-sein-bei die Bewortung; denn das Sein-bei des Erkennens sein einer ontologischen Vertiefung ihrer soziologistischen :Fik- ist das e r k e n n e n d e Sein-bei, und der Schein einer tieferen, tionen verschaffen.. Andere werden das Besorgen, das Zeug, die d. h. über die Trivialität, daß der Erkennen..1!e, um zu erkennen, Zuhandenheit in das terminologische Kuriositätenkabinett der Er- existieren müsse, hina:u.~gehenden, Fundierung des Erke~ens wird - kenntnistheorie verweisen. nur durch die Sprachtechnik erregt). Diese bemächtigt sich .z. B.· auch S c h e 1 e r s verfehlten Widerstandserlebnisses, und bewortet es als "eine Weise des In-der-Welt-seins". Die ganze Fruchtbarkeit _ c) Der Raum und die Mitwelt. Aus dem leeren In-Sein läßt sich durch hermeneutische Intui- dieser terminologischen Erkenntnistheorie zeigt sich aber erst an tion nicht nur die Ontologie der Erkenntnis in Form ihrer Fun- dem tiefen Zusammenhang, den sie zwischen B es o r g e n und dierung in der Zuhandenheit ableiten, sondern auch die Um w e 1 t Erkennen herstellt. Da das .In-Sein Besorgen, das Besorgen aber des Erkennenden ontologisch durchleuchten. Ein wahrhaft erhel- in der Form.·des nächsten Umgangs mit der Welt das Hantieren mit lender Blickstrahl durchflutet das All, indem ihm He i d e g g er s körperlichen Gebrauchsgegenständen ist, muß das Erkennen offen- Satz begegnet: "im Dasein liegt eine wesenhafte Tendenz auf bar seinen tiefsten ontologischen Sinn diesen Gebrauchsgegen· Nähe". Die Nähe geht nun nicht mehr verträumt umher (Mo r • ständen, ;t;a dem Schreibzeug, Nähzeug, Werkzeug, Fahrzeug, ver- g e :n s t er n), ,,Init dem ,Rundfunk' zum Beispiel vollzieht das danken. Dieses "Zeug" ist uns ohne Theorie zur Hand, es hat eine Dasein heute eine in ihrem Daseinssinn noch nicht übersehbare . " "Zuhandenheit"; kraft derer es sich "von ihm selbst her offenbart · Ent-fernung der ,Welt' auf dem Wege einer Erweiterung der all- Wer könnte noch zweifeln, daß Erkenntnis ein Modus der Zuhanden· täglichen Umwelt". Der Raum überhaupt ist aber - heit ist, und nicht darüber vergessen, daß die Ki>chin bei ihren Subjekt, noch ist die Welt im Raum"; "der Raum befindet sich 100 "weder im 101 ·'·. nicht im Subjekt, noch betrachtet dieses die Welt ,als ob' sie in einen Unterschied gegen die anderen auszugleichen". Erlaubt ist, einem Raum· sei, sondern das ontologisch wohl verstandene ,Sub- was gefällt, und zwar was der Öffentlichkeit gefällt, heißt aller- jekt', das Dasein, ist räumlich". "Sondern", sagt Heide g g er, dings die traurige ethische Maxime, nach der sich viele richten und kann seinen Leser vielleicht einen ·Augenblick vergessen oder auch sich zu richten gezwungen werden. Sie tun, was man inachen, daß das Dasein doch ein In-der-Welt-sein ist und daher, von ihnen erwartet, sie sind dem "Man" unterworfen. Dies alles .- wissen wir aus der alltäglichen Erfahrung schon lange, daß aber wenn ersteres, auch letzteres räumlich, die Welt daher selbst nach H e i d e g g er i m Raum ist. Wieder also eine Bewortung! 6~. das Man ein Existential ist, daß ihm gegenüber die traditionelle "Kein Ich ohne Wir" ist ein aprioristischer Aphorismus aus Logik versagt, darüber helehrt uns erst die hermeneutische Onto· Sc h e I er s Soziologie {II, 3.). Heide g g ~ r drückt ihn existen- logie dadurch, daß sie das Wort ,,man" statt klein groß schreibt. analytisch so aus: "Das Mitsein bestimmt existential das. Dasein, auch dann, wenn ein anderer faktisch nicht vorhanden und wahr- ge~ommen ist. Auch das Alleinsein des Daseins ist MitseiU: in der d) Weitere Existentialien. Das allmächtige Man bemächtigt sich nicht nur der anderen, Welt." Das soziologische Dogma von der Unmöglichkeit eines iso- sondern auch unserer selbst: Man selbst verhält sich so und so. lierten Individuums findet hierin seine "ontologische Vertiefung", die man allerdings nur genau genug zu lesen braucht, um sie zu Man selbst hat Stimmungen, ist abhängig, denkt, spricht und schweigt. entwirren. Die überraschende Wesenseinsicht nämlich, daß auch Um diese Akte des alltäglichen Lehens kreist H e i d e g g e r s das Dasein des Alleinseienden durch das Mitsein bestimmt werde, existentialanalytisches Interesse. Die dankbaren Stoffe des Essens, löst sich in die Feststellung auf, daß auch der Alleinseiende mög- T:i:inkens und Schlafens hat er sich ebenso entgehen lassen, wie die licherweise mit P:Q.anzen, Tieren, Sachen, Himmel und Luft zu- Metaphysik der Liehe: Sie passen in sein tragisch-aschgraues Da- sammen ist. Sicher ein vorzüglicher Beweis für die Unmögli~hkeit seinshild nicht h.inein. In ein Bild, das so ausgezeichnet geeignet der Robinsonade, bestimmt aber für den "wissenschaftlichen" Wert, ist, den Trühsalsstimmungen einer an sich selbst verzweifelnden den die Bezeichnung des Menschen als Dasein besitzt! Die "existen~ tiale Wesensaussage", daß das Dasein Mitsein "um willen Anderer", Gesellschaft philosophischen "Halt" zu gehen, Nihilismus. den Halt des tragische Trübung. Das Miteinandersein hat nämlich "den Cha- H e i d e g g e r s anthropologische Mythologie führt jetzt· zwei wirkungsvolle "Existentialien" ein: Die Stimmung und die Geworfen- rakter der Ahständigkeit", es ruht ständig auf der "Sorge, um heit. Die Stimmung macht offenbar, "wie einem ist und wird". daß der Andere eine Dublette des Selbst ist, erfährt jedoch eine Daß einem aber überhaupt ist und wird, daß man überhaupt dieser 61 Die widersinnigen Konsequenzen der von B e c k e r (Mathematische Existenz, Halle 1927) vollzogenen Übertragung H e i d e g g er scher Methoden auf die Philosophie der Mathematik hat Geiger (Göttingische Gelehrte Anzeigen, 190. Jahrgang, S. 401 ff., Berlin 1928) zwingend aufgewiesen. 