Von Husserl zu Heidegger

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Von Husserl zu Heidegger
Kritik der phänomenologischen Philosophie
Von
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Dr. Julius Kraft
Privatdozent an der Universität Frankfurt a. M.
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Die gegenwärtige Lage der europäischen
Wissenschaften nötigt zu radikalen BeHusserl
sinnungen.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1932 hy Hans Buske, Verlag, Leipzig
Printed in Germany
Buch- und Kunstdruckerei E. Haberland, Leipzig
Meinem Vater
zum sechzigsten Gehurtstag
Vorwort.
Vor knapp zehn Jahren äußerte S c h e I e r die Hoffnung, "daß
von der Phänomenologie aus sich allmählich ein Einheitshoden
der Betrachtung für die ganze Philosophie entwickelt, von dem aus
eine neue universale Sachphilosophie ... sich entfalten kann".
S c h e 1 er verhehlte sich nicht, daß noch "viele fundamentale Fra·
gen der Philosophie" in der Phänomenologie "ungeklärt sind"\
und dennoch sprach er seine hoffnungsvolle Prognose aus. Mit welchem Recht, so muß man um so mehr fragen, wo heute von einem
solchen phänomenologischen Einheitshoden wenig erkennbar ist:
Mit demselben Recht, das jede philosophische Schule für sich hat,
die der Philosophie den ihr gebührenden Platz als Königin der
Wissenschaften zu erobern strebt, und die für dieses große Ziel die
geistige Energie philosophischer Führerpersönlichkeiten und ihrer
Schüler aufbietet.
Nicht etwa mit einem vermeintlich darauf zu gründenden Anspmch, daß man den Geist der Zeit für sich habe. Zwar kann die
phänomenologische Schule nach anfänglichen heftigen Anfeindungen zu Beginn ihres Auftretens (vor dreißig Jahren) sich jetzt über
mangelnde Anerkennung nicht mehr beklagen. Nicht nur in allen
philosophischen Disziplinen, von der Logik bis zur Religionsphilo1
1922.
Deutsches Lehen der Gegenwart, herausgegeben von W i t k o p , Berlin
s. 204.
5
sophie, hat sie Anwendung gefunden, sondern auch in der Mathe-
ßen Vorbildes H u s s e r I s : D e s c a r t e s aufs neue zu bestätigen
matik, Physik, Biologie, Psychologie und Soziologie spielt sie min-
scheint. "Die Philosophie", sagt Des c arte s gelegentlich, "er-
destens eine methodische Rolle: es ist also nicht zuViel behauptet,
daß die Phänomenologie das geistige Antlitz des beginnenden
möglicht uns über alle Dinge mit dem Anschein der Wahrheit zu
reden ...": Die Phänomenologie ist auch zum Ausgangspunkt eines
20. Jahrhunderts mitgeformt hat. Und dennoch wird sie hieraus
solchen Scheinphilosophierens geworden, das seinen Kulminations-
kein wissenschaftliches Recht für sich ableiten wollen, eingedenk der
punkt in den Schrüten H e i d e g g e r s gefunden hat, deren Denk·
Warnung B r e n t an o s , des Ahnherrn ihres fruchtbaren Gedanken-
weise, wenn sie allgemein würde, Philosophie 'und Erfahrungswissen-
kerns, in seiner klassischen Kritik Pi o t ins : Wer die Erfolge des
Neuplatonismus kennt, der weiß wie wenig der Schluß von der
schaft vernichten müßte.
So entsteht das wichtige systematische Problem, an der Phäno-
Größe eines philosophischen Anhanges auf die Größe einer Philo-
menologie Haltbares von Unhaltbarem zu sondern, um von ihr zu
2
sophie beweist
•
Aber die Phänomenologen sind auf diesen faden-
lernen,
unl. ihre unheilvollen Folgen zu bekämpfen und ihren zwie-
scheinigen Schluß gar nicht angewiesen, sie können auf theore-
spältigen Entwicklungsgang zu verstehen. Es ist heute kein Rätsel
tische Leistungen verweisen, mit denen ihr philosophisches Streben
mehr, weshalb der Weg von P I a t o .zu P I o t i n , von A r i s t o -
'auch praktische Früchte geerntet hat. Wenn heute die Philosophie
teles zu Thomas von Aquino, von Kant zu Hegel
ihr Haupt in der Öffentlichkeit wieder erheben kann, ohne hinter
führen konnte (wenn auch durchaus nicht führen mußte) : immer
anderen Wissenschaften als Schleppenträgerin einherschreiten zu
waren ursprünglich scho:O. Keime gelegt, deren Sprößlinge, nur ge-
müssen, so ist dies, soweit es überhaupt in der Entwicklung der
nügend gepflegt, die Saat philosophischer Wissenschaft überwuchern
Philosophie selbst liegende Ursachen hat, zum großen Teil dadurch
möglich geworden, daß H u s s e r ls Aufruf zur "Philosophie' als
konnten. Daß auch das Bewegungsgesetz der Entwicklung von
H u s s e r I zu H e i d e g g e r kein anderes ist, wird sich mit aller
strenger Wissenschaft" überzeuFgskraft ·besaß: Aus H u s s e r ls
Beiträgen zur Logik und zur Theorie der Erkenntnis, aus S c h e -
Stringenz beweisen lassen.
Eine andere Frage ist es, wie solche Leser, die sich an
le r s ethischen und religionsphilosophischen Schriften spricht ein
der "aktuellsten Problemlage" orientieren, auf. diesen Nachweis
leidenschaftlich den Sachen selbst zugewandter philosophischer
Geist, der aller bloßen Methodik, aller bloßen Kritik und aller
reagieren werden. Soweit sie nicht etwa ·zu jener Gruppe gehören, die eine kritische Diskussion ihnen liebgewordener Meinun-
bloßen Historie müde geworden ist und durch seinen Impuls wieder-
gen von vornherein als Zeichen des Unverständnisses betrachten
erwachenden philosophischen Selbstvertr~uens mitreißt.
(und sich durch diese "Geisteshaltung" auf das Niveau eines kon-
Dieses kraftvolle Schauspiel begleitet jedoch ein deprimieren-
fessionellen Fanatikers stellen), werden sie sicher den Gedanken-
des S c h a t t e n t h e a t e r , das den sarkastischen Satz eines gro-
gang viel zu einfach, nicht auf der Höhe ihrer Probleme stehend
2
Philosophische Bibliothek, Bd.l95, herausgegeben von Kraus: "Was
für ein Philosoph manchmal Epoche macht", S. 57.
6
finden. Aber es fragt sich ja gerade, ob diese Probleme wirklich
so hoch sind..Tatsächlich sind sie es gar nicht, und der nicht zuletzt
1
durch dunkle Worte erzeugte GI a u h e an ihre Höhe versperrt nur
die Möglichkeit, zu den wirklichen philosophischen Schwierigkeiten
vorzudringen.
Von vielen einaußreichen Seiten aus ist man heute bemüht,
den R a t i o n a I i s m u s aus der Wissenschaft und Kultur über·
haupt auszumerzen. Di~ Vieldeutigkeit dieses Schlagwortes ist der
"theoretische" Schutzwall einer Kampfesleidenschaft geworden,
lnhal tsverzeichnis.
deren ungehemmtes Weiterwüten den Mephistophelismus des "Ver·
Vorwort . . . . .
achte nur Vernunft und Wissenschaft" erneut' zu blutigem Ernst
5
.
11
I. Philosophie als strenge Wissenschaft: H u s s er 1
werden lassen muß. Wer Rationalismus in kulturkritischer Absicht
2. Die Restitution des Wissenschaftscharakters der Philosophie
Weltfrieden und unabsehbar viel anderes meinen: ilnmer aber
3. Die phänomenologische Methode und ihre Mängel .
4. Zur phänomenologischen Logik
wird er seinen Angriff gegen den erhabenen Geist der Aufklärung
idolen" freien Zukunft empfehlen. Zu dieser Empfehlung hat sich
auch die Phänomenologie gehrauchen lassen, und zwar hauptsächlich in Form ihres, wie sich zeigen wird, mißlungenen Versuchs, das
vielfach wider ihren Willen, an der Heraufführung des "neue n
Mitte I a I t er s" mitgewirkt, in dem wir trotz aller Fortschritte
der Erfahrungswissenschaften und der Technik, trotz aller Veränderungen der Gesellschaftsordnung so lange verharren werden, bis
der irrationale und arationale Spuk der Gegenwart wieder zu
weichen beginnt.
Frankfurt a.JM., im April 1932.
1. Problemstellung und Methode der Philosophie
56
56
2. Zur materialen Wertethik und zur Religionsphilosophie .
67
3. Zur phänomenologischen Soziologie .
81
II. Philosophie als Metaphysik: S c h e 1 e r
richten und sich selbst als Propheten einer von den "Aufklärungs-
Werk K an t s zu entwurzeln. Zu ihrem Teil hat sie, wenn auch
11
12
18
41
1. Philosophische und historische Betrachtung der Phänomenologie .
sagt, kann Logik, Logizismus, Vernunft, Liberalismus, Sozialismus,
.
.
.
.
.
91
91
98
III. Philosophie als kosmisches Geschehnis: Heide g g er
r
1. Problemstellung und Methode der Philosophie .
I.
2. Die Nichtigkeit der Fundamentalontologie
1
.
IV. Die Unmöglichkeit des Intuitionismus und die Aufgabe der kritischen
Philosophie .
1. Die Entwicklungsetappen der phänomenologischen Schule
.
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,
,
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. 116
. 116
2. Die Unmöglichkeit des Intuitionismus
. 119
.
3. Die Aufgabe der kritischen Philosophie .
.
.
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.
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.
. '1.22
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I.
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Philosophie als strenge Wissenschaft: Husse r l.
,-
1. Philo sop hisehe und historische Betrachtung
der Phänomenologie.
In einem für den Ernst seines Lehenswerkes sehr charakteristi·
sehen Doppelsinn bezeichnet sich H u s s e r I als Anfänger in der
Philosophie, als jemanden, der einen philosophischen Anfang gemacht hat und sich erst im Beginn der Ausschöpfung seines Anfangs
weiß: H u s s e r I hat kein philosophisches System errichtet, er hat
eine philosophische Methode ausgearbeitet und in immer wieder
· erneuten elementaren Studien ihre Brauchbarkeit zu erproben ge·
sucht. Es sind nun zwei wohl zu trennende Aufgaben, den Entwicklungsgang dieser Untersuchungen Schritt für Schritt historisch zu
verfolgen und ihre' tragenden Grundgedanken zu würdigen. Die
letztere Methode kommt für den theoretischen Zweck einer philo~
sophischen Betrachtung der phänomenologischen Schulentwicklung
allein in Frage, kann daher von den für die erstere unvermeidlichen
entwicklungsgeschichtlich(m Einzelheiten ahsel:!en und hält sich an
die ty-pischen Gedanken H u s s er I s in ihrer jeweils ausgebildeten
Gestalt3
4
•
3
Wofür vor allem folgende Werke H u s s e r I s die Grundlage bilden:
Philosophie der Arithmetik, 1. Bd., Leipzig. Logische Untersuchungen, 3. Auf·
Iage, Halle 1922. Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen
Philosophie, Halle 1913. Formale und transzendentale Logik, Halle 1929.
Meditations Cartesiennes, Paris 1931.
4 Und gleiches gilt natürlich für die Erörterung der weiteren Entwicklungsetappen der phänomenologischen Schule.
11
So wäre es zum Beispiel chronologisch notwendig, von H u s -
sophischen Erkenntnis. Wenn die Philosophie Wissenschaft ist (was
s e r I s logischen Studien auszugehen und dann erst .die von ihm
ihre ernsthaften Vertreter nie bezweifelt haben, mochten sie auch
später voll entwickelte phänom~nologische Methode zu betrachten.
inhaltlich noch so uneinig sein), dann muß sie Erkenntnisse ent-
Da nun aber diese Methode das Spezifische seines und seiner Schule
halten und steht insofern auf einer Linie mit dem, was man positive
positiven Gedankenganges ist. und implizit von ihm auch schon
Einzelwissenschaften nennt. Die Gegenüberstellung von Philosophie
dann angewendet
wird, wenn. sie explizit noch nicht vorliegt, muß
.
und Wissenschaft ist also mindestens außerordentlich irreführend
sie das erste und zwar das Grundthema einer systematischen
und erleichtert es nur, die Philosophie den Gebieten der Kunst oder
Untersuchung der phänomenologischen Philosophie bilden. Erst,
gar des subj~ktiven · Meinens zuzurechnen. Solchen verderblichen
wenn die Bedeutung der phänomenologischen Methode fest-
Desorientierungen gegenüber kann H u s s er I , als radikaler "An-
steht, läßt sich ein prinzipiell-begründetes Urteil über ihre An-
fänger"~ wieder mit dem Kantianer Rein h o I d sagen: "Meine
wendungen, -bei H u s s e r I speziell über ihre Anwendung auf
Philosophie weiß nicht vieles;
die L o g i k , gewinnen. Prinzipiell begründet ist nämlich ein sol-
Aus der Natur des philosophischen Wissens leitet H u s s e r I drei
ches Urteil nur dann, wenn es nicht nur zu den philosophischen
Folgerungen ab, die gerade zur Zeit seines Auftretens vorwiegend
Ergebnissen Stellung nimmt, d. h. sie annimmt oder ablehnt, son-
verkannt wurden und auch heute in neuer Form verdunkelt werden:
aber sie meynt gar nichts" 5 •
dern wenn es ihre Begründung prüft, d. h. ihren Zusammenhang
1. Die Unmöglichkeit des Relativismus.
mit den methodischen Leitsätzen, durch deren Befolgung sie ge-
2. Die strenge Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand der
wonnen sein sollen. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Beur-
Erkenntnis.
teilung ihrer Anwendungen besteht also die Notwendigkeii, einen
3. Die Unmöglichkeit der empiristischen Philosophie.
;
Standpunkt zu der phänomenologischen Methode zu gewinnen, die
Die Kritik des R e I
nach der Meinung H u s s e r I s zum erstenmal in der Geschichte
a t i V i s m u s6
geht von einer Selbstbesin-
nung auf den Begriff der Wahrheit aus: "Was wahr ist, ist absolut,
Philosophie als strenge Wissenschaft möglich gemacht hat.
ist ,an sich' wahr; die Wahrheit ist identisch Eine, ob sie Menschen oder Unmen.Schen, Engel oder Götter urteilend erfassen." Da
2. Die Restitution des Wissenschaftscharakters
aber das Moment der Wahrheit "im Begriff der Erkenntnis im
der Philosophie.
strengen Sinne liegt", hebt sich der allgemeine Relativismus, der
In der. Erneuerung der Zielsetzung, Philosophie als strenge
doch als Theorie auch Behauptungen aufstellt, selbst auf. H.u s -
Wissenschaft zu betreiben, sind gewisse fundamentale Momente ent-
s er I präzisiert diesen eindringlich formulierten alten Grundge-
halten, die, obgieich nicht neu entdeckt, so doch im 19. und 20. Jahr-
danken durch die wichtige Konsequenz, daß die Widersinnigkeit
hundert vielfach verschüttet, von H u s s e r I wiederentdeckt wur-
5
Über das Fundament des philosophischen Wissens, Jena 1791, S. 3·, 4.
Das Nähere hierzu findet sich im siebenten Kapitel des ersten Bandes der
"Logischen Untersuchungen": "Der Psychologismus als skeptischer Relativismus."
den (ohne indessen von seiner Schule festgehalten zu werden). Diese
6
Momente ergeben sich durch eine Analyse des Begriffs der philo-
12
13
l
des allgemeinen Relativismus unabhängig davon besteht, ob er die
Dieselbe Funktion hat die Festhaltung des elementaren Sach-
Wahrheit durch das jeweils urt~ilende Subjekt {individueller Rela~
verhalts, daß alles Erkennen Erkennen von Etwas ist, und daß daher
tivismus) oder durch die jeweilige Spezies urteilender Wesen {spezi-
dieses Etwas, der Ge g e n s t an d der Erkenntnis, von der über
fischer Relativismus, insbesondere Anthropologismus) relativiert
ihn gemachten Aussage, dem I n h a I t der Erkenntnis, wohl zu
denkt: Beide Male wird der Sinn der Wahrheit, den auch der
unterscheiden ist. Erkenntnis ist nicht Hervorbringung, "Erzeu-
Relativismus implizit für sich in Anspruch nimmt, verleugnet. Die
gung" eines Dinges, sondern seine "Erfassung": Erkenntnis hat, wie
Tragweite dieser Überlegung reicht, was für ihre richtige Auffassung
sich H u s s e r I im Anschluß an B r e n t a n o ausdrückt, "den
hervorzuheben wichtig ist, nicht so weit, um den Wahrheitscharakter
Grundcharakter der Intentionalität", des Gerichtetseins auf Etwas.
bestimmter inhaltlicher Behauptungen, zum Beispiel der Möglich-
Wie aber die Kritik des allgemeinen Relativismus nicht beweist,
keit einer Philosophie als strenger Wissenschaft, sicherzustellen7 :
daß es bestimmte m~teriale, z; B. empirische Erke~tnisse gibt, so
es wird nur eine grundsätzliche Verkennung der Natur des Wissens
läßt sich aus dem Intentionalitätsprinzip nicht entnehmen, daß es
überhaupt abgewiesen, und damit ein Hindernis für alle Wissen-
bestimmte Realitäten {Außenwelt, Innenwelt) gibt. Das Prinzip
schaft ~d also auch für die wissenschaftliche Philosophie beseitigt8.
schließt aber die Behauptung aus, daß Inhalt und Gegenstand entweder in dem Bewußtsein oder außerhalb des Bewußtseins zusammenfallen. Angenommen selbst es gäbe nur Bewnßtseinsinhalte, so
7
Etwas ganz anderes als allgemeiner Relativismus ist jene k r i t i s c h e
G es in nun g, die menschlicher Wissenschaft gegenüber Distanz einhält und
sie für ständig verbesserungsfähig ansieht. Diese aus der Einsicht in die Oberbietharkeit a 11 e r menschlichen Leistungen sich ergehende Überzeugung zweifelt
nicht an der Wahrheit der Erkenntnis, sondern hat vielmehr eine so hohe Meinung von ihr, daß sie es ablehnt, einen historisch gegebenen Wissenschaftsstand
mit der Wahrheit selbst gleichzusetzen. Sehr schön sagt daher M a c h , "daß
der Naturforscher sich gewöhnt habe, auch seine sichersten, bestbegründeten
Ansichten und Grundsätze als provisorisch und durch neue Erfahrungen modifizierhar zu betrachten. In der Tat sind die größten Fortschritte und Entdeckungen nur durch dieses Verhalten ermöglicht worden". Diese "Denk- un•l
Arbeitsweise des Naturforschet:s" ist jedoch nicht, wie Mach kontrastierend
meint, "von jener des Philosophen, der in der glücklichen Lage ist, unerschütterliche Prinzipien zu besitzen", verschieden. (Erkenntnis und Irrtum, 5. Auflage,
Leipzig 1926, S. 15, 16.) Wie der Naturforscher immer bereit sein muß, Korrekturen durch neue Erfahrungen entgegenzunehmen, so auch der Philosoph, sich
niemals Ergehnissen neuen Denkens zu verschließen, während der Dogmatiker,
als Naturforscher wie als Philosoph, auf seiner einmal gewonnenen Theorie
beharrt.
s Dieses Hindernis des allgemeinen Relativismus kann sich auch den Mantel
der objektiven Wahrheit umhängen und heißt dann Dia I e k t i k. Die (auch
14
wären diese doch von den über sie gemachten Aussagen noch zu
unterscheiden und also auch in diesem Grenzfall Inhalt und Gegenstand nicht dasselbe. Diese Unterscheidung zwingt sich am unmittelbarsten an den Fällen auf, bei denen Gegenstand und Inhalt der
Erkenntnis nicht qualitati~-gleichartig sind, wie etwa in dem elementaren Beispiel H u s s e r I s , "daß so etwas wie ein materielles
Ding, z. B. dieses im Wahrnehmungserlebnis gegebene Papier, prinzipiell kein Erlebnis ist, sondern ein Sein von total verschiedener
Seinsart". Diese Einsicht ist unabhängig davon, ob man die Existenz
einer materiellen- Welt anerkennt oder leugnet, wie auch die Intentionalität nicht erst ein Charakteristikum assertorischer, sondern
von BoI z an o treffend und scharf zurückgewiesene) HegeIsche Dialektik
könnte man als m a t e r i a I e n Relativismus bezeichnen: während der allgemeine
Relativismus bereits den ,ßegdff der Erkenntnis widerspruchsvoll bestimmt, verlegt die Dialektik denselben Widerspruch in ein notwendiges Kriterium aller
Erkenntnis - beide Male wird die Erkenntnis überhaupt aufgehoben.
15
schon problematischer Vorstellungen9 ist: bei jeder Annahme ist
sachenerkenntnis; Tatsächliches ist aber "ganz allgemein gesprochen,
ihr Gegenstand von ihrem Inhalt genau so unterschieden, wie bei
einer Erkenntnis im eigentlichen Sinne, d. h. wie bei einer wahren
zufällig. Es ist so, es könnte seinem Wesen nach anders sein". PhiloSophische Erkenntnis bezieht sich nun gerade· auf Nichttatsächliches,
Behauptung10 • Diese Unterschiedenheit ist nicht irgendeine belie-
Nichtzufälliges und kann daher ebensowenig empirisch begründet
bige, sondern eine spezifische Verschiedenheit, kraft derer jedem
werden, wie empirische Erkenntnis philosophisch. Wer sich also
Inhalt als Inhalt ein von ihm unabhängiges Etwas, ein Gegenstand,
"nach den Sachen selbst" richten will, kann kein Empirist sein,
zugeordnet ist.
Husse r I s Nachweis der Unmöglichkeit einer e m p i r i-
sondern muß die Erfahrung auf ihr legitimes Gebiet beschränken11 •
s t i s c h e Ii Philosophie ist mit klassischer Einfachheit geführt und
schaftsprinzip angehören als die Erfahrungswissenschaften, von
. erneuert gleichfalls alte philosophische Gedanken. Während die
denen sie sich insofern i n h a I t I i c h differenziert. Es ist die
Widerlegung des Relativismus und das Intentionalitätsprinzip aus
Aufgabe echter Philosophie "die Idee _absoluter Erkenntnis zu verwkklichen" -·dies ist die stolze Form H u s s e r I s , die zwei prin-
dem Begriff der Erkenntnis fo1ge~ beruht die Abweisung des Empirismus auf einem Vergleich empirischer und philosophischer Erkenntnis. Empirische Erkenntnis ist ihrem Gegenstand nach Tat9 B r e n t an o hat sein Intentionalitätsprinzip nicht· genügend von dem
Prinzip der Objektivität der Erkenntnis getrennt. Die Objektivität der Erkenntnis
fordert allerdings ihre Intentionalität, es gilt aber nicht das Umgekehrte, wie
B r e n t a n o , nachdem er die von ihm ursprünglich vertretene, scholastische
Lehre von der mentalen Inexistenz der Objekte kritisiert und aufgegeben hatte,
behauptete.
1o Die Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand der Erkenntnis kann
durch physikalische Theorien nicht widerlegt werden, da sie aus dem Begriff der
Erkenntnis folgt und daher allen Theorien schon zugrunde liegt. Infolgedessen
verbietet sich auch der naheliegende V ersuch, aus den viel diskutierten H e i s e n b e r g sehen Unbestimmtheitsrelationen eine solche Schlußfolgerung abzuleiten. Der Satz von der B~ei:Q.flussung des Beobachtungsgegenstandes durch
das Meßinstrument setzt genau so, wie das durch ihn vermeindich erschütterte
Kausalitätsprinzip (in der ausgesprochenen s p e z i e 11 e ·n Kau s a I b e zieh u n g zwischen Meßinstrument und Beobachtungsgegenstand), als Urteil
über Etwas die Scheidung von Inhalt und Gegenstand voraus. Dann allerdings,
wenn man in m a t e r i a 1 i s t i s c h e r Weise die Beziehung zwischen dem
Inhalt des H e i s e n b e r g sehen Prinzips und seinem Gegenstand mit der in
ihm behaupteten, speziellen physikalischen Kausalrelation gleichsetzt, wäre es
als Argument gegen die Unterscheidung von Inhalt und Gegenstand verständlich;
aber diese Gleichsetzung ist offensichtlich unstatthaft und daher auch die Verwandlung der Inhalt-Gegenstandbeziehung in eine physi~alische Relation.
16
Die Philosophie muß infolgedessen einem anderen Wissen-
11 Diese prinzipielle Überlegung trifft den modernen, durch die logistische
Symbolik differenzierten Positivismus genau so wie seinen naiveren Vorgänger.
Es ist bemerkenswert, wie die Verlegenheit, in die der Positivismus durch diese
Aufnahme der Logik in sein System kommen muß, dadurch gelöst wird, daß er
sich dem logischen Nominalismus anschließt, so z. B. Hahn (Erkenntnis, I, 2--4,
S. 98, 99) mit der Erklärung: "Logik ist daran g_eknüpft, daß etwas gesagt wird."
"Sie ist eine Anweisung, wie man etwas Gesagtes anders sagen kann." Diese
Kunst der Verwandlung des Den:kens in Sprechen wirbt der von S c h 1 i c k
für den modernsten Positivismus in Anspruch genommenen "Wende der Philosophie" (1. c. I, 1, 4 ff)) wenig Vertrauen, noch weniger aber, wenn man folgende
Betrachtung von C a r n a p , einem logischen Spezialisten dieser Schule, in
Betracht zieht. C a r n a p will "die Ausschaltung der Metaphysik" (l. c. I, 1,
S. 25) demonstrieren und glaubt dies folgendermaßen erreichen zu können: "Es
werden in der Metaphysik", so stellt C a r n a p unwiderleglich fest, "Begriffe
eingeführt, die weder auf das Gegebene noch auf das Physische zurückführbar
sind. Es sind daher ( !) bloße Scheinbegriffe, die sowohl vom. erkenntnistheoretischen Standpunkt, als vom inhaltlich-wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus
abzulehnen sind. Es sind sinnlose Worte, mögen sie auch noch so sehr durch
die Tradition geheiligt und mit Gefühlen behangen sein". Man möchte beinahe
annehmen, daß dieses Schulbeispiel einer petitio principii nach Regeln der
positivistischen Logik des S p r e c h e n s zustande gekommen ist, da es doch nur
allzu geringe Anstrengungen des D e n k e n s verrät, gegen den Apriorismus
etwas auszurichten. Wichtige und zutreffende Argumente gegen die positivistische Logistik enthält D in g I e r s "Philosophie der Logik und Arithmetik",
München 1931.
2 Kraft, Von Husserl zu Heidegger
17
zipielle Momente umschließt: Philosophie bezieht sich auf ein
der Nährstoff des gesamten Seelenlebens". Deshalb dürften Physik,
transempirisches Gegenstandsgebiet und zwar auf das unwandel-
Psychologie und Philosophie an der Phänomenologie nicht vorüber-
bare Wesen der Dinge; philosophische Erkenntnis ist "Erkenntnis
gehen. Was Stumpf unter diesem Namen zusammenfaßt sind jene
aus letzter Begründung" und daher d i e strenge Wissenschaft, wäh-
sinnespsychologischen, sinnesphysiologischen' und physikalischen
rend alle anderen Wissenschaften in "dogmatischer Einstellung ver-
Untersuchungen, die- es mit de~ sinnesanschaulichen Daten der
harren".
materiellen Welt, von denen die Mechanik abstrahiert, und ihren
Den Realitätsbeweis dieser Bestimmungen soll die Au.sführung
psycho-physiologischen Korrelaten zu tun haben. Phänomenologie
der phänomenologischen Philosophie erbringen, die aus einer mit
im Sinne S tu m p f s ist also eine Naturwissenschaft, die allerdings
anschau~cher Klarheit in das Wesen der Dinge eindringenden Er-
naturphilosophische und erkenntniskritische Betrachtungen nahe-
kenntnis zu schöpfen beansprucht. Diese Erkenntnis heißt W e -
legt13 (über primäre und sekundäre Qualitäten, sinnesanschauliche
s e n s s c h a u : in der Auseinandersetzung mit ihrer Methode wird
und mathematische Erkenntnis, usw.). Indem Stumpf den Sam-
sich auch die Realität des Begriffs Philosophie entscheiden, .der ihr
melllanien Phänomenologie einführt, prätendiert er also keineswegs
zugrunde liegt.
eine neue Philosophie zu begründen, und es bedurfte daher einer
grundlegenden Umformung und Verallgemeinerung der empirischen
Klassifikation S tu m p f s , um die phänomenol~gische Philosophie
3. Die phänomenologische Methode und ihre
zur Entstehung zu bringen.
Mängel.
b) Die apriorische Psychologie.
a) Der Stumpf sehe Ansatz.
Ihr Begründer H u s s e r 1 gab seine anfängliche unmittelbar
ln einer Rede über die "Wiedergeburt der Philosophie" spricht
S tu m p f1 2 von einem "Gebiet", woran ,,Psychologen mit Naturforschern, namentlich seit H e Im h o I t z , zusammenarbeiten" und
an B r e n t a n o und S t um p f orientierte Charakterisierung der
Phä~omenologie als "deskriptive Psychologie" bald auf, um dem
nennt es "Phänomenologie, d. h. eine bis zu den letzten Elementen
gegen ihn erhobenen Vorwurf des Psychologismus be.Sser begegnen
vordringende Analyse der sinnlichen Erscheinungen in sich selbst".
zu können; statt dessen bestimmte er die Phänomenologie als
S tu ni p f gibt als Beispiele solcher Erscheinungen Farben, Töne,
"Wissenschaft vom Bewußtsein und doch nicht Psychologie"; sie
Gerüche, Gestaltungen in Raum und Zeit an, die weder die phy-
habe "es ausschließlich mit den in der Intuition erfaßharen und
sische Wekseien, "wie sie sich dem Gebiete des Naturforschers· darstellt, noch die psychische Welt. Aber sie sind das Material woraus
der Physiker schöpft, und sie sind zugleich der· Ausgangspunkt und
12
18
Philosophische Reden und Vorträge, Leipzig 1910, S. 186.
analysierbaren Erlebnissen in reiner Wesensallgemeinheit zu tun,
nicht aber mit empirisch-apperzipierten Erlebnissen als realen
13
Daher tritt in K an t s "Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft'·' und in Fries' "Mathematischer Na'turphilosophie" ein eigener
Abschnitt "Phänomenologie" auf.
2*
19
Fakten, als Erlebnissen erlebender Menschen oder Tiere in der
es sich bei Husse r l s Beispielen und ähnlichen Formulierungen
erscheinenden und als Erfahrungsfaktum gesetzten Welt". . H u s -
seiner Schüler.14 tatsächlich nicht; sie haben es nicht "mit realen
s e r l nimmt au~h hiermit die B r e n t a n o sehe Konzeption einer
Fakten zu tun", sie sind nur· problematische Vorstellungen, nicht
deskriptiven, d. h. einer alle genetischen Gesichtspunkte ausschal-
Behaup.tungen des Vorhandenseins solcher Fakten.
tenden Psychologie auf und sucht diese allerdings als nicht-empi-
Durch die Verwechslung von psychologischen Begriffen, im
rische Disziplin zu entwickeln, die sowohl für die Psychologie als
Das erstere hat sich zum Teil als berechtigt erwiesen. Die phä-
Unters~hiede zu psychologischen Existentialsätzen, mit apriorischen Begriffen ergibt sich die Selbsttäuschung einer nicht-empirischen Psychologie. Dieser methodische Mangel kann zwar für
nomenologische Maxime unbefangener Deskription hat, wie bereits
die Einzelu:D.tersuchung folgenlos hleihen., führt jedoch immer die
bei B r e n t an o, erheblich zur Erschütterung desSen s u a l i s m u s
Gefahr mit sich, einer Verfeinerung durch weitere Deskriptionen
beigetragen und damit einen Anstoß zur Verschärfung allgemeiner
mit dem Hinweis auf psychologische Wesenseinsicht einen Riegel
psychologischer Abstraktionen gegeben, so vor allem durch die
vorschieben zu können, und.· wurde tatsächlich zu einer der wirk-
psychologischen Arbeiten von Ge i g e r , P f ä n d e r , S c h e l e r ,
samsten Stützen jener Disziplin, die sich als g e i s t e s w i s s e n-
Linke. Zwar halten sich alle diese Untersuchungen, gemäß dem
s c h a f t l i c h e Psychologie bezeichnet, deren Inexaktheil der Korn-
Naturwissenschaft, wie für die Philosophie grundlegend sei.
methodischen Vorgang H u s s e r l s , für intuitive Wesensanalysen
14
psychischer Regionen (psychischen Seins überhaupt, von Wahrnehmungs-, ethischen, ästhetischen, religiösen Akten). Tatsächlich
sind sie jedoch Aufweisungen von und Folgerungen aus elementaren psychischen Qualitäten und in diesem Sinne Grunduntersuchungen (die eine ' von der Experimentalpsychologie vielfach
offen gelassene Lücke mit Recht auszufüllen suchen), aber sie heruhen prinzipiell doch nur a,uf empirischen Konstatierungen, wenn
auch auf solchen e l e m e n t a r er Natur.