102 Mensch in dieser Welt ist, darin besteht die Geworfenheit des Menschen. Der Mensch befindet sich in einem Gestimmtsein und in einer Gewo~fenheit; er hat insofern seine Befindlichkeit. Diese drei 103 "•! I Bezeichnungen enthalten wiederum nichts, was sich nicht in einfachen Sätzen über menschliches Lehen, über die Stellung des Menschen in der Natur sagen ließe, so aber seinen unter dem r Ir Niveau der Wissenschaft liegenden Charakter sofort "offenbaren" würde. H e i d e g g e r s substantivierende Umschreibung dieser Alltagsweisheiten erfüllt also die doppelte Funktion: ihnen den Schein philosophischen Tiefsinns und außerdem manchem Leser den metaphysischen .Schauer zu verschaffen. -Neben die Befindlichkeit (als deren Modus es H e-·i d e g g e r _I ·i auf eine bestimmte Auslegharkeit hin ,anschneidet'. Das in der Vorhabe Gehaltene und ,vorsichtig' anvisierte V erstandene wird d~ch die Auslegung begreiflich. Die Auslegung kann die dem aus- zulegenden Seienden zugehörige Begrifflichkeit aus diesem selbst schöpfen, oder aber in Begriffe zwängen, denen sich das Seiende f: gemäß seiner Seinsart widersetzt. Wie immer - i sich hier schon endgültig oder vorbehaltlich für eine bestimmte I Begrifflichkeit entschieden; sie gründet in die Auslegung hat einem Vorgriff." G o e t h e hat die Fundiertheit des V erstehens und der Auslegung nicht schwer fällt, die Furcht zu konstruieren) wird das. Verstehen . in Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff mit dem schönen Vers ausge- gestellt. "Das V erstehen : .. im Sinne einer möglichen Erkenntnis- drückt: "Im Auslegen seid frisch und munter, legt ihrs nicht aus,_ art unter anderen, etwa unterschieden", von "Erklären", soll die so legt was·· unter." H e i d e g g e r s Auslegung, seine Hermeneutik, Wurzel von Anschauung (auch von Wesensanschauung) und Den- ist prinzipiell Unterlegung, sie unterlegt alt~n Worten neue Worte ken, selbst aber folgendes sein: "Das existentiale Sein des eigenen und versieht alte Worte mit einem neuen Sinn. Was sie verstehende Seinkönnens des Daseins selbst, so zwar, daß dieses Sein an Analyse des Daseins nennt, ist eine solche planmäßige Unterlegnng ihm selbst das Woran des Mit-ihm-selbst-Seins erschließt." Dieser existentialanalytische Tiefsinn spottet, für sich genommen, jeden V erstehens. Der Zusammenhang des Ganzen ergibt, daß das V erstehen, äh:n:Iich wie das Besorgen im Umgang mit dem Zeug, ein die sonstige Erkenntnis fundierender, höherer Griff in die Wirklichkeit sein soll. Die Praxis dieses Greifens enthüllt eine überraschende Einfachheit seiner Methodik, nämlich die der Au s leg u n g. Was tut aber die Auslegung? ,,Diese", so beschreibt. sie H e i d e g g e r wörtlich, "gründet jeweils in einer Vorhabe, sie bewegt sich als Verständnis zur Eignung im verstehenden Sein zu einer schon verstandenen Bewandtnisganzheit. Die Zueignung des Verstandenen, aber noch Eingehüllten, vollzieht die Enthüllung immer unter der Führung einer Hinsicht, die das :fixiert, im Hinblick worauf das V erstandene ausgelegt. werden soll. Die Auslegung gründet jeweils in einer Vorsicht, die das in Vorhabe genommene bei Daseinshezeichnungen, für die sie sich nicht auf ernsthaftes 104 historisch-philologisches Arbeiten, sondern nur auf. Praktiken der Rabulistik stützen kann; sie ist geradezu die zur philosophischen Methode erhobene Rabulistik. Daher ihre grotesken Bemühungen, den in i h r e n Unterlegungen fortwährend enthaltenen Zirkel als Zirkelstruktur historische~ Erkenntnis aufweisen zu wollen: Nicht die historische Erkenntnis bewegt sich aber im Zirkel, sondern He i d e g g er s Philosophie des V erstehens. An die V ersteheuslehre schließt sich die Theorie des Urteils und der Sprache, heide gleichfalls mythologische Fortsetzungen Husse r I sehen Apriorisierens (I, 3., 4.). über die Aussage erfahren wir, daß sie- ,,mitteilend bestimmende Aufzeigung", eine "Modalität" von "Umgang mit den Dingen" sei 62 ; die "Rede" ist aber gar 62 H. Li p p s , Untersuchungen zur Phänomenologie der Erkenntnis, Bd. 2, S. 7, Bonn 1928. 105 ,,mit Befindlichkeit und V erstehen existential gleich ursprünglich". G~rede Es hat einen besonderen Reiz, gerade von H e i d e g g er , dem Mei~ zu scheitern. Das Gerede, das jeder aufraffen kann, entbindet nicht ster der Substantivierung, weiter über die Sprache generell zu er~ nur von der Aufgabe echten Verstehens, sondern bildet eine in- behütet schon vor der Gefahr, hei einer solchen Zueignung fahren: "Den Bedeutungen wachsen Worte zu, nicht aber werden differente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen ist." Wörterdinge mit Bedeutungen versehen." Bed~nkt man, daß He i- Diesemeisterhafte (0 vi ds "it fama", M oz a rts und Ro s- de g g er s Darstellung vielfach nur Wortkombinationen enthält, s i n i s Verleumdungsarien nacheifernde) Schilderung des Geredes die sich allerdings ihrem Autor als Ausdrucksformen eines in ihm beschreibt erschöpfend den Zustand, der sich unter dem Einfluß stattfindenden, kosmischen Geschehnisses darstellen, dann wird existentialanalytischer Methoden philosophischer Literatur und auch dieses Existential, wenigstens psychologisch; verständlich. Zu p~ilosophischer Diskussionen bemächtigen muß deren völliger Erschließung und zur Soziologie ihrer Wirkunge~ schon bemächtigt hat). Diese Schilderung des Gered~s ist der ein- (und zum Teil trägt in hervorragenderWeise jene hermeneutische Untersuchung bei, zige, uneingeschränkt-positive Ertrag der Fundamentalontologie, die Heide g germit der Überschrift versieht: "Das Gerede." Hier- von dem schließlich einmal offenbar werden wird, daß er das aus entnehmen wir zunächst, daß "die Sprache als die Ausge- i n n e r s t e Wesen dieser Philosophie enthüllt. sprochenheil . . • eine Ausgelegtheil des Daseinsverständnisses in Durch das Gerede und zwei weitere ExistentiaHen (die Neugier sich" birgt, daß also tatsächlich die Sprache die Wirklichkeit be- und die. Zweideutigkeit) ist das alltägliche Dasein einer tragisch- reits im Griff hat, und daß es also genügt, auf ihren ursprünglich ontologischen Bewegung, einem Absturz und einem Wirbel, dem anschaulichen Sinn zurückzugehen, um über das Dasein und die Zustand der Verfallenheit ausgeliefert. Welches ist aber das Grund- Welt schließlich zum Sein d~s Seienden vorzudringen: Die Intui- existential, aus dem sich diese Züge des· Alltags erst ableiten: tionsphilosophie des Absoluten hat sich in eine Beschäftigung mit "Das verfallend-erschlossene, geworfen-entwerfende ln-der-Welt-sein, dem wirklichen oder vermeintlichen anschaulichen Urgehalt von dem es in seinem Sein bei der ,Welt' und im Mitsein mit anderen Sprachzeichen verwandelt. Für diese Philosophie und ihre Aus- um das eigenste Seinkönnen selbst geht"? breitung gilt nun allerdings wörtlich was H e i d e g g e r über das nahe, wenn wir K i e r k e g a a r d s Erbsündemetaphysik der Angst G e r e d e sagt: "Man versteht nicht so sehr das beredete Seiende, mit He i d e g g er folgend, auf das Grundphänomen der Sorge sondern man hört schon nur auf das Gerede als solches. Dieses wird stoßen. Was wäre auch selbstverständlicher als dies, besagt doch verstanden, das Worüber nur ungefähr, obenhin; man meint das- das Sein des Daseins: "Sich-vorweg-schon-sein~in (der-Welt-) als Sein- selbe, weil man das Gesagte gemeinsam in derselben Durchschnitt- 'hei (innerweltlich begegnendem Seienden)"? Was kann dies aber lichkeit versteht . . . Die Sache ist s~, weil man es sagt . . . Die anderes besagen als Sorge? - Bodenlosigkeit des Geredes versperrt ihm nicht den Eingang in die Hingegehenheit, Wonne, oder sonst etwas sagen. H e i d e g g e r Öffentlichkeit, sondern begünstigt ihn. Das Gerede ist die Möglich- besagt es jedenfalls Sorge, in der Theorie und Praxis, Wollen und keit, alles zu verstehen, ohne vorgängige Zueignung der Sache. Das Wünschen samt allen ExistentiaHen der Alltäglichkeit fundiert 106 Wir kommen ihm es kann natürlich ebensogut Freude, 107 sind. Vergehlieh hat F a u s t ausgerufen: "Doch Deine Macht, o wenige Philosophen wagen es ihren Lesern solche Steine statt Brot Sorge, schleichend groß, ich werde sie nicht anerkennen." Schon zur Befriedigung ihres metaphysischen Bedürfnisses zu bieten, und F a u s t muß am Ende seines Lebens durch die Sorge erblin- es ist ein niederschmetterndes Zeugnis für die Bedürfnislosigkeit den, H e i d e g g e r aber ist die Sorge überhaupt die Herrin Das Ganze bleibt natürlich wieder nur der Gegenwart, daß sie derartige Trivialitäten zu ihren religiösen Symbolen erhebt. eine Bewortung. Man nennt die Angewiesenheit des Menschen auf DerTod gründet natürlich in Sorge und Angst, seine volle existen- seine Umwelt erst Sorge und unterschiebt dann dieser Benennung tialanalytische Bedeutung bekundet- er aber folgendermaßen: "Das wirkliche Sorge oder sorgenähnliche Entitäten. Vorlaufen enthüllt dem Dasein die V erlorenheit in das Man-selbst menschlichen Daseins. Der Satz vom Sorgecharakter des Daseins ist also auch eine leere Phrase. e) Der Tod, das Gewissen, die Zeitlichkeit. und bringt es vor die Möglichkeit, auf die besorgende Fürsorge primär ungestützt, es selbst zu sein, selbst aber in der leidenschaftlichen, von den IDusionen des Man gelösten, faktischen, ihrer selbst ge- Aber noch wissen wir nur von dem uneigentlichen Se4J_ des wisseiJ. und sich ängstenden Freiheit zum Tode." Vor He i d e g g er Daseins, von seiner Alltäglichkeit; es steht die Existentialana- bat S c h e l e r 63 einen phänomenologischen Beweis a priori der lyse der Eigentlichkeit und Ganzheit des Daseins noch aus, die ·~otwendigkeit des Todes aus der je erlebten Zeitstruktur versucht. H e i d e g g e r am Tode und am Gewissen vollzieht. Erschütternde .. -~h·:"t.:..-- . Dieser Beweis ist nicht minder, wie H ei d e g g er ~ Analyse, ~in Begegnungen stehen uns jetzt bevor. Als Vorbereitung hierzu z-q.- Versuch am untauglichen Objekt, da hier ~in physiologisches und nächst ein merkwürdiges Rätsel: "Am Sterben der anderen kann das merkwürdige Seinsphänomen erfahren werden, das sich als Uni- kein philosophisches Problem vorliegt. Trotzdem mag jeder schlag eines Seienden aus der Seinsart des Daseins (hzw. des Le- Sc h e I er s und Heide g g er s Todesmetaphysik miteinander vergleichen, ·der sich auch an Hand dieses Problems in concreto bens) zum Nichtmehrdasein bestimmen läßt. Das Ende des Seienden qua' Dasein ist der Anfang dieses Seienden qua Vorhandenes." davon überzeugen will. daß He i d e g g er s vermeintliche Intuitionen den ,,Fortschritt" von Sc h e I er s Einfällen - aber immer- Auf deutsch: Das Ende des Lebens ist der Beginn des Totseins. hin noch solchen - Bei seiner Abfahrt von den Phäaken läßt H o m e r 0 d y s- zu reinen W Qrtkombinationen vollzogen haben. Das Gewissen, die "Bezeugung eines Selbstseinkönnens" des Daseins, bringt He i d e g g er auf die einfachste Weise mit der s e u s die geflügelten Worte sprechen: "Lebe beständig wohl, o Königin, bis Dich das Alter sanft beschleicht und der Tod, die allen Sorge in Verbindung: "Das Gewissen offenbart sich als Ruf der Menschen bevorstehen!" Ahnungsloser H o m er! Wann hätte er Sorge: Der Rufer ist das Dasein, sich ängstend in der Geworfenheit sich träumen lassen, daß diese harmlosen Verse nach drei Jahrtausenden in existentialanalytische Beleuchtung gerückt würden? !(gerade n i c h t um die Existenz des Menschen ängstet, sondern seine Aber He i d e g g er ist der große Wurf gelungen, er enthüllt das \·!\Existenz dem ~setz der Pflicht unterstellt und auch das Opfer der bis dahin Unbekannte: "der Tod ist ... ein Bevorstand". Nur 108 (Schon-sein-in ... ) um sein Seinkönnen." Daß das Gewissen sich 63 ll)..!;~li..siU..us - Realismus, Philosoph. Anzeiger, Bd. 2, S. 309 ..... -....,.,.,. ............,...-................... ·. .~ ~.-~-~· ff. 109 .,.. l Existenz verlangen kann, dies alles dem Existentialanalytiker ent· Den Übergang vom Tod zur Zeit zu vollziehen, ist eine leichte gegenzuhalten, ist natürlich bedeutungslos. Denn sofort würde er Aufgabe, denn "wenn zum Sein des Daseins das eigentliche hzw. dann den Sinn seiner Worte dergestalt ändern, daß jeder Angriffs- uneigentliche Sein dem Tode gehört, dann ist dieses nur möglich punkt entschwände. Das gleiche Schauspiel würde sich bei einer als zukünftiges". Mit der Zukunft (einem ahkünftigen Modus der Diskussion über den "Nicht-Charakter" der sittlichen Schuld und "Kuuft", "in der das Dasein in seinem eigensten Seinkönnen auf sich über die durch das "Gewissen bezeugte eigentliche Erschlossenheit zukommt", also gleichzeitig einer Art umgekehrter Kausalität) ist - aber die Zeit vorausgesetzt, und so liegt der Satz nicht mehr fern: das verschwiegene, angstbereite Sich-Entwerfen auf das eigenste ... die Entschlossenheit" ergehen. Diese K i e r k e - ,,Zeitlichkeit enthüllt sich als der Sinn der eigentlichen Sorge." Mit g a a r d nachgebildeten Paradoxien sind jedoch sehr geeignete An- der Zeitlichkeit, dem "ursprünglichen ,Außer-sich' an und für sich schlußpunkte der Fundamentalontologie an die theologische Dogmatik.64. selbst", aus dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ja auch Schuldigsein - 64 Durch das Auftreten H e i d e g g e r s ist in Form einer Auseinandersetzung zwischen seiner Ontologie und der protestantischen Theologie der alte p h i I o s o p h i s c h • t h e o I o g i s c h e Antagonismus neu angefacht worden, Dieser Antagonismus liegt in der Natur der Sache begründet; denn die Problemstellung jeder theologischen Dogmatik enthält einen Widerspruch. Sie will Wissenschaft von Gott sein und gleichzeitig auf geschichtlicher Offenbarung beruhen. Ihre wissenschaftliche Seite drängt sie daher immer wieder zur Philosophie (oder in positivistischen Perioden zur Geschichte, Psychologie und Soziologie), ihre dogmatische Seite zwingt sie dagegen, den Anspruch einer autonomen Glaubenslehre zu erheben, die von keiner Wissenschaft abhängig, ja sogar über alles natürliche Wissen erhaben ist. Die H e i d e g g e r sehe Ontologie, die bereits in ihrer Problemstellung den wissenschaftlichen Autonomieanspruch der Philo- · sophie preisgibt, erleichtert die prekäre Lage der Theologie bedeutend, indem sie ihr eine Philosophie zur Agglomeration bietet, die ihr von vornherein nicht den Widerstand logischer Konsequenz entgegensetzt, und bei der es daher' nur gilt, ihre individuellen mythologischen Gebilde mit der historischen Dogmatik in Einklang zu bringen. (Ein Anliegen, um das sich, allerdings noch unter V ergewaltigung der evangelischen Tradition, B u I t man n bemüht. [Jesus. Die Unsterblichen, Bd. I; vergleiche zur Kritik B u 1 t man n s die Abhandlungen von Förster und Kuh 1m an n, Zeitschrift für Theologie u. Kirche, N. F., 9. Jahrg., S. 28 ff., 10. Jahrg., 3, 28 ff.]) Es verrät einen sicheren theologischen Instinkt, gleichzeitig aber ein bedenkenloses Hinweggehen über alle logischen Schwierigkeiten, wenn T i 11 i c h (Religiöse Verwirklichung, S. 22/23) H e i d e g g er s Verhältnis zur Theologie folgendermaßen umschreibt: "Die Frage, ob das (Zusatz: Heide g g er s Verfahren) theologische oder philosophische Ontologie sei, ist in dem Augenblick no die Kuuft, erst _ekstatisieren, lassen sich weiter das V erstehen, die bedeutungslos, wo die Philosophie - wie es bei H e i d e g g e r geschieht '--- ihre eigene, konkret geschichtliche Gebundenheit durchschaut und anerkennt, und wo die Theologie - wie ich meine, daß sie es tun muß - an Stelle der Autoritätsdie reine Sachgebnndenheit setzt. Natürlich ebenso wie die Philosophie auf einem konkret-geschichtlichen Boden." Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß gegenüber solchen Fiktionen einer geschichtsgebundenen Philosophie und einer autoritätsfreien und doch wieder geschichtsverankerten Theologie die katholische Theologie und Philosophie infolge ihrer festeren Traditionen prädisponiert ist, He i d e g g e r gegenüber ein nüchternes Urteil zu bewahren. Als Beleg hierfür kann die Abhandlung von D y r o f f dienen: Glossen über Sein und Zeit, Philo·sophia perennis, Regensburg 1930, Bd. II, S. 775 ff. Welcher fanatische, den Traditionen aller fortgeschrittenen positiven Religionen hohnsprechender Glaube durch H e i d e g g e r s Verbalbeschwörungen erzeugt werden kann, geht aus dem Aufsatz von V i e t t a hervor: Martin , Heidegger und die Situation der Jugend, Die Neue Rundschau, 10. Heft, S. 501 ff., 1931. Nach V i e t t a hat Heide g g er die gewaltige Tat vollbracht, "den Wahrheitsbegriff" in eine "tiefere vorlogisehe Schicht, in ein ursprüngliches Vermögen des Daseins" (507) verlegt zu haben. Daß unter diesen Umständen . "Widerlegungen nicht mehr am Platze sind", daß das "Wagnis" "der philosophischen Ergriffenheit" nunmehr "zu gar keinem" Zweck (506/507) unternommen wird, kann nicht mehr überraschen, ist doch alle Diskussion und alle vernünftige Zwecksetzung durch entsprechende Erregung der "Urstimmung unseres Daseins - die Angst" ·(508) völlig unterbunden worden. Vor den Früchten dieser Mentalität, die sich von dem Glauben an die Heilskräftigkeit der Angst und der Langeweile nährt, mag es einem tatsächlich Angst und Bange werden!. lll Befindlichkeit, das Verfallen, die Rede, das In-der-Welt-sein, das den her, sondern gehört ursprünglich zum Wesen des Seins selbsL Besorgen, die Alltäglichkeit des Daseins aufs einfachste vergleichen. Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts." Wir sind gelandet bei H e g e I s Identität von Sein und Nichts, bei einer W ortspielerei, die Modalitäts- und Qualitätskategorien um des Paradoxen willen hemmungslos durcheinander wirft und damit dem Ahnungslosen metaphysische Einblicke in die göttliche Schöpfungsordnung vortäuscht 65 • Und es kann schließlich der tiefe Satz nicht ausbleiben: ,,Nur auf dem Grunde der ekstatisch-horizontalen Zeitlichkeit ist der Einbruch des Daseins in den Raum möglich." Wie sollte das auch anders sein, da jeder Einbruch Zeit zum Einbrechen gebraucht, leider aber auch schon Raum, woher und wohin er einbricht? H e i d e g g e r stellt seine Mythologie der Zeitlichkeit und der Sorge schließlich in den Dienst einer an D i I t h e y anknüpfenden Philosophie der Geschichte, die, wie nicht anders zu erwarten, in einen Schicksalsglauben ausläuft, der den Blick für die historische Wirklichkeit, für ihre Erforschungsmethoden und für die Lenkharkeit der historischen Naturprozesse versperrt. f) Das Nichts. Bis zur Entschleierung des ahgrundtie:Cen Zusammenhanges von Sein und Zeit ist die Fundamentalontologie nicht vorgedrungen. Ebensowenig hat sie den Sinn des Seienden, den Begriff des Seins, den Sinn. von Sein erreicht. Sie hat sich in der Exi.stentialanalyt~ erschöpft, deren Bemühungen, in sich nichtig, sie sich überdies zum Behufe ihrer philologisch-logisch-religionsphilosophischen Bemühungen hätte schenken können. Wenn so auch das Sein des Seienden verschlossen blieb, so wissen wir doch einiges über das Nichts, das uns als "die Nichtung" durch die Angst offenbart wird. Das "Nichts ist nämlich ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung." (Wenn es auch im Widerspruch hierzu- aber was hesagen Widersprüche in dieser Tiefenregion? - als "schlechthin- nige V e r n e i n u n g" der Allheit des Seienden bestimmt wird.) :; ,. "Das Nichts begegnet in der Angst in eins mit dem Seienden im . ~ '~ . : ~; . Ganzen." ,,Das Nichts gibt nicht erst den Gegenbegriff zum Seien• 112 65 Ein wegen seiner - H e i d ·e g g e r noch überbietenden - Offenheit unschätzbares Selbstbekenntnis hat die Existentialphilosophie bei Ja s p er s (Philosophie, 3 Bände, Berlin 1932) abgelegt. Ohne alle Umschweife, mit völliger Selbstverständlichkeit, verzichtet J a s p e r s auf den Wissenschaftsanspruch der Philosophie: in seinem "Philosophieren spricht sich ein Glaube ohne jede Offenbarung· aus, appellierend an den, der auf demselben Weg ist.. (I, S. VII). Daher wird "nicht der V erstand, sondern die Phantasie, aber nicht die beliebige des Bewußtseins, so~dern sie als das Spiel des existentiellen Grundes Organ, durch das Existenz sich des Seins vergewissert''. Das "Wahrheitskriterium" "existenzerhellenden Philosophierens« ist "statt eines objektiven Maßstabes, nachdem das Gesagte richtig oder falsch ist, oder statt eines gegebenen Phänomens, das darin treffend oder verfehlt gemeint ist, vielmehr der Wille selbst, der bejaht oder abstößt". Glaube, Phantasie und Wille reichen aber zur Entschleierung des höchsten philosophischen Geheimnisses, zur Entzifferung der metaphysischen "Chiffren" noch nicht aus: Diese graphologische Metaphysik erblüht erst auf' dem Trümmerhaufen eines "logischen Einsturzes" sondergleichen. Denn, so lautet wörtlich die Beschreibung dieses Einsturzes, dieses· Absturzes einer philosophischen Schule von dem Ernst und Feuer B r e n t a n o s zu dem Gestammel der Existentialphilosophie: "Was aufzeigbar oder zu beweisen ist, ist endliche Einsicht in ein Besonderes. Existenz und Transzendenz sind im Sinne dieses Seins nicht da. Werden sie gedacht, so nimmt der Gedanke logische Formen an, welche ihn als Einsicht ruinieren. Die Relevanz des Gedankens ist durch seine Macht der Existenzerhellung im Appell an ~reiheit, oder der Beschwörung der Transzendenz im spielenden Zusammenhang seiner als Gegenstand. Wenn Argumentieren als Ansdruck des Transzendierens die Verkleidung des Beweises annimmt, so scheitert dieses als eigentlich Gemeintes. Solches uneigent!ichcs Beweisen bewährt sich durch Mitteilbarkeit dessen, worauf es, obgleich es nuerkennbar ist, im Transzendenten ankommt. Sofern Philosophieren Ergr.üheln der Transzendenz ist, zeigt es im Ent· scheidenden einen Zirkel, der, obgleich er den Gedanken als bewiesene Einsicht vernichtet, ihn als philosophisch erweist .durch seine Ausdruckskraft und Weite. s Kraft, Von Husserl zu Heidegger ··~ 113 ,~- Die Verehrung des Nichts 66 ist der adäquate Ausdruck für die Nichtigkeit des Suchens der Fundamentalontologie nach dem Sein Der Zirkel kann sich reduzieren auf T a u t o I o g i e , wenn er, im Grunde erfaßt, seinen Gehalt in objektiv nichtssagenden, jedoch mögliche Existenz ergreifenden Sätzen verkürzt ausspricht. Zirkel und Tautologie ~-ird der W i d e r s p r u c h entgegengesetzt, der nicht nur den Beweis, sondern auch den Bestand vernichtet; er ist die eigentliche Zerstörung der Gegenständlichkeit metaphysischer Gedanken. Jeder tiefe Ausdruck der Transzendenz, da er als Gegenstand nicht _bestehen darf, ohne die Transzendenz zu verlieren; muß sich durch einen Widerspruch zum Verschwinden bringen. War Zirkel und Tautologie Ausdruck des lnsichberuhens, das nichts anderes außer sich hat, sondern aus sich selbst ist, so ist der Widerspruch der Ausdruck der Daseinsunbeständigkeit dessen, was eigentlich ist" (111, 17). Nach dieser Selbstcharakterisierung muß man von vornherein die existentialphilosophischen Äußerungen über Gott, Welt, Mensch und Gesellschaft als bloße Wortkombinationen beurteilen. Sie sind nicht nur nichts anderes, sie wollen auch gar nichts anderes sein. Sie sind eine raffinierte Technik m e t a p h y s i s c h e n Für c h t e m a c h e n s, eine Rückkehr zu der altbewäh~ten Methode der Beschwörung durch Wortformeln. Die psychologische Natur solcher philosophischen Leistungen ist grundlegend von S t ö h r (Psychologie, Wien u. Leipzig 1917) erörtert worden. S t öhrfaßt sie als Fälle der "GI o s so m o r p h i e", des "~e.erla~fs der Rede", auf, der; wie er sehr treffend ausführt, "einmal zu den Ent;:i~k:I~gsnotwendigkeiten" gehört: "Gewisse Verwechslungen, gewisse Verdrängungen des Denkens durch das Reden, müssen eintreten, um überwunden zu we;den, denn das Philosophieren ist zum großen Teil ein Ringen mit der Sprache, wobei der schwächere Kopf unterliegt~·· Aber: "Zum anderen mal ist die Glossomorphie ein Zeichen des Niederganges, ein Zeichen, daß das Reden immer stärker und das Denken immer schwächer :wird. Die Glossomorphie kann leicht einmal das Ende der Philosophie und der ireineil P5'ychologie werden, denn ihre Macht scheint von Tag zu Tag zuzunehmen" :(434, 435). Die Antwort der wissenschaftlichen an die "glossogene Philosophie" kann nur die sein, sie nach Klarstellung ihres methodischen Geheimnisses, Banalitäten und Widersinnigkeiten durch eine absonderliche Sprache den Anschein des Tiefsinns zu verleihen, auf sich beruhen zu lassen, um nicht etwa durch ein gegenseitiges subtiles Auseinandersetzungsspiel ihr Dasein unnötig zu verlängern. 66 Es ist eine Ironie der Philosophiegeschichte, daß die Philosophie des Nichts nicht nur für die Phänomenologie, sondern auch für C o h e n eine hervorragende Anziehungskraft besessen hat, ein erneuter Beleg dafür, daß dessen logizistische Erkenntnistheorie gleichfalls eine verkleidete Metaphysik des Absoluten ist. C o h e n s Philosophie des Nichts ist folgendermaßen treffend von 114 des Seienden. Ihre Bewunderung durch die Mitwelt macht eme packende Vision N i e t z s c h e s67 wahr: "Mußte man nicht endlich einmal alles Tröstliche, Heilige, Heilende, alle Hoffnung, allen Glauben an verborgne Harmonie, an zukünftige Seligkeiten und Gerechtigkeiten opfern?, mußte man nicht Gott selber opfern und, aus Grausamkeit gegen sich, den Stein, die Dummheit, die Schwere, das Schicksal, das Nicht s anbeten? Für das Ni c h t s Gott opfern - dieses paradoxe Myste- rium der letzten Grausamkeit blieb dem Geschlechte, welches jetzt eben herauf kommt, aufgespart: wir Alle kennen schon etwas davon.-" Ne I so n (Göttingische Gelehrte· Anzeigen, 1905. S. 610 ff.) charakterisiert worden: ",Um nun das in der Logik schon erstorbene Interesse am Ursprung• (S. 66) wieder zu beleben, macht sich C o h e n an das Unternehmen, durch reines Denken den Ursprung des Seins zu ergründen. ,Woher kommt, worin entspringt das Etwas?' So hatte schonThaIesund die anderen ionischen Naturphilosophen gefragt. Aber C o h e n findet eine neue Lösung des alten Rätsels. Wenn nämlich ThaI es im Wasser den Ursprung aller Dinge sucht, so hat er offenbar nicht bedacht, das ja das Wasser ein Etwas ist. Aber auch das Chaos des A n a x i m a n. d e r und das H er a k I i t i sehe Feuer ist ein Etwas. Wie kann aber der Ursprung des Etwas im Etwas liegen? ,1~ dem Etwas kann der Ursprung des Etwas nicht zu suchen sein. Das Urteil darf einen abenteuerlichen Umweg nicht scheuen, wenn anders es in einem Ursprung das Etwas aufspüren will. Dieses Abenteuer des Denkens stellt das Nichts dar:•• Aus Co h e n s Abenteuer des Denkens ist bei H e i d e g g e r das Abenteuer der Angst geworden. Die Ausgangsfrage ist bei beiden die gleiche. Das Vorbild aller modernen Sein-Nichts-Spekulationen; Hege I s Logik der Qualität, ist ebenso scharfsinnig wie humorvoll von Fries (Geschichte der Philosophie, Bd. 2, S. 674, 675, Halle 1840) erledigt worden. 67 Jenseits von Gut und Böse, Leipzig 1906, S. 79; die Sperrungen stammen von mir. 8* ll5 des reinen Bewußtseins bis zu He i d e g g e r s Hermeneutik des .'1 Daseins verfolgen. Durch die Existentialabstraktion der phänomenologischen Reduktion entsteht bei H u s s er I die Selbsttäuschung einer apriori~chen Psychologie (allgemeiner einer apriorischen Wissenschaft von allen Erfahrungs- und allen sonstigen Gegenständen), und zwar auf Grund der Verwechslung von An- IV. Die Unmöglichkeit des Intuitionismus und die Aufgabe der kritischen Philosophie 1. D i e E n t w i c k I u n g s e t a p p e n d e r p h ä n o m e n o logischen Schule. Das Schicksal der phänomenologischen Schule hat sich in einem elementaren Vorgang vollzogen: Der intuitionistische Ansatz hat das Gebäude der wissenschaftlichen Philosophie, statt es zu errichten, vielmehr gesprengt. Die Intention der Philosophie als strenger Wissenschaft forderte die Ausscheidung des lntuitionismus; statt dessen hat der Intuitionismus die wissenschaftliche Philosophie ausgeschieden. Insofern die phänomenologische Schule auf der Problemstellung einer intuitionistischen Philosophie des Absoluten verharrte, ist ihr fortschr~itender Verfall etwas logisch Zwangsläufiges. Eine philosophische Anschauung des Wesens der Dinge kann sich nicht mit einer apriorischen Bewußtseinsanalyse zufriedengeben, die höchstens einen Teilbezirk des Seienden eröffnet; sie wird also zu einer Philosophie des Absoluten, d. h. zu einer Metaphysik des Hervorgehens der Dinge aus dem Sein Gottes hingedrängt, die sie in der faßlicheren Form S c h e I er s und in der glossogenen Form H e i d e g g e r s behandelt. Diese Linie läßt sich von H u s s e r I s eidetischer Deskription 116 nahmen (Beg!ift'en und problematischen Urteilen) mit Sätzen a priori. Der Inhalt dieser Annahmen ist, nach Eliminierung des Modalitätsmomentes der Realität, insbesondere durch Q u a I i t ä t sI momente bestimmt, die entweder logisch Notwendiges oder auch logisch nicht Notwendiges enthalten. Es treten in den Annahmen insofern die Formen der Qualitätsabstraktion, der Abstraktion vom logisch Zufälligen und auch synthetische Vorstellungsverbindungen auf. Schon bei Ru s s er I zeigt sich die b e griff s r e a li s t i s c h e Umdeutung dieser. Abstraktionen zu allgemeinen Gegenständen, in denen die erfahrungsmäßige Wirklichkeit "gründen" soll: Die phänomenologische Wesensanschauung erweist sich als Erneu~rung des Begriffsrealismus. Während H u s s e r I eine bestimmte E r k e n n t n i s a r t fingiert, erfindet S c h e I e r eine v o I u n t a r i s t i s c h e Intuition. Dieser Voluntarismus bedient sich zwar in der Anwendung auch der H u s s e r I sehen Abstraktionsformen, fügt dem aber in fortschreitendem Maße persönliche Einfälle, eigentliche "In tu it i o n e n", bei. Zu diesen Intuitionen wird Sc h e I er durch die Fülle seiner Gesichte über hdisches und Ewiges, die oft W esentliches enthalten, sich aber der wissenschaftlichen Philosophie nicht mehr unbedingt verpflichtet fühlen, besonders befähigt. Ohne S c h e I e r s Weltaufgeschlossenheit und Phantasie setzt He i d e g g er die ontologische Phänomenologie fort und verallgemeine~ sie zur Fundamentalontologie, deren auf Reduktionen ver- 117 T ziehtende hermeneutische Methode sich in WOrtneubildungen ge- einem synthetischen Merkmal) des Seins überhaupt das W e s e n fällt, in denen unter Ausnützung des anschaulichen Urgehalts von bestimmter Dinge. 'Sprachzeichen da; Sein des Seienden "ergriffen" wird. An die dem reinen Bewußtsein, S c h e I e r Gott, · H e i d e g g e r Es ist daher kein Zufall, daß H u s s er I dem Stelle der subtilen Abstraktionen H u s s e r I s und des mehr oder Menschen Merkmale entnehmen und sie auf das reine Sein über- minder geordneten Einfallsreichtums S c h e I e r s ist also bei He i- tragen, um so von vornherein einen Gehalt ihrer Ontologie zu er- d e g g e r eine V e r b a I t e c h n i k getreten. Der Überschwang zwingen. Damit hat die Phänomenologie jedoch nicht die Mög- des intuitiven philosophischen Erkennens hat in einem aller Er- lichkeit einer kritischen Ontologie, sondern nur wieder die Unmöglichkeit jeder Ontologie bewiesen. kenntnis baren Gerede geendet, die Unmöglichkeit der phänomeno- ............,......... """""·~ logischen Philosophie beweist sich selbst im Gestammel der Existen- 2. D i e U n m ö g li c h k e i t d e s I n tu i t i o n i s m u s. tialanalyse.. Die Einführung der Wesensanschauung konnte sich auf zwei _Die Entwirrung des nur scheinbar so verschlungenen Entwick- Momente stützen: auf den sinnesanschaulichen Charakter exem- lungsganges der phänomenologischen Schule ist nicht auf dem Wege plarischer Ausgangsgegenstände der phänomenologischen Analysen einer Schlagwortkritik erfolgt. Der Phänomenologie wurde nicht- und auf den A p o d i k t i z i t ä t s charakter der auf diese bezüg- irgendeine Etikettierung erteilt, wie Mystizismus, Psychologismus lichen W esensaussagen. Beide Momente, Anschaulichkeit und Apo- oder AnthropologismU:s. Sie wurde vielmehr auf das hin geprüft, diktizität, gehören aber zu einer W esensanschauung, und so erklärt was sie wirklich tut, und was sie zu tun behauptet. Dabei ergab es sich, daß die Reflexionsmethodik der Phänomenologen ihnen sich, daß ihre Methodik der Wesensanschauung auf einfachen logi- unter dem Zwange ihres intuitionistischen Grunddogmas als ein schen Fehlern beruht, und daß sie diese Fehler auf Grund vielfäl-- philosophisches Anschauungsverfahren erscheinen konnte. tiger Selbsttäuschungen für Intuitionen hält. Diese Fehler sind Tatsächlich führt die phänomenologische Ausgangsfrage, die typische Fehler und in der Geschi~hte des Intuitionismus von PI a- Frage nach dem Wesen der Dinge, gehörig verallgemeinert, auf die t o n bis B er g so n immer wieder nachweisbar. Es sind verhältnis- Frage nach dem Wesen des Seins überhaupt zurück. Faßt man diese mäßig leicht nachzuweisende Fehler und dennoch treten sie immer Frage mit den Mitteln der Abstraktion vom logisch Zufälligen an, wieder auf. Warum? so ergibt sich eine I o g i z i s t i s c h e 0 n t o I o g i e , die aus dem Das Streben nach einer intuitionistischen Philosophie hat ein Begriff des Seins das Wesen der Welt abzuleiten sucht und sich ;'mächtiges Motiv für sich: den Wunsch, der Pb.Qg!lophie____ ~n~§.elhe 1 dabei in einem unvermeidlichen Zirkel bewegt. Es verhällt sichhiermit umgekehrt, wie- bei· dem ontologischen Gottesbeweis. Während dieser aus dem Begriff des allerrealsten Wesens- auf dessen Existenz schließt, folgert umgekehrt die logizistische Ontologie (und auch eine nicht-logizistische) aus dem Begriff (oder auch ll8 J J' .Ev.it!enz und dens_~l,!'~!l",.fuhaltsr_eichtum zu v;;~chaffen, den die Si:llllesansch_l!yy;ng__!Jesitzt. Das Ideal der exakten Wissenschaft scheint ·-·~··---····-·--·---- ------~ .. daher ebenso, wie die Träumerei des Mystikers, in der intuitionistischen Philosophie Erfüllung zu finden. Diese Befriedigung . ist dem menschlichen Geist aber unmöglich: Mit· Recht hat K a n t ll9 von dem "Unding der Möglichkeit einer übersinnlichen Erfah- Absoluten, auch dessen Qualitäten erfassen. Daraus ergibt sich aber rung" gesprochen und die Philosophie des Schauens eine ,,Afterphilosophie"68 genannt. notwendig die Unvereinbarkeit des Intuitionismus mit der Erfah- Die Unmöglichkeit des philosophischen Intuitionismus, die mit rimgserkenntnis. Besäßen wir eine Intuition des Absoluten in seinen Eigenschaften und seiner Wirkungsweise, so wäre darin eme solche der Kritik der Phänomenologie noch nicht erwiesen ist, ist keine des Hervorgehe:OS der Erfahrungswirklichkeit aus dem Absoluten zeitweilige, -dergestalt, daß etwa durch fortschreitende Entwicklung eingeschlossen, das heißt aber eine widerspruchsvolle Schöpfungs- des menschlichen Geistes er sich zu einem intuitiven verändern metaphysik. Es ist daher kein Zufall, daß S c h e 1 er den Gedan- könne, oder daß es einzelne begnadete intuitionistis.che Seelen gehe. ken des "Ewigen im Menschen", des Mitvollzuges des göttlichen Der Intuitionismus ist überhaupt unmöglich, er ist ein in dieser Welt nicht r~alisierhares Unterfangen. Schöpfungsaktes durch den Menschen, und daß He i d e g g er eine Hierfür läßt sich der Beweis einfach führen. Alle Anschauung mus ist mit der Tatsache des Erfahrungswissens und mit dessen Schicksalsmetaphysik der Geschichte konzipiert: Der Intuitionis- ist unmittelbare Erkenntnis, sie verlangt und bedarf keiner weiteren Selbständigkeit unvereinbar. Zurückführung, um sich in ihrer Wahrheit auszuweisen. Die Exi- Er ist aber aus einem noch all~emeineren Grunde unmöglich. ' stenz der Anschauung und die Wahrheit ihres Inhalts ist dem Be- Da nämlich der Anschauungscharakter einer Erkenntnis ihre Wahr- wußtsein unmittelbar gegenwärtig. Der Gegenstand der Anschauung heit verbürgt, würde ein intuitiver Geist überhaupt nicht irren drängt. sich ihr unmittelbar auf, im Gegensatz zur gedachten E~­ können. Er hätte eine u n f e h 1 h a r e Erkenntnis der göttlichen kenntnis, die ihren Gegenstand erschließend· suchen muß. Gäbe es Schöpfungsordnung, deren Inhalt mit dem Erfahrungswissen, eine intuitionistische Philosophie, so müßte also das All der Dinge -Jr deren Unfehlbarkeit mit der Natur überhaupt unvereinbar ist. Der mit derselben Klarheit dem Blick offenliegen, wie das Auge den Sternenhimmel erblickt. Das. All der Dinge, weil die Philosophie Satz ,,Irren ist menschlich" ist eine Folgerung aus dem Begriff der Erkenntnis in der Natur, dergestalt, daß ein Geist, der nicht irren des Absoluten sich auf dieses All richtet, aber auch deshalb, weil könnte, in der Natur nicht auftreten kann. Ein solcher Geist würde die Vernunft, ihrer ursprünglichen Einheit zufolge, wenn einer ihrer tatsächlich nur gedachten Inhalte intuitiv wäre, es in a 11 e n das, was in der Natur nur eiU:e Aufga-he ist, mit Naturnotwendig- ihren Inhalten sein müßte. Wenn sie· es ~her in allen ihren In- I.' . keit verwirklichen. Die Naturgesetze seines Erkennens garantierten zugleich die Wahrheit seiner Erkenntnis"hemühungen", derer halten Ist, so muß sie es auch in ihren auf das Absolute gerichteten er vielmehr überhohen wäre. Die in der intuitionistischen Philo- Erkenri.tnissen sein. Eine Intuitionsphilosophie gelangt daher -un- sophie vollzogene Aufhebung der Selbständigkeit des Erfahrungs- vermeidlich zu der Annahme, der Mensch erschaue die Herrlichkeit Gottes und seiner Schöpfung. Denn Anschauung richtet sich auf die Qualitäten der Dinge und müßte also, als Anschauung des 68 120 Werke, Bd. VIII, Ausgabe Cassirer, S. 230. l\isse_ns führt daher zur Aufhebung der Selbständigkeit des Wissens / I. überhaupt, zum Glauben an die Selbstoffenbarung Gottes im Menschen. Da der unfehlbare Geist kein bloß natürlicher Geist sein kann~ muß er ein übernatürlich inspiriertes Wesen sein; in ihm 121 fallen ekstatisch Erkenntnis und Gegenstand zusammen. Er · enthält überhaupt keine Erkenntnis mehr, er ist ein Wunder, und derWund er g I a u h e daher die intuitionistische Endkonsequenz~9. durch zwei einfache Gedanken charakterisiert. Sie verschmäht das f und a m e n t I o s e Systemhauen und fordert daher eine Unter- suchung über die Erkenntnisgründe philosophischer Systeme: Die Kritik der Vernunft. Die Kritik der Vernunft ist kein Beweis der 3. D i e Auf g a b e d er k r i t i s c h e n Phi I o s o p h i e. Gültigkeit menschlicher Erkenntnis überhaupt und in diesem Sinne Man kann den Intuitionismus als idealisierenden Empiris- keine Erkenntnistheorie. Sie ist vielmehr die Determination der mus auffassen, indem er wie dieser auf dem Prinzip der An- zum Aufhau der philosophischen Disziplinen in der menschlichen schauung beruht, die er nur aus einer sinnlichen. in eine i n t e 1- Vernunft gegebenen Stücke der Erkenntnis. Sie befriedigt insofern l e k tu e ll e i:ntuition sublimiert. Die Unmöglichkeit des Empi- das letzte Begründungsbedürfnis des wissenschaftlichen Gei~tes. rismus hat H u s s e r I erneut nachgewiesen, die Unmöglichkeit des, Die Kritik der Vernunft zwingt die Philosophie zu einer tief- httuitionismus steht gleichfalls fe~t. Beide Irrwege beruhen auf gehenden S e I h s t h e s c h r ä n k u n g , und diese Selbstbeschrän- einem verfehlten m o n i s t i s c h e n Streben:, das immer wieder kung der philosophischen Erkenntnis ist der zweite Grundgedanke dazu verleitet, empirische Probleme a priori und Probleme a priori der kritischen Philosophie. Er schließt jene Metaphysik als un- a postefiori zu bearbeiten. Diesem eigentlichen Grundmangel läßt möglich aus, die auf eine Erfassung des Alls der Dinge abzielt. sich n~ begegnen durch restlose Klarheit über den Beitrag der Diese Selbstbeschränkung wird in P I a t o n s Höhlengleichnis, in verschiedenen Erkenntnisquellen zum Ganzen der Erkenntnis über- K an t s Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich, in haupt, das heißt aber durch K r i t i k d e r V e r nun f t. Hiermit F r i e s ' Lehre von· den verschiedenen W eltansichten, die gleich- sind wir auf die kritische Philosophie geführt, die "von der Unter- berechtigt und aufeinander unzurückführbar nebeneinander stehen, suchung der Vermögen der menschlichen Vernunft (in welcher Ab- ausgesprochen. sicht es auch sei) Eroberungen zu machen anfängt". Daß dieser nichtet also nicht die Metaphysik überhaupt, sondern jene Meta- Weg K a n t s "allein den ewigen Frieden" in der Philosophie "nicht physik, die mit der Selbständigkeit des Erfahrungswissens unver- nur bewirken, sondern auch in aller Zukunft sichern" könne, dies einbar ist, und jene, die das Erfahrungswissen zu einer positivisti- Der t r a n s z e n d e n t a I e I d e a I i s m u s ver- nicht nur als begründete Überzeugung zu besitzen, sondern auch zu schen Metaphysik umdeutet. Er trifft den Relativismus und den demonstrieren, ist die Aufgabe der auf dem Boden der tiefen Ein- Mystizismus in der 'Wurzel: in ihrer Unkenntnis der wirklichen sichten des echten Kriti~ismus weiterarbeitenden Zukunft. Organisation des menschlichen Geistes. Die kritische Philosophie ist in ihrem von den Zufälligkeiten bestimmter Systembildungen unabhängigen GrundbeStande 69 Die positive Beurteilung der Phänomenologie durch P r z y w a r a beruht darauf, daß sie "echte Scholastik im Geiste Thomas v. Aquins" (Stimmen der Zeit, 58. Jahrg., 10. Heft, 115. Bd., S. 264) ist. 122 Die kritische Philosophie ist die Philosophie des Selbstdenkens, woraus K an t folgerte, daß man nicht Philosophie, sondern nur Philosophieren lehren könne. Dieser tiefe pädagogische Gedanke gilt auch für die Entwicklungsbedingungen der kritischen Philosophie selbst. In ihr gibt es kein doktrinäres Festhalten, auch 123 T 1Jl nicht solcher E;~ehnisse, die in ihrer Schule ausgebildet wurden. Das Postulat des Selhstdenkens fordert vielmehr eine fortschreitende Vervollkommnung der philosophischen Abstraktionen, die, ehensowenig wie die mathematischen, auf Grund eines bestimmten SOZIOLOGISCHE WERKE AUSDEM historischen Standes der Wissenschaft kanonisierhar sind. Es ist daher ein durchaus oher:ßächlicher Ei~wand gegen den Kritizismu~, VERLAG HANS BUSKE 1 LEIPZIG wenn man ihn als durch• veränderte Grundlagen der Erfahrungswissenschaften widerlegt und überwunden betrachtet. Abgesehen davon, daß im allgemein'en diese Neuerungen mit dem historischen Bestand der kritischen Philosophie sich als wohl vereinbar erweisen, ist selbst in solchen Fällen, wo dies nicht der Fall ist, nie der Kritizismus, sondern nur ein philosophischer Satz oder ein System solcher Sätze getroffen. Gerade darin zeigt sich aber der wissenschaftliche Charakter der kritischen Philosophie, daß sie keine ein für allemal vollendete Weisheit ist, sondern, wie jede Wissenschaft, ein in der Zusammenarbeit der Generationen immer besser zu lösendes Problem bezeichnet. Diese Aufgabe ist nicht nur ein Anliegen der Wissenschaft, sie ist ein Anliegen des menschlichen Lehens überhaupt. Die in der "brennenden Logik der Scheiterhaufen: ,Glaub! oder ich schlag' dich todt'" 10 gegeneinander wütenden Fanatismen, die heute wieder, "die Fackel in der Hand, ... mit verbundenen Augen ... durch Europa streifen"11, köD.Jlen nur von einer geläuterten Philosophie aus in fernen Zeiten einmal besiegt werden, Und nur dann besteht eine Hoffnung, von diesem Ziel nicht für ewige Zeiten entfernt hleihen zu müssen, wenn eine unerschütterliche, über die Generationen hin reichende Phalanx dies in seinem ganzen Ernst erfaßt. 7 ° F r i e s ; Die Geschichte der Philosophie, Halle 1840, Bd. II, S. 142. Schi 11 er, Philipp II., König von Spanien, S. 199, Werke, Bd. VI, Meyers K1assikerausgabe. 71 124 ALBERTS-ARNDT, B.: Die englische Gesellschaft im Spiegel der Romane von George Meredith. Preis RM 4.30. BOUSQUET, G. H.: Grundriß der Soziologie nach Vilfredo Pareto. Mit Einleitung von G. Salomon. Preis RM 5.40. ' ELLWOOD, Ch. A.: Das seelische Leben der menschlichen Gesellschaft. 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