Wenn z. B. H u s s er l die Sätze formuliert, "daß ein Urteil
nicht farbig sein kann", "daß eine Wahrnehmung in sich Wahrnehmung von etwas ist", so sind diese "generellen Selbstverständlichkeiten", wie er sie nennt, Folgerungen aus den Begriffen des
Urteils und der Wahrnehmung, deren' Materie aus der introspektiven Beobachtung geschöpft ist, also aus der gleichen Quelle, wie
irgendwelche psychologischen Existentialsätze. Um solche handelt
20
:\ _,.
Es ist durchaus nicht, wie Linke (Grundfragen der Wahrnehmungslehre, München 1918, S. 2) meint, "inkorrekt" die phänomenologische Psychologie als "begriffsanalytische" zu bezeichnen. In der Verwendung dieses Ausdrucks
bei L i n k e kommt vielmehr das unwillkürlich zum Ausdruck., was die phänomenologischen Psychologen wirklich tun. Sie betreiben keine psychologische
"Sinnforschung" (6) sui generis, sie produzieren keine apriorischen Intuitionen,
sondern sie formulieren den Inhalt elementarer Beobachtungen in psychologischen Begriffen, die sie "analysieren". Linke täuscht sich also darin, daß er es
nicht mit "Beobachtungsergebnissen" in der phänomenologischen Psychologie zu
tun hat; er stützt sich allerdings nicht auf Ergebnisse komplizierter Experimentalordnungen, aber doch auf Beobachtungen im allgemeinen Sinne des Wortes.
Im Gegensatz zu L i n k e beschreibt ein anderer Phänomenologe, F. K a u f m a n n , die phänomenologische Methode als eine ;,ohne Erfahrungsgrundlage undenkbare Verdeutlichungsthematik". (Gesellschaft, Staat und Recht, K e I s e n Festschrift, Wien 1931, S. 30.) Zwar sind viele phänomenologische Analysen
nichts anderes als aus empirischen Begriffen folgende, sie insofern verdeutlichende
Konsequenzen, die sich irrtümlich für Wesensanschauungen halten. Ah.er einmal
entspricht dieser tatsächliche Sachverhalt nicht dem Programm der Phänomenologie, und außerdem hat sie die Methode der Begriffsanalyse nicht nur an empirischem, sondern ebenso an nicht-empirischem Material geübt, wie zum Beispiel
in S c h e I e r s Ethik und Religionsphilosophie.
21
plexität ihrer Objekte wenig gerecht wird. Dieser Grenzfall zeigt
deutlich, daß die phänomenologische Psychologie Empirisches
apriorisiert, woraus sich durch eine Verallgemeinerung ein aprioristischer Einbruch in das Gebiet der Erfahrungswissenschaften
überhaupt ergehen muß, dem diese um so mehr ausgesetzt sein
werden, als sie sich noch in einem relativ-inexakten Zustand he--
Um Sinnes.anschauungen zu vollziehen, dazu sind keine komplizierten V orhereitungen erforderlich; anders bei den Wesensanschauungen, die gemäß der methodischen Vorschrift H u s s er 1 s
nur nach solchen Vorbereitungen vollziehbar sind. W eieher Grund
veranlaßt H u s s e r I aber überhaupt, die Philosophie als i n tu it i v e Disziplin aufzuhauen?
Die bisherigen Leistungen der In-
tuitionsphilosophie, die seit P I a t o immer wieder zum Mysti-
finden (ll, 3.). Aber diese Zusammenhänge werden sich erst nach
Erörterung der voll ausgebildeten phänomenologischen Methode
zismus führte, sind doch nicht geeignet, eine wissenschaftliche
ganz übersehen lassen.
Philosophie zur Beschreitung dieses Weges zu ermuntern; und
eines der gesichertsten Ergehnisse der Vernunftkritik K an t s ist
der Satz von dem Nichtbestehen einer i n t e ll e k tu e ll e n A n -
c) Intuitionismus und wissenschaftliche Philosophie.
schau u n g, den Husse r I gleichwohl als schwersten Fehler
Das Moment des Deskriptiven, das in dem paradoxen Postulat
K an t s bezeichnet. Diese Sicherheit des Urteils muß ein zunächst
einer "deskriptiven W esenslehre" wiederkehrt, -bildet das V er-
wenigstens durchschlagendes Argument für sich haben: H u s-
hindungsglied der apriorischen Phänomenologie H u s s e r I s mit
s er I formuliert es mit seinem "Prinzip aller Prinzipien", dem-
der empirischen S tu m p f s , deren optische und akustische
gemäß "ein absoluter Anfang" in der Philosophie, wie in der Wissenschaft überhaupt, ein intuitiver sein müsse. Der Philosoph kann
Gegenstände von H u s's er I immer wieder zur Exemplifizierung
Zur
es hiernach nur dann mit dem Naturforscher an Strenge auf-
systematischen Gewinnung der W esensanschauungen, die primär
nehmen, wenn er einem der Erfahrung "parallelen Prinzip" folgt.
einfacher
W esens~rusammenhänge
herangezogen
werden.
nicht im Dienste der Erfahrungswissenschaften, sondern vielmeh,r
Erfahrung beruht aber auf Sinnesa~chauung; folglich müßte die
eines strengen Aufhaues der Philosophie stehen, hat Husse r I
Philosophie auf einer "p~allelen" Anschauung, auf einer philo-
eine .eigene Methode ausgebildet: die Methode der phänomeno-
sophischen, wie H u s s e r I sagt, Wesensanschauung beruhen. Die
logischen Reduktionen. Sie ist der eigentlich-theoretische Kern
Orientierung an der Naturforschung gibt also Husse r I die
der gesamten phänomenologischen Philosophie; ihre Aus-, Umbil-
Sicherheit bei seinem Postulat der Intuitionsphilosophie, und es
dung und Anwendung determiniert den wissenschaftlichen Ent-
wird sich daher fragen, oh diese Form der philosophischen Orien-
wicklungsgang der phänomenologischen Schule. Erst die Reduk-
tierung an der Naturwissenschaft berechtigt ist. Der Gedanke, die
tionsmethode umreißt die Forderung einer p s y c h o I o g i e-
Sicherheit der Erfahrung, die in der naturwissenschaftlichen Exakt-
) f r e i e n Bewußtseinsforscihung, als welche die eidetischen Intui-
heit ihren konzentriertesten Ausdruck findet, für die Philosophie
tionen aufzutreten beanspruchen, genau genug, um sie einer ab-
als Vorbild zu wählen, wird auf jeden Fall seine positive Bedeu-
schließenden Beurteilung zugänglich zu machen.
tung behalten; denn eine andere Orientierung gibt es für die wis-
22
23
senschaftliehe Philosophie nicht15 • Die programmatische Grund-
punkte, die bei H u s s e r I zu einem intuitionsphilosophischen An-
überzeugung der Phänomenologie, daß "nur durch Rückgang auf
satz führen, zeigt zwar schon, daß dieser Ansatz nicht notwendig
die originären Quellen der Anschauung u~d auf die aus ihr zu
Ii
aus ihnen folgt: das Analogieargument wie das logische Argument
schöpfenden Wesenseinsichten die großen Traditionen der Philo-
zieht die Intuitionsphilosophie keineswegs mit logischer Not-
sophie nach Begriff und Problemen auszuwerten sind", hat aber
wendigkeit nach sich; aber aus dieser logischen Möglichkeit eines
noch ein elementareres Argument für sich, als es die Analogisie-
anderen folgt natürlich nicht. die Unmöglichkeit des Intuitions-
rung mit der Naturwissenschaft ist; und zwar den einfachen
ansatzes.
logischen Gedanken, daß für die' philosophischen Grundsätze eine
schaftliche Bedeutung überhaupt muß an ihm selbst nachge- ·
u nm itt eIh ar
~
, d. h. nicht weiter zurückführbare Erkenntnis-
grundlage angegeben werden muß, die, wie es H u s s e r I einmal·
Seine Möglichkeit oder Unmöglichkeit, seine wissen-
wiesen werden und das heißt zunächst an der R e d u k t i o n s m e t h o d e ·, dem Eingangstor zu den W esensanschauungen.
formuliert, im "Gegensatz zur Mittelbarkeit eines unanschaulichen,
etwa eines symbolisch-leeren Denkens" steht. Die Unmittelbarkeit
dieser Erkenntnisgrundlage setzt H u s s e r I nun damit gleich, daß
d) Die Reduktionsmethode.
Um dieses Tor zu durchschreiten, muß der Philosoph die
sie ihre Gegenstände "nach ihrer intuitiven Selbstgegehenheit" er-
"phänomenologische epoche" vornehmen, die ihm jedes Urteil
fasse, daß sie also selbst eine, wenn auch nicht sinnliche, so doch
über räumlich-zeitliches Dasein "völlig verschließt". Er bezweifelt
e i d e t i s c h e I n tu i t i o n sei. Die berechtigte Ablehnung einer
nicht mit D e s c a r t e s .die W e1t des Nicht-ich, er klammert ledig-
dogmatischen Urteilsevidenz als Kriterium der Wahrheit führt
lich "die Generalthesis der natürlichen Einstellung" ein, in der
H u s s e r I zu der Annahme einer nichturteilsmäßig gegebenen
methodischen Absicht, in seinen Überlegungen von ihr keinen Ge-
und in diesem Sinne unmittelbaren "Schau" ·als konstitutivem Prin-
brauch zu machen. Diese Vorschrift, konsequent ausgeführt, he-
zip der Philosophie16• Die Aufweisung der heuristischen Gesichts-
sagt im Grunde nichts anderes als die Elimierung aller E x i s t e n t i a I u r t e i I e und ihre Ersetzung durch bloße Annahmen. Der
15
In diesem Gedanken begegnet sich H u s s e r 1 mit der kritischen Philo·
sophie, nur mit dem Unterschied, daß K a n t die Analogie zwischen Philosophie
und Naturwissenschaft in ihrer 1 o g i s c h e n Verwandtschaft als strengen
Wissenschaften erblickt, jedoch nicht in einer gleichartig-intuitiven Erkenntnisgrundlage. Während H u s s e r I sich bemühte, K a n t in intuitiver Richtung
fortzubilden, sChlugen die Neukantianer Co h e n und Nato r p den entgegen·
gesetzten Weg ein, indem sie die reine mathematische Anschauung K a n t s in
"reines Denken" umzuformen suchten, allerdings im Widerspruch zu Grundintentionen K an t s und ohne E~folg.
16
Den Begriff des konstitutiven Prinzips, d. h. der "Erkenntnisquell!l des
in den Urteilen einer Wissenschaft ep.thaltenen Wissens" ·entnehme ich der
Abhandlung von N e 1 s o n über "Die kritische Methode und das Verhältnis der
24
Philosoph behauptet von nun an als Philosoph nicht mehr, daß
es Planeten, physiches und psychisches Menschenleben, Naturgesetze, Moralität, Schönheit und Göttlichkeit gehe, sondern er
Psychologie zur Philosophie", Abhandlungen der Fries sehen Schule, N. F.
Bd. I, H. 1, S. 46.
In seiner Schrift "über das sogenannte Erkenntnisproblem", Göttingen
1908, S. 483, hat N e 1 s o n gezeigt, daß eine ·p s y c h o I o g i s c h e Evidenzdefinition kein Wahrheitskriterium und eine nichtpsychologische, o b j e k t i v e
Definition kein Evidenzkriterium enthält!. Diese Schwierigkeit bedingt es, da.B
H u s s e r I das Wort intuitiv sowohl im objektiven wie im subjektiven Sinne
verwendet.
25
läßt die Existenz dieser Gegenstände dahingestellt: Er sieht also
nitionen beliebiger Begriffe. Die Einklammerungsmethode kann
sein Wissen so an, als ob es bloß aus Annahmen bestände. Es ist
keiner dieser denkbaren Problemstellungen genügen: weder der
klar, daß durch das bloße Absehen von der Existenz keine Wesens-
Philosophie des Absoluten, noch der apriorisierten Erfahrungs-
hestimmung möglich ist. Ob die Existenz eines Gegenstandes zuge-
wissenschaft, noch der Philosophie der Erfahrungswissenschaften,
gehen wird oder nicht, hat auf die Erkenntnis seiner Eigenschaften
noch dem De:finitionensystem. Es müssen sich also von der postu-
keinen Einfluß, und wenn also die phänomenologische Methode
lierten Methode bis zu ihrer Anwendung Z w i s c h e n g I i e d e r
nur in ·der Einklammerung besteht, dann ist mit ihr nur eine be-
einschieben, die der phänomenologischen Philosophie zu Ergeh-
langlose Modi:fikation des sonst schon gegebenen Wissens erreich-
nissen verhelfen, die mehr sind, als Verwandlungen von Existen-
bar, aber sicher keine W esenserkenntnis.
tialbehauptungen in Annahmen.
Diese Überlegung bleibt, solange nicht die Festsetzung: Wesen
=
Eingeklammertes eingeführt wird, unabhängig davon, was man
e) Die Prävalenz der inneren Anschauung.
sich unter W e s e n exakt denkt. Das Wesen eines Gegenstandes
Eines dieser ZWischenglieder H u s s er I s ist die von ihm
ist jedenfalls als Gegensatz zu seinen zufälligen Momenten
zwar kritisierte, aber prinzipiell doch beibehaltene D e s c a r t e s -
definiert; die Abstraktion von der Existenz betrifft aber Zufälliges
B r e n t a n o sehe Lehre von der Prävalenz der inneren vor der
und Wesenhaftes · in gleicher Weise, kann also auch zu ' keiner
äußeren Wahrnehmung. H u s s e r 1 formuliert sie folgendermaßen:
Scheidung zwischen ihnen dienen. Von Wesen kann man typischer-
,,Alles leihhaft gegebene Dingliche kann auch nicht sein, kein leih-
weise in einem drei f a c h e n Sinne sprechen. Wesen bedeutet
haft gegebenes Erlebnis kann auch nicht sein: das ist das Wesens-
einmal überhaupt den Gegensatz zu einer Welt, in der es. Zufall
gesetz, das diese Notwendigkeit und Zufälligkeit definiert." Dieses
gibt. Wesen in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit dem Abso-
Wesensgesetz ·leistet wohl seine De:finitlonsfunktion, aber es trifft
luten, und eine philosophische Wesenserkenntnis dieser Art wäre
nicht zu, und zwar nicht etwa deshalb, weil es von jedem Materia-
also ein~ Philosophie des Absoluten. Wesen bedeutet weiter die
listen geleugnet wird, sondern aus dem einfachen Grunde, weil
Entgegensetzung zum Zufälligen beliebiger Dinge, insbesondere
auch die Erlebnisse nur konstatierhare Fakten der "natürlichen
auch räumlich-zeitlicher Erscheinungen: die Natur, die Substanz
Welt" sind und daher widerspruchslos als nichtexistierend gedacht
von N atu~dingen, speziell die Naturgesetze. Eine dementsprechende
werden können. Dies gilt auch für jenes Erlebnis, für jenen Denk-
Wesensphilosophie wäre eine apriorisierte Erfahrungswissenschaft,
akt nämlich, durch den man sich widerspruchslos die Nichtexistenz
im günstigsten Fall eine methodisch schwankende Philosophie der
der Erlebnisse denkt: denn seine Existenz, wie die aller anderen
Erfahrungswissenschaften. Wesen bedeutet schließlich soviel, wie
Erlebnisse, wird nicht als logisch-notwendig durch Denken, son-
logisch-notwendige Merkmale eines Gegenstandes, die also durch
dern als zufällig-vorhanden durch innere Beobachtung erkannt.
seinen Begriff gedacht werden.
Eine dieser Auffassung ent-
Der schon D es c a r t e s täuschende Schein des Gegenteils entsteht
sprechende Wesensphilosophie ist eine Systematisierung von De:fi-
durch die Überlegung, daß man doch auch denken müsse, um die
26
27
Nichtexistenz alles Psychischen zu denken; dies bedeutet jedoch
wußtsein durch Existentialabstraktionen gibt die gleichen Rätsel
entweder n.ur die Trivialität: wenn ich irgend etwas denke, muß
auf wie die Transformation sonstiger Tatsächlichkeiten in Wesen.
ich denken und sagt also nicht, daß wirklich gedacht wird, oder
Daß sich durch diese Manipulation an die Stelle des wirklichen
setzt, als Existentialbehauptung verstanden, eine Beobachtung die-
ein Bewußtsein schiebt, dessen Realität dahingestellt bleibt, das
ses Denkaktes voraus; und das Gegenteil dieser Behauptung bleibt,
ist das einzige, was einleuchtet; wie aber auf diese Weise eine -
wie das eines jeden synthetischen Urteils, immer denkbar. Trotz
Wissenschaft konstituiert werden soll, "von derem gewaltigem Um-
dieser Sachlage ist die vermeintliche Prävalenz der inneren An-
fang die Zeitgenossen noch keine Vorstellung haben", das :bleibt
schauung eine Voraussetzung mit Hilfe derer H u s s er l seine
völlig im Dunkeln, es sei denn, daß man die Gewaltigkeit ihres
Welt der W esenheiten zu bestimmen sucht. Nicht schon in der
Umfanges darin erblickte, nunmehr psychologische und so:nstige
Region der empirischen, sondern erst im Reich des r e in e n Be-
Behauptungen nach geeigneter Umformung. in phänomenologische
wußtseins sollen diese allerdings anzutreffen sein. Um jedoch von
Terminologie übertragen zu können. Diese Vermutung wird von
diesem in jenes zu gelangen, dazu ist eben die phänomenologische
psychischen Akte des V orstellens, Interessierens, W ollens, des psy-
H u s s e r I selbst völlig bestätigt, indem er nicht nur eine Phänomenologie "des naturwissenschaftlichen Bewußtseins", ,,sondern
auch eine solche der Natur selbst", in specie eine .Phänomenologie
chischen Lehens überhaupt, und schon eröffnet sich uns das Feld
"des Menschen", "des sozialen Geistes", der "gesellschaftlichen Ge-
des absoluten Bewußtseins, des transzendentalen Ichs, dessen .,Er-
staltung", schließlich auch der ethischen, ästhetischen und reli-
forschung die üherschwenglich große, aber durchaus angreifbare
giösen Gegenstände fordert, so daß es also wirklich kein Gegen-
und stufenweise zu lösende Aufgabe der transzendentalen Phäno-
standsgebiet gibt, auf das die Phänomenologie nicht irgendwelche
menologie ist": die beabsichtigte Bestimmung der Phänomenologie
Ansprüche erhöhe.
als psychologiefreier Bewußtseinsforschung ist erreicht, das reine
Bewußtsein, dieses Korrelat einer vermeintlich ausgezeichneten
der reinen Erlebnisse" in den Vordergrund stellt und erst in
Reduktion da. Wir abstrahieren einfach von der Realität der
Daß H u s s er I die Aufgabe einer "deskriptiven Wesenslehre
empirischen Seinsphäre, ist das "phänomenologische Residuum"
der eingeklammerten Welt, seine spezielle Untersuchung kann .he-
zweiter Linie die dieser Disziplin zugeordnete Gegenstandsphäno-
ginnen17. Diese Verwandlung des empirischen in das absolute Be-
Ontologien" postuliert, findet seinen allgemeinsten Grund in H u s-
menologie, das heißt die entsprechenden "formalen und materialen
s e r I s Problemstellung der Philosophie, wie sie noch unabhängig
17
Unter dem H u s s er 1 sehen Gesichtspunkt muß man also unterscheiden:
empirische Psychologie, apriorische Psychologie und transzendentale Phänomenologie, von denen nur die erste eine Naturwissenchaft ist. Die methodische
·Verwirrung der geisteswissenschaftlichen Psychologie kann man an der mit ihr
sympathisierenden Darstell~g von S e i f e r t ermessen (Handbuch der Philosophie, Bd. 3, daraus: Psychologie, Metaphysik der Seele, S. 90 ff., München und
Berlin 1931).
28
von seinem Intuitionismus vorliegt. Seine Idee absoluter Erkenntnis verlangt nämlich zweierlei: Erkenntnistheorie und Ontologie,
"letzte Begründung" und Wissenschaft vom Absoluten. Das Postulat der letzten Begründung führt H u s s e r I zunächst auf eine
allgemeine Theorie der Erkenntnis und der logischen Erkenntnis
29
insbesondere. Daß die Ausführung des H u s s e r l sehen Werkes
Einführung bei H u
über diese Untersuchungen hisher nicht hinausgelangt ist, ist
mens einer Erkenntnistheorie im Sinne eine's Beweises der Gültig-
durch sein Streben nach höchster Exaktheit bedingt, das, wenn
keit der Erkenntnis überhaupt und insofern die Überwindung einer
logisch urihaltharen Problemstellung.
auch auf begrenztem Gebiet, so doch Grundlegendes schaffen
8
s er I emen Ansatz zur Sprengung des Rah-
will. Die erkenntnistheoretische Problemstellung H u s s e r l s ent-
H u s s e r I gibt aber noch eine weitere Auszeichnung der Er-
hält jedoch eine wichtige, auch für die Entwicklung seiner Schule
kenntnisphänomenologie an und zwar den p h ä n o m e n o I o -
bedeutungsvolle Zweideutigkeit. Fordert sie nur eine Deskription
g i s c h e n I d e a I i s m u s-, den er als essentielles Prinzip der
der Erkenntnis oder will sie zugleich eine Begründung aller Er-
Phänomenologie überhaupt ansieht.
Es besagt, daß alles Sein
kenntnis liefern? Für den ersten Fall ist das Prinzip der eide-
"seine Seinsgeltung aus der transzendentalen Subjektivität" emp· /
tischen, der nicht-empirischen "Deskription" unbegreiflich, das
fange, daß es "im absoluten Bewußtsein" konstituiert werde, ohne
indessen mit ihm zusammenzufallen.
H u s s e r I mit der ausdrücklichen _Begründung einführt, die
.
Phänomenologie könne als "Grundwissenschaft der Philosophie"
Unter der Voraussetzung dieser Lehre gewinnt die Bewußt-
keine Erfahrungswissenschaft sein. Im zweiten Fall verfällt aber
seinsphänomenologie auch einen ontologischen Sinn: sie ist Phä-
auch H u
s e r I der allgemeinen erkenntnistheoretischen Schwie-
nomenologie des "sinngebenden Bewußtseins", "das seinerseits abso-
rigkeit eines regressus ad infinitum: denn wenn es sich um die
lut und nicht wieder durch Sinngebung ist". Sie ist damit Onto-
Begründung aller Erkenntnis handelt, wie sollte dann die Wesens-
logie einer ausgezeichneten, nämlich allein als absolut vorausge-
anschauung davon ausgenommen werden können?
H u ss er I s
setzten Sphäre. Den Charakter der Selbstverständlichkeit erhält
Antwort auf diese ihm wohl bewußte crux, die transzenden-
der phänomenologische Idealismus jedoch nur durch eine einfache
8
tale Phänomenologie beantworte die Frage nach ihrer Möglichkeit
Selbsttäuschung. Daraus nämlich, daß man über, Seiendes nur ur-
durch sich seihst, vermag nicht zu genügen: diese Antwort durch-
teilen kann, indem man urteilt, aus dieser Identität folgt keines-
haut den erkenntnistheoretischen Knoten. sie löst ihn aber nicht.
wegs eine Abhängigkeit des Beurteilten vom Urteil oder gar vom
Nimmt man, wie H u s s e r l es tut, die erkenntnistheoretische Pro-
reinen Bewußtsein. H u s s e r I sagt einmal über sein reines Be-
blemstellung prinzipiell auf, dann ist die Annahme einer "letztbegründenden Erkenntnis" unmöglich18 • Andererseits bedeutet deren
18
Auf eine . halsbrecherische, aber für den Intuitionismus sehr charakteristische Art und Weise sucht sich I r m g a r d e n den Schlingen der Erkenntnistheorie zu entziehen. Nach Ir m gar den ist "jede Möglichkeit einer Täuschung
bei der Intuition des Durchlebens prinzipiell ausgeschlossen", da die Intuition
"eine Art Sympathie", ein "Sichhineinversetzen = in" "und ein Zusammenfallen = mit dem Gegenstand" ist (Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. IV, S. 564; Bd. V, S. 378). Diese mystische Konstruktion
30
.
belegt es ausgezeichnet, wie leicht es der Intuitionist hat, von der Wissenschaft
zur Phantasie hinüherzuwechseln.
Die erschöpfendste Kritik des erkenntnistheoretischen Zirkels und seiner
Erscheinungsformen bleibt die Schrift von Ne h o n "Über das sogenannte
Erkenntnisproblem", Göttingen 1908. WennSchI i c k (Allgemeine Erkenntnislehre, 2. Auflage, Berlin 1925, S. 83) durch seine WOrtunterscheidung von Kennen
und Erkennen den "Beweis der Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie" widerlegt
zu haben glaubt, so kommt darin zum Ausdruck, daß S c h I i c k das Beweisargument, die Einsicht in die Unvermeidlichkeit von Prämissen für jeden, also
auch .für den erkenntnistheoretischen Schluß, verkennt.
31
"\
\
wußtsein: "Es ist die Urkalegorie des Seins überhaupt (oder· in
Bewußtseins und seiner Inhalte (denn nichts anderes ist das "reine
unserer Rede die Urregion), in der alle andern Seinsregionen wur-
Bewußtsein") 20 , befindet man sich im Beginn seiner phänomenolo-
zeln, auf die sie ihrem Wesen nach bezogen sind, von der sie daher
gischen Analyse. Da es nun aber nach Husse r I "Wesenswahr-
wesensmäßig alle abhängig sind." Die unbegründete Kühnheit, mit
heiten verschiedener Allgemeinheitsstufe" gibt, entsteht das Problem,
der hier aus der Trivialität des Bezoge~seins allen Seins, nämlich
auch synthetische Wesensintuitionen über die reinen Bewußtseins-
als Gegenstand, auf ein Bewußtsein, nämlich als Inhalt, eine Ab-
inhalte zu entwickeln. Hierfür zwei elementare Beispiele: Bei der
hängigkeit, die mehr als diese Intentionalitätsheziehung ist, und
Analyse der visuellen Wahrnehmung stellt H u s s e r l folgende
insofern eine Ahsolutheit des rej.nen Bewußtseins gefolgert wird,
eidetischen Sätze-auf: "Jede Dingwahrnehmung hat einen Hof von
kann dadu~ch verschleiert werden, daß man kurzerhand das logisch
Hintergrundsanschauungen"; überhaupt gehöre zum Wesen der
nicht Einsichtige als Wesenserkenntnis diktiert. Eheuso steht es
mit dem anderen Satz: "Alle realen Einheiten sind Einheiten des
Wahrnehmung "jene merkwürdige Modifikation ..., die Bewußtsein
im Modus aktueller Zuwendung in Bewußtsein im Modus der In-
Sinnes", der, wenn man ihn noch so vorsichtig gebraucht, eine
aktualität" überführe und umgekehrt. Daher könne "der Erlebnis-
. äußerst mißverständliche Formulierung darstellt. Reale Einheiten
strom ... nie aus lauter Aktualitäten bestehen". Diese Sätze gehen
werden durch Einheiten des Sinnes, zum Beispiel des Sinnes· von
sämtlich von introspektiven Beobachtungen aus, die zur Grundlage
Sinnesanschauungen erfaßt, sie sind aber nicht notwendig seihst
für die Formulierung psychologischer N a tu r g es e t z e gemacht
Sinneinheiten. Sie als solche zu beschreiben, ist keine intuitive
werden. Als unbestrittenes Beispiel eines Naturgesetzes gibt näm-
Aufweisung,
sondern
eine
de~
Intentionalitätsprinzip
lich Husse r l seihst die Beziehung an: Alle Körper sind schwer.
wider-
sprechende Verwirrung von Inhalt und Gegenstand des erkennen-
Orientiert man sich hieran, so muß die Beziehung: Alle Wahr·
den Bewußtseins, genau so wie der reine Solipsismus, von dem sich
nehmungen sind mit Hintergrundsanschauungen verbunden oder
H u s s e r I ausdrücklich distanziert19 •
allgemeiner: In dem Erlebnisstrom wechseln Aktualität und Inaktualität miteinander ah, gleichfalls als Naturgesetz anerkannt
werden. H u s s e r I versucht dieser Konsequenz dadurch zu ent-
f) Beispiele.
Mit dem Satz vom Entspringen allen Seins aus dem seihst aller
gehen, daß er das in der Wahrnehmung liegende "Erfassen" von
Realität baren Gegenstand der problematischen Vorstellungen des
Etwas als "Herausfassen" bestimmt und so scheinbar unabhängig
von einer Erfahrung der Hintergrundsanschauungen mit Apodik-
19
Der phänomenologische Idealismus wird von L i n k e (1. c., 2. Auflage,
S. 368 ff.) abgelehnt. Linkes "Gegenstandsphänomenologie", die er Husse r I s
"Erlebnisphänomenologie" entgegensetzt, ist jedoch, wie Link e anerkennt,
schon in dem allgemeinen Programm H u s s e r I s enthalten.
Weitgehend richtig hatWund t (Kleine Schriften. Bd. I, Leipzig 1910) die
Phänomenologie beurteilt, insbesondere ihre "Absorption des Psychischen durch
das Logische" (574), "ihre Psychologie ohne Psychologie" (580}, die auch D ri es c h
(Philosophische Forschungswege, Leipzig 1930, S. 18 ff.). treffend kritisiert.
tizität sein Wesensgesetz von den "Hintergrundsanschauungen" gewinnt. Aber dieses Verfahren verdeckt nur eine tatsächlich zu20
Die Fiktivität des reinen Bewußtseins hat K r a u s in seiner Einleitung
zum 2. Band der B r e n t an o sehen Psychologie (Philosophische Bibliothek.
Bd. 207, Leipzig 1928, S. XXII) eindringlich hervorgehoben.
3 Kraft, Von Husserl zu Heidegger
32
,.,,
;.
33
grundeliegende psychologische Konstatierung, sie vermag diese
Konstatierung keineswegs üher:ßüssig zu machen. Ob übrigens die
Der S i n n einer bestimmten Vorstellung ist nichts anderes, als
eine ihr spezifische Qualität, die sie zu dieser bestimmten Vor-
als Wesensintuitionen vorgetragenen psychologischen Zusammen-
stell~g macht. Eine Vorstellung besitzt einen Sinn, so wie ein
hänge wirklich vorliegen, ist eine Frage für sich, die sich in diesem
Körper eine Farbe: nur ist der Sinn eine psychische, die Farbe
Fall mit gewissen Einschränkungen bejahend beantwortet, weil es
eine physische Qualität. Eine Qualität könnte man höchstens in
sich um Zusammenhänge handelt, die aus Grundtatsachen des er-
dem Sinn "irreal" nennen, als sie nur an etwas, aber nicht ohne dies,
kennenden Geistes folgen.
für sich bestehend, auftreten kann. Diese Irrealität besteht also
.
\
Dies gilt für das zweite Beispiel, nämlich für die Theorie der
in ihrer spezifischen Unselbständigkeit, jedoch nicht in ihrer Zu-
Noesis und des Noemas, nur mit bedeutend stärkeren Einschrän-
gehörigkeit zu einem Reich der "Irrealitäten". Zu der Annahme
kungen. Gemäß dem Intentionalitätsprinzip unterscheidet H ~ s -
eines solchen Reiches wird H u s s e r 1 infolge seines phänomeno-
s e. r 1 "zwischen eigentlichen Komponenten der intentionalen Er-
logischen Ideali.smus gedrängt, demzufolge die klare Unterscheidung
lebnisse und ihren intentionalen Ko~elaten", oder was dasselbe he-
von Inhalt und Gegenstand verwischt wird. Infolgedessen überträgt
sagt, zwischen noetischem und noematischem Gehalt. Und für diese
sich auch die nichtfaktische Natur der mathematisch-philosophi-
Gehalte, also für Inhalt und Gegenstand, formuliert H u s s e r I
schen Gegenstände auf die sie erfassende Erlehnisinhalte, die dann
"das sich überall bewährende W esensgesetz": "kein noetisches Mo-
plötzlich als nichtreelle Komponenten erscheinen, wobei noch ihre
ment ohne ihm spezifisch zugehöriges noemarisches Moment". Die-
Gegenstände zu Sinneinheiten umgedeutet werden. .Dazu kommt
ses Gesetz enthält zunächst eine neue Formulierung des bereits
als zweite Fehlerquelle die Zweideutigkeit des Ausdruckes "Sinn".
angeführten _analytischen Satzes, daß jede Vorstellung in sich Vor-
Sinn bedeutet einmal soviel wie Inhalt und ist dann eine nur durch
stellung von Etwas sei, also eine mit dem Begriff der Vorstellung
introspektive Konstatierung erkennbare psychische Qualität. Sinn
logisch-feststehende Wesenswahrheit, eine solche, "die nicht weg-
bedeutet aber weiter soviel wie Gesetz, das erfüllt sein muß, damit
gedacht werden kann" (Husse r 1). Aber die neue Terminologie
ein psychischer Inhalt mit Grund auf Objektivität Anspruch er-
"noetisch-noematisch" verbindet mit dieser Wahrheit angreifbare
heben kann. So spricht man von einem lo<Tischen Sinn der für
Vorimssetzungen. Das noetische Moment, der Sinn des Erlebnisses,
Urteile, und von einem ethischen Sinn, der für Handlungen gilt
Hu s s e r I
'
o-
'
auch einfach und eindeutig als Inhalt bezeichnet,
und unterscheidet dann sinnvolle und sinnlose Urteile, h~ziehungs­
ist nämlich als nichtreelle Erlebniskomponente bestimmt und zwar
weise Handlungen. Wie beschaffen aber auch das Verhältnis ge-
als nichtreell unabhängig von einer etwa vorgenommenen Reduk-
gebener Urteile und Handlungen zu den für sie gültigen Gesetzen
den
tion; auch das Noema, z. B. "das Wahrgenommene als Solches, das Er-
sein mag, sie sind nie selbst diese Gesetze und verharren, mögen
innerte als Solches, das Geurteilte als Solches", bestimmt H u s s e r 1
sie richtig oder falsch, gut oder schlecht sein, im Bereich des
Psychischen.
als Sinn, genauer als "gegenständlicher Sinn". Beides, der no.etische
und noematische Sinn, sind jedoch unhaltbare Konstruktionen.
34
Diese Unterschiede nicht beachtend, proklamiert jedoch H u·s3*
35
s e r I den Satz: "Alles, was dem Erlebnis rein immanent und
"Beseelende Funktionen" greifen erst dort ein, wo zur Auffassung
reduziert eigentümlich ist" (und dazu gehören Noesis und Noem~),
der sinnesanschaulichen Qualitäten die Bestimmung anderer Mo-
"was von ihm, so wie es in sich ist, nicht weggedacht werden kann
mente des Gegenstandes hinzutritt, z. B. seiner Gestalt und seiner
und in eidetischer Einstellung eo ipso in das Eidos übergeht, ist
von
Stellung in einem naturgesetzliehen Zusammenh~ng.
~ller Natur und Physik und nicht minder von aller Psychologie
Untersuchung der verschiedenartigen Erkenntnisse, die etwa zur
durch Abgründe getrennt -
und selbst dieses Bild als natura.
listisches, ist nicht stark genug, den Unterschied
anzudeuten" · H"Ier
Bestimmung eines materiellen Dinges zusammentreten müssen, hat
sich die Phänomenologie durch ihr intuitionistisches Axiom weit-
liegt in Wirklichkeit ein Schulfall dafür vor, wie eine tiefe Ent-
gehend verhaut, das sie vor allem den Reflexionselementen gegenüber blind macht.
deckung gerade dort vermutet wird, wo sie sicher nicht vorliegt.
Das ganze antinaturalistische Pathos bezieht sich im Grunde auf die
V ergleicht man das Vorgehen der Erlebnisphänomenologie
Verteidigung der Wahrheiten a priori gegenüber einer Grenzüber-
mit der für sie entwickelten Reduktionsmethode, dann zeigt es
schreitung der Tatsachenkenntnis. Aber der Apriorismus ist keines-
sich, daß als Zwischenglieder von dieser zu jener nicht nur die
wegs dadurch bedroht, daß man Begriffe psychologischer Quali-
Prävalenz des Psychischen und der phänomenologische Idealis-
täten nicht für philosophische Sätze hält. Vielmehr mißversteht er
mus auftreten, sondern außerdem noch eine. über das Prinzip der
sich selbst, wenn er eine Region der Erfahrung entrissen zu haben
Existentialabstraktion hinausgehende Abstraktionsreget ·Diese Ah-
glaubt, die ihr der Natur der Dinge nach nicht entrissen werden
straktionsregel findet sich nirgends explizit formuliert, aber sie
kann.
läßt sich zum Teil rekonstruieren. Wenn H u s s er 1 Eidos und Be-
An die Fiktion der irrealen noetischen Komponente schließt
griff, Eidos und Nichtwegdenkbares gleichsetzt, dann haben wir
sich noch eine charakteristische Konsequenz an. Erst durch die
es mit der Ahstraktions.regel zu tun, alles Logisch-Zufällige eines
irrealen sollen nämlich die realen (auch hyletisch genannten)
Gegenstandes hinwegzudenken. Wenn dagegen eine materiale W e-
Komponenten, z. B. visuelle Inhalte, "beseelt" werden. Erst durch
sensregion postuliert wird, dann fehlt bei H u s s e r I eine analoge
die Noesis soll der hyletische Bestandteil zur Erkenntnis, etwa zum
Regel, und an ihre Stelle treten irgendwelche Gedankenfolgen, die
W ahrnehmungshewußtsein von einem Baumstamm, z. B. von der
mehr oder minder folgerichtig auf nicht-logische, aber dennoch
.apodiktische Behauptungen führen. Diese Überlegungen, die der
F arhe des Stammes, werden. Im Gegensatz zu dieser Theorie zeigt
die psychologische Realität einer visuellen Anschauung keinen
individuellen Willkür der Intuitionisten einen besonders weiten
Grund zur Annahme solcher beseelenden Funktionen. Vielmehr
Spielraum gewähren, treten allerdings bei H u s s er 1 infolge seiner
erweist sich die Wahrnehmung eines Baumes unmittelbar als Er-
Bevorzugung des Logisch-Einleuchtenden zurück, aber sie sind auch
fassung seiner Farhenqualitäten. Diese Wahrnehmung hat insofern
von ihm methodisch zugelassen und gelegentlich verfolgt worden.
bereits einen bestimmten Inhalt und bezieht sich auf einen hestimmten Gegenstand: sie ist also Erkenntnis der Farhenqualitäten.
Aber die
Immerhin wird die logische Methode auch bei ihrem Ergebnis
·''
nach material gerichteten, phänomenologischen Untersuchungen
36
37
angewandt werden, da ihr Anspruch, Wesensanschauungen wissen·
Argumente K a n t s gegen den Intuitionismus zur Kenntnis ge-
schaftlieh aufzwingen zu können, zunächst noch am: meisten ein-
nommen haben und sich über sie hinwegsetzen.
leuchtet. Hieran erweist es sich klar, wie wenig Grund die Phäno-
F i c h t e s22 Wissenschaftslehre (der K a n t ihren unendlichen
menologen haben, von einer philosophischen Anschauung zu spre.
Regreß nachgewiesen, und von der er erklärt hatte, daß er sie "für
chen. Sofern sie sich überhaupt der Formen wissenschaftlicher Be-
ein gänzlich unhaltbares System halte") behauptet, auf intellek-
gründung bedienen und nicht einfach philosophische Behauptungen
tueller Anschauung zu beruhen und zwar auf "einem Wissen vom
21
dekretieren, sind sie vielmehr die echten Logizisten
•
Wissen" "durchaus mit einem Blick". Hiermit spricht F i c h t e
die typische Verwechslung von introspektiver Beobachtung und
intellektueller Anschauung aus, die er wiederholt, wenn er diese
g) Philosophiegeschichtliche Analogien.
als "das unmittelbare Bewußtsein, daß ich handle" bezeichnet und
V ergleicht man den phänomenologischen Intuitionismus mit
damit glaubt, den "einzigen festen Standpunkt für alle Philosophie"
F i c h t e s und S c h e ll i n g s intellektueller Anschauung, so
gewonnen zu haben. Auch die für den Intuitionismus charakte·
fällt neues Licht auf ersteren. Diese systematisch naheliege~de Zu-
~istische ~ersicherung der Unwiderleglichkeit fehlt h~i F i c h t e
sammenstellung wurde hisher gegenüber einer Verfolgung des
nicht: "Das also, was nun wirklich Wissenschaftslehre ist, kann von
historischen Ursprungs der H u s s er I sehen Lehre vernachlässigt,
einem vernünftigen Wesen nicht widerlegt, ihm kann nicht wider-
obwohl die systematische Frage für die philosophische Beurteilung
sprochen, es kann daran nicht einmal gezweifelt werden ..." Daß
der Phänomenologie doch viel wichtiger ist. Was gerade den V er-
das Wissen der intellektuellen Anschauung schließlich als Gott
gleich mit Fichte und S c h e 11 in g so nahe legt, ist .die Tat·
selbst erscheint, wenn auch als "Gottes Seyn außer seinem Sein"
sache, daß heide nicht nur lntuitionisten sind (dieser Bedingung .
rundet die Analogie ~u der Region des "absoluten Bewußtseins", in
genügen auch P I o t i n mit sehter Ekstase und B er g s o n mit
dem sich alle Realität konstituiert, befriedigend ab.
seiner intellektuellen Einfühlung), daß sie nicht nur eine intuitive
Auch S c h e ll i n g s23 Lehre vom "fortwährenden Potenzieren
Philosophie des Absoluten erstreben, sondern, wie H u s s e r I , die
der Selbstanschauung, deren erster Akt das Zusammentreffen von
Objekt und Subjekt durch ihr Zusammenfallen erklären soll,
Wenn S c h I i c k bemerkt, die phänomenologische Methode beruhe auf
"der ·allbekannten Unterscheidung zwischen Existenz und Essenz, zwischen
Dasein und Wesen" (Allgemeine Erkenntnislehre, 2. Auflage, Berlin 1925, S.128),
so liegt hierin zwar die Erkenntnis des Reflexionscharakters ihrer vermeint·
liehen Intuition, aber es fehlt die Einsicht in die Unbestimmtheit ihrer Abstraktionsregeln. Diesen Mangel der Reduktionsmethode hebt dagegen H ö n i g s w a l d klar hervor, der feststellt, daß nach vollzogener Reduktion "das Schauen
dem Schauenden - methodenlos und kriterienfrei - iiberlassen" bleibe (Grund·
fragen der Erkenntnistheorie, Tübingen 1931, S. 39; vgl. auch das Beispiel
auf S. 72).
Oi
38
nimmt ihren A~sgangspunkt von einer Umdeutung der introspektiven Beobachtung. Systematisch bemerkenswert ist der Ästheti·
zismus S c h e ll i n g s , der ihn von F i c h t e unterscheidet, und
den er in dem Satz formuliert: "Der eigentliche Sinn, mit dem diese
22
Sämtliche Werke, Bd. 2, herausg. von J. H. Fichte, Berlin 1845,
sämtliche Werke, Bd. 2, herausg. von M e d i c u s , Leipzig 1912.
23
Sämtliche Werke, Stuttgart und Augsburg, 1858, Bd. 3.
39
r
I
Art der Philosophie aufgefaßt werden muß, ist also der ästhetische, und eben darum, die Philosophie der Kunst das wahre Organon der Philosophie." Und hieran knüpft sich als Konsequenz
die clausula salvatoria: "alles vorgehliehe Nichtverstehen jenes
Philosophierens hat seinen Grund nicht in seiner eigenen Unverständlichkeit, sondern in dem Mangel des Organs, mit dem es aufgefaßt werden muß".
Eine ästhetisierende Ausdeutung der Wesensanschauung tritt
in der phänomenologischen Schule erst bei S c h e I e r und H e i d e g g e r auf, während H u s s e r I diese Vermengung von Phantasie und Erkenntnis streng verpönt24 •
Jedenfalls ist aber auch ihr Ästhetizismus der Phänomenologie
von der Geschichte der Philosophie schon vo~demonstriert worden.
Mit H e g e I , der die Fiktion der intellektuellen Jnschauung
durch die seiner dialektischen Logik ersetzt, wird zwar der Intuitionismus F i c h t e s und S c h e ll i n g s verlassen, es bleibt aber
4. Z ur p h ä n o m e n-o I o g i s c h e n L o g i k.
H u s s er I s Beiträge zur Logik gehören zu jener Klasse aufrüttelnder philosophischer Schriften, die unwiderleglich die Unvollkommenheit einer Wissenschaft beleuchten, derer man sich
sicher zu sein glaubte. Dieser kritischen Leistung entspricht allerdings kein ihr adäquater positiver Ansatz, obwohl auch in dieser
Richtung von H u s s e r I Anregungen gegeben wurden, die jedoch
hisher _nicht in aufhauender Wei~e weitergewirkt haben; ja, seihst
die kritischen Ergehnisse H u s s e r I s sind keineswegs Allgemeingut der Wissenschaft geworden. Die an diese Ergehnisse anknüpfenden Schlagworte, z. B. das beliebteste: "Psychologismus", können
trotz ihrer V erhreitung nicht als Index für ein Durchdringen des
Gedankens angesehen werden.
H u s s e r I setzt bei einer Kritik der zur Zeit seines Auftretens
vorherrschenden logischen Systeme ein, und man kann das prinzipielle Ergebnis dieser Kritik in zwei Sätzen zusammenfassen:
die Philosophie des Absoluten mit ihrer charakteristischen Lehre
vom höheren Wissen, vom Eindringen in das Wesen der Dinge,
schließlich/vom Zusammenfallen des Denkens mit dem Gedachten
im "konkreten Begriff": von der Phänomenologie eines "üherindi-
I. Die Logik ist keine Psychologie des Denkens.
2. Die Logik ist keine normative Wissenschaft.
Den Beweis hierfür führt H u s s e r I durch eine subtile V er-
viduellen" Geistes, die damit Metaphysik des Alls der Dinge wird -
gleichullg der entgegengesetzten Behauptungen (in ihren verschie-
gleichfalls in unverkennbarer Verwandtschaft mit H u s s e r I s An-
denen Varianten) mit dem wirklichen Inhalt logischer Aussagen.
satz .vom absoluten Sein des transzendentalen · Bewußtseins, mehr
Und dabei erweist es sich zwingend, daß solche weder etwas über
aber noch mit Konstruktionen S c h e I e r s und H e i d e g g e r s.
die Naturgesetze des Denkens noch über den Wert von Denkinhal-
24
Dagegen kommt z. B. G e i g e r der Lehre vom Mangel des Organs sehr
nahe, wenn er der phänomenologischen Methode eine "aristokratische Natur"
zuspricht und den Fall in Erwägung zieht, daß "selbst die Wesensmomente, die
andere bereits erschaut haben, derjenige nicht wird erschauen können, dem die
Begabung hierfür fehlt" (Zugänge zur Ästhetik, Leipzig 1928, ,S. 152). Man
bedenke demgegenüber die Forderung K an t s, daß die Kritik der Vernunft
"bloß aus dem Standpunkt des gemeinen, nur zu solchen abstrakten Untersuchunge~ hinlänglich kultivierten V erstand es zu betrachten ist".
40
ten (hzw. über die Mittel zu seiner Realisierung) enthalten, daß vielmehr alle V ersuche einer psychologischen oder einer normativen
Behandlung der Logik zu widersinnigen Ergehnissen führen müssen. Diese im I. Band von H u s s e r I s "Logischen Untersuchungen"_ bewiesene Konsequenz ist deshalb unvermeidlich, weil dieLogik bei aller Naturwissenschaft und aller normativen Theorie
41
schon vorausgesetzt ist, und auf sie daher nicht reduziert werden
kann25 •
gisehe und apophantische Logik verwendet; ontologisch, weil auf
Dinge überhaupt, apophantisch, weil auf Sätze bezüglich. Die onto-
Die Logik muß also eine von diesen Wissenschaften unabhängige Wissenschaft sein, und es entsteht die Frage: Was für eine
logische Logik ist gleichzeitig die Grundlage der von H u s s e r I
postulierten formalen Ontologie, die apophantische Logik soll sich ·
Wissenschaft? Bereits diese Problemstellung erfährt durch H u s ·
bei H u s s e r I zu einer "apriorischen Wissenschaftslehre" gestal-
s e r 1 eine bedeutsame Vertiefung, indem er die Vorfrage aufwirft,
ten. Für beide Disziplinen fordert H u s s e r I jedoch noch eine
ob die unter dem Namen Logik überlieferten Erkenntnisse über-
Ergänzung. Sie genügen ihm zwar als "intentionale
haupt Teile einer einheitlichen Disziplin sind, und es zeigt sich
des eigentlichen Sinnes der formalen Logik", den sie durch eine
bald, daß dies nicht der Fall ist. In der traditionellen Logik wird
klare Disziplinunterscheidung erfassen, ·aber es steht ihnen keine
einmal geurteilt über Dinge überhaupt, und zwar in solchen Sätzen
Begründung ihrer Axiome zur Seite. Sie deduzieren aus zwar ein-
wie A = A, kein A = Nicht-A; es wird
ht ihr weiter geurteilt
Exp~ation
über
leuchtenden Grundsätzen, für die aber ein Nachweis ihres Erkennt·
Begriffe, Urteile, Schlüsse, also über eine . bestimmte Klasse von
nisgrundes gefordert werden muß. Dieser' Forderung glaubt H u s-
Dingen. Dies sind die beiden wesentlichen· Gegenstandsgebiete der
s er I "ausschließlich im Zusammenhang einer transzendentalen
traditionellen Logik, für die Husse r I die Terminologie ontolo-
Phänomenologie" genügen zu können. Die transzendentale Phäno-
25
Dagegen glaubt R i c k e r t , "daß gerade durch die konsequente Trennung
von Logik und Psychologie das Wesen der Logik als W ertwissenschaft, die H u s s er I noch bekämpft, erst recht deutlich wird" (271) •. Diese AnnahmeRicke r t s
beruht auf seiner erkenntnistheoretischen Lehre, daß "allein im Sollen, welches.
das Urteil anerkennt, das Moment zu finden sei", "das dem Erkennen Objektivität
verleiht" (213) (Der Gegenstand der Erkenntnis, 6. Auflage, Tübingen 1928).
Wenn dies allgemein der Fall wäre, müßte es natürlich auch für die Logik gelten,
die sich damit als normative Wissenschaft herausstellen würde. Aber es trifft
weder zu, daß jedes Urteil ein Sollen anerkennt, noch auch, daß dies speziell bei
den logischen Urteilen der Fall ist, die vielmehr, wie allen material-bestimmten
Sätze;,., so auch ·allen Sollsätzen zugrunde liegen. H u s s e r I s Verwerfung der
normativen Logik behält also auch gegen R i c k er t Recht'·. Dagegen hat
R i c k e r t gegenüber H u s s e r I insofern eine starke Position, als er den
Intuitionismus ablehnt und die Bedeutung der gedachten Erkenntnis betont, was
Kreis (Phänomenologie und Kritiziinus, Tübingen 1930) einseitig zugunsten
R i c k e r t s verwendet.
H u s s e ~ I s Kritik logischer Schulen siegt auch gegen jene modernen
Empiristen, die eine nominalistische Symbolik vertreten (wohl zu unterscheiden
von der symbolischen Darstellung der Logik, die in ihrem systematischen
Aufbau fortgebildet, nicht aber, wie z. B. von Ca r n a p meint [Abriß der
Logistik, Wien 1929], überwunden werden soll).
42
menologie hat es aber mit den noetisch-noematischen Strukturen
des reinen ·Bewußtseins zu tun, das der Voraussetzung gemäß, wie
allen Gegenstandsregionen, so auch der logischen Region "ihre
Seinsgeltung verleiht". Daher findet die formale Logik ihre Begründung in dem allgemeinen Zusammenhang der Theorie des
reinen Bewußtseins, sie wird zur transzendentalen Logik, "die nicht
eine zweite Logik, sondern nur die in phänomenologischer Methode
erwachsene konkrete Logik ist". Dieser Begründungsmethode der
Logik liegen die Voraussetzungen der phänomenologischen Methode
überhaupt und • speziell des phänomenolOgischen Idealismus 'zu·grunde, die sich beide als nicht-haltbar erwiesen (3.). Ihre Anwendung zum Zweck einer Begründung der Logik führt aber noch auf
eine spezifische Schwierigkeit. Die Grundsätze der Logik liegen,
wie aller Wissenschaft, so auch der Erlebnisphänomenologie zugrunde; sie wendet sie speziell in ihren verschiedenen
Ahstrak~
tionen an, und die für das Reduktionsverfahren postulierte "Aus-
43
schaltung der Logik" ist nur eine durch die Fiktion der Wesens·
anschauung erleichterte Selbsttäuschung.
Infolgedess~n schließt
aber di~ phänomenologische Begründung der Logik unmittelbar
einen Zirkel ein, sie setzt das voraus, was sie ableiten 'will, ihre
einzelnen Deduktionen müssen daher Trugschlüsse sein.
Die
transzendentale Logik H u s s e r I s verkennt also die aus ihrem
Grundsatzcharakter folgende Unahleitharkeit der logischen Grundsätze und ist also eine Analogie zu dem Grundmangel von K a n t s
transzendentalen Beweisen aus dem Prinzip der Möglichkeit der
Erfahrung.
"··"~/
Die nach H u s s e r I für den strengen Aufhau der Logik
grundlegenden und ihrem Ausgangspunkt, wenn auch nicht ihrem
Au~hau nach unanfechtbaren Unterscheidungen von apophantischer und ontologischer, formaler und transzendentaler Logik erhalten ihre abschließende Bestimmung erst durch H u s s e r I s Vergleich der Logik mit der Mathematik. Immer wieder
behauptet er, daß die Logik über ihre Gegenstände "ganz analog,
wie die reine Arithmetik über Zahlen, die Geometrie über Raum·
gestalten spricht, auf Grund reiner Anschauung .in ideativer Allge·
meinheit". Es müßte also eine logische Anschauung gehen, deren
Objekte ehensowenig Tatsachen sind, wie Zahlen und Raumfiguren.
Diese Überlegung wird noch durch die weitere Voraussetzung' gestützt, daß die allgemeinsten Größenbegriffe "Ahleitungsgestalten
des Etwas überhaupt" sind, woraus H u s s er I schließt, daß for·
male Logik und formale Mathematik sich nur durch das Fehlen·
einer "wissenschaftstheoretischen Intention" bei letzterer unter·
scheiden. Angenommen, es träfe zu, daß formale Mathematik eine
Ableitungsgestalt der formalen Ontologie sei (worüber die Entscheidung ganz von der genauen Bestimmung des Terminus "Etwas
überhaupt" abhängt), so würde hieraus die H u s s e r I sehe Konse·
44
quenz doch nicht· folgen. Denn zu den Bestimmungsstücken des
Etwas überhaupt, die auf jeden Fall gegeben sein müssen, und ohne
die überhaupt keine Ableitungsgestalt aus ihm gewonnen werden
kann, gehört, daß es den logischen Grundrelationen genügt, die also
auch in der formalen Mathematik vorausgesetzt werden und daher
nicht (bis auf die wissenschaftstheoretische Anwendungsintention)
"mit ihr zusammenfallen. Wenn sich auch die Identität von formaler
Mathematik urid Logik nicht aufrecht 'erhalten läßt, so fragt es sich
doch noch, welche Bedeutung ihrer Analogisierung zukommt. Daß
sie nicht im Sinne eines logischen Intuitionismus verstanden werden darf, steht bereits fest. Aber auch die Gegenstandsanalogie,
d. h. diejenige zwischen logischen und mathematischen Objekten,
ist in dem Umfang, wie H u s s er I sie versteht, nicht gegeben. Sehr
einleuchtend erörtert Husse r I den fundamentalen Unterschied
zwischen den psychischen Akten des Z ä h I e n s und dem arithmetischen Ohj.ekt der Z a h I e n r e i h e : "Die Zählungsakte entstehen
und vergehen; in Beziehung auf die Zahlen ist von dergleichen
sinnvoll nicht zu sprechen." Der entsprechende Satz für die Logik
müßte lauten: Die sich auf die logischen Gesetze beziehenden
Denkakte entstehen und vergehen; in Beziehung auf die logischen
Gesetze ist von dergleichen sinnvoll nicht zu sprechen. In diese
elementare Parallele schleicht sich jedoch bei H u s s e r I ein weittragender Fehler ein, indem er nämlich nicht die Zahlen mit den
logischen Gesetzen, sondern jene mit ihren Anwendungsbedingungen in der apophantischen Logik vergleicht. Diese Anwendungs·
hedingungen sind aber die Denkinhalte, denen die Denkgesetze die
notwendigen Bedingungen ihrer Wahrheit bestimmen.
Und so
überträgt sich das, was für die Denkgesetze richtig ist: ihre Zeit.}osigkeit, ih~e Idealität, auf die Denkinhalte, für die sie Gültigkeit
besitzen: Begriffe, Urteile, Urteilsreihen sind plötzlich in eine
45
"ideelle Region" versetzt, obwohl die psychologische Natur der
lung der Logik zeigen also wohl, was die Logik nicht ist, sie schlie-
Akte des Begriffhildens, des Urteilens, Schließens zugegeben' wird.
ßen verfehlte Gebietsumgrenzungen der Logik aus, aber gelangen zu
Hier liegt jedoch ein offenkundiger Widerspruch vor, denn es ist
keiner ausreichenden positiveU: Bestimmung. Zwei wesentliche Mo-
unmöglich, daß aus Psychischem Ideelles entspringt: eine solche
mente hat allerdings H u s s e r I auch hierfür angegeben: Die Idee
Transformation wäre ein logisches Wunder.
der "Doppelseitigkeit der Logik" (ontologische und apophantische
H u s s e r I ist der Auflösung dieser Schwierigkeit, die ihn
Logik) und das PoStulat der Begründung der Logik. Das erste wird
immer wieder beschäftigt, sehr nahe gekommen. Er hebt nämlich
wichtig für die Einordnung des Systems der Logik in die Philo-
ausdrücklich hervor, daß die logischen Gesetze sich nicht auf Denk-
sophie iiberhaupt, das zweite für die vemunftkritische Untersuchung
akte, sondem auf Denkinhalte beziehen. Für die Logik ist es irre-
der logischen Grundsätze, womit Aufgaben der kritischen Logik um-
velant, wann, wo, von wem, ob überhaupt gedacht wird, sie
schrieben sind, an deren Lösung sie 1m Anschluß an K an t s Unter-
macht lediglich von dem Begriff · des Denkinhalts und seiner
scheidung der analytischen ~nd synthetischen Urteile, sowie auf
Komplexionen Gehrauch und entwickelt Regeln ihrer Wahrheit
Grund seiner Problemstellung der Kritik der V emunft (wozu auch
und Falschheit.
eine Kritik der logischen Vemunft gehört) herangehen muß.
Es bleibt. also richtig, daß die Logik keine
Theorie der Naturgesetze des Denkverlaufs ist, aber als Lehre von
H u s s e r I s Konstruktion einer ideellen logischen Sphäre Im
den Denkgesetzen muß sie doch den Begriff einer psychischen
Bewußtsein ist nicht nur eine für die Einzelheiten der phänome-
Qualität, den des Denkinhalts, einführen, ohne den ihr das An-
nologischen. Logik belanglose Abstraktion, sondern ein wirklich an-
wendungsgehiet fehlen würde. Die gelungene Kritik des logischen
gewandter Gedanke, dessen Mängel in seinen Anwendungen immer
Psychologismus erkauft H u s s e r I also mit einem psychologischen
wieder hervortreten und gleichzeitig die V erfehltheit der Phäno-
Mystizismus, bezüglich dessen er sich der richtig gemeinten, aber
menologie überhaupt beleuchten. Für die Technik der phänomeno-
irreführend formulierten Lehre B o I z a n o s vom Satz an sich anschließt26. Husse r I s Bemühungen um eine exakte Prohlemstel26
B o I z an o formuliert seinen Gedanken folgendermaßen: "Soll eine
Vorstellung A in dem Gemüte eines denkenden Wesens wirklich vorhanden sein:
so ist der Satz, dies Wesen habe. die Vorstellung, eine Wahrheit, und zwar auch,
wenn es niemand gibt, der diese Wahrheit denket, d. h. also eine Wahrheit an
sich" (Wissenschaftslehre, Bd. II, S. 819, Sulzbach 1837). B o 1 z an o drückt
hiermit aus, daß der Wahrheitsbegriff auf gedachte Inhalte angewandt wird,
unabhängig davon, ob sie wirklich gedacht werden. Er verbindet aber diese
Einsicht·mit der Konstruktion eines spezifischen Gegenstandsgebietes"Wahrheiten
an sich" und hierin liegt eine Fiktion. Die Wahrheit eines Satzes ist kein
neben diesem Satz· bestehender "Satz an sich", sie ist vielmehr seine in keiner
Zeitbestimmung ausdrückbare Übereinstimmung mit einer, wie H u s s e r 1 sagen
würde, originär gebenden Erkenntnis.
46
Unter dem Titel "Vom Psychologismus" hat B r e n t an o (Psychologie
vom empirischen Standpunkt, Bd. II, Leipzig 1925, S. 179 ff.) sich ausdrücklich
gegen die Lehren vom Satz an sich, vom reinen Bewußtsein, von der ideellen
Urteilsregion, usw. gewandt. B r e n t an o wendet sich mit Recht gegen den
gedankenlosen Gebrauch des Schlagwortes "Psychologismus", insbesondere da·
gegen, daß auch derjenige des Psychologismus geziehen werden soll, "der da
glaubt, daß die Psychologie in der Erkenntnislehre· und Logik irgendein Wort
mitzusprechen habe". "So sehr ich", sagt er, "den Subjektivismus verdamme, so
wenig werde ich mich dadurch zur Verkennung dieser Wahrheit verleiten lassen.'"
In diesem Gedankengang B r e n t a n o s liegt die volle Auflösung der prinzipiellen Sch·wierigkeiten, mit denen H u s s e r 1 in der Logik kämpft. Aus dem
Satz, daß die Logik keine Denkpsychologie ist, folgt nicht, daß sie von keinen
psychologischen Begriffen Gebrauch machen darf. Vielmehr muß sie von solchen
Gebrauch machen, um ihrer Aufgabe als apophantischer Logik genügen zu können.
47
logischen ldealitätsfiktionen ist es nun äußerst charakteristisch, daß
ist also zum Verständnis dieses Sachverhaltes nicht erforderlich.
und wie H u s s e r I die "Idealität des Sprachlichen" zu beweisen
Sie ist aber darüber hinaus zu seinem Verständnis auch gar nicht
sucht. Denn, wenn bereits "die Sprache . . . die Objektivität der
Gegenständlichkeiten der sogenannten geistigen Welt oder Kulturwelt
r'
geeignet, sondern führt auf die unlösbare Schwierigkeit, wie ein
Naturphänomen eine Idealität hervorbringen könne. Wenn übrigens
und ni.cht die der bloßen physischen Natur" hat, dann muß sicher
die Reproduzierbarkeit eines Dinges das Kriterium seiner Idealität
das Gleiche für die durch sprachliche Ausdrücke bezeichneten Be-
wäre, so müßte auch das Sprechen, wie alle in der Gewalt . des
deutungen gelten, die überhaupt nicht mit der physischen, sondern
{Menschen befindlichen Tätigkeiten, ja alle. wiederholbaren Natur-
nur mit der psychischen Natur direkt in Beziehungen stehen. H ~ s ·
/ prozesse Idealitäten sein. Tatsächlich zieht die Phänomenologie
s e r l unterscheidet "die aktuell geredete Rede, genommen als ein
•~··;.;;;h diese Konsequenz, indem sie sogar allen Naturerscheinungen
sinnliches, speziell als ein akustisches Phänomen ... von dem Wort
ein ideales "Wesen" als das ihnen zukommende "unzerbrechliche
und Aussagegesetz selbst oder der eine größere Rede ausmachenden
Selbige, im Anders und Immer-wiederanders" (Husse r I) zu-
Satzfolge selbst". "Das Wort selbst, der grammatische Satz selbst"
ordnet. Die zur Begründung der Sprachidealität, zur Einführung
aber sei "eine ideale Einheit, die sich mit ihren tausendfältigen
einer "apriorischen Grammatik", verwendeten Argumente bedeuten
Reproduktionen nicht vervielfältigt". Reduziert man diese Überlegung auf ihren Kern, so ergibt sich nur die Behauptung, daß die
also in ihrer Verallgemeinerung eine Mystifikation der Natur überhaupt27.
in physiologisch-physikalischen Vorgängen bestehende Tätigkeit des
In der Logik findet diese Sprachtheorie ihr Analogon in der
Redens von den erzeugten Worten zu differenzieren sei. Diese Diffe-
phänomenologischen Lehre vom B e g r i f f und vom Ur t e i I. Beide
renzierung besteht jedoch nicht zwischen der. physischen Natur
werden nicht als psychische Qualitäten (und zwar solche von Denk-
zwisch~n
physio-
prozessen), sondern als spezi:fis~he "Bedeutungskomplexionen" oder
logisch-physikalischen Prozessen und ihren spezifischen, in diesem
"Sinneinheiten" aufgefaßt. Auf die Bedeutungseinheiten kommt
und der geistigen Welt, sondern innerhalb ersterer
Fall
a~Mstischen
Qualitäten. Das Wort, der Satz, die Satzfolge sind
H u s s e r I in Anwendung seiner allgemeinen Auffassung der apo-
nichts a:d-;es als akustische Qualitäten mechanischer Prozesse,
phantischen Logik, als einer speziellen Disziplin vom reinen Be-
an ·denen sie auftreten, und daher ist auch dieselbe Sprache durch
wußtsein, durch die Unterscheidung von Bedeuten und Bedeu-
immer neue Sprachakte reproduzierbar -
tung, Begreifen und Begriff, Urteilen und Urteil, Schließen und
genau so, wie derselbe
Denkinhalt, derselbe Gedanke, durch immer neue Denkakte. Die
27
Die Voraussetzung einer spezifischen Ku I tu r o h j e k t i v i t ä t
Wie für das Sprechen und die Sprache, könnte man natürlich für das
Klingen .und den Klang, das Singen und den. Gesang, das Arbeiten und die Arbeit,
das Beten und das Gebet, aber auch für das Bewegen und die Bewegung, kurz
für jede einem Prozeß spezifische Eigenschaft ihre Idealität beweisen. Seine
Unterscheidung von den ihm spezifischen Qualitäten tritt somit neben die Existentialabstraktion. die Abstraktion vom begrifflich Zufälligen, usw., um eine
Wesensregion aufzuweisen, die jedoch tatsächlich weder durch Intuition erkannt,
noch überhaupt vorhanden ist.
48
4 Kraft, Von Husserl zu Heidegger
Reproduzierbarkeit einer und der~elben Qualität durch numerisch
verschiedene Abläufe ist also nur eine Folge davon, daß ihr Auftreten nicht einem numerisch-bestimmten, sondern einem gewissen
naturgesetzliehen Bedingungen genügenden Ablauf zugeordnet ist.
,.
·~ :·
.:; '
49
Schluß, also durch seme Qualitätsabstraktion (die philosophische.
streifen. Diese Papierstreifen haben alle die gleiche Qualität rot.
Ausdeutung des S tu m p f sehen Ansatzes [3.]). Die Idealitäts-
Genau so ist es mit den Bedeutungen. Diese Vorstell~g des A
fiktion 'täuscht hier besonders leicht, weil sowohl im allgemeinen
von diesem Rot hat eine spezifische Bedeutung, d. h. eine spezi-
Sprachgebrauch, ·wie verstärkt durch den phänomenologischen
fische Inhaltsqualität, die sie mit allen Auffassungsakten derseihen
Idealismus Begriff und Begriffenes, Urteil und Urteilsgegenstand,
Farbe gemeinsam hat. Die spezifische Inhaltsqualität verhält sich
Schluß und Schlußg~setze nicht klar ge~hieden werden. Infolge-
also zu dem ihr zugeordneten Vorstellungsakt keineswegs so, wie
dessen tritt wieder die Übertragung logischer Gesetze auf die sie
eine "allgemeine Vorstellung" zu einer individuellen, was schon
erfassenden Inhalte ein -
ein Vorgang, der sich bei Husse r I
daran erkennbar ist, daß die "allgemeine Vorstellung" auch einen
fortwährend wiederholt. So, wenn er davon spricht, daß "Gegen-
allgemeinen Aktcharakter besitzen müßte, und dieser doch zuge-
stände überhaupt nur urteilsmäßig sind", oder wenn er in charakte-
gebenermaßen für die Bedeutung belanglos ist. Soviel bleibt aller-
ristischer Vieldeutigkeit den "transzendentalen Gegenstand" "den
dings bestehen: Wenn der Logiker von einem Begriff oder Urteil
den einzelnen Erlebnissen immanenten und doch in der sie über-
spricht, so reflektiert er nur auf spezifische Denkinhalte und läßt
steigenden Identität transzendenten Identitätspol" nennt. Das Bild
es dahingestellt, von wem auch immer, oder ob sie überhaupt ge-
des Identitätspols erhält seine Erklärung dadurch, daß die Theorie
dacht werden. Diese Abstraktion vom "tragenden Akt" hat jedoch
des Begriffs und Urteils außer durch die Qualitätsabstraktion noch
mit allgemeinen Gegenständen nur das eine gemein, daß die vor-
durch eine im bestimmten Sinn b e g r i f f s ~ e a I i s t i s c h e Über-
gestellte Qualität dieseihe bleibt unabhängig von ihren individuell
legung gestützt wird. ,,Die Bedeutungen bilden" nämlich nach
wechselnden Trägem -
H u s s e r I eine Klasse von Begriffen im Sinne von "allgemeinen
,,Idealitäten" .versetzt ist, so wenig wie "in der Röte" die roten Pa-
womit sie jedoch keineswegs ins Reich der
Gegenständen". "Die Bedeutung verhält sich ,hiernach' zu den je-
pierstreifen "gründen", die vielmehr unter den Begriff des roten
weiligen Akten des Bedeutens (die logische Vorstellung zu den Vor-
Körpers fallen. H u s s er I lehnt zwar die ,.metaphysischen Hy-
stellungsakten, das logische Urteil zu den Urteilsakten, der logische
postasierungen" der allgemeinen Gegenstände ab. Dennoch vollzieht
Schluß zu den Schlußakten) wie etwa die Röte in specie zu den
er sie seihst; denn es bleibt eine metaphysische Fiktion, für Begriffe,
hier liegenden Papierstreifen, die alle dieselbe Röte ,haben'." Die-
Urteile, Satzfolgen und Wissenschaften eine eigei::te ideale Region
ser Vergleich mit der "Röte" ist zur Erhellung der "Bedeutung"
in Anspruch zu nehmen -
sehr aufschlußreich. Was .ist nämlich diese Röte, die "weder in
Annahme dieser Region sei mit Evidenz aufgedrungen. Die An-
diesem Streifen, noch sonst in aller Welt existiert"? Sie ist der
nahme einer evidenten Wesenserfassung entspricht haargenau der
Gegenstand der problematischen und daher keine Existenz erfassen-
Gleichsetzung von "Wesen" und "allgemeinen Gegenständen'•. Denn
auch dann, wenn man behauptet, die
den Vorstellung Rot. Und dieser Gegenstand ist wirklich in keiner
der "allgemeine Gegenstand" ist d i e klassische Begriffshyposta-
Welt, weder in der realen noch in einer "idealen" vorhanden. Vor-
sierung und die Lehre von seiner evidenten Anschauung die seit
handen sind allein bestimmte rotgefärbte Körper, z. B. Papier-
PI a't o ihm zugeordnete Erkenntnis:fiktion. Die typische phäno-
50
51
menologische Wendung des "gründen in Etwas" bringt auch ungewollt die Voraussetzung der "allgemeinen Gegenstände" zum Ausdruck28. Was von den Denkgebilden falsch ist, das ist von den für
sie gültigen logischen Gesetzen richtig: sie gehören einer idealen
Region an und sind der psychologischen Erfahrung entrückt. Die
allgemeine phänomenologische Idealitäts:fiktion schließt also den
logischen Gesetzen gegenüber ihre empiristische Mißdeutung aus.
Die phänomenologische Logik beabsichtigt aber mehr zu leisten, sie will zu einer vertieften Auffassung der logischen Gesetze,
so, wie sie in den logischen Grundsätzen erfaßt werden, vordringen.
In diesen glaubt H u s s e r I eine unzulässige Voraussetzung gefunden zu haben, nämlich die Voraussetzung der W i r k I i c h k e i t
oder M ö g I i c h k e i t einer Welt. Mit der Möglichkeit kann H u s s e r I nicht jene Möglichkeit meinen, die durch die logischen Gesetze, als solche der formalen Ontologie, selbst bestimmt wird. Sagt
er doch selbst, daß "die in sich geschlossene Gesetzlichkeit der
,Widerspruchslosigkeit' diejenige möglicher Wahrheit", also auch
möglichen Seins überhaupt, "fundiert". Die Wirklichkeits- oder
Möglichkeitsvoraussetzung der tradionellen Logik müßte also eine
28 H us s e r 1 unterscheidet eine "Konsequenzlogik" oder "Logik der
... Widerspruchslosigkeit" und eine "formale Wahrheitslogik". Diese formale
I
;Wahrheitslogik müßte also auf Prinzipien anderer Art, als diejenigen es sind,
i zu denen der Satz des Widerspruchs gehört, beruhen. Welche Prinzipien dies
sind, hat Husse r I nicht angegeben. Jedenfalls aber geht er davon aus, daß
"jeder Widerspruch ... von vornherein Fragen der Adäquation" ausschließt, daß
er vielmehr "a limine eine Falschheit" ist. Sobald man jedoch von einem wahren
oder falschen Urteil spricht, ist bereits der Begriff des Denkinhalts (sofern e:r
gewissen Gesetzlichkeitsbedingungen genügt oder nicht genügt) eingeführt.
über diese unvermeidliche psychologische Voraussetzung der apophantischen
Logik kann man nicht hinwegkommen. Wenn auch die Logik nicht den Ablauf
des Urteilens erforscht, so muß sie doch, um die notwendigen Bedingungen der
Wahrheit von Urteilen überhaupt entwickeln zu können, von dem Begriff des
letzteren Gebrauch machen, und dieser Begriff entstammt der psychologischen
Erfahrung.
synthetische sein: die Behauptung, daß es eine Welt gehe, oder die,
daß sie nur nach bestimmten, z. B. Naturgesetzen, möglich sei.
Keine dieser Voraussetzungen ist jedoch in den logischen Grundsätzen enthalten. Der Satz A = A z. B. sagt weder, daß es eine
Welt gehe, noch daß es nur eine bestimmten synthetischen Bedingungen genügende Welt gehen könne.
Er sagt vielmehr: Wenn
es (was auch immer für ein) A gibt, dann ist es mit sich selbst
identisch: er behauptet die Unmöglichkeit der Nichtidentität des
Identischen. Auch die Allgemeingiiltigkeit der logischen Giundsätze
wird von H u s s e r I bezweifelt, da nämlich seiner Meinung nach
",alle inhaltlich sinnlosen' Urteile die Gültigkeit des Sat~es vom
ausgeschlossenen Dritten" durchbrechen. Ein inhaltlich sinnloses
Urteil, etwa das von Husse r I gebildete Beispiel: "ein Mensch
und ist", ist jedoch gar kein Urteil, d. h. eine gedachte Be hau p.
t u n g • sondern eine Reihe von W o r t e n , die zwar jedes für sich
eine einzelne Bedeutung, jedoch nicht als Wortfolge eine solche zusammengesetzte Bedeutung besitzen, wie sie für ein Urteil erforderlich ist. Diese Annahme einer Ausnahme vom Satz des ausgeschlossenen Dritten beruht also auf der Verwechslung eines grammatischen mit einem logischen Gesichtspunkt: Wo nichts behauptet,
sondern nur geredet2 9 wird, da liegt kei~ Denkinhalt und also auch
kein Anwendungsfall für logische Gesetze vor.
Auf dem Boden der von H u s s e r I entwickelten methodischen
Leitsätze hat P f ä n d e r 30 mit großer Klarheit eine phänomeno29 Husse r l meint einmal: "Ein Papagei redet in Wahrheit natürlich
nicht." Versteht man in diesem Zusammenhang unter wahren Reden, sinnvoll
~eden, dann ist der Bereich des Redens auch beim Menschen mit seinem Sprechen
uherhaupt keineswegs zusammenfallend, und es ist eine aprioristische Einschränkung der tierpsychologischen Forschung, von vornherein dem Papagei die
:Fähigkeit des wahren Redens abzusprechen.
30
Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische F orsch ung, Bd.4.
S· 139 ff.., Halle 1921; vgl. insbesondere S. 334, 349, 376, 377.
52
53
logische Logik entwickelt und versucht darin auch eine phänomenologische Begründung der logischen Grundsätze, die bereits H u s s e r I postuliert hat. P f ä n d er s Argument läßt sich am besten
auffassen, wenn man einige seiner Begründungen nebeneinanderstellt: Der Satz der Identität beruht nach Pfänder darauf, daß
"es im Wesen des Gegenstandes unnrittelbar und letztlich h~grün­
det" liegt, ... "daß er mit sich selbst identisch ist". Der Satz vom
Widerspruch beruht darauf, daß "ein Gegenstand, der in bestimmtem Sinne P ist, ... nicht zugleich in demselben Sinne nicht P sein"
kann. Der Satz vom Grunde findet nach P f ä n d e r seinen eigenen
"zureichenden Grund" "in dem Wesen des Urteils und in dem Wesen
der' Wahrheit": "Es liegt im Wesen der Urteile, ihre ganze Legitimation von ihren Objekten her zu beziehen. Sie bedürfen, wie Papiergeld notwendig der hinreichenden Deckung durch die Sachen."
Diese Beispiele genügen für die Feststellung, daß die Begründungen P f ä n d e r s (die übrigens den Begriff des reinen Bewußtseins nicht verwenden, sondern o n t o I o g i s c h vorgehen), sämtlich a~ einem Z i r k e I beruhen. Was sie als ,,Wesen" des Gegenstandes voraussetzen, aus dem sie sein Nicht-Anders-Sein-Können
ableiten, ist erst als solches durch die abzuleitenden logischen Gesetze bestimmt.
Und so muß es sich verhalten, da diese Ge-
setze Gesetze möglichen Seins überhaupt sind. Im Falle .des Satzes
vom Grunde trennt dazu P f ä n d e r die Objektivität der Wahrheit
nicht genügend von der Begründungsbedürftigkeit der Urteile, die
der Satz vom Grunde ausspricht, und verkennt daher, daß dieser
üherha"!lpt keinen ontologischen lnhalt81 hat und daher noch aus
einem besonderen Grunde nicht ontologisch begründet werden kann.
Es ist natürlich auch ein "erlehnisphänomenologischer" V ersuch
Dies erörtert Fr i e s einleuchtend in seinem "System der Logik", Beideiberg 1837, Neudruck Leipzig 1914, S. 135 ff.
31
54
Z1ll'
Begründung der logischen Grundsätze denkbar, der aber gleich-
falls scheitern müßte, da auch er diese Grundsätze bereits voraussetzt. Es kann überhaupt keinen Beweis dieser Grundsätze gehen;
sofern vielmehr die Phänomenologie die Logik dadurch zu reformieren sucht, daß sie den V ersuch macht, sie aus höheren Urteilen abzuleiten, wird sie nur zu ihrer Fiktion der ideellen Region
~d
zu sonstigen Trugschlüssen verleitet82 •
Diese Fiktion ist es, aus deren Verallgemeinerung und Syste-
matisierung sich die W e s e n s r e g i o n und die W es e n s s c h a u
ergehen, d. h. aber diejenigen Fehlgriffe hervorgehen, die bereits
in H u s s e r ls Werk schwerwiegende Mängel hinterlassen, die aber,
schon bei S c h e I e r beginnend, vor allem aber bei H e i d e g g e r ,
fortschreitend die wissenschaftliche Philosophie überhaupt verdrängen.
So hat es sich gezeigt, wie aus einem theoretischen Fehler in
der Logik der irrige phänomenologische Ansatz entspringt, und es
wird sich weiter zeigen, wie dieser die phantastischsten Sprößlinge
aus sich heraustreiht, die ihren wissenschaftlichen Mutterhoden
schließlich völlig überwuchern.
Diese Fehler .sind i~plizit schon in H u s s e r I s Unterscheidung von
Philosophie als der allein strengen Wissenschaft, durch die alle anderen Wissenschaften erst zu echten werden, und Erfahrungswissenschaften (samt Mathematik) als in dogmatischer Einstellung verharrenden Disziplinen, enthalten. Aus
diesen Begriffsbestimmungen folgt unmittelbar die Problemstellung einer allgemeinen Zurückführung der nichtphilosophischen Wissenschaft auf philosophische
und zwar auf die aUgemeinste philosophische Wissenschaft; d. h. für H u s s er l speziell, auf die "transzendentale Phänomenologie", als "letzte Wissenschaft", die dem erkenntnistheoretischen circulus vitiosus dadurch entzogen
wird, daß man kraft ihrer Definition ilire "wesensmäßige iterative Zurückbezogenheit" auf sich selbst dekretiert. H u s s e r I hat für seine Begriffsbestimmungen und die Ausführbarkeit ihrer Konsequenzen den Realitätsbeweis nicht
erbracht. Die Kritik zeigte, daß dieser Beweis nicht erbracht werden konnte, und
leitet damit mittelbar zu einer brauchbaren Unterscheidung von Philosophie und
nichtphilosophischer Wissenschaft an.
32
55
zu sehr auf Originalität und also auf Unnachahmlichkeit hin orientiert, dazu war sein Gedankensystem
nic~t
geschlossen genug, sein
philosophischer Entwicklungsgang zu (,ri:h:ii~t:il Es ist bezeichnend,
~!
daß solche seiner Leistungen, wie die Ethik, die sich strengerer
theoretischer Formen b~dient, im engeren Sinne philosophische
Nachfolge gefunden haben.
II.
Während H u s s e r I auf dem Weg über die Kritik der psycho-
Philosophie als Metaphysik: S c h e 1er.
logistischen Logik zu sein~r Phänomenologie geführt wurde, gelangte S c h e I e r zu H u s s e r I s Intuitionismus auf Grund einer
l. Problemstellung und Methode der Philosophie.
Loslösung vom Neukantianismus (die sich später zur Ablehnung
Unter den Führern der phänomenologischen Schule ist ohne
des K a n t ianismus überhaupt steigerte). "Das Sein des Gegen-
Zweifel S c h e I er der Geist mit der größten Weite und dem glän-
standes mit dem Gegenstandsein eines Seienden zu verwechseln'',
zendsten Komhinationsvermögen. Sein Gesichtskreis und Arbeits-
so formuliert S c h e I er in einer seiner letzten Arbeiten die aus
feld reichen von der Religion bis zum individuellen und sozialen
. dem Jntentionalitätsprinzip abgeleitete Kritik der neukantischen
Menschenleben, das er in dem Brennspiegel seiner unveröffentlich-.
· Ei-zeuguilgstheorie, "ist einer der Grundfehler des Bewußtseins-
· ten philosophischen Anthropologie zum zentralen Gegenstand seines
'idealismus"34. Es ist klar, daß Sc h e I er bei dieser entschiedenen
/ '
l
Philosophierens macht. S c h e I e r s Phänomenologie
'~··i-)
.,". ~._:·,~:.~;;
I
ist in einem
Opposition auch H u s s e r s phänomenologiscl?-en Idealismus nicht
tieferen Sinne des Wortes iillmer "interessant": sie fesselt immer
!.~!!e.~.~onnte und daher diese grundlegende Voraussetzung H u s -
das Interesse, weil sein Gedankengang aus den Quellen einer un-
s er I s fallen ließ: " ... nicht bewußtseinsimmaU:ent und idea-
gemein-erfüllten Persönlichkeit gespeist wird, die dazu mit einem
listisch ..., sondern ontologisch und realistisch gew!l:r;tdte Unter-
33
besonders-"eingängigen", oft glänzenden und hinreißenden Stil ausgestattet ist. Es ist daher verständlich, daß Sehe I er faszinierend
gewirkt hat, wenn er auch nicht in de:.;n Maße, wie H u s s er l ,
schulenbildende Kraft besaß. Dazu war seine Persönlichkeit viel
33
Für deren Würdigung ich mich vor allem auf folgende WerkeSche l er s
beziehe:. Die psychologische und die transzendentale Methode, 2. Auflage, Leipzig
1922. Philosophische Weltanschauung, Bonn 1929. Idealismus-Realismus, Philosophischer Anzeiger, 2. Jahrgang, H. 3, S. 255 ff., Bonn 1927/1928. Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 3. Aufl~ge, Halle 1927. Wesen
und Formen der Sympathie, 3. Auflage, Bonn 1929. Vom Ewigen im Menschen,
Leipzig 1923. Die Wissenschaft und die Gesellschaft, Leipzig 1926.
56
~"'l:-))~)1.
34
Dabei schweben S c h e I e r solche paradoxen Formulierungen vor, wie
z. B. die folgende Co h e n s : "Natur ist Erfahrung, das ist mathematische Naturwissenschaft, deren Möglichkeit in den ,allgemeinen Naturgesetzen' der synthetischen Grundsätze beruht. In dieser Möglichkeit der Erfahrung liegt somit alle
Naturnotwendigkeit der Natur beschlossen. Das ist die Summe transzendentaler
Einsicht in die apriorischen Bedingungen der Erfahrung." (Kants Theorie der
Erfahrung, 3. Auflage, Berlin 1918.) Daß eine solche Verkehrung des Verhältnisses von Naturwissenschaft und Natur, allgemeiner von Erkenntnis und Gegenstand auf die Dauer nicht ertragen werden konnte, sondern schließlich eine entschiedene Gegenströmung hervo~rufen mußte, kann denjenigen nicht in Erstaunen
setzen, der die Tiefe der Philosophie nicht in ihrer Absonderlichkeit erblickt
und dieselbe Einschätzung auch .bei anderen mindestens als eine Komponente
ihres Philosophierens voraussetzt.
57
suchung der nur durch unmittelbare evidente Anschauung zugäng-
Natur, Gesellschaft und Geschichte" diene, von denen das zweite,
lichen W esenshestände der Welt und des Geistes", so lautet das
von diesem Zwang frei, rein-kontemplativ beschaffen sei, während
sich hieraus ergehende, in seinen methodischen Konsequenzen sich
das dritte keine "vergegenständlichende Betrachtung", sondern "ak-
von H u s s e r I weit entfernende phänomenologische Programm
Schelers.
Der
Konflikt
mit
H u sse r I
beginnt
schon
auf
tiver Einsatz" des ganzen Menschen "Mitvollzug des ewigen Aktes
·-
einer
unserem Trieblehen spürbaren Drangswucht" sein soll.
höher liegenden Stufe, auf einer Stufe, die noch vor der phäno-
Daß die psychologische Disposition zur Erfahru.ngswissenschaft
menologischen Methode (sei sie erlebnismäßig .oder ontologisch
hier pragmatistisch uingedeutet, daß die ontologische Phänomeno-
ausgestaltet) liegt: bei der Problemstellung der Philosophie über-
logie als berechtigte philosophische Disziplin vorausgesetzt wird,
haupt. Von dem Postulat der Philosophie als strenger Wissen-
kann für die Erörterung der allgemeinen philosophischen Problem-
schaft ist der Intuitionismus logisch abtrennbar und daher auch
stellung außer Betracht bleiben. Es kommt auf die Konfrontie-
mit einer anderen Aufgabenbestimmung der Philosophie verbind-
rung von Betrachtung und Einsatz, auf die, mystische Töne an-
bar. Er drängt sogar zu einer anderen Verbindung: denn, da der
schlagende Bestimmung der "allem Philosophieren" zugrundeliegen-
Intuitionismus sich wissenschaftlich aus naheliegenden und ein-
den "Geisteshaltung als liehebestimmtem Aktus der Teilnahme des
leuchtenden Gründen nicht stützen läßt, besteht für denjenigen,_
·Kernes einer endlichen Menschenperson am Wesenhaften aller mög-
der sich ihm dennoch anvertraut, eine starke Verführung, sich im
lichen Dinge" an, die e x p I i z i t die Preisgabe einer konsequent-
Besitz eines der Wissenschaft überlegenen, eines höheren Wissens
wissenschaftlichen Problemstellung der Philosophie, dieser grund-
zu dünken. Dieser Verführung ist S c h e I e r , zwar mit Kompro-
legendsten Wiedereroberung Husse r I s, enthalten. Zwar möchte
missen, aber dennoch unterlegen. Sein Ziel, "die apriorischen W e-
S c h e I er daran festhalten, daß "Philosophie Erkenntnis ist und
sens- und Ideenstrukturen, die als objektiver Logos die. gesamte
der Philosoph ein Erkennender", die Philosophie soll sogar die
Weltwirklichkeit durchflech,ten und (im Sinne der Gültigkeit) he-
voraussetzungsloseste Erkenntnis sein. An den Früchten ihrer Kon-
herrschen, aufzudecken", führt~ ihn unmittelbar, vor allen Ergeh-
sequenzen beurteilt, erW-eisen sich jedoch diese mit der "aktiven
nissen, schon i~ seiner Fragestellung von den strengen Forde-
Einsatztheorie" unvereinbaren Bestimmungen als zu nichts ver-
rungen der wissenschaftlichen Philosophie a h. Dies zeigt S c h e -
pflichtend. Die Philosophie besitzt nämlich nach S c h e I e r "ihre
I~ r s bekannte Unterscheidung der drei Wissensarten: Herrschaft-
eigene Idee von Strenge", die offenbar auf Widerspruch_slosigkeit
wissen (Erfahrungswissenschaften), Wesenswissen (insbesondere Lo-
____ )~.einen Wert legt. Tatsächlich vertritt S c h e I e r die Meinung, es
g:h: ,,kei~~
gik, ontologische Phänomenologie) und Heilswissen (Philosophie
des Absoluten in Kombination mit dem ~,vulgären Wissen" und der
58
--ill.gemeingültig wahre, sondern nur eine
indi~dual
gültig wahre . . . inhaltliche" Weltanschauung, wohl aber eine
"streng allgemeingültige Methode" zur Gewinnung dieser individual-
"prima philosophia"), von denen das erste unter dem Zwang des
"Trieb und Bedürfnissystemes" "unserer möglichen Macht über
sowohl der geistigen ideenbildenden Tätigkeit als seiner in
.. \.
gültigen WeltanSchauung. Hiermit ist ein weiterer Grundpfeiler
59
Husse r I s kurzerhand umgestürzt: denn, was S c h e I er "indi-
lischen Epoche sprach er jedenfalls den (durch entsprechende Stil-
vidual gültige Weltanschauung" nennt, ist R e I a t i v i s m u s , der
änderung leicht einem anderen Glauben anzupassenden) Satz aus:
nur nicht die Offenheit seiner positivistischen Spielart besitzt, den
,,Nur als ,freie Magd' des Glaubens vermag die Philosophie die
Wahrheitsbegriff über Bord zu werfen. Die Methode S c h e I e r s
Würde einer Königin der Wissenschalten zu bewahren, und sie
kann daher keines1\'"egs "allgemeingültig" sein.
Wäre sie dies,
muß notwendig Diener_in, ja Sklavin und Hure der ,Wissenschaften'
so müßte sie auch zu eindeutigen Ergebnissen führen können. Da
werden, wenn sie sich erkühnt, sich als Herrin des Glaubens zu ge-
ihr diese Fähigkeit aber ausdrücklich abgesprochen wird, könnte
bärden." Diese "autonom vollzogene Unterwerfung unter die gött-
ihre "Gültigkeit" (zur Gewinnung metaphysischer Wahrheit) nur
liche Offenbarungsordnung" (sei sie theistisch, pantheistisch oder
darin bestehen, daß ihre Anwendung allen Menschen den GI a u -
sonstwie gedacht) hat man in der Autoritätsphilosophie des Mittel-
b e n an den Besitz solcher Wahrheiten erwerben könnte. Aber
alters bedeutend-klarer unumwunden als Unterordnung der Philo-
auch das ist unmöglich, da nicht alle Menschen in der Philosophie
sophie unter die Theologie ausgesprochen, woran sich das Schein-
auf Widerspruchslosigkeit verzichten wollen, und da, sofern sie es
königtum der von S c h e l e r postulierten Philosophie und die me-
wollten, sie. sich überhaupt keine Meinungen mehr bilden können:
thodische Verwirrung ermessen läßt, die aus einer auch nur kurzen
Denn jede, auch die individuellste Mein'img, muß als M e i n u n g
Herrschaft dieaer scheinköniglichen Regierung im Reiche der Philo-
einen bestimmten Inhalt haben; diese Bedingung entfällt aber,
wenn man Widersprüche in seinem Meim~ngssystem zuläßt
35
Jr..
sophie und der sonstigen Wissenschaften entstehen muß. S c h e l e r definiert die . Philosophie als "ihrem Wesen nach streng evi-
•
S c h e 1 e r selbst findet sich mit einem fundamentalen Wider-
dente dnrch Induktion unvermehrbare und unvernichtbare, für alles
spruch in seiner individualgültigen Weltanschauung ab, indem
zufällig Daseiende ,a priori' gültige Einsicht in alle nur an Bei-
er nämlich die Unterordnung der Philosophie unter den Glau-
spielen zugä.D.glichen W esenheiten und Wesenszusammenhänge des
ben fordert (unter welchen Glauben bltl:lbt dabei. natürlich auch
Seienden, und zwar in der Ordnung und dem Stufenreich, in denen
Sache freien Ermessens, wie ja S c h e I e r sich vom Katholi-
sie sich im Verhältnis zum absolut ·Seienden und seinem Wesen
zismus zu einer Art Pantheismus entwickelte). In seiner katho-
befinden". Aus dieser Erklärung (die den Intuitionismus einfach
"Nicht nur bestimmte Resultate, sondern überhaupt eine ganz bestimmte
Methode ihrer Auffindung unter eine Sanktion stellen zu wollen, die ihren Rechtsgrund auf die positive Offenbarung zurückführt, ist sachlich widersinnig" - so
meint S c h e l e r und wäre völlig im Recht, wenn er das, was er für die Methode
behauptet, auch für deren Resultate in Anspruch nähme. Wenn 'es sachlich
widersinnig ist, eine Methode unter autoritäre Sanktion zu stellen, so gilt dies
notwendig auch für die Resultate, die ja nichts anderes sind als die Konsequenzen
der Anwendung einer Methode. Es ist also sachlich widersinnig zwischen Methode und Resultat hinsichtlich ihrer Bestimmtheit durch den S a t z v o m
G r u n d e, d. h. hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit von einer autoritären
Sanktion, einen Unterschied zu machen.
definitorisch einführt) geht klar hervor, daß das Prinzip der indi-
35
60
"idualgültigen W ahrheit 36 sich über die ganze Philosophie erstreckt,
36
·. \
Nach N. Hartmann untersteht die Philosophie der a p o r e t i s c h e n
Methode, . kraft derer sie ihre Fragen nicht "löst", sondern nur "behandelt"
(Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, 2. Auflage, Berlin 1925, S. 123).
Diese aus einer Verzerrung des aristotelischen Erörterungsverfahrens (das vorschnelles Aburteilen ausschließen soll) entstandene Meinung drängt unwiUkürlich
die Frage auf, wozu man überhaupt noch philosophieren soll, und worin die
aporetische Methode sich von ziellosem Problematisieren unterscheidet.
61
da alle ihre Wesensaussagen zu einer Weltanschauung, d. h. hier
Sphäre) : Wissen bedeute nichts anderes als T e i I h a b e n an
zu einer Anschauung der Abhängigkeit aller Dinge von Gott, ge-
Etwas, und zwar entweder "ekstatisch" (bei Tieren, Primitiven,
hören. S c h e i er zieht vieHach diese Konsequenz der generellen
Kindern, beim Erwachen aus der Narkose) oder "bewußt"' (gegen-
"lndividualgültigkeit"' nicht und nimmt, z. B. für die Ethik, Allge-
ständliches Wissen, im Gegensatz zu ersterem nichtgegenständlichen
meingültigkeit in Anspruch _:___ unter welcher Voraussetzung auch
Haben).
diese und manche andere seiner Werke betrachtet werden müssen.
Diese platonisierende Konstruktion bricht aus einem elemen-
Insbesondere gilt dies auch für seine Methode der W esensanschauung,
taren Grunde zusammen: der ihr zugrunde gelegte Begriff der Teil-
die er mit einer Kritik der H u s s e r I sehen Reduktionsmethode
habe ist nämlich, als Verhältnis des Teiles zum Ganzen verstanden,
verbindet.
Die Unzulänglichkeit der in dem H u s s e r I sehen Reduktions-
nisbegriffs. Die Erkenntnis ist weder ~in Teil ihres Gegenstandes,
verfahren postulierten Existentialabstraktion hat S c h e l e r sehr
noch ihr Gegenstand ein Teil seiner Erkenntnis. S c h e I e r will es
durchaus keine geeignete Grundlage zur Bestimmung des Erkennt-
treffend kritisiert. -Wie er nämlich mit Recht bemerkt, "sieht man . · ·
allerdings dennoch so, denn sein "Haben", seine "Ekstase" be-
gar nicht, was an dem ,blühenden Apfelbaum' (ein Beispiel H u s-
zeichnet diese logisch unmögliche Beziehung zwischen den beiden
s e r I s) nun anders werden soll durch die bloße Zurückhaltung des
Momenten der Erkenntnis: diese offene Erkenntnismystik. Es ist
Daseinsurteils, man sieht gar nicht, wie sich nur dadurch eine neue
charakteristisch für die Denkweise S c h e I e r s , daß er diese My-
Gegenstandswelt eröffnen soll, die in der natürlichen W eltan-
stik an die angegebenen empirischen Beispiele knüpft, die doch
schauung noch nicht mit enthalten war. Vom Wesen bleiben wir
nur Fälle von mehr oder minder u n r e f I e k t i e r t e n Erkennt-
dabei völlig fern -
und verwundert muß man sich fragen: Wozu
nissen sind, im übrigen aber so "gegenständlich", wie jede ausge-
denn das Ganze?" Aus dieser Abweisung der Existentialabstrak-
. baute Theorie. S c h e I e r liegt eben daran, ein "lebensnaher", d. h.
tion, verbunden mit der des phänomenologischen Idealismus, ergibt
sich für
s' c h e I er
die Notwendigkeit, eine neue Methode zur
Gewinnung von W esensanschauungen, eine gegenüber der H u s -
in diesem Falle aber methodisch, ein auf Umfassung von Erfahrung
und Philosophie bedachter Philosoph zu sein, wovon jedoch beide
Gebiete ihren Schaden tragen müssen.
s e r I sehen modifizierte phänomenologische Methode zu entwickeln
Versteht man unter Teilhabe aber nur ein B i I d für die Inten-
- (die auch, wenigstens in ihren Grundzügen, vorliegt). Zu diesem
tionalität der Erkenntnis, dann ist diese sicher auf kein "Seinsver-
Zweck überbietet Sc h e I er die von H u s s er I vorgenommene
hältnis", auf keine ontologische Beziehung gegründet, und es gibt
aprioristische Umdeutung der Erkenntnis zu einer spezifischen
auch dann kein übergegenständliches Haben der Sache an sich. Das
idealen Region dadurch, daß er den Begriff des Wissens durch allge-
Teilhabebild verdeckt in diesem Falle nur die petitio principü der
meinste o n t o I o g i s c h e Merkmale zu bestimmen sucht. "Das
ganzen Ableitung, die deshalb scheitern muß, weil Erkenntnis nur
Wissen"', erklärt er, "ist ein letztes eigenartiges und nicht weiter ab-
durch introspektive Erfahrung in ihrer qualitativen Eigenart er-
leitbares Seins-Verhältnis zweier Seienden" (also keine irreale
faßt werden kann. Die Fiktion des Habens zieht bei S c h e I e r
62
63
eine weitere, für seine Methode der Wesenserfassung grundlegende
Fiktion nach sich. S c h e I er glaubt nämlich, ein elementares Wis-
c
sen aufweisen zu können, das notwendig einen e k s t a t i s h e n.
Die Hauptvorschrift von S c h e I e r s
phänomenologischer
"Techne" besteht darin, nicht nur mitHusse r I die "in der natürlichen Weltanschauung stets implizierte Daseinssetzung auszuschal-
Grund hat: Das Wissen von Existenz überhaupt. Realität sei ur-
ten", sondern "die es gehenden voluntaristischen Funktionen zu he·
sprünglich kein Gegenstand des Erkennens, sondern des Leidens,
seitigen" oder populärer ausgedrückt, "alles begierliebes triebhaftes
~es
V erhalten möglichst ruhen zu lassen". Diese Methodik (deren konse·
W i d e r s t a n d s e r I eh n i s s e s. "Ein nur erkennendes W e-
#
die unmögliche Verwandlung
sen hätte keine Realität, wobei Realität den Inbegriff alles dessen
quente Durchfühning
'bedeutet, was gegen unser Streben Widerstand leistet." In dieser
in ein rein-komtemplatives Wesen voraussetzt -
des Menschen
Form wird der "voluntaristische Realismus" S c h e I er s zu einer
räterische Wort ,,möglichst") wiederholt 'eklatant den gerade von
Tautologie: ein Wesen, das nicht leidend mit seiner Umwelt zu-
S c h e I er kritisierten Grundfehler der Reduktionsmethode H u s-
daher das ver·
sammenstößt, stößt mit ihr nicht leidend zusammen. Die eigent-
s e r 1 s. Ob das Realitätsmoment voluntaristisch oder intellektuell
liche Behauptung, daß es ohne Widerstandserlebnisse keine Reali-
"entfernt" wird (natürlich nur als entfernt g e d a c h t, nicht etwa
tätserfassung gehe, ist jedoch, wie man sie auch interpretieren mag
wirklich entfernt wird, wie S c h e I er , seinen Realismus über Bord
(ob genetisch oder deskriptiv), ein offensichtlich bloß hingeworfener
werfend, einmal behauptet): "vom Wesen bleiben wir dabei völlig
Aphorismus. Dieser Aphorismus mag denjenigen blenden, bei dem
·fern". Sc h eIergelangt sogar mit seiner Technik noch nicht ein,
die Erinnerung an Prügel, an Zahnziehen oder an Sonstiges, das
mal zur Existentialahstraktion, weil eben Realität nur für einen
seinem "Streben Widerstand" leistete, noch mit so starken Unlust-
kleinen Ausschnitt von Gegenständen durch Widerstandserlebnisse
gefühlen assoziiert ist, daß er darüber die Ruhe verliert, seine Er-
gegeben ist, und weil, sofern sie so gegeben ist, ihre Ausschaltung
kenntnisakte genau zu beobachten. Kehrt jedoch sein psychisches
doch einen D .e n k a k t voraussetzt, so daß S c h e I e r , noch mehr
Gleichgewicht wieder ~urück, dann wird er sofort zugehen, daß man
37 Die von N. Hartmann im Anschluß an Dilthey und Scheler
entwickelte Lehre von den "emotional-transzendenten Akten" als Grundquellen
der Erkenntnis deren Reflexionselementen H a r t m a n n , auch schon
S c h e I e r , wieder gerechter wird als H u s s e r 1 - unterliegt prinzipiell . der
gleichen Kritik, wie aus m e i n e r Diskussionsrede zu H a r t m a n n s Vortrag
auf der Haller Tagung der Kautgesellschaft hervorgeht· (Philosophische Vorträge
der Kantgesellschaft, Heft 32, S. 57 ff., Berlin 1931). Daß Hartmann weder
von einer h!oßen Erkenntnistheorie, noch von Erkenntnisphänomenologie, sondern
klar und deutlich von "Metaphysik der Erkenntnis" spricht, bedeutet für die
Kritik eine systematisch-wichtige Klärung. Den dennoch verbleibenden, unauflöslichen Schwierigkeiten der Erkenntnismetaphysik kann H a r t m a n n nich~
etwa dadurch entgehen, daß er sich auf die, wie er meint, der Metaphysik nun
einmal eigentümlichen , ,irrationalen Restprobleme" zurückzieht. Denn gibt
man einmal diese "Restprobleme" zu, so folgt unweigerlich die "Irrationalität"
der Metaphysik überhaupt, da doch ihre für sich rationalen Teile in ihr System
eingegliedert sind, das bereits durch einen einzigen "irrationalen" Satz gänzlich
irrational wird. Die Hochschätzung H a r t m a n n s für die H e g e I sehe Dia·
lektik ist also kein Zufall. •
64
5 Kraft, Von Husserl zu Heidegger
von der schmerzerregenden Natur des z'ahnziehens und der Prügel
zwar durch Unlustgefühle, von diesen auslösenden Tätigkeiten selbst
aber durch seinen Gesichtsinn weiß. Er wird weit~r zugehen, daß
dieses doppelte Wissen nicht auseinander ableitbar ist, daß das eine
ohne das andere auftritt, und daß speziell das Widerstandserlebnis
nur eine beschränkte Klasse von W ertqualitäten, sonst aber nichts
erfaßt37 •
65
als H u s s e r I , für die Anwendung seiner Methode auf Zwischen-
2. Zur materialen Wertethik und zur Religionsphilosophie.
glieder angewiesen bleibt.
S c h e I er s Philosophie entwickelt sich ausdrücklich nicht
nur in Form der Wesenserkenntnis; in ihren höchsten und
I.
abschließenden Teilen, in der Anthropologie und Religions-
Neben H u s s er I s "Ideen" ist S c h e I e r s "Ethik" die selbständigste Leistung aus der phänomenologischen Schule und an Ge-
philosophie, tritt schon programmatisch eine neue "Erkenntnis-
halt in ihr sogar unerreicht dastehend. Sie greift die von Husse r I
quelle" auf: der aktive Einsatz, die liehende Hingabe, die Sym-
gestellte Aufgabe einer phänomenologischen Ethik wirklich an und
pathievereinigung mit dem All der Dinge. Systematisch betrachtet,
hat eine Systematisierung und Fortbildung bei N. Hartman n 40
ist dies ein Ersatz für den phänomenologischen Idealismus, der
H u s s e r I die Realität garantieren soll. Aus dem Schattenreich
gefunden. Daß auf Grund der phänomenologischen Methode die
Ethik gerade d i e Gestalt erhielt, die S c h e I e r und H a r t m a n n
des absoluten Bewußtseins flieht S c h e I er zum "Lehen, We~en,
Wollen, ·Denken ,in ihm' und kraft seiner und gleichsam aus ihm
ihr gegeben haben, ist natürlich keinesfalls notwendig. Da allgemein
heraus -
Augustmus -
das keine Spur mehr von jener gegenständlichen Ein-
stellung einschließt, wie wir sie bei aller Welt-, Selbst- und Fremd~eohachtung
zu haben pflegen." Die ontologische Phänomenologie
S c h e I e r s landet so bei dem Satz "Gefühl ist alles": die Wissenschaft dankt bei ihr insofern endgültig ah38 39•
38 Der bisher zum großen Teil unveröffentlichte Nachlaß Sc h e I er s wird
auch einen Ausbau seiner Erkenntnislehre (genauer Erkenntnismetaphysik) ent·
halten. Wesentlich neue Gesichtspunkte zu ihrer Beurteilung sind darin kaum
zu erwarten, denn schon die vorliegenden Ansätze zu einem solchen Aufhau zeigen,
daß dieser vollkommen der Haltlosigkeit seiner Gmndlage entsprechen wird.
·S c h e I e r s "Funktionalisiemng der Wesensanschauungen an den Sachen
selbst" - · eine andere Bezeichnung für das Teilhaben, die gleichzeitig die
Wandelbarkeit der Wesenserkenntnisse, die relativistische Metaphysik Schelers,
bezeichnen soll - erlaubt in praxi alle jene Kombinationen vorzunehmen und
als Wesenserkenntnisse auszugeben, die dem funktionalisierenden Philosophen
gerade einfallen. So überläßt man es dem "westeuropäisch-voreingenommenen''
K a n t , vom Raum als Gegenstand einer Anschauung zu sprechen, und vollzieht
selbst das "ekstatische Haben", daß "Räumlichkeit ..., nach ihrer subjektiven
Seite hin gesehen, ... zunächst weiter nichts als die erlebte Macht, Bewegungen
vom Wesen der Vitalbewegung vollziehen zu können" ist, daß der leere Raum
"aus dem Erlebnis der Unhefriedigung und Unerfülltheit eines Triebhungers nach
66
sowohl die Materialauswahl wie der Grad seiner Reduktion dem
cognoscere in lumine dei, velk in deo, nannte es
spontaner Bewegung entstammt". Für die Vorstellungen der Zeit, der Kausalität
und für sonstige Grundkategorien lassen sich leicht analoge Kombinationen aus·
führen, die jedoch immer einen gleich-spielerischen Charakter haben und durchaus keine Vertiefung des Kategoriesystems bedeuten. Sie müssen vielmehr zu
einer jeder wissenschaftlichen Mode anpaßbaren V erwirmng führen und haben
tatsächlich schon dazu geführt (7.). Eine für alle Einzelfälle explizierte Aufweisung der von dem voluntaristischen Realismus in seiner Erkenntnismetaphysik
fortwährend geübten petitiones principii und seiner genetisch-psychologischen
Willkürlichkeiten erübrigt sich deshalb, weil diese Mängel sich jeder aufmerksamen Lektüre aufzwingen und sie dazu nur Konsequenzen ihres bereits kritischerörterten Gmndprinzips sind.
Gegen den lntuitionismus, insbesondere in seiner ekstatischen und emotionalen Form, wendet sich mit treffenden Argumenten S o m o g y i (Philosophia
perennis, Bd. II, S. 700 ff., Regensburg 1930).
39
Diese Abdankung nimmt also bei S c h e I e r eine doppelte Form an:
einmal die der Unterordnung der Philosophie unter den Glauben und außerd~m
die Aufnahme außererkenntnismäßiger "Haltungen" in die philosophischen Erkenntnisquellen. Da das Erlösungswissen S c h e I e r s die Prätention hat, alles
sonstige Wissen mit dem vom Absoluten in Beziehung zu setzen, muß sein Gesamtaufbau der Philosophie "ekstatisch" durchsetzt sein und jenes eigentümliche
Mischungsverhältnis von L i t e r a t e n t u m und S c h o I a s t i k zeigen das
S c h e I e r idealtypisch verkörpert.
'
40
Ethik, Berlin und Leipzig 1925; auch auf dieses Werk muß daher im
folgenden Bezug genommen werden.
5*
67
Ermessen des Phänomenologen überlassen bleiben, besteht a priori
K an t s kategorischen Imperativ. als eme Fiktion, ohne zur Be-
die Möglichkeit, vielerlei phänomenologische Moralsysteme zu ent-
gründung dieser Kritik etwas anderes anzuführen, als daß K a n t
wickeln. Die Rolle der Zwischenglieder wird hier also wieder her-
zu keiner I n h a l t s hestimmung seines Sittengesetzes vorgedrungen
vortreten; eine gegebene Reihe solcher Glieder determiniert dann
ist. Der von S c h e I e r besonders populär gemachte, aber auch in
allerdings eine bestimmte Ethik. So ist z. B. die phänomenologische
der Schule des Kritizismus. erkannte und ausgesprocheneH Forma-
Rechtsph:ilosophie eine Wiederholung der Theorien J e 11 i n e k s ,
lismus der K a n t ischen' Ethik veranlaßt also schon B r e n -
:K e I s e n s und altüberlieferter Naturrechtsideen, also bereits in
t a n o , den Begriff des ethischen Ge s e t z e s , als zum Aufhau
sich völlig ge~palten41 und zum großen Teil durchaus nicht in jener
der Ethik untauglich, zu verwerfen. In Analogie zu seiner Lehre
Opposition gegen die imperativische Ethik, der S c h e I er s Haupt-
von der Urteilsevidenz führt er statt dessen den Begriff des rich-
angriff gilt42 •
In allen Hauptpunkten ist die phänomenologische Ethik von
tigen Liehens, allgemeiner des richtigen Vorziehens, als vermeintlich evidente, tatsächlich aber bereits logisch (infolge ihres Psycho-
B r e n t a n o vorweggenommen worden. In seiner Schrift "Vom
logismus und der in ihr enthaltenen petitio principii) untaugliche
Ursprungs sittlicher Erkenntnis" 43 bezeichnet bereits B r e n t an o
Grundvoraussetzung der Ethik ein. Auf dem Umwege über die alte
Lehre vom höchsten Gut, das nach B r e.n t anodenhöchsten Gegen-
Näheres hierüber findet sich in meiner Abhandlung: Die wissenschaftliche Bedeutung der phänomenologischen Rechtsphilosophie, Kantstudien, Bd. 31,
41
H. 2/3, S. 286 ff.
42 Deutlicher als S c h e l e r und H a r t m an n spricht es Li t t aus, was
dieser Kampf gegen die imperativische Ethik bedeutet. Er befreit uns "in voller
Bewußtheit von jenem Dualismus von Wert und Wirklichkeit, der mit seiner
äußerlichen Entgegensetzung des innerlichen Zusammengehörigen gleich· unerträglich ist für das Denken, das die angeblich r.adikal geschiedenen in der inneren
Erfahrung unausgesetzt sich durchwirken sieht, wie für das Handeln, das nur als
,Aufhebung' jener Trennung seinen höheren Sinn gewinnt." Um dies ganz zu
verstehen, muß man berücksichtigen, daß sich L i t t die Beziehung zwischen
Wert und Wirklichkeit als "dialektische Vereinigung" vorstellt. (Handbuch der
Philosophie, herausgegeben von Bäumler und Schröter, Bd. 3, daraus: Ethik der
Neuzeit, S.180, 182, München und Berlin 1931.) Die Vereinigung zwischen Wert
und Wirklichkeit ist also nach L i t t s eigenem Zeugnis widerspruchslos nicht
möglich, womit für ·die wissenschaftliche Ethik die Notwendigkeit anerkannt
ist, in vollem Bewußtsein den Dualismus von Wert und Wirklichkeit, als logisch
unvermeidlich, vorauszusetzen und auf den höheren Sinn des Handeins V erzieht
zu leisten, der, als dialektische~, doch nur Schein ist.
Die Konsequenzen der Litt sehen Dialektik für die Staatstheorie hat
K e l s e n schlagend in seiner Schrift: Der Staat als Integration, Wien 1930,
kritisiert.
42 2. Aufl., herausgeg. u. eingeleitet von Kr a u s , Leipzig 1921.
68
stand des "als richtig charakterisierten Bevorzugens" bildet, tritt in
dieser Ethik der Pflichtbegriff wieder auf, und zwar als Pflicht der
maximalen Förderung des höchsten Gutes, womit im Keime die
materiale Wertethik vorliegt.
Der logische Weg B r e n t an o s
besteht also. darin, in seiner Lehre vom r i c h t i g e n Vorziehen die
materiale Wertethik vorauszusetzen, um sie dann aus dieser Voraussetzung, d. h. im Wege eines Trugschlusses, abzuleiten.
S c h e I e r s ethischer Ansatz ist nun keine unselbständig aus; >
geführte Kopie B r e n t a n o s , sondern entwickelt sich in freier
Anlehnung an ihn aus gewissen systematischen Voraussetzungen,
die der phänomenologischen Philosophie (in der Fassung Sc h el e r s) überhaupt eigentümlich sind.
Die schon von H u s s e r I postulierte, von S c h e I e r noch
4
~ Z. B: mit besonderer Klarheit und Ausführlichkeit von N e I s 0 n in
seiner Schrift:
Die kritische Ethik bei K an t , Sc h 1• 11 e r un d F r 1· e s , G""ot-\
tingen 1914.
69
mehr in den Vordergrund gerückte Philosophie des Absoluten,
quent vollzogen, wie etwa daraus hervorgeht, daß er der reinen
schließt in ihrer Konsequenz eine selbständige Ethik aus. Es liegt
Solleusethik ,.sittliche Verblendung" vorwirft, während doch viel-
in dem Begriff einer solchen Philosophie, daß sie den V ersuch
mehr die s i t t 1 i c h e Verblendung gerade dort liegt, wo man ,.das
machen muß, aus e i n e r philosophischen Disziplin alle übrigen
Leben in einer entwerteten und entheiligten Welt" nicht ertragen
abzuleiten. Bei H u s s er I spielt die B e w u ß t s e i n s phänomeno-
kann (Hartmann), wo man sich also aus dem unversöhnlichen
logie diese ausgezeichnete Rolle. In s~inem letzten Entwicklungs-
Ernst der ethischen Aufgabe und dem Kontrast ihres Inhalts zu der
stadium sprach
p o I o g i e diese Sonderstellung zu. Im Verhältnis zu seiner Ethik
Wirklichkeit ·des Lebens in eine Welt metaphysischer Phantasie
:flüchtet.
ist jedoch die R e I i g i o n s p h i I o s o p h i e die übergeordnete
überhaupt sind die phänomenologischen Argumente gegen den
Disziplin, wie dies vollkommen der Frage nach dem höchsten Gut
ursprünglichen Aufgabencharakter der Ethik, sofern sie nicht nur
entspricht. S c h e I e r s Ethik ist insofern eine religiöse Ethik,
den Formalismus gerade der K an t ischen Ethik kritisieren und
wenn auch unmittelbar keine theologische, da sie den V ersuch
hiermit den Ansatz der Aufgabenethik gar nicht treffen, wenig
macht, unabhängig von konfessionellen Traditionen ein System
weiterführend. Daß S c h e 1 er K a n t s Prinzip der Gesinnungs-
Sch eIe r
einer
philosophischen A n t h r o -
ethischer Sätze zu entwickeln.
moral als pharisäisch verdächtigt, daß er das Prinzip des katego-
Da der Ansatz einer religiösen Ethik sowohl aus dem Begriff
rischen Imperativs als Ideologie des preußischen Absolutismus dar-
der Philosophie des Absoluten wie aus der Idee der Wertethik folgt,
stellt und um solche Analysen sich ernsthaft bemüht, kann nur als
ist es lediglich eine Inkonsequenz, wenn man als Phän0 menologe
Produkt einer übereifrigen Kritik verstanden werden. Denn es
dennoch die in der kritischen Philosophie entwickelte Selbständig-
genügt, den Unterschied zwischen p:ßichttreuer, also erfolgsabholder
keit von Ethik und Religionsphilosophie aufrecht erhalten will.
und gefallsüchtiger, also erfolgsuchender Gesinnung, zwischen
H a r t m an n , de~ dies versucht, fällt auch schon mit seiner allge-.
P:ßichterfüllung und Gehorsam aufzufassen, um die g~nze Willkür-
meinsten Fragestellung ~eder in die religiöse Ethik zurück. H a r t -
lichkeit dieser psychologisch-soziologischen Einordnungen zu er~
m a n n s systematische Grundfrage lautet nämlich: ,.Was ist wert-
kennen.
voll im Leben, ja in der Welt überhaupt?" Erst aus der Antwort
Theoretisch ernster zu nehmen ist die Einführung des W e r t .
auf diese Frage folgt nach Hartmann, was der Mensch tun soll.
begriffs und des Begriffs der Werts c h a u , als Mittel zur Über·
Faßt man die Ausgangsfrage, die mit der nach dem höchsten Gut
windungdes ethischen Formalismus. In einem gewissen Sinne näm·
zusainmenfällt, streng auf, so muß auf sie eine religiöse Antwort
lich ist der Begriff des Wertes für die Ethik unvermeidlich, und
gegeben werden; diese Antwort zu verweigern, bedeutet die Frage
zwar insofern, als ohne Rücksicht auf von den Menschen v~r­
willkürlich abzuschneiden, allerdings auch den Fortschritt, implizit
folgbare Werte sich keine P:ßichten entwickeln lassen. Dies be-
zu einer logisch-selbständigen ethischen Problemstellung .zurückzu-
deutet jedoch nicht, daß die Pflichten aus Werten folgen, sondern
kehren. Diese Rückkehr ist bei H a r t m a n n keineswegs konse-
vielmehr nur, daß sie ohne gegebene Werte nicht aufgestellt werden
70
71
:,Ta
.,
'
I
h
können. Im Sprachgebrauch der kritischen Philo'sophie: Die Werte
sophie" entschließen, weil eine emotionale, philosophische Disziplin
gehören zur Materie der Pflicht, aber die Pflicht· selbst ist kein die
ein Widerspruch in sich ist. Es bleibt also von der Wertschau an
Handlung auszeichnendes Verdienst, sondern bloße Schuldigkeit.
An diesem fundamentalen Sachverhalt muß jede W ertethik, wenn
Formalismus- in den von Irrtum und Widerstreit der Gefühle so
sie sich auch noch so sehr sträubt, Zweck- und Güterethik genannt
heftig erfüllten Tatsachen des ethischen Lehens findet sie sicher
zu werden, scheitern und daher ·prinzipiell auf die alte Lehre vom
keine Grundlage45 •
Positivem nichts übrig, als die Intention zur Überwindung des
höchsten Gut zurückführen, die von K a n t endgültig widerlegt
In einem wichtigen Punkte weicht die phänomenologische Ethik
wurde.
Die Einführung der Wertschau ·beruht nach S c h e I e r auf
von ihrem Vorbilde B r e n t an o ab, und zwar als Folge der
o n t o I o g i s c h e n Orientierung S c h e I e r s , die ihn die Ethik
"dem höchsten Grundsatz der Phänomenologie", kraft dessen ein
nicht als Lehre vom richtigen Vorziehen, sondern von den Gegen-
Zusammenhang zwischen dem Wesen des Gegenstandes und dem
ständen dieses Vorziehens, den durch die Menschen darzustellen-
Wesen des intentionalen Erlebnisses besteht. Dieser höchste Grund-
den Werten aufhauen läßt. Hierdurch wird der psychologistische
satz ist eine verallgemeinerte Formulierung der Annahme, daß alle
Fehler B r e n t a n o s korrigiert, gleichzeitig aber ein E m p i r i s -
Urteile schließlich intuitiv begründet werden müssen, woraus un-
m u s der ethischen Inhalte eingeleitet:
mitt~lhar folgt, daß die ethischen Urteile, als Sätze a priori, auf
S c h e 1 e r eine Wesensanschauung "sittlicher Tatsachen", die not-
einer eidetischen Intuition beruhen müssen. Die Grundlagen der
wendig zu einer Verwirrung vo~ Geltendem und Gültigem führt.
phänomenologischen Ethik sollen aber nicht nur intuitiv-eidetische,
Die Idee der sittlichen Tatsache folgt solange nicht aus dem Ge-
Ausdrücklich fordert
sondern darüber hinaus jenseits intellektueller Erfaßbarkeit ·lie-
danken der materialen W ertethik, als man diese nicht als Lehre
gende, e m o t i o n a I e Inhalte sein. Der emotionale Apriorismus,
vom höchsten Gut, sondern nur als solche von gewissen positiv
der in Anlehnung an P a s c a I s logique du coeur concipiert und
ausgezeichnetenWerten (die darum nicht beanspruchen, das höchste
ein Spezialfall der antiintellektuellen, voluntaristischen Philosophie
Gut der Welt zu sein) entwickelt. Auf die sittlichen Tatsachen,
S c h e I e r s ist, beruht jedoch auf einem doppelten Mißverständnis:
45
er mißdeutet einmal ethisches Lehen als auf ethischer Erleuchtung
beruhend und hält sodann diese für die konstitutive Grundlage
der philosophischen Ethik. Daß "der brave Mann seine Pflicht tat,
ehe noch Weltweise waren", stellte bereits Schiller fest, ohne
hieraus einen emotionalen Intuitionismus für die Ethik abzuleiten.
Daß es ohne sittliches Interesse keine moralischen Handlungen
gehen kann, war K a n t kein Geheimnis. Dennoch konnte er sich
auch für die Ethik nicht zur Anerkennung einer "Lehensphilo-
72
In scharfsinniger und aufklärender Art und Weise wird der ethische
Intuitionismus S c h e l e r s und H a r t m a n n s als Gegenstück zu dem ethischen
Logizismus K a n t s von G y s i n (Recht und Kultur auf dem Grunde der Ethik,
Zürich 1929, S. 30 ff.) erörtert.
Anregend setzt sich auch·von Aster (Zur Kritik der materialen Wertethik,
Kantstudien, Bd. 33, H. 1/2, S. 172 ff.) mit Hartmanns Ethik auseinander und
stellt, den Kern der Sache treffend, fest: "Indem wir Wertethiker werden und
den Maßstab lebendigen Wertgefühls an Dinge, Personen, Sachverhalte, schließlich an uns selbst legen, verwischen wir die Grenze zwischen der Moral und der
Welt des Ästhetischen, der Kunst" (188). Leider vermindert von A s t e r die
Stärke seiner kritischen Position durch ein Bekenntnis zum ethischen Relativismus.
73
d. h. aber auf das ethische Immanenzprinzip, gelangt man erst
Willens muß in emer religiösen Ethik, wie es die phänomenolo-
durch konsequentes Zuendedenken der Abhängigkeit des Systems
gische ist, verkannt werden und damit die ethisch ausgezeichnete
der Ethik von der Religionsphilosophie: Die ethischen Tatsachen
Bedeutung des Willens.
erscheinen dann als eine Klasse jener Tatsachen, in denen sich die
Heiligkeit Gottes in dieser Welt offenbart.
Auch die phänomenologische Idee der ethischen "Wertrangord"
nung" und einer "Rangordnung reiner W ertpersontypen" ordnet sich
Diese Grenzverwirrung zwischen Religion und Ethik bestimmt
in das Bild einer religiösen Ethik ein. Als höchster Wert in ihrer
den gesamten Aufbau d~r phänomenologischen Moralphilosophie.
konsequenten Ausgestaltung bei S c h e l e r erscheint die Heiligkeit,
So vertritt S c h e l e r als eine seiner grundlegendsten ethischen Ein-
als höchste Wertperson das göttliche Wesen. Dessen Heilige sind hier
sichten (und ihm folgend Hartmann und Hildehrand46 ) die
auf Erden kraft göttlicher Sanktionierung legitimiert, Pflichten zu
Meinung, daß ursprünglich nicht der W i 11 e des Menschen, son-
setzen, ebenso, wie die ihnen nachgeordneten Wertpersontypen des
dern seine "Person", sein "individuelles Wertwesen" Gegenstand
Genies, des Helden, des führenden Geistes mit diesem Privileg aus-
der ethischen Beurteilung sei. Die "selbstverständlich gewordene
gestattet sind. Die materiale Wertethik erweist sich mit dieser Be-
Voraussetzung, daß der Wille der alleinige Träger des Sittlichen
rufung auf bestimmte Willensinhalte als Autor i t ä t s ethik,. mit-
sei, von Grund auf zu prüfen", hält H i l d ehr an d für ein funda-
telbar sogar als Moraltheologie, da ihr oberster irdischer W ertperson-
mentales Problem und S c h e I e r zögert sogar nicht, "Gesamt-
typ, der ohne weiteres das sittlich "Beste" repräsentierende Heilige,
personen" (Volk, Staat, Kirche) als ethische Subjekte einzuführen,
kein Gegenstand der Erkenntnis, sondern nur des durch Wider-
was übrigens H a r t m an n wieder korrigiert.. Der haltbare An-
sprüche nicht zu beirrenden Glaubens ist. Die materiale Wesens-
stoß zu der mit der Verkennung des Aufgabencharakters der Ethik
anschauung der Wertewelt klassifiziert daher in ihrer Ausführung
nahegelegten "personalistischen" Neuerung liegt ebenso, wie die
beliebige, darunter vor illern historisch geltende W ertvorstellung~n.
Einführung des W erthegriffs, in einer Hervorhebung der M a t e r i e
Während S c h e I e r s Wertrangordnung von Gott, der "Person
ethischen Verhaltens. Zu dieser gehören zweifellos vom Willen
der Personen" zum "Künstler des Genusses" hinabsteigt und dazu
unabhängige Momente des ethischen Subjekts, wie z. B. "Güte,
mit dem fragwürdigen Einfall der Gegenstandsunfähigkeit des Per-
Großmut, Edelmut hzw. Kleinlichkeit, Bosheit" (H i l d ehr an d),
. ~ sonseins helastet ist, begnügt sich H a r t m a n n , das Wertreich in
die sogenannten Temperamentstugenden und -Untugenden. Es ge-
seine ihm wesentlich erscheinenden Teile zu zerlegen, ohne dabei
hören zu ihr die Interessen und die Geistesverfassung des Men-
ein höchstes Grundprinzip, eine "punktuelle Einheit", erreichen zu
schen, die aber nicht an die Stelle jener Kraft treten können, die
wollen. Was H a r t m a n n über das Gute, das Edle, die Fülle, die
allein zur ethischen Verwirklichung fähig ist: des Willens. Das
Reinheit, die Gerechtigkeit, usw. teils richtig, teils falsch47 er-
V erwirklichungsprohlem und damit die ethische Bedeutung des
46
Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. III,
S. 126 ff., Bd. V, S. 462 ff.
74
47
Nach Sc h e l er ist für das Bestehen einer Verpflichtung immer ein Befehlsakt Voraussetzung, diese leite ihre Verbindlichkeit aus dem materialen Wert
der befehlenden Autorität ab. Diese autoritative Form der Umdeutung sittlicher
75
Das eigentliche Ziel der phänomenologischen Ethik, die Über-
örtert, ist für die Beurteilung seiner Ethik viel weniger wich:tig
windung des ethischen Formalismus, ist ihr also nur in sehr approxi-
als die eigenartige, an das Dogma von den Pflichtenkollisionen
mativem Grade gelungen. Die Verkennung des Aufgabencharakters
erinnernde Lehre, daß es unaufhehhare ethische Widersprüche,
der ethischen Ziele, die Umdeutung des Guten zu einem klar ge-
ethische Antinomien, gehe. Dieser Gedanke spielt bei H a r t m a n n
fühlten materialen Wert werden durch die Anregungen keineswegs
eine ähnliche Rolle, wie· bei S c h e l er , die Konzeption der uner-
aufgewogen, die von manchen ihrer psychologischen und manchen
kennharen Person: Er ist das charakteristische metaphysische Ge-
ihrer Wertanalysen ausgehen, und die heiderseits, auch soweit sie
heimnis, das uns durch den Tiefblick der ethischen Schau enthüllt
positiv zu beurteilen sind, auf keiner Schau, sondern auf einzelnen
wird, wenn es sich auch bei kühler Betrachtung immer als V er-
glücklichen phil,~sophischen Abstraktionen und vor allem auf dem
wechslung von U n t e r s c h i e d e n und G :e g e n s ä t z e n mit
psychologischen Scharfblick S c h e I e r s beruhen.
Widersprüchen darstellt, wie dies schon die Methode der Widerspruchs"entdeckung" H e g e l s war, und wie es von der apore-
II.
tischen Ethik lediglich wiederholt wird48 •
Verpfiichtung vermeidet H a r t m a n n , geht aber statt dessen von dem aporetischen Gedanken aus, das Gute sei "partial irrational", was ihn nicht hindert,
es material als "Auslese der Werte selbst nach dem Prinzip der Werthöhe" zu
bestimmen: Das Gute ist hiernach "die Teleologie der Werte in der realen Welt"
oder einfacher, das Mittel zu ihrer Realisierung, also doch ein "Mittelwert",
genau so, wie bei dem von H artman n scharf abgelehnten Utilitarismus. Die
teleologische Theorie des Guten ist die logische Folge der Eliminierung des kategorischen Imperativs, der durch den hypothetischen Imperativ verdrängt wird.
das materiale Wertreich zu realisieren. Dies selbst ist bei H a r t m a n n
mehr ein Gegenstand traditionell-erbaulicher Betrachtungen als philosophischer
Einsichten. So erscheint in diesem Reich die "Idee der Menschheit" als "tief
unwirklich", es gilt daher auch keine "Einheitskultur der Menschheit", sondern
nur eine "völkische Kultur". Die Gerechtigkeit muß sich gefallen lassen, als
Mittelwert für andere Güterwerte niederer und höherer Art bestimmt zu werden;·
dagegen wird an dem positiven Recht der Sinn erschaut, "Formulierung menschlicher ,Urrechte' in ihren weitverzweigten Konsequenzen zu sein" und insofern
eine immanente Tendenz zur Gerechtigkeit zu besitzen.
Um wieviel klarer hat der von H artman n so viel genannte Ar i s t o t e 1 es im Anfang der "Nikomachischen Ethik" seinen Gegenstand umschrieben:
"Wenn es nun ein Ziel des Handeins gibt", sagt Ar ist o t e I es, "das wir
seiner selbst wegen wollen, und das andere nur um seinetwillen, und wenn wir
nicht alles wegen eines anderen uns zum Zwecke setzen - denn da ginge die
Sache ins Unendliche fort, und das menschliche Begehren wäre leer und eitel - ,
so muß ein solches Ziel offenbar das Gute und das Beste sein."
48 Während Sc h e·I er seine materiale Wertethik konsequent in einer
76
Wie indifferent die phänomenologische Methode gegen die
durch sie mit vermeintlich absoluter Evidenz zu erschauenden Inhalte ist, wie sich also durch die gleiche Methode der Reduktion
inhaltlich ganz verschiedene Ergehnisse ableiten lassen, dafür ist
der krasse Wechsel der religionsphilosophischen Anschauungen
S c h e I e r s ein klassischer Beleg. In einer seiner letzten Abhandlungen bekennt sich S c h e I er zu der metaphysischen Lehre: ,,Der
Mensch ist der einzige Ort, in dem und durch den das Urseiende
sich nicht nur selbst erfaßt und erkennt, s~ndern er ist auch das
Religionsphilosophie ihren Abschluß finden läßt, vertritt H a r t m a n n den
·~~Gedanken einer durchgängigen A n t i n o m i e zwischen Ethik und Religion,
-~
'.J
ohne irgendeine zureichende Begründung hierfür angeben zu können. Widersprüche können nur dann auftreten, wenn die Religion in die Ethik oder
die Ethik in die Religion Übergriffe vollzieht. Beides tut die materiale Wertethik, und insofern enthält s i e allerdings Antimonien. Diese Schwierigkeiten
liegen jedoch nicht in der Idee der Ethik und der Religion, sondern in ihrer
mangelhaften Ausführung durch den phänomenologischen Intuitionismus. Wenn
es in den exakten Wissenschaften als conditio sine qua non gilt,- Widersprüche
zu vermeiden, so hat nunmehr die Philosophie des Schauens geradezu dahin
geführt, Widersprüche zu suchen, ein seltsames Beispiel dafür, welche spekulativen Erfindungen die Metaphysik geschaut zu haben sich einbilden kann.
77
bejaht, das seinem Wesen widerstreitet, da es der Sphäre endlicher,
Seiende, in dessen freier Entscheidung Gott sein bloßes Wesen zu
verwirklichen und zu heiligen vermag." Fünf Jahre vorher bezeich-
kontingenter Güter angehört. Es besteht das Wesensgesetz: Jeder
nete er Eduard v. H artman n s Gedanken einer Erlösung Gottes
endliche Geist glaubt entweder an Gott oder an einen Götzen."
durch den Menschen mit dem zwingenden Hinweis als widersinnig,
Die Plastik dieser und ähnlicher Formulierungen läßt über die
es sei unmöglich, "daß das Abgeleitete den Grund erlösen soll, der
metaphysischen Willkürlichkeiten, die mit ihr verbunden sind, hin-
Mensch, in dem .doch nichts an positiven Kräften sein kann, was
wegsehen, so z. B. über die Sätze: Alles Wissen über Gott ist Wis-
nicht auch in seinem und seines Geistes Ursprung ist, diesen Ur-
sen durch Gott; der religiöse Gegenstand trägt notwendig personale
sprung". Das logische Verständnis dieses Schwankens bereitet keine
Gestalt; der religiöse Akt ist immer gleichzeitig individueller und
Sch~erigkeiten: läßt es die phänomenologische Methode doch
sozialer Art. Solche Diktate sind immer in Wesensaussagen trans-
durchaus dahingestellt, ob man als Ausgangspunkt seiner Reduk-
formierte, konfessionelle und philosophische Dogmen, die ihre histo-
tionen ein theistisches, ein pantheistisches, ein jüdisches, ein christ-
rische Herkunft aus dem P I a t o nismus und Katholizismus ohne
liches oder ein mohammedanisches Glaubensbekenntnis wählt: wie
weiteres verraten.
in der Ethik, so begünstigt sie auch in der Religionsphilosophie
Die tiefste Schwäche der Religionsphilosophie S c h e I e ·r s liegt
einen Empirismus der Inhalte.
Sie begünstigt aber gleichzeitig eine nicht-sensualistische Reli-
in ihren Distinktionen über die notwendigen Offenbarungsgrund-
gionspsychologie, für die sich S c h e I er (in der methodisch ver-
ethischen Intuitionismus. S c h e I e r geht von dem elementaren
fehlten Form einer Aktphänomenologie, die sich über ihren Cha-
Tatbestand aus, daß religiöses Leb e n sich nicht in religiöser Er-
rakter als d e s k r i p t i v e Psychologie nicht klar ist) mit beson-
kennt:njs erschöpft und diese nicht in Religionsphilosophie, um aber
ders gelungenen Darstellungen eingesetzt hat. Es ist weniger die
hieraus eine grenzenlose Verwirrung zwischen religiösen Interessen,
religiöser Gefühlsgewißheit und Religionsphilosophie abzuleiten,
Schärfe seiner psychologischen Begriffsbildung, als die bildhafte
Anschaulichkeit seiner Sprache, die den Wert dessen ausmacht, was
er zur Wiederentdeckung der religiösen Akte des menschlichen
Geistes beigetragen hat. Ein tiefes Gefühl für das Wesentliche
der hier zu erforschenden Tatbestände leitet S c h e I er, wenn er
z. B. sagt: "Da der religiöse Akt eine wese~notwendige :Mitgift der
menschlichen geistigen Seele ist, kann gar nicht die Frage ergehen,
ob er von einem Menschen vollzogen wird oder nicht. Es kann nur
die Frage ergehen, ob er das ihm adäquate Objekt :findet, das
Ideenkorrelat, zu dem er wesensmäßig gehört oder ob er auf ein
Objekt zielt und es als heilig und göttlich, als absolutes Wertgut
78
lagen der Religion. Es verhält sich hiermit ähnlich wie bei dem'
als wichtigsten Anwendungsfall seiner allgemeinen Untero~dnung
der Philosophie unter den Glauben. Die kritisch-wicht.igste Auf~gabe der Religionsphilosophie, die Begründung ihrer Selbständigkeit gegenüber jeder konfessionellen Dogmatik und jedem konfessionellen Bekenntnis, wird also von S c h e I e r vollständig verkannt.
Und dies, obwohl alle Voraussetzungen zur Widerlegung des Scheins,
den die .Lehre von einer selbständigen, d. h. von den Quellen der
religionsphilosophischen Überzeugungen gänzlich-unabhängigen,
religiösen Glaubensgewißheit hat, ihm vollkommen zur Verfügung
standen. In der Konsequenz dieses grundlegenden Mangels gestaltete
79
sich die Religionsphilosophie S c h e 1 e r s in ihrer Wirkung vor-
wandten Inhalt der z w e i t e n Prämisse allein vorausgesetzt hätte,
wiegend zu einer religiösen Ideologie.
Diese Tendenz wurde noch unterstützt durch S c h e I er s Intui-
der nämlich den Inhalt seiner Behauptung enthält: Wenn ich weiß,
tionen über das göttliche Wesen. So .scharfsinnig und treffend viele
so weiß ich es natürlich auch für d i e s e Welt. Die Frage ist aber
seiner Bemerkungen auch hier sind, so die Lehre von dem not-
gerade, ob für jede mögliche Welt ein geistiges Sein vorauszusetzen
wendig negativen, hzw. analogischen Charakter aller Aussagen
sei, und diese Frage gibt S c h e I e r einfach wieder zurück.
daß das Sein j e d e r möglichen Welt ein geistiges Sein voraussetzt,
über das Ewige, schließlich verliert sich seine Darstellung der gött-
S c h e I e r s Religionsphilosophie ist im doppelten Sinne ein
lichen Attribute doch in einen sublimierten konfessionellen Anthro-
Torso. Das Vorliegende ist mehr Skizze als ausgearbeitete Lehre; er
pomorphismus49, der durch sehr brüchige Argumentationen gestützt
selbst hat sich von ihr losgelöst. Ihre Bedeutung im Rahmen der
wird. Ein Prototyp sol~her Argumentation ist S c h e 1 e r s Beweis
phänomenologischen Schule ist daher vorwiegend eine exemplifi-
der Geistigkeit Gottes. Dieser Beweis lautet folgendermaßen:
zierende: sie belegt eine m ö g I i c h e Ausgestaltung der ·phäno-
1. Diese Welt ist in ihrem Sein unabhängig vom Dasein meines
menologischen Religionsphilosophie. Darüber hinaus ist sie der
geistigen Akts und vom Dasein jedes Aktes desselben W e-
Grenzfall einer Sphärenverwirrung zwischen subjektivem Bekennt-
sens; jeder ihrer Gegenstände ist nur teilweise und inadäquat
nis und wissenschaftlicher Einsicht, die durch die phänomenolo-
solchem geistigen Akte (möglich) immanent.
2. Es gehört gleichwohl zum Sein jeder möglichen Welt, das
gische Philosophie logisch ermöglicht, sich gerade bei S c h e I er
bis in seine empirischen Untersuchungen hinein fortsetzt. Deren
Sein eines möglichen Geistes und zu jedem Gegenstand, volle
Kritik ermöglicht erst ein vollständiges Erfassen des phänomeno-
mögliche Immanenz dieses Gegenstandes in diesem Geiste.
logischen Einbruchs in die Erfahrungswissenschaften, der sich
3. Also gehört ~uch zur Welt ein Geist, der -
wenn ich 'die
para~
digmatisch in der S o z i o I o g i e 50 vollzogen hat.
Welt setze- notwendig mitzusetzen ist und der (auf Grund
der ersten Prämisse) nicht der menschliche Geist sein kann
-
weder seinem Dasein nach, noch· seinem Wesen nach.
3. Zur ph änomeno log.ischen S oz.iolo gie.
S c h e I e r wäre dieser Be~eis bedeutend einfacher möglich
Wie kaum eine andere Erfahrungswissenschaft, spiegelt die
~Soziologie d~n heftigen Methodenstreit wieder, der sich zwi-
gewesen, wenn er den dem phänomenol~gischen Idealismus ver-
schen dem hergehrachten Positivismus und der wieder erwachten
Solange S c h e I e r die Unhestimmbarkeit des göttlichen Wesens durch
Naturbegriffe, wie Raum, Zeit, psychologische Qualitäten. entwickelt, ist er seinen
Kritikern aus dem Kreise der katholischen Philosophie (Pr z y w a r a, Ge Y s er)
überlegen. Aber mit der Lehre. von den analogischen Attributen Gottes (z. B.
Geist, natürliche Offenbarung, Wille, Schöpfermacht) lehnt sich Sc h e I er
allzueng an die A u g u s t i nische Mystik an, gegen die der T h o mismus in
entscheidenden Punkten siegreich bleibt.
Metaphysik abspielt. Es koexistieren heute soziologische Theorien,
49
80
die sich ausdrücklich als Tochterdisziplinen einer theologischen
50 Ich wähle das Beispiel der Soziologie., weil es mir .aus eigener Arbeit
vertraut ist, und weil es die früher entwickelte Bedingung der relativen Unentwickeltheit (I, 3.) erfüllt, die es aprioristischen Eingriffen im besonderen Maße
aussetzt.
6 Kraft, Von Husserl zu Heidegger
81
Dogmatik bezeichnen mit solchen, die dem radikalsten Positivismus
folgen, und es ist ·daher nicht leicht, diesen Gegensätzen und den
fall der A n t h r o p o I o g i e auffaßt, diese aber -
sich zwischen ihnen einschiebenden vermittelnden Ansichten gegen-
als "philosophische Anthropologie" bearbeitet, deren Thema nicht
über einen adäquaten Standpunkt zu gewinnen. Die Schwierigkeit
wächst bei einem tieferen Studium, das in jeder der vorliegenden
die Stellung des Menschen in der Natur, sondern seine "Stellung
im Kosmos" ist. Die Problemstellung der philosophischen Anthro-
Theorienbildungen irgendeinen auswertbaren Gedankenkern finden
pologie ist nichts anderes als eine Weiterführung der von S c h e •
wird. Es ist kein Zufall, daß innerhalb dieses Bildes die phäno-
I e r in seiner Religionsphilosophie vertretenen Lehre von der natür-
mächtig gefördert, daß er -
mit Recht -
die Soziologie als Sondermit Unrecht -
menologische Soziologie nicht auf jener Seite steht, die auch in
lichen Offenbarung Gottes im Menschen (die von dem Wandel
der Soziologie das Ideal der exakten Wissenschaft, d. h. aber das
seines Gottesbildes unberührt bleibt). Die von S c h e I e r mit so
der N a tu r w i s s e n s c h a f t im Sinne der Grundintention von
großer Verve gegen den Sensuiilismus wieder zu Ehren gebrachte,
M.a r x und P a r e t o vertritt. Die phänomenologische Soziologie
über die bloße Animalität hinausweisende Seite der menschlichen
ist vielmehr die sublimierteste Form der antinaturalistischen Ten-
Seele verwandelt sich ihm so in ein partielles Herausfallen des
denzen in der Soziologie, und in dieser Form ist sie bereits von
Menschen aus dem Natursystem überhaupt: die philosophische An-
H u s s e r I postuliert worden. Die "intersubjektiven Gemeinschaf-
thropologie S c h e I er s führt in den . Formen der phänomeno-
ten" erweisen sich nämlich nach einer Bemerkung Husse r I s "obschon wesentlich fundiert in psychischen Realitäten, die ihrerseits
logischen Metaphysik zu der uralten t h e o I o g i s c h e n Anthropologie zurück51•
im Physischen fundiert sind, als neuartige Gegenständlichkeiten
Für die phänomenologische Soziologie ergibt sich hieraus die
höherer Ordnung". 'Oberhaupt zeige es sich, daß es vielartige Gegen·
Konsequenz, daß auch sie philosophische Gedanken dort einführen
ständlichkeiten gehe, "die allen psychologistischen und naturalistischen Umdeutungen trotzen. So alle Arten von W ertohjekten und
wi!d, wo eigentlich die Erfahrung zu sprechen hat, und daß siebereits dem P r i n z i p der Erfahrungswissenschaft, das die Einfüh-
praktischen Objekten, alle konkreten Kulturgehilde, die unser
aktuelles Lehen als harte Wirklichkeiten bestimmen, wie z. B. Staat,
rung transzendenter Beziehungen in die empirische Analyse überhaupt ausschließt, nicht Genüge tun wird. Sehr treffend bemerkt
Recht, Sitte, Kirche usw." Dieser Hinweis H u s s er I s läßt sich
S c h e I e r. einmal: " ... jede Geschichtslehre hat in einer bestimm-
zwanglos als Analogie zu seiner .Apriorisierimg der psychischen
ten Art von Anthropologie lhren Grund, gleichgültig, ob sie dem
Inhalte zu einer autonomen Sinnregion deuten. Der Sinnregion des
reinen Bewußtseins entspricht auf. sozialem Gebiete die höhere
Gegenständlichkeit seiner Erscheinungen, wobei bei H u s s e r I he.reits, wie seine Beispiele Recht, Staat und Kirche zeigen, wert·
immanente Gedankengänge eine unterstützende Rolle spielen.
Die Apriorisierung des Sozial~n wird von S c h e I er dadurch
82
51
Es besteht ;lwischen H u s s e r I s Avriorisierung des Psychischen durch
die Lehre vom reinen Bewußtsein und S c h e I e r s philosophisch~r Anthropo·
logie kein wesentlicher Unterschit"d. Die Annahme einer durch psychische Akte
"getragenen" transnaturalen Sinnregion impliziert bereits die Leugnung des
Naturcharakters des IV.Ienschen. S c h e I e r denkt diesen Gedanken lediglich zuende, indem er sich das Verhältnis des "Ewigen im Menschen" zum Kosmos und
zu Gott zum metaphysischen Problem macht. Die transzendentale Verdrängung
. der Psychologie ist also die Vorstufe der philosophischen Anthropologie.
6*
83
Historiker, Soziologen oder Geschichtsphilosophen bewußt und be-
gischen Methodenlehre der Sozialwissenschaften hat S o m h a r t 52
kannt ist oder nicht." Die Konsequenz aus dieser Einsicht ist aber
in Analogie zur geisteswissenschaftlichen Psychologie entwickelt.
durchaus nicht die Ableitung der Soziologie aus philosophischen
S o m h a r t s Argumentation beruht durchgehend darauf, daß er
Spekulationen über die Natur des Menschen, sondern die Vertiefung
die methodischen und inhaltlichen Mängel der Aufklärungs-
und
soziologie und des soziologischen Positivismus gegen den sozial-
Verfeinerung ihrer
e m p i r i s c h - p s y c h o 1o g i s c h e n
Voraussetzungen.
Die phänomenologische Soziologie ist charakterisiert durch die
wisSenschaftlichen
Naturalismus
auszuspielen sucht,. um aber
im Ergebnis mit seiner verstehenden Sozialwissenschaft nicht mehr
Fragestellung, das W e s e n der sozialen Erschein~gen durch We-
zu gehen als inexakte Empirie mit metaphysischen Dekorationen.
sensanschauung zu bestimmen. Man kann diese Aufgabe einmal
B~ides steht völlig außer Zusammenhang mit den empirischen Fort-
meth
schritten der Nationalökonomie und der sonstigen soziologischen
0
d i s c h verstehen und kommt dann auf eine phänomeno-
logische Philosophie der Sozialwissenschaften. Man kann sie aber
Disziplinen: ein deutliches Zeichen dafür, wie wenig die Praxis
auch in haItIich auffassen und erhält dann die Aufgabe einer
der sozialwissenschaftliehen Forschung von der phänomenologischen
philosophischen und einer nach ihren Leitgedanken zu behandeln-
Methodenlehre zu erwarten hat. Die materiale Soziologie der Phäno-
den empirischen -Soziologie.· Diese Möglichkeiten entsprechen den
menologen zerfällt deutlich in zwei Gruppen: in die doktrinäre und
bereits erÖrterten (I, 3.) Grundfällen einer W e s e n s wissenschaft,
in die essayistische, von denen jene zwar nach Exaktheit strebt,
es mit dreierlei zu tun haben kann: mit dem Inneren eines
aber zu keinen wesentlichen Ergehnissen gelangt, während diese
Gegenstandes, worüber uns G o e t h e eindringlich helehrt hat,
sich ihren Einfällen überläßt und daher, wenn sie von einem Kopf,
daß es keinem erschaffenen Geist zugänglich ist; weiter mit den-
wie S c h e I e r , behandelt wird, Anregungen bietet.
jenigen Momenten, die durch den
Be g r i f f
eines Gegenstandes
Daß die sozialen Phänomene einen "Zustand innerer Verbun-
gedacht werden, . aber zu, deren Bestimmung . bedarf es keiner
denheit" aufweisen, daß sie "eigene -Gebilde gegenüber den ein-
besonderen Anschauung, sondern nur des Denkens; schließlich mit
zelnen" seien, -daß die Gemeinschaft sich "durch Ausweitung des
der Natur bestimmter Erscheinungen, z. B. mit der Natur des
Ichhewußtseins" konstituiere, die Gruppe ein "soziales Objektiv-
Staates, d. h. mit dem für sein Auftreten in der Geschichte bestehen-
gebilde", der Vertrag aber einen "zarte~ Regenbogen einer sittlichen
den Gesetzmäßigkeiten: diese finden wir jedoch allein auf erfah-
V erhundenheit" darstelle, zu diesen und anderen logisierend-ästhe-
rungsmäßigem Wege, so daß_ also die phänomenologische Soziologie
tisierenden Thesen bedarf man keinerlei Schau, zu ihrer Aufstel-
metaphysische Konstruktionen, Begriffsbestimmungen sozialer Er-
lung braucht man nur hergehrachte soziologische Unhestimmtheiten
scheinungen und empirische soziologische Theorien enthalten wird,
in die phänomenologische Terminologie zu übertragen. Der herech-
die sie sämtlich von anderen übernommen oder sich selbst gebildet,
keinesfalls aber erschaut hat.
Eine charakteristische Zusammenfassung der phänomenolo84
52
"Die drei Nationa!ökonomien", München und Leipzig 1930; näheres zur
Beurteilung S o m hart s bringt meine Abhandlung "Somharts drei Nationalökonomien", Die Volkswirte, 29. Jahrg., Nr. 13/16, S. 220 ff.
85
tigten Forderung nach einer tieferen anthropologischen Fundierung
nieren" ein höchst wichtiger Faktor des sozialen Geschehens ist.
der Soziologie wird auch dadurch keineswegs Genüge getan, daß
Es bedeutet daher eine unhegründhare, aprioristische Vorwegnahme
ein Katalog von Triehen (etwa: Selbstgefühl, Unterordnungstrieh,
Kampftrieh, appetitus socialis, usw.) als Ur p h ä n.o m e n e hinge-
der Erfahrung, wenn S c h e I e r prinzipiell Planwirtschaft, Weltstaat und Eugenik auf Grund seiner Lehre von der Machtlosigkeit
stellt werden, wo es sich doch tatsächlich dabei um komplexe Phä-
des Geistes für Utopien erklärt. Die unbestreitbare Tatsache macht-
nomene handelt, die nur analytische Aufgaben nennen, aber keines-
voller Hemmungen für die Verwirklichung solcher und anderer auf
menschlichen Fortschritt abzielenden Einrichtungen.läßt sich nicht
falls einen Abschluß der Untersuchung bedeuten5 3 • Diese Form der
unzureichenden psychologischen Begriffen beruhenden, klassi:fik.ato-
a priori, sondern nur empirisch für bestimmte historische Epochen
in ihrer Relevanz bestimmen.
.
rischen Darstellung, im Grunde genommen also auf eine inhaltsent-
Ein unglücklicher Gedanke S c h e I e r s ist auch die in seinen
phänomenologischen Soziologie führt also zu einer auf theoretisch-
leerte Soziologie ohne eigentlichen Erklärungswert zurück.
soziologischen Untersuchungen immer wiederkehrende Behauptung
Mit großer Kombinationskraft hat S c h e I e r eine phänomeno-
von dem N i c h t h e s t e h e n einer Einheit der Menschennatur.
logische Soziologie im Sinne einer teils metaphysischen, teils empi-
Zwar lehnt er den groben M a r x sehen Soziologismus, der Wissen-
rischen Betrachtung entwickelt und dabei die P:t:ohleme der Ku 1-
schaft, Kunst und Religion dem Götzenbild des bewußtseinsbestim-
t u r soziologie bevorzugt. Wie er richtig betont, kann eine Ana-
menden gesellschaftlichen Seins opfert, scharf ab, gelangt aber
lyse der religiösen, künstlerischen, rechtlichen, wissenschaftlichen
dennoch in bedenkliche Nähe zu dem Grundansatz dieser Theorie
Zwecken dienenden, sozialen Organisationen sich mit einer bloßen
mit dem, was er Wissenssozi o I o g i e nennt. Hiermit hat
Trieblehre nicht begnügen, sondern bedarf der Ergänzung durch
er eine soziologische Sensation eingeleitet, bei der gegenwärtig
eine den höheren psychischen Funktionen gewidmeten Theorie, die
Seine eigene Geistlehre unterliegt jedoch
immer mehr die ungesunden die gesunden Elemente überwuchern.
Zwei grundlegende Tatsachenreihen legt S c h e I e r anschaulich in
schwerwiegenden Einwänden. So z. B. seine bekannte, an der mate-
ihrer Bedeutung klar: Die Abhängigkeit gegebener Wissensentwick-
rialistischen Geschiehtsauffassung und dem Pragmatismus überhaupt orientierte These von der M a c h t I o s i g k e i t des Geistes
lungen. von der sonstigen Gesellschaftsorganisation und cler Gesell.Schaftsorganisation überhaupt von der Wissensentwicklung, heide
in der Geschichte. Diese Lehre beruht nur auf einer Verwechslung
Male die T a t s a c h e des Wissens als gegeben voraussetzend.
der höheren geistigen Akte mit ihren Ge g e n s t ä n d e n. All~r­
Wer Betrachtungen darüber anstellt, wie Staat und Kirche die
Entwicklung von Philosophie und Naturwissenschaft gehemmt und
er Geistlehre nennt.
dings: weder die Wahrheit noch das Recht können handelnd in der
Geschichte auftreten, aber S c h e I e r selbst hebt ausdrücklich hervor, daß das S t r eh e n nach ihnen durch die "freie Tat von Pio53
Die Beispiele aus: Vier k an d t, Gesellschaftslehre, Stuttgart 1923,
5.17, 203, 321, 241, 24ff'.
86
gefördert haben, oder wie das techni~che Wisstm für die Wirt~
Schaftsentwicklung relevant wurde, reduziert damit das Wissen
nicht auf andere Daten, sondern setzt es zu außerintellektuellen
Bedingungen in eine g e n e t i s c h e Beziehung. Ganz anders ge-
87
Beid~_
staltet sich die Sachlage, wenn man das Wissen selbst auf andere,
I 11 u s i o n e n.
und zwar sogenannte soziologische Bedingungen zu reduzieren
sich zwar selbst, aber hierfür steht das bewährte Hilfsmittel der
s~cht. Dann ergibt sich unweigerlich ein Rückfall in die Fiktion
He g e 1 sehen Dialektik zur Verfügung, das mit seiner Eliminierung
heute so verbreiteten Lehren widersprechen
der sozialen W esenheiten, wie auch S c h e l e r seine geistreiche
des Satzes vom Widerspruch die hier durch die Soziologie voll-
Wissenssoziologie mit dem aprioristischen Diktat einleitet: Kein
zogene Vernichtung des Denkens allgemein formuliert 54•
Ich ohne Wir, und zwar ohne Gruppenseele und Gruppengeist. Die-
Die Methode, ungebundene Einfälle als soziologische W esensan-
ser Ansatz hat den groben Materialismus des M a r x ismus beseitigt,
schauungen vorzutragen, steigert sich noch weiter in der a n g e-
erneuert aber dafür Hege l s objektiven Geist und S a v i g n Y s
wan
V olksgeist. S c h e I e r-s bekannter Katalog klassenmäßig bestimmter
S c h e 1 e r s Stellung zum Kriege, den er während des Weltkrieges in
formaler Denkarten, z. B. Unterklasse- W erdensbetrachtung, Ober-
seiner "erkenntnisdisponierenden Bedeutung für die Erfassung abso-
klasse -
dt e n
Soziologie. Hierfür ist das eindringlichste Beispiel
Seinsbetrachtung, steht auch auf schlechtem Fuß mit der
luter Realitäten", "als Ahmesser der Gesamtwerte einer Nation",
Erfahrung. Er umfaßt keineswegs "formale Denkarten", sondern
"als Vorstufe der religiösen Liebesmoral" lobpries, und dem er später
Klassifikationen historisch-variabler Betrachtungsarten,
ähnlich
mit gleicher Apodiktizität die Forderung des Weltfriedens ent-
wie die Aufreihung sogenannter Kategorien des deutschen und
gegenstellte. Gerade an diesen politischen Konsequenzen erweist
englischen Denkens im "Genius des Krieges und der deutsche
sich die ganze praktische Gefahr, die in der Sphärenverwirrung
Krieg". überhaupt ist die Verwandtschaft der Wissenssoziologie
liegt, wie sie in der phänomenologischen Soziologie vollzogen wird.
mit der national orientierten Kulturgeschichte auffallend: In dieser
Was sie im Ergebnis gebracht hat, ist kein Fortschritt über den
spielt die metaphysische Potenz der Volksindividualität dieselbe
Positivismus hinaus, sondern eine Untergrabung des Exaktheits-
Rolle, wie in jener die Klasse. Beide Male wird das ignoriert, was
strebens in den Sozialwissenschaften55•
die Grundkräfte des kulturellen Geschehens in sich enthält: das
produktive und das rezeptiveIn d i v i du u m.
Die Wissenssoziologie im Sinne einer Z~rückführung des Wissens auf soziale W esenheiten (diese Konsequenz ist unvermeidbar,
da die empirisch gegebenen sozialen Erscheinungen bereits Wissenselemente enthalten und zu einer Reduktion des Wissens überhaupt
sich also nicht eignen) führt zu folgender typischen Konsequenz:
man muß entweder die Möglichkeit einer Wahrheitserfassung
o h n e Wissensgrundlage annehmen und kommt dann auf die sogenannte Klassenwahrheit, allgemeiner ~uf das "seinsgebundene Denken" (Mann heim), oder aber man erklärt alle Vorstellungen für
88
Die durch die Phänomenologie beförderte fundamentale V er54 V ergleiehe hierzu m e i n e Abhandlungen: "Soziologie oder Soziologismns?'\ Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie, 5. Jahrg., H. 4, sowie:
"Reine und augewandte Soziologie", Gesellschaft, Staat und Recht, Festschrift
für Hans K e I s e n, Wien 1931, S. 42 :ff. An diesen Beitrag schließt sich die
obige Stellungahme zur Wissenssoziologie an; eine ansgezeichnete Kritik von
Sc h e I er s "Wissensformen und die Gesellschaft" bietet Kreis (Kantstndien,
Bd. 34, H. 3/4, S. 479 :ff.).
55 Zur Beurteilung der ans der phänomenologischen Soziologie ableitbaren
politischen Konsequenzen vergleiche man S c h e I e r : Der Genins des Krieges
und der deutsche Krieg, 3. Anfl., Berlin 1916; Die Idee des Friedens und der
Pazifismus, Berlin 1931; außerdem D. v. H i I d e brand, Metaphysik der Gemeinschaft, Augsburg 1930, der ein vollständiges katholisches Naturrecht phänomenologisch entwickelt.
89
wirrungzwischen Religion und Erfahrung zersetzt im weiteren Entwicklungsgang der Schule fortschreitend ihre eigentlich-philosophischen Teile. Logik, Metaphysik und Erfahrung werden trotz
ihrer unaufhehharen Schranken disziplinlos durcheinander geworfen, und ail Stelle der Gedanken breitet sich ein undurchdringlicher W ortnehel aus.
m.
Philosophie als kosmisches Geschehnis:
Heidegger.
l. Problemstellung und Methode der Philosophie.
Der höchste Zweck, dem Husse r I s Philosophie nachstrebt,
ist das Ideal der strengen Wissenschaft. Schon S c h e I e r :findet
an dieser Aufgabe kein Genügen mehr und schwankt zwischen Bekenntnis und Wissenschaft unentschieden hin und her. Bei He i ·
d e g g e r wird der w i s s e n s c h a f t l i c h e Ausgangspunkt H u s s e r I s völlig verleugnet und der Sprung in die Mystik hinein vollzogen. Die Richtung, in der He i d e g g e r die Phänomenologie
umgebildet hat56, ist schon in seiner Erstlingsschrift über D u n s
"·~;--;~tu s vorgezeichnet. He i d e g g er bezeichnet dort "Philosophie als vom Lehen
~_hgelöstes,
rationalistisches Gebilde", als
"machtlos", "Mystik als irrationalistisches Erleben, als ziellos",
; woraus sich unmittelbar seine Aufgabe ableitet, eine r a t i o n a I e
.
.
L.Mystik, hzw. einen m y s t i s c h e n Rationalismus zu entwickeln.
Ganz in der Richtung des letzteren liegt schon die Art, wie H e i d egge r H u s s er I s Prinzip der logischen
Sinnreg.!,~n
...............-....
~- •.-.,~
auffaßt.
56
Für die Beurteilung H e i d e g g e r s beziehe ich mich auf folgende seiner
Schriften: Die Kategorien- und die Bedeutungslehre des. Duns Scotus, Tübingen
1916. Sein und Zeit, 2. Aufl., Halle 1929. Kant und das Problem der Metaphysik,
Bonn 1929. Vom Wesen des Grundes, Bonn 1929. Was ist Metaphysik? 2. Aufl.,
Bonn 1930.
90
91
Er hält es für notwendig, diesen "Gegenstandshereich hinsichtlich
seiner Wirklichkeitsform. •.. noch weiter zum Problem" zu machen,
und zwar "mit den systematischen Mitteln einer prinzipiell weltanschaulich· orientierten Philosophie", die sich "die Aufgabe einer
letzten metaphysisch-teleologischen Deutung des Bewußtseins" stellen müsse. H u s s e r I s Apriorisierung des Psychischen wird hier
also im Sinne ihrer
·~~~ordnung
in eine· Kosmologie gesteigert,
deren Ansatzpunkt der Mensch ist. Bei der Präzisierung seiner
metaphysischen Konstruktionsaufgabe konnte H e i d e g g e r in entscheidenden Stücken auf H u s s e r I und S c h e I er zurückgreifen.
Dies gilt schon für seine eigentümliche Sprachtechnik, die sich auf
H u s s er I s allgemeine Legitimation berufen kann, die Eigenart
der phänomenologischen Erkenntms. mache auch e~ne besondere
Sprache nötig. H u s s e r I seihst benutzt vielfach sprachliche Neubildungen, allerdings mit der -
auch seiner allgemeinen sprachlichen
Darstellungsregel zugrunde liegenden -
Absicht maximalster Klar-
heit, die. er auch i~ seinen gelungensten Untersuchungen wirklich
erreicht, während der für H e i d e g g e r typische Stil sich gerade
durch das Verschwimmen aller bestimmten Konturen auszeichnet.
Bereits
in seinen "Ideen'', noch eindringlicher
in den "Medi~
.
.
tations cartesiennes", hat H u s s e r I eine phänomenologische 0 n t o I o g i e postuliert: ,;la phenomenologie transcendentale, systematiquement et pleinement developpee, est eo ipso une ·authentique
ontologie universelle". He i.d egge r brauchte nur noch nach dem
Vorbild S c h e I e r s auf den ·phänomenologischen. Idealismus zu
verzichten, um die Phä~omenologie überhaupt als Ontologie he·
treiben zu können. Auch H e i d e gg 'e r s Vorliehe für die Metaphysik des Nichts und des Menschen, findet hei H u s s er I und
S c h e I e r verschiedene Anregungen. Die Irrealität· des· reinen Bewußtseins in seiner merkwürdigen Funktion der Garantie aller
92
Seinsgeltung, S c h e I e r s Schaudern vor dem "Abgrund des absoluten Nichts" konnten durch entsprechenden Aushau leicht eine
bevorzugte ontologische Stellung erhalten. Der lehensphilosophische
Einschlag H e i d e g g e r s , das Ausgehen vom "ln-der-Welt-sein"
des "Daseins", d. h. des Menschen, findet gleichfalls ein Vorbild
hei S c h e I e r , der die philosophische Anthropologie als Zentraldisziplin der Philosophie ansah und eine Phänomenologie der natürlichen Weltanschauung skizzierte, die sich u. ·a. mit dem jeweiligen
"Umweltsein" des Subjekts hefaßi. übrigens n.ach H u s s er I s
Anweisung, der das Moment des "Seins in der Welt" als . Grund-
cha~a!-:teristikum der ,,natürlichen Erkenntnis" hervorheht57 •
57
, Unter die Phil~sophen, auf die H e i d e g g er sich zu stützen sucht, ist
auch K an t gerückt, wobei H e i d e g g er erkennt, daß K an t die Metaphysik
nicht einfach zermalmen, sondern ihr vielm"ehr einen· sicheren Grund bereiten
wollte. Die Metaphysik; die K a n t von H e i d e g g er unterlegt wird, ist aber
von solcher Art, ilaß sie an interpretatoiischer Willkür nicht ihresgleichen findet.
Allerdings: eine Interpretation, die "notwendig Gewalt brauchen" muß, um das
"noch Ungesagte durch das Gesagte vor Augen" zu legen, kennzeichnet sich damit
se~bst "als schweifende Willkür", mag sie noch so emphatisch "die Kraft einer
vorausleuchtenden Idee" beschwören. Nach dieser Methode ist "das Problem von
,Sein und Zeit'" niir eines der unendlich vielen Probleme, die man, bei entsp:rechender "Kraft zur Durchleuchtung'', als der Kritik der Vernunft zugrunde
liegend, "ait den Tag bringen kann".· Aber auch für diese Vieldeutigkeitskonseque~z ist VorsÖrge get~offen. Denn "die Metaphysik des Daseins ist" nun einmal
"überhaupt kei~ fest und bereit liegendes ,Organon', sie muß sich jederzeit unter
Verwanjllung ihrer Idee in der Ausarbeitung der Möglichkeit der Metaphysik
erneut umbilden"..
.
. Bei solchen Interpretationsprinzipien kann. die. Behauptung nicht in Erstaunen setzen, daß die_ "Wesensstruktur der Achtung in sich die ursprüngliche
Verfassung der transzendentalen Einbildungskraft hervortreten läßt". ,In wem
bei dieser "fundamental-ontologischen Analyse" "qas ständige, obzwar meist verborgene Erzittern alles Existierenden" nicht "geschieht", der mag alle Bemühungen um die Pilosophie als hoffnungslos aufgeben, und all die überraschenden Kombinationen, die K an t s feierlicher,. vorläufiger Suspendieru~g der Metaphysik zum Trotz die Litik der Vernunft zu "einer Metaphysik des Daseins"
umdeuten, sind für den dergestalt philosophisch Unbegabten doch zu nichts
93
Zu diesen konkreten Anknüpfungsmöglichkeite11 kommt der
allgemeine systematische Sachverhalt, daß die Phänomenologie, als
der Logik im "Wirbel eines ursprünglicheren Fragens" (He i d e g.
g e r) auflöst, wenn man sie ~it S c h e I er s Absage an die Idee der
Philosophie des Absoluten, eine allgemeine Ontologie, eine Lehre
vom "Sein des Seienden", ebenso begünstigt, wie sie mit der We-
wissenschaftlichen Philosophie vergleicht, so charakterisieren: sie
ist eine Übersteigerung des voluntaristischen Realismus zu einem
sensanalyse j e d e s Gegenstandsbereichs auch einer solchen des
kosmischen Mysterium. Sie begnügt. s,~ch nicht, in der Philosophie
menschlichen Daseins die Bahn freigibt. He i d e g g e r , der als
die Erkenntnis durch Glaube, Trieb, Gefühl und Offenbarung einzu-
philosophische Gesamterscheinung in so krassem Gegensatz zu
schränken und damit tatsächlich zu verdrängen, sondern sie will von
H u s s e r I steht, ordnet sich also dennoch dem Gang der phäno-
vornherein n~r ein Mysterium sein und als solches geglaubt werden.
menologischen Schulentwicklung zwanglos und kontinuierlich ein.
Die Argumentationsmethode dieser Philosophie ist daher keine
nach Regeln 'der Logik fortscheitende B e g r ü n d u n g , sondern
Seihst unter Berücksichtigung dieser systematisch-historischen
Zusammenhänge ist es bei der Dunkelheit der H e i d e g g er sehen
etwas, was man besser B e w o r t u n g nennen kann, eine Kunst der
Sprache nicht leicht, seine wirklichen Meinungen über Aufgabe,
"Belehnung" mit Worten. Die Bewortung substituiert alten Bezeichnungen n~ue, um so auf unmerkliche Weise alte und neue
Methode und Inhalt der Philosophie festzustellen. Immerhin, über
einen entscheidenden Punkt spricht er sich klar aus: "Seine Philosophie kann nie am Maßstab der Idee der Wissenschaft gemessen
Vorstellungsinhalte miteinander · vertauseilen zu können. Sie helegt aber nicht minder alte IDhalte mit neuartigen Bezeichnungen
werden." Die Metaphysik gehört nach Heide ggerzur "Natur .des
Menschen". Sie ist weder ein Fach der Schulphilosophie- sie ist
wid glaubt schon damit eine philosophische Einsicht zu ve~it­
"das Grundgeschehen im und als Dasein seihst". "Sofern der Mensch
existiert, geschieht das Philosophieren." Aber wie geschieht es? Bis-
stantiva um, sie verselhständigt W ortsilhen und vermeint durch
. diese Bezeichnungsart neuartige .Entitäten aufzuweisen5s.
her philosophierte man mit dem Kopf, aber um die Geheimnisse des
Die Husse r I sehe Forderung: "Zu den Sachen selbst" ist
das Sprungbrett, von dem aus sich H e i d ~ g g e r zu seiner "Fundamentalontologie" .emporschwingt59• Dieser Emporschwung beruht
teln. Sie bildet Präp6'Sitionen, V erha .und Konjunktionen zu Sub-
Seins und des Nichts zu entschleiern, genügt der Kopf nicht. Wir
müssen uns den "Grunderfahrungen" der "Langeweile" und der
"Angst" hingehen, um des "In-die-Nähe-Kommen zum Wesentlichen
, aller Dinge" teilhaftig zu werden. Dann offeilhart uns die Langeweile "das Seiende im Ganzen" und die Angst das "Nichts", von
dem wir schaudernd inne werden: "das Nichts nichtet".
Man kann diese ·philosophische Methodik, bei der sich die Idee
nütze. Im einzelnen hat C a s s i r e r (Kaut und das Problem der Metaphysik,
Kantstudien., Bd. 36, H. I/2, S. 1 'ifJ die Unhaltbarkeit der He i d e g g er sehen
~"':K.-;~ti~terpretation gezeigt.
94
58
Die Geistesverfassung der Verbalphilosophie drückt in theologischer
Sprache charakteristisch B u 1 t m a n n aus, der sich zu dem Satze versteigt:
"Eine andere Möglichkeit, daß die Vergebung Gottes für den Menschen Wirklichkeit werde, als das Wort, gibt es nicht" (L c. S. 200). Religiöser Glaube wäre
· also W ortglaube. Die Religion offenharte sich im Wort, wir wären auf die Stufe
der Wortmystik herabgesunken.
'
59
Yor H e i d e g g. e r hat sich in dieser Richtung, aber ohne ähnlichen
Erfolg in der Öffentlichkeit, Hedwig C o n r a d - M a r t i u..s bemüht, z. B. in
ihrer ~.Realon~oiogie" (Jahrb., Bd. VI, X) und i~ den "Metaphysischen Gesprächen",
die, sich über Dämonen, Engel, Pflanzen, Tiere und Menschen verbreitend, eine
typische ."Bilderbuchphänomenologie" enthalten.
95
auf folgender einfacher Bewortungsanweisung: Man setze an die
legung", als "Hermeneutik", bezeichnet. Durch geeignete herme-
Stelle von "Zu den Sachen seihst": ,,Das was sich zeigt, so wie es
neutische Behandlung von Worten, d. h.
sich von ihm selbst her zeigt, von ihm seihst her sehen lassen".
Worte und entsprechende Sinnvefschiehii:Dg~~. wird dem W o r t •
Was ist aber "notwendig Thema einer ausdrücklichen Aufweisung ?"
s e i n und damit auch -
Offenbar solches, "was sich zunächst und zumeist gerade nicht
phische Vieldeutigkeit der H e i d e g g e r sehen Grundfrage voraus-
zeigt ..."
gesetzt -,dem Begriff des Seins und dem absoluten Sein seihst jener
Was zeigt sich aber' zunächst nicht?
Das "Sein · des
Seienden".
Durch Wortersetzung ist hier folgende Verschiebung erzielt
"Sinn"
durc~
Substituierung neuer
die philologisch-logisch-religionsphiloso-
Iieigeie'~~ der sich H e i d ·e g g e r
"erschlossen" hat.
.
worden: Von der Intuitionsphilosophie zum ,,Begegnen von Sub-
Der Weg zu dieser Erschließung geht über "die ontologische
-_)· Analytik des Daseins", das als das grundsätzlich "vorgängig auf
jekt und Objekt", von dem sich Zeigenden zu dem sich nicht
sein Sein zu befragende Seiende fungiert". Es hat· keinen Sinn,
Zeigenden, d. h. von den psycho-physischen Qualitäten B r e n ·
diesem Umweg, einer ontologischen Umdeutung der Husse r I-
t a n o - S t um p f s und ihrer Apriorisierung bei H u s s er l-
schen Bewußtseinsphänomenologie, entgegenzuhalten, daß es zur
S c h e I er zum Sein an sich, das "am wenigsten je so etwas sein"
Klä~ng des..fulJE-Sbegriffs nicht erforderlich ist, eine Hermeneutik
kann, dahinter "noch etwas steht, was nicht erscheint": Die intui-
des menschlichen Daseins, eine Existentialanalytik, auszubilden;
tionistische Philosophie des Absoluten endet bei den von vorn-
daß man sich vielmehr an Hand des Sinnes der C o p u I a belie-
herein nicht geschiedenen, sondern durcheinander geworfenen,
biger Sätze, des Wortes "ist", den Begriff des Seins klarmachen
. fundamentalontologischen Fragen nach dem "S~-.'!~~-§ein", nach
dem "Sinn des Sein", nach dem ,,Begriff des Seins", nach dem
kann. Auf eine solche Betrachtung würde der Fundamentalonto. loge erwidern, daß er auf den Sinn des Seins abziele, dieser
"Sein des Seienden". Diese exemplarische Vieldeutigkeit der funda-
aber gerade nur durch das Medium menschlichen Daseins sich er·
mentalontologischen Problemstellung, deren "konkrete Ausarbei-
schließe. Und wer darauf den logischen Zweifel äußern würde,
tung" die "Absicht" von "Sein und Zeit" ist, ermöglicht es H e i •
wie der S.inn eines b e s tim m t e n Seins (angenommen er sei
d e g g e r durch reine Bewortung philologische, religionsphilo-
seihst erkennbar) der
sophische, logische Fragen ,,in eins" zu "lösen". Seine Technik be-
müßte sich belehren lassen, daß logische Einwendungen einem so
steht also darin, fortwährend das Gegenteil von dem zu tun, was
tiefen Ansatz
P I a t o n in dem von H e i d e g g e :r:., s,!> geschätzten "Sophistes"
s~t~id~g
geg~nüber
S.~pn
des Seins überhaupt sein soll, der
von vornherein als steril abzuweisen seien.
. Die Fundamentalontologie kann also beruhigt als Existentialana-
der Begriffe vorzu-
lytik beginnen: sie wird "beweisen", daß das menschliche Dasein
nehmen und weder ein und demseihen Begriff verschiedene Be-
"in Zeitlichkeit fundiert" ist, und sie wird erahnen, daß diese·
deutungen' noch verschiedenen Begriffen dieseihe Bedeutung zu
Zeitlichkeit der Horizont "e~~s---~!len Seinsverständnisses überhaupt" ist.
eindringlich fordert: "Die richtige
gebe~ ..."
Es ist nur eine naive Seihstcharakterisierung, wenn
H e i d e g g e r seine phänomenologische Deskription als "Aus-
96
1
Kraft, Von Husserl zu Heidegger
97
2. Die Ni eh tigkei t d.er Fundamen talontolo gie.
a)
bung60 auf dem Fuße folgt: Dem Dasein geht es in semem Sein
um sein Sein. Wie D e s c a r t e s von dem Ich zu Gott, so gelangt
Die Existentialanalytik.
H e i d e g g e r vom Menschen zur Welt, auf Grund des Existentials:
Die Existentialphilosophie verwirklicht in mythologischer
Das Sein des Daseins ist das "In-der-Welt-sein", und zwar zunächst,
Form eine Konsequenz, die schon aus H u s s e r I s Wesenslehre
d. h. vor aller philosophischen Spekulation, das Sein in d~r Welt
[ . folgt und an ihr nachgewiesen wurde (!z..~) : die l.!Y~~~~~~ryng der
Natur, vor ~.!l_l:l.!'- des Menschen. Wie aber unternimmt dies die Existentialanalytik mit dem Menschen? Sie will keine Biologie, keine
?der Alltäglichkeit. Vom Sinn des Seins sind wir so zum Seinssinn
Psychologie, selbst keine philosophische Anthropologlie sein, son-
lichkeit und Uneigentlichkeit" oder, wie der vorontologische Geist·
' des Menschen und seiner alltäglichen Umwelt geführt worden,
deren Existentialien uns Rede stehen sollen über seine "Eigent-
dern sich auf eine weit höhere Sphäre als diese Disziplinen be-
es ausdrücken würde, über sein wirkliches Ich und über sein
ziehen. " ... nicht vorhandene Eigenschaften eines so und so aus-
besseres Ich.
sehenden vorhandenen Seienden, sondern je ihm mögliche Weisen
zu sein und nur das" untersucht die Existentialanalytik. Das Sein
des Dasein das sie "abhört", sind seine "Existentialien". Daher
b) Die Erkenntnis.
Kombiniert man aus dem Existential "In-der-Welt-sein" die
der Satz: "Das ,Wesen' des Daseins liegt in seiner Existenz" -
Anfangs- mit der Endsilbe, so ergibt sich das ,,In-Sein", die for-
' wofür man ohne weiteres einsetzen kann: ,,Das ,Wesen' des Daseins
male Bedingung des "Im-Raum-sein" des Daseins. Wie beschaffen
liegt in seinem ,Wesen' "; denn die ~~4e.J:! des Seins sind natür-
diese formale, nicht-räumliche Sphäre des In-Seins ist, läßt H e i-
lich nichts anderes als Eigenschaften, die nach dem Vorbilde mit-
d e g g e r vorsichtigerweise dahingestellt, um ihr später durch ge-
-~.."...
telalterlicher Universalien zu spezifischen ~,xistell:~ialien umge.
eignete Auslegungen um so überraschende~e Aspekte entlocken zu
deutet sind. Die Q. .u.a.lLtä t s abstrakt i o n, die bereits H u ss e r I zur Einführung der ;~rfehlten Sinnregion diente (I, 4.), wird
. können. 'Wenn man beachtet, was alles sich als "Weisen" des "In-
,..",,.~.,...,··~"'"''"
also von H e i d e g g e r als Hermeneutik von Existentialien mißverstanden.
Welches Erstaunen würde D e s c a r t e s erleben, wenn er sein
Cogito nicht nur zur phänomenologischen Reduktion umgebildet,
sondern zu Heide g g er s "Jemeinigkeit" des Daseins erhöht
fände. Wahrscheinlich würde er aber in der "J emeinigkeit" eine Erniedrigung erblicken, denn als Philosophen der wissenschaftlichen
Strenge wäre es ihm kaum möglich, den Satz: "Ich bin ich" in das
Existential der Jemeinigkeit umzuformen, dem die Sinnverschie-
98
60
Auch nach M i s c h (Lebensphilosophie und Phänomenologie, 2. Aufl.,
Leipzig und Berlin 1931) muß "jedem, der genauer hinsieht, auffallen, daß" ...
H e i d e g g er s "maßgebende Begriffe zuweilen etwas Schillemdes haben: eine
,Doppelbödigkeit' der ganzen Stellung scheint sich darin zu verraten". "Aber
diese Zweideutigkeit", so meditiert Mi s c h weiter,. "braucht nicht ein Mangel
zu sein, sondern könnte wesentlich zu dieser Art von Begriffen gehören, die
nicht eigentliche Begriffe im Sinne von termini, sondern ausdruckskräftige Worte
der Sprache sind, oder sein müßten, da sie hinter die ~::ein diskursiv-logische
Schicht zurückdringend, die ,Lebendigkeit in ihr Recht einsetzen' wollen" (4).
Weiche unbegreiflichen Kräfte müssen H e i d e g g e r , diesem "starken Denker"
(7), dessen "Begriffe ... mit der neuen Lebensfülle geladen sind" (175) zur Ver·
fügung stehen, daß ihm z. B. der Beweiszirkel zum Mittel tiefsten "Verstehens''
(8) wird, daß er durch Wortmystik sonst unenthüllbares Sein bannen kann!
99
Seins" darstellen soll -
Herstellen von etwas, Unternehmen, Be-
Besorgungen, die Näherin an der Nähmaschine, die Stenotypistin
fragen, Betrachten, Bestimmen, Versäumen, Ausruhen - , und daß
an der Schreibmaschine von d e r s e I b e n Erkenntnis Gehrauch
diese Weisen· die "Seins-Art" des "Besorgens" haben, so ist schon
machen müssen, die der Philosoph in der Existentialanalyse, voll
ein kleiner Vorgeschmack von den Auslegungsmöglichkeiten mensch-
des hermeneutischen Dranges, aus dem Auge verliert.
lichen Daseins gegeben, die noch zu erwarten sind..
H u s s er I sprach von Wesensschau; S c h e I e r ging von hier
sophie das Erkennen mit anderen psychischen Tätigkeiten in V er·
zum Haben, zur Teilhabe, zur Extase über; Heide g g er genügt
wh:rung gebracht und daran die Lehre von der natürlichen Offen-
beides nicht. Um die "ontologische Notwendigkeit und vor allem
barung Gottes im Menschen geschlossen. H e i d e g g e r begnügt
den ontologischen Sinn" der "Subjekt-Objekt-Beziehung" zu sehen,
sich mit dem Zeug, das sich selbst offenbart und mag damit
fundiert" er das Erkennen im In-der-Welt-sein: "Erkennen selbst
Lesern, die nach m a r x istischer oder überhaupt wissenssoziolo-
vorgängig in einem Schon-sein-bei-der-Welt, als welches
gischer Methode die Erk-enntnis für einen Überbau der Produk-
das Sein von Dasein wesenhaft konstituiert" (hier liegt in dem
tionsverhältnisse, der Klassenlage halten, das beglückende Bewußt-
"grÜndet
Schon S c h e I e r hatte in seiner Ethik und Religionsphilo-
Schon-sein-bei die Bewortung; denn das Sein-bei des Erkennens
sein einer ontologischen Vertiefung ihrer soziologistischen :Fik-
ist das e r k e n n e n d e Sein-bei, und der Schein einer tieferen,
tionen verschaffen.. Andere werden das Besorgen, das Zeug, die
d. h. über die Trivialität, daß der Erkennen..1!e, um zu erkennen,
Zuhandenheit in das terminologische Kuriositätenkabinett der Er-
existieren müsse,
hina:u.~gehenden, Fundierung des Erke~ens wird -
kenntnistheorie verweisen.
nur durch die Sprachtechnik erregt). Diese bemächtigt sich .z. B.·
auch S c h e 1 e r s verfehlten Widerstandserlebnisses, und bewortet
es als "eine Weise des In-der-Welt-seins". Die ganze Fruchtbarkeit _
c) Der Raum und die Mitwelt.
Aus dem leeren In-Sein läßt sich durch hermeneutische Intui-
dieser terminologischen Erkenntnistheorie zeigt sich aber erst an
tion nicht nur die Ontologie der Erkenntnis in Form ihrer Fun-
dem tiefen Zusammenhang, den sie zwischen B es o r g e n und
dierung in der Zuhandenheit ableiten, sondern auch die Um w e 1 t
Erkennen herstellt. Da das .In-Sein Besorgen, das Besorgen aber
des Erkennenden ontologisch durchleuchten. Ein wahrhaft erhel-
in der Form.·des nächsten Umgangs mit der Welt das Hantieren mit
lender Blickstrahl durchflutet das All, indem ihm He i d e g g er s
körperlichen Gebrauchsgegenständen ist, muß das Erkennen offen-
Satz begegnet: "im Dasein liegt eine wesenhafte Tendenz auf
bar seinen tiefsten ontologischen Sinn diesen Gebrauchsgegen·
Nähe". Die Nähe geht nun nicht mehr verträumt umher (Mo r •
ständen, ;t;a dem Schreibzeug, Nähzeug, Werkzeug, Fahrzeug, ver-
g e :n s t er n), ,,Init dem ,Rundfunk' zum Beispiel vollzieht das
danken. Dieses "Zeug" ist uns ohne Theorie zur Hand, es hat eine
Dasein heute eine in ihrem Daseinssinn noch nicht übersehbare
.
"
"Zuhandenheit"; kraft derer es sich "von ihm selbst her offenbart ·
Ent-fernung der ,Welt' auf dem Wege einer Erweiterung der all-
Wer könnte noch zweifeln, daß Erkenntnis ein Modus der Zuhanden·
täglichen Umwelt". Der Raum überhaupt ist aber -
heit ist, und nicht darüber vergessen, daß die Ki>chin bei ihren
Subjekt, noch ist die Welt im Raum"; "der Raum befindet sich
100
"weder im
101
·'·.
nicht im Subjekt, noch betrachtet dieses die Welt ,als ob' sie in
einen Unterschied gegen die anderen auszugleichen". Erlaubt ist,
einem Raum· sei, sondern das ontologisch wohl verstandene ,Sub-
was gefällt, und zwar was der Öffentlichkeit gefällt, heißt aller-
jekt', das Dasein, ist räumlich". "Sondern", sagt Heide g g er,
dings die traurige ethische Maxime, nach der sich viele richten
und kann seinen Leser vielleicht einen ·Augenblick vergessen
oder auch sich zu richten gezwungen werden. Sie tun, was man
inachen, daß das Dasein doch ein In-der-Welt-sein ist und daher,
von ihnen erwartet, sie sind dem "Man" unterworfen. Dies alles
.- wissen wir aus der alltäglichen Erfahrung schon lange, daß aber
wenn ersteres, auch letzteres räumlich, die Welt daher selbst nach
H e i d e g g er i m Raum ist. Wieder also eine Bewortung! 6~.
das Man ein Existential ist, daß ihm gegenüber die traditionelle
"Kein Ich ohne Wir" ist ein aprioristischer Aphorismus aus
Logik versagt, darüber helehrt uns erst die hermeneutische Onto·
Sc h e I er s Soziologie {II, 3.). Heide g g ~ r drückt ihn existen-
logie dadurch, daß sie das Wort ,,man" statt klein groß schreibt.
analytisch so aus: "Das Mitsein bestimmt existential das. Dasein,
auch dann, wenn ein anderer faktisch nicht vorhanden und wahr-
ge~ommen ist. Auch das Alleinsein des Daseins ist MitseiU: in der
d) Weitere Existentialien.
Das allmächtige Man bemächtigt sich nicht nur der anderen,
Welt." Das soziologische Dogma von der Unmöglichkeit eines iso-
sondern auch unserer selbst: Man selbst verhält sich so und so.
lierten Individuums findet hierin seine "ontologische Vertiefung",
die man allerdings nur genau genug zu lesen braucht, um sie zu
Man selbst hat Stimmungen, ist abhängig, denkt, spricht und
schweigt.
entwirren. Die überraschende Wesenseinsicht nämlich, daß auch
Um diese Akte des alltäglichen Lehens kreist H e i d e g g e r s
das Dasein des Alleinseienden durch das Mitsein bestimmt werde,
existentialanalytisches Interesse. Die dankbaren Stoffe des Essens,
löst sich in die Feststellung auf, daß auch der Alleinseiende mög-
T:i:inkens und Schlafens hat er sich ebenso entgehen lassen, wie die
licherweise mit P:Q.anzen, Tieren, Sachen, Himmel und Luft zu-
Metaphysik der Liehe: Sie passen in sein tragisch-aschgraues Da-
sammen ist. Sicher ein vorzüglicher Beweis für die Unmögli~hkeit
seinshild nicht h.inein. In ein Bild, das so ausgezeichnet geeignet
der Robinsonade, bestimmt aber für den "wissenschaftlichen" Wert,
ist, den Trühsalsstimmungen einer an sich selbst verzweifelnden
den die Bezeichnung des Menschen als Dasein besitzt! Die
"existen~
tiale Wesensaussage", daß das Dasein Mitsein "um willen Anderer",
Gesellschaft philosophischen "Halt" zu gehen, Nihilismus.
den Halt des
tragische Trübung. Das Miteinandersein hat nämlich "den Cha-
H e i d e g g e r s anthropologische Mythologie führt jetzt· zwei
wirkungsvolle "Existentialien" ein: Die Stimmung und die Geworfen-
rakter der Ahständigkeit", es ruht ständig auf der "Sorge, um
heit. Die Stimmung macht offenbar, "wie einem ist und wird".
daß der Andere eine Dublette des Selbst ist, erfährt jedoch eine
Daß einem aber überhaupt ist und wird, daß man überhaupt dieser
61
Die widersinnigen Konsequenzen der von B e c k e r (Mathematische
Existenz, Halle 1927) vollzogenen Übertragung H e i d e g g er scher Methoden
auf die Philosophie der Mathematik hat Geiger (Göttingische Gelehrte Anzeigen, 190. Jahrgang, S. 401 ff., Berlin 1928) zwingend aufgewiesen.
102
Mensch in dieser Welt ist, darin besteht die Geworfenheit des Menschen. Der Mensch befindet sich in einem Gestimmtsein und in
einer Gewo~fenheit; er hat insofern seine Befindlichkeit. Diese drei
103
"•!
I
Bezeichnungen enthalten wiederum nichts, was sich nicht in einfachen Sätzen über menschliches Lehen, über die Stellung des
Menschen in der Natur sagen ließe, so aber seinen unter dem
r
Ir
Niveau der Wissenschaft liegenden Charakter sofort "offenbaren"
würde.
H e i d e g g e r s substantivierende Umschreibung dieser
Alltagsweisheiten erfüllt also die doppelte Funktion: ihnen den
Schein philosophischen Tiefsinns und außerdem manchem Leser
den metaphysischen .Schauer zu verschaffen.
-Neben die Befindlichkeit (als deren Modus es H e-·i d e g g e r
_I
·i
auf eine bestimmte Auslegharkeit hin ,anschneidet'. Das in der
Vorhabe Gehaltene und ,vorsichtig' anvisierte V erstandene wird
d~ch die Auslegung begreiflich. Die Auslegung kann die dem aus-
zulegenden Seienden zugehörige Begrifflichkeit aus diesem selbst
schöpfen, oder aber in Begriffe zwängen, denen sich das Seiende
f:
gemäß seiner Seinsart widersetzt. Wie immer -
i
sich hier schon endgültig oder vorbehaltlich für eine bestimmte
I
Begrifflichkeit entschieden;
sie
gründet in
die Auslegung hat
einem
Vorgriff."
G o e t h e hat die Fundiertheit des V erstehens und der Auslegung
nicht schwer fällt, die Furcht zu konstruieren) wird das. Verstehen .
in Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff mit dem schönen Vers ausge-
gestellt. "Das V erstehen : .. im Sinne einer möglichen Erkenntnis-
drückt: "Im Auslegen seid frisch und munter, legt ihrs nicht aus,_
art unter anderen, etwa unterschieden", von "Erklären", soll die
so legt was·· unter." H e i d e g g e r s Auslegung, seine Hermeneutik,
Wurzel von Anschauung (auch von Wesensanschauung) und Den-
ist prinzipiell Unterlegung, sie unterlegt alt~n Worten neue Worte
ken, selbst aber folgendes sein: "Das existentiale Sein des eigenen
und versieht alte Worte mit einem neuen Sinn. Was sie verstehende
Seinkönnens des Daseins selbst, so zwar, daß dieses Sein an
Analyse des Daseins nennt, ist eine solche planmäßige Unterlegnng
ihm selbst das Woran des Mit-ihm-selbst-Seins erschließt." Dieser
existentialanalytische Tiefsinn spottet, für sich genommen, jeden
V erstehens. Der Zusammenhang des Ganzen ergibt, daß das V erstehen, äh:n:Iich wie das Besorgen im Umgang mit dem Zeug, ein
die sonstige Erkenntnis fundierender, höherer Griff in die Wirklichkeit sein soll. Die Praxis dieses Greifens enthüllt eine überraschende Einfachheit seiner Methodik, nämlich die der Au s leg u n g. Was tut aber die Auslegung? ,,Diese", so beschreibt.
sie H e i d e g g e r wörtlich, "gründet jeweils in einer Vorhabe, sie
bewegt sich als Verständnis zur Eignung im verstehenden Sein zu
einer schon verstandenen Bewandtnisganzheit. Die Zueignung des
Verstandenen, aber noch Eingehüllten, vollzieht die Enthüllung
immer unter der Führung einer Hinsicht, die das :fixiert, im Hinblick worauf das V erstandene ausgelegt. werden soll. Die Auslegung
gründet jeweils in einer Vorsicht, die das in Vorhabe genommene
bei Daseinshezeichnungen, für die sie sich nicht auf ernsthaftes
104
historisch-philologisches Arbeiten, sondern nur auf. Praktiken der
Rabulistik stützen kann; sie ist geradezu die zur philosophischen
Methode erhobene Rabulistik. Daher ihre grotesken Bemühungen,
den in i h r e n Unterlegungen fortwährend enthaltenen Zirkel als
Zirkelstruktur historische~ Erkenntnis aufweisen zu wollen: Nicht
die historische Erkenntnis bewegt sich aber im Zirkel, sondern
He i d e g g er s Philosophie des V erstehens.
An die V ersteheuslehre schließt sich die Theorie des Urteils
und der Sprache, heide gleichfalls mythologische Fortsetzungen
Husse r I sehen Apriorisierens (I, 3., 4.). über die Aussage erfahren
wir, daß sie- ,,mitteilend bestimmende Aufzeigung", eine "Modalität" von "Umgang mit den Dingen" sei 62 ; die "Rede" ist aber gar
62
H. Li p p s , Untersuchungen zur Phänomenologie der Erkenntnis, Bd. 2,
S. 7, Bonn 1928.
105
,,mit Befindlichkeit und V erstehen existential gleich ursprünglich".
G~rede
Es hat einen besonderen Reiz, gerade von H e i d e g g er , dem Mei~
zu scheitern. Das Gerede, das jeder aufraffen kann, entbindet nicht
ster der Substantivierung, weiter über die Sprache generell zu er~
nur von der Aufgabe echten Verstehens, sondern bildet eine in-
behütet schon vor der Gefahr, hei einer solchen Zueignung
fahren: "Den Bedeutungen wachsen Worte zu, nicht aber werden
differente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen ist."
Wörterdinge mit Bedeutungen versehen." Bed~nkt man, daß He i-
Diesemeisterhafte (0 vi ds "it fama", M oz a rts und Ro s-
de g g er s Darstellung vielfach nur Wortkombinationen enthält,
s i n i s Verleumdungsarien nacheifernde) Schilderung des Geredes
die sich allerdings ihrem Autor als Ausdrucksformen eines in ihm
beschreibt erschöpfend den Zustand, der sich unter dem Einfluß
stattfindenden, kosmischen Geschehnisses darstellen, dann wird
existentialanalytischer Methoden philosophischer Literatur und
auch dieses Existential, wenigstens psychologisch; verständlich. Zu
p~ilosophischer Diskussionen bemächtigen muß
deren völliger Erschließung und zur Soziologie ihrer Wirkunge~
schon bemächtigt hat). Diese Schilderung des Gered~s ist der ein-
(und zum Teil
trägt in hervorragenderWeise jene hermeneutische Untersuchung bei,
zige, uneingeschränkt-positive Ertrag der Fundamentalontologie,
die Heide g germit der Überschrift versieht: "Das Gerede." Hier-
von dem schließlich einmal offenbar werden wird, daß er das
aus entnehmen wir zunächst, daß "die Sprache als die Ausge-
i n n e r s t e Wesen dieser Philosophie enthüllt.
sprochenheil . . • eine Ausgelegtheil des Daseinsverständnisses in
Durch das Gerede und zwei weitere ExistentiaHen (die Neugier
sich" birgt, daß also tatsächlich die Sprache die Wirklichkeit be-
und die. Zweideutigkeit) ist das alltägliche Dasein einer tragisch-
reits im Griff hat, und daß es also genügt, auf ihren ursprünglich
ontologischen Bewegung, einem Absturz und einem Wirbel, dem
anschaulichen Sinn zurückzugehen, um über das Dasein und die
Zustand der Verfallenheit ausgeliefert. Welches ist aber das Grund-
Welt schließlich zum Sein d~s Seienden vorzudringen: Die Intui-
existential, aus dem sich diese Züge des· Alltags erst ableiten:
tionsphilosophie des Absoluten hat sich in eine Beschäftigung mit
"Das verfallend-erschlossene, geworfen-entwerfende ln-der-Welt-sein,
dem wirklichen oder vermeintlichen anschaulichen Urgehalt von
dem es in seinem Sein bei der ,Welt' und im Mitsein mit anderen
Sprachzeichen verwandelt. Für diese Philosophie und ihre Aus-
um das eigenste Seinkönnen selbst geht"?
breitung gilt nun allerdings wörtlich was H e i d e g g e r über das
nahe, wenn wir K i e r k e g a a r d s Erbsündemetaphysik der Angst
G e r e d e sagt: "Man versteht nicht so sehr das beredete Seiende,
mit He i d e g g er folgend, auf das Grundphänomen der Sorge
sondern man hört schon nur auf das Gerede als solches. Dieses wird
stoßen. Was wäre auch selbstverständlicher als dies, besagt doch
verstanden, das Worüber nur ungefähr, obenhin; man meint das-
das Sein des Daseins: "Sich-vorweg-schon-sein~in (der-Welt-) als Sein-
selbe, weil man das Gesagte gemeinsam in derselben Durchschnitt-
'hei (innerweltlich begegnendem Seienden)"? Was kann dies aber
lichkeit versteht . . . Die Sache ist s~, weil man es sagt . . . Die
anderes besagen als Sorge? -
Bodenlosigkeit des Geredes versperrt ihm nicht den Eingang in die
Hingegehenheit, Wonne, oder sonst etwas sagen. H e i d e g g e r
Öffentlichkeit, sondern begünstigt ihn. Das Gerede ist die Möglich-
besagt es jedenfalls Sorge, in der Theorie und Praxis, Wollen und
keit, alles zu verstehen, ohne vorgängige Zueignung der Sache. Das
Wünschen samt allen ExistentiaHen der Alltäglichkeit fundiert
106
Wir kommen ihm
es kann natürlich ebensogut Freude,
107
sind. Vergehlieh hat F a u s t ausgerufen: "Doch Deine Macht, o
wenige Philosophen wagen es ihren Lesern solche Steine statt Brot
Sorge, schleichend groß, ich werde sie nicht anerkennen." Schon
zur Befriedigung ihres metaphysischen Bedürfnisses zu bieten, und
F a u s t muß am Ende seines Lebens durch die Sorge erblin-
es ist ein niederschmetterndes Zeugnis für die Bedürfnislosigkeit
den, H e i d e g g e r aber ist die Sorge überhaupt die Herrin
Das Ganze bleibt natürlich wieder nur
der Gegenwart, daß sie derartige Trivialitäten zu ihren religiösen
Symbolen erhebt.
eine Bewortung. Man nennt die Angewiesenheit des Menschen auf
DerTod gründet natürlich in Sorge und Angst, seine volle existen-
seine Umwelt erst Sorge und unterschiebt dann dieser Benennung
tialanalytische Bedeutung bekundet- er aber folgendermaßen: "Das
wirkliche Sorge oder sorgenähnliche Entitäten.
Vorlaufen enthüllt dem Dasein die V erlorenheit in das Man-selbst
menschlichen Daseins.
Der Satz vom
Sorgecharakter des Daseins ist also auch eine leere Phrase.
e) Der Tod, das Gewissen, die Zeitlichkeit.
und bringt es vor die Möglichkeit, auf die besorgende Fürsorge primär
ungestützt, es selbst zu sein, selbst aber in der leidenschaftlichen,
von den IDusionen des Man gelösten, faktischen, ihrer selbst ge-
Aber noch wissen wir nur von dem uneigentlichen Se4J_ des
wisseiJ. und sich ängstenden Freiheit zum Tode." Vor He i d e g g er
Daseins, von seiner Alltäglichkeit; es steht die Existentialana-
bat S c h e l e r 63 einen phänomenologischen Beweis a priori der
lyse der Eigentlichkeit und Ganzheit des Daseins noch aus, die
·~otwendigkeit des Todes aus der je erlebten Zeitstruktur versucht.
H e i d e g g e r am Tode und am Gewissen vollzieht. Erschütternde
..
-~h·:"t.:..--
. Dieser Beweis ist nicht minder, wie H
ei d e g g er ~ Analyse, ~in
Begegnungen stehen uns jetzt bevor. Als Vorbereitung hierzu z-q.-
Versuch am untauglichen Objekt, da hier ~in physiologisches und
nächst ein merkwürdiges Rätsel: "Am Sterben der anderen kann
das merkwürdige Seinsphänomen erfahren werden, das sich als Uni-
kein philosophisches Problem vorliegt.
Trotzdem mag jeder
schlag eines Seienden aus der Seinsart des Daseins (hzw. des Le-
Sc h e I er s und Heide g g er s Todesmetaphysik miteinander
vergleichen, ·der sich auch an Hand dieses Problems in concreto
bens) zum Nichtmehrdasein bestimmen läßt. Das Ende des Seienden qua' Dasein ist der Anfang dieses Seienden qua Vorhandenes."
davon überzeugen will. daß He i d e g g er s vermeintliche Intuitionen den ,,Fortschritt" von Sc h e I er s Einfällen - aber immer-
Auf deutsch: Das Ende des Lebens ist der Beginn des Totseins.
hin noch solchen -
Bei seiner Abfahrt von den Phäaken läßt H o m e r 0 d y s-
zu reinen W Qrtkombinationen vollzogen haben.
Das Gewissen, die "Bezeugung eines Selbstseinkönnens" des
Daseins, bringt He i d e g g er auf die einfachste Weise mit der
s e u s die geflügelten Worte sprechen: "Lebe beständig wohl, o
Königin, bis Dich das Alter sanft beschleicht und der Tod, die allen
Sorge in Verbindung: "Das Gewissen offenbart sich als Ruf der
Menschen bevorstehen!" Ahnungsloser H o m er! Wann hätte er
Sorge: Der Rufer ist das Dasein, sich ängstend in der Geworfenheit
sich träumen lassen, daß diese harmlosen Verse nach drei Jahrtausenden in existentialanalytische Beleuchtung gerückt würden?
!(gerade n i c h t um die Existenz des Menschen ängstet, sondern seine
Aber He i d e g g er ist der große Wurf gelungen, er enthüllt das
\·!\Existenz dem ~setz der Pflicht unterstellt und auch das Opfer der
bis dahin Unbekannte: "der Tod ist ... ein Bevorstand". Nur
108
(Schon-sein-in ... ) um sein Seinkönnen." Daß das Gewissen sich
63
ll)..!;~li..siU..us -
Realismus, Philosoph. Anzeiger, Bd. 2, S. 309
..... -....,.,.,.
............,...-...................
·.
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~.-~-~·
ff.
109
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Existenz verlangen kann, dies alles dem Existentialanalytiker ent·
Den Übergang vom Tod zur Zeit zu vollziehen, ist eine leichte
gegenzuhalten, ist natürlich bedeutungslos. Denn sofort würde er
Aufgabe, denn "wenn zum Sein des Daseins das eigentliche hzw.
dann den Sinn seiner Worte dergestalt ändern, daß jeder Angriffs-
uneigentliche Sein dem Tode gehört, dann ist dieses nur möglich
punkt entschwände. Das gleiche Schauspiel würde sich bei einer
als zukünftiges". Mit der Zukunft (einem ahkünftigen Modus der
Diskussion über den "Nicht-Charakter" der sittlichen Schuld und
"Kuuft", "in der das Dasein in seinem eigensten Seinkönnen auf sich
über die durch das "Gewissen bezeugte eigentliche Erschlossenheit
zukommt", also gleichzeitig einer Art umgekehrter Kausalität) ist
-
aber die Zeit vorausgesetzt, und so liegt der Satz nicht mehr fern:
das verschwiegene, angstbereite Sich-Entwerfen auf das eigenste
... die Entschlossenheit" ergehen. Diese K i e r k e -
,,Zeitlichkeit enthüllt sich als der Sinn der eigentlichen Sorge." Mit
g a a r d nachgebildeten Paradoxien sind jedoch sehr geeignete An-
der Zeitlichkeit, dem "ursprünglichen ,Außer-sich' an und für sich
schlußpunkte der Fundamentalontologie an die theologische Dogmatik.64.
selbst", aus dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ja auch
Schuldigsein -
64
Durch das Auftreten H e i d e g g e r s ist in Form einer Auseinandersetzung zwischen seiner Ontologie und der protestantischen Theologie der alte
p h i I o s o p h i s c h • t h e o I o g i s c h e Antagonismus neu angefacht worden,
Dieser Antagonismus liegt in der Natur der Sache begründet; denn die Problemstellung jeder theologischen Dogmatik enthält einen Widerspruch. Sie will
Wissenschaft von Gott sein und gleichzeitig auf geschichtlicher Offenbarung
beruhen. Ihre wissenschaftliche Seite drängt sie daher immer wieder zur Philosophie (oder in positivistischen Perioden zur Geschichte, Psychologie und Soziologie), ihre dogmatische Seite zwingt sie dagegen, den Anspruch einer autonomen
Glaubenslehre zu erheben, die von keiner Wissenschaft abhängig, ja sogar über
alles natürliche Wissen erhaben ist. Die H e i d e g g e r sehe Ontologie, die bereits
in ihrer Problemstellung den wissenschaftlichen Autonomieanspruch der Philo- ·
sophie preisgibt, erleichtert die prekäre Lage der Theologie bedeutend, indem
sie ihr eine Philosophie zur Agglomeration bietet, die ihr von vornherein nicht
den Widerstand logischer Konsequenz entgegensetzt, und bei der es daher' nur
gilt, ihre individuellen mythologischen Gebilde mit der historischen Dogmatik
in Einklang zu bringen. (Ein Anliegen, um das sich, allerdings noch unter V ergewaltigung der evangelischen Tradition, B u I t man n bemüht. [Jesus. Die
Unsterblichen, Bd. I; vergleiche zur Kritik B u 1 t man n s die Abhandlungen von
Förster und Kuh 1m an n, Zeitschrift für Theologie u. Kirche, N. F.,
9. Jahrg., S. 28 ff., 10. Jahrg., 3, 28 ff.])
Es verrät einen sicheren theologischen Instinkt, gleichzeitig aber ein
bedenkenloses Hinweggehen über alle logischen Schwierigkeiten, wenn T i 11 i c h
(Religiöse Verwirklichung, S. 22/23) H e i d e g g er s Verhältnis zur Theologie
folgendermaßen umschreibt: "Die Frage, ob das (Zusatz: Heide g g er s Verfahren) theologische oder philosophische Ontologie sei, ist in dem Augenblick
no
die Kuuft, erst _ekstatisieren, lassen sich weiter das V erstehen, die
bedeutungslos, wo die Philosophie - wie es bei H e i d e g g e r geschieht '--- ihre
eigene, konkret geschichtliche Gebundenheit durchschaut und anerkennt, und
wo die Theologie - wie ich meine, daß sie es tun muß - an Stelle der Autoritätsdie reine Sachgebnndenheit setzt. Natürlich ebenso wie die Philosophie auf einem
konkret-geschichtlichen Boden." Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß gegenüber solchen Fiktionen einer geschichtsgebundenen Philosophie und einer autoritätsfreien und doch wieder geschichtsverankerten Theologie die katholische
Theologie und Philosophie infolge ihrer festeren Traditionen prädisponiert ist,
He i d e g g e r gegenüber ein nüchternes Urteil zu bewahren. Als Beleg hierfür
kann die Abhandlung von D y r o f f dienen: Glossen über Sein und Zeit, Philo·sophia perennis, Regensburg 1930, Bd. II, S. 775 ff.
Welcher fanatische, den Traditionen aller fortgeschrittenen positiven Religionen hohnsprechender Glaube durch H e i d e g g e r s Verbalbeschwörungen
erzeugt werden kann, geht aus dem Aufsatz von V i e t t a hervor: Martin
, Heidegger und die Situation der Jugend, Die Neue Rundschau, 10. Heft,
S. 501 ff., 1931. Nach V i e t t a hat Heide g g er die gewaltige Tat vollbracht,
"den Wahrheitsbegriff" in eine "tiefere vorlogisehe Schicht, in ein ursprüngliches
Vermögen des Daseins" (507) verlegt zu haben. Daß unter diesen Umständen
. "Widerlegungen nicht mehr am Platze sind", daß das "Wagnis" "der philosophischen Ergriffenheit" nunmehr "zu gar keinem" Zweck (506/507) unternommen
wird, kann nicht mehr überraschen, ist doch alle Diskussion und alle vernünftige
Zwecksetzung durch entsprechende Erregung der "Urstimmung unseres Daseins
- die Angst" ·(508) völlig unterbunden worden. Vor den Früchten dieser Mentalität, die sich von dem Glauben an die Heilskräftigkeit der Angst und der
Langeweile nährt, mag es einem tatsächlich Angst und Bange werden!.
lll
Befindlichkeit, das Verfallen, die Rede, das In-der-Welt-sein, das
den her, sondern gehört ursprünglich zum Wesen des Seins selbsL
Besorgen, die Alltäglichkeit des Daseins aufs einfachste vergleichen.
Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts." Wir sind
gelandet bei H e g e I s Identität von Sein und Nichts, bei einer
W ortspielerei, die Modalitäts- und Qualitätskategorien um des
Paradoxen willen hemmungslos durcheinander wirft und damit
dem Ahnungslosen metaphysische Einblicke in die göttliche Schöpfungsordnung vortäuscht 65 •
Und es kann schließlich der tiefe Satz nicht ausbleiben: ,,Nur auf
dem Grunde der ekstatisch-horizontalen Zeitlichkeit ist der Einbruch des Daseins in den Raum möglich." Wie sollte das auch
anders sein, da jeder Einbruch Zeit zum Einbrechen gebraucht,
leider aber auch schon Raum, woher und wohin er einbricht?
H e i d e g g e r stellt seine Mythologie der Zeitlichkeit und der
Sorge schließlich in den Dienst einer an D i I t h e y anknüpfenden
Philosophie der Geschichte, die, wie nicht anders zu erwarten, in
einen Schicksalsglauben ausläuft, der den Blick für die historische
Wirklichkeit, für ihre Erforschungsmethoden und für die Lenkharkeit der historischen Naturprozesse versperrt.
f) Das Nichts.
Bis zur Entschleierung des ahgrundtie:Cen Zusammenhanges von
Sein und Zeit ist die Fundamentalontologie nicht vorgedrungen.
Ebensowenig hat sie den Sinn des Seienden, den Begriff des Seins,
den Sinn. von Sein erreicht. Sie hat sich in der Exi.stentialanalyt~
erschöpft, deren Bemühungen, in sich nichtig, sie sich überdies
zum Behufe ihrer philologisch-logisch-religionsphilosophischen Bemühungen hätte schenken können. Wenn so auch das Sein des
Seienden verschlossen blieb, so wissen wir doch einiges über das
Nichts, das uns als "die Nichtung" durch die Angst offenbart wird.
Das "Nichts ist nämlich ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung." (Wenn es auch im Widerspruch hierzu- aber was hesagen Widersprüche in dieser Tiefenregion? -
als "schlechthin-
nige V e r n e i n u n g" der Allheit des Seienden bestimmt wird.)
:;
,.
"Das Nichts begegnet in der Angst in eins mit dem Seienden im
.
~
'~
. : ~; .
Ganzen." ,,Das Nichts gibt nicht erst den Gegenbegriff zum Seien•
112
65
Ein wegen seiner - H e i d ·e g g e r noch überbietenden - Offenheit
unschätzbares Selbstbekenntnis hat die Existentialphilosophie bei Ja s p er s
(Philosophie, 3 Bände, Berlin 1932) abgelegt. Ohne alle Umschweife, mit völliger
Selbstverständlichkeit, verzichtet J a s p e r s auf den Wissenschaftsanspruch der
Philosophie: in seinem "Philosophieren spricht sich ein Glaube ohne jede Offenbarung· aus, appellierend an den, der auf demselben Weg ist.. (I, S. VII). Daher
wird "nicht der V erstand, sondern die Phantasie, aber nicht die beliebige des
Bewußtseins, so~dern sie als das Spiel des existentiellen Grundes Organ, durch
das Existenz sich des Seins vergewissert''. Das "Wahrheitskriterium" "existenzerhellenden Philosophierens« ist "statt eines objektiven Maßstabes, nachdem
das Gesagte richtig oder falsch ist, oder statt eines gegebenen Phänomens,
das darin treffend oder verfehlt gemeint ist, vielmehr der Wille selbst, der bejaht
oder abstößt". Glaube, Phantasie und Wille reichen aber zur Entschleierung des
höchsten philosophischen Geheimnisses, zur Entzifferung der metaphysischen
"Chiffren" noch nicht aus: Diese graphologische Metaphysik erblüht erst auf'
dem Trümmerhaufen eines "logischen Einsturzes" sondergleichen. Denn, so
lautet wörtlich die Beschreibung dieses Einsturzes, dieses· Absturzes einer philosophischen Schule von dem Ernst und Feuer B r e n t a n o s zu dem Gestammel
der Existentialphilosophie: "Was aufzeigbar oder zu beweisen ist, ist endliche
Einsicht in ein Besonderes. Existenz und Transzendenz sind im Sinne dieses
Seins nicht da. Werden sie gedacht, so nimmt der Gedanke logische Formen
an, welche ihn als Einsicht ruinieren. Die Relevanz des Gedankens ist durch
seine Macht der Existenzerhellung im Appell an ~reiheit, oder der Beschwörung
der Transzendenz im spielenden Zusammenhang seiner als Gegenstand. Wenn
Argumentieren als Ansdruck des Transzendierens die Verkleidung des Beweises
annimmt, so scheitert dieses als eigentlich Gemeintes. Solches uneigent!ichcs
Beweisen bewährt sich durch Mitteilbarkeit dessen, worauf es, obgleich es nuerkennbar ist, im Transzendenten ankommt.
Sofern Philosophieren Ergr.üheln der Transzendenz ist, zeigt es im Ent·
scheidenden einen Zirkel, der, obgleich er den Gedanken als bewiesene Einsicht
vernichtet, ihn als philosophisch erweist .durch seine Ausdruckskraft und Weite.
s Kraft, Von Husserl zu Heidegger
··~
113
,~-
Die Verehrung des Nichts 66 ist der adäquate Ausdruck für die
Nichtigkeit des Suchens der Fundamentalontologie nach dem Sein
Der Zirkel kann sich reduzieren auf T a u t o I o g i e , wenn er, im Grunde erfaßt,
seinen Gehalt in objektiv nichtssagenden, jedoch mögliche Existenz ergreifenden
Sätzen verkürzt ausspricht.
Zirkel und Tautologie ~-ird der W i d e r s p r u c h entgegengesetzt, der
nicht nur den Beweis, sondern auch den Bestand vernichtet; er ist die eigentliche
Zerstörung der Gegenständlichkeit metaphysischer Gedanken. Jeder tiefe Ausdruck der Transzendenz, da er als Gegenstand nicht _bestehen darf, ohne die
Transzendenz zu verlieren; muß sich durch einen Widerspruch zum Verschwinden
bringen. War Zirkel und Tautologie Ausdruck des lnsichberuhens, das nichts
anderes außer sich hat, sondern aus sich selbst ist, so ist der Widerspruch der
Ausdruck der Daseinsunbeständigkeit dessen, was eigentlich ist" (111, 17).
Nach dieser Selbstcharakterisierung muß man von vornherein die existentialphilosophischen Äußerungen über Gott, Welt, Mensch und Gesellschaft als
bloße Wortkombinationen beurteilen. Sie sind nicht nur nichts anderes, sie
wollen auch gar nichts anderes sein. Sie sind eine raffinierte Technik m e t a p h y s i s c h e n Für c h t e m a c h e n s, eine Rückkehr zu der altbewäh~ten
Methode der Beschwörung durch Wortformeln.
Die psychologische Natur solcher philosophischen Leistungen ist grundlegend
von S t ö h r (Psychologie, Wien u. Leipzig 1917) erörtert worden. S t öhrfaßt sie
als Fälle der "GI o s so m o r p h i e", des "~e.erla~fs der Rede", auf, der; wie
er sehr treffend ausführt, "einmal zu den Ent;:i~k:I~gsnotwendigkeiten" gehört:
"Gewisse Verwechslungen, gewisse Verdrängungen des Denkens durch das Reden,
müssen eintreten, um überwunden zu we;den, denn das Philosophieren ist zum
großen Teil ein Ringen mit der Sprache, wobei der schwächere Kopf unterliegt~··
Aber: "Zum anderen mal ist die Glossomorphie ein Zeichen des Niederganges,
ein Zeichen, daß das Reden immer stärker und das Denken immer schwächer
:wird. Die Glossomorphie kann leicht einmal das Ende der Philosophie und der
ireineil P5'ychologie werden, denn ihre Macht scheint von Tag zu Tag zuzunehmen"
:(434, 435). Die Antwort der wissenschaftlichen an die "glossogene Philosophie"
kann nur die sein, sie nach Klarstellung ihres methodischen Geheimnisses, Banalitäten und Widersinnigkeiten durch eine absonderliche Sprache den Anschein
des Tiefsinns zu verleihen, auf sich beruhen zu lassen, um nicht etwa durch ein
gegenseitiges subtiles Auseinandersetzungsspiel ihr Dasein unnötig zu verlängern.
66 Es ist eine Ironie der Philosophiegeschichte, daß die Philosophie des
Nichts nicht nur für die Phänomenologie, sondern auch für C o h e n eine hervorragende Anziehungskraft besessen hat, ein erneuter Beleg dafür, daß dessen
logizistische Erkenntnistheorie gleichfalls eine verkleidete Metaphysik des Absoluten ist. C o h e n s Philosophie des Nichts ist folgendermaßen treffend von
114
des Seienden. Ihre Bewunderung durch die Mitwelt macht eme
packende Vision N i e t z s c h e s67 wahr:
"Mußte man nicht endlich einmal alles Tröstliche, Heilige,
Heilende, alle Hoffnung, allen Glauben an verborgne Harmonie,
an zukünftige Seligkeiten und Gerechtigkeiten opfern?, mußte man
nicht Gott selber opfern und, aus Grausamkeit gegen sich, den
Stein, die Dummheit, die Schwere, das Schicksal, das Nicht s anbeten? Für das Ni c h t s Gott opfern -
dieses paradoxe Myste-
rium der letzten Grausamkeit blieb dem Geschlechte, welches jetzt
eben herauf kommt, aufgespart: wir Alle kennen schon etwas
davon.-"
Ne I so n (Göttingische Gelehrte· Anzeigen, 1905. S. 610 ff.) charakterisiert
worden: ",Um nun das in der Logik schon erstorbene Interesse am Ursprung•
(S. 66) wieder zu beleben, macht sich C o h e n an das Unternehmen, durch reines
Denken den Ursprung des Seins zu ergründen. ,Woher kommt, worin entspringt
das Etwas?' So hatte schonThaIesund die anderen ionischen Naturphilosophen
gefragt. Aber C o h e n findet eine neue Lösung des alten Rätsels. Wenn nämlich
ThaI es im Wasser den Ursprung aller Dinge sucht, so hat er offenbar nicht
bedacht, das ja das Wasser ein Etwas ist. Aber auch das Chaos des A n a x i m a n. d e r und das H er a k I i t i sehe Feuer ist ein Etwas. Wie kann aber der
Ursprung des Etwas im Etwas liegen? ,1~ dem Etwas kann der Ursprung des
Etwas nicht zu suchen sein. Das Urteil darf einen abenteuerlichen Umweg nicht
scheuen, wenn anders es in einem Ursprung das Etwas aufspüren will. Dieses
Abenteuer des Denkens stellt das Nichts dar:•• Aus Co h e n s Abenteuer des
Denkens ist bei H e i d e g g e r das Abenteuer der Angst geworden. Die Ausgangsfrage ist bei beiden die gleiche.
Das Vorbild aller modernen Sein-Nichts-Spekulationen; Hege I s Logik
der Qualität, ist ebenso scharfsinnig wie humorvoll von Fries (Geschichte der
Philosophie, Bd. 2, S. 674, 675, Halle 1840) erledigt worden.
67
Jenseits von Gut und Böse, Leipzig 1906, S. 79; die Sperrungen stammen
von mir.
8*
ll5
des reinen Bewußtseins bis zu He i d e g g e r s Hermeneutik des
.'1
Daseins verfolgen. Durch die Existentialabstraktion der phänomenologischen Reduktion entsteht bei H u s s er I die Selbsttäuschung einer apriori~chen Psychologie (allgemeiner einer apriorischen Wissenschaft von allen Erfahrungs- und allen sonstigen
Gegenständen), und zwar auf Grund der Verwechslung von An-
IV.
Die Unmöglichkeit des Intuitionismus und die
Aufgabe der kritischen Philosophie
1. D i e E n t w i c k I u n g s e t a p p e n d e r p h ä n o m e n o logischen Schule.
Das Schicksal der phänomenologischen Schule hat sich in
einem elementaren Vorgang vollzogen: Der intuitionistische Ansatz
hat das Gebäude der wissenschaftlichen Philosophie, statt es zu
errichten, vielmehr gesprengt. Die Intention der Philosophie als
strenger Wissenschaft forderte die Ausscheidung des lntuitionismus; statt dessen hat der Intuitionismus die wissenschaftliche Philosophie ausgeschieden.
Insofern die phänomenologische Schule auf der Problemstellung einer intuitionistischen Philosophie des Absoluten verharrte,
ist ihr fortschr~itender Verfall etwas logisch Zwangsläufiges. Eine
philosophische Anschauung des Wesens der Dinge kann sich nicht
mit einer apriorischen Bewußtseinsanalyse zufriedengeben, die
höchstens einen Teilbezirk des Seienden eröffnet; sie wird also zu
einer Philosophie des Absoluten, d. h. zu einer Metaphysik des
Hervorgehens der Dinge aus dem Sein Gottes hingedrängt, die sie
in der faßlicheren Form S c h e I er s und in der glossogenen Form
H e i d e g g e r s behandelt.
Diese Linie läßt sich von H u s s e r I s eidetischer Deskription
116
nahmen (Beg!ift'en und problematischen Urteilen) mit Sätzen
a priori. Der Inhalt dieser Annahmen ist, nach Eliminierung des
Modalitätsmomentes der Realität, insbesondere durch Q u a I i t ä t sI
momente bestimmt, die entweder logisch Notwendiges oder auch logisch nicht Notwendiges enthalten. Es treten in den Annahmen insofern die Formen der Qualitätsabstraktion, der Abstraktion vom
logisch Zufälligen und auch synthetische Vorstellungsverbindungen
auf. Schon bei Ru s s er I zeigt sich die b e griff s r e a li s t i s c h e
Umdeutung dieser. Abstraktionen zu allgemeinen Gegenständen, in
denen die erfahrungsmäßige Wirklichkeit "gründen" soll: Die
phänomenologische Wesensanschauung erweist sich als Erneu~rung
des Begriffsrealismus.
Während H u s s e r I eine bestimmte E r k e n n t n i s a r t fingiert, erfindet S c h e I e r eine v o I u n t a r i s t i s c h e Intuition.
Dieser Voluntarismus bedient sich zwar in der Anwendung auch
der H u s s e r I sehen Abstraktionsformen, fügt dem aber in fortschreitendem Maße persönliche Einfälle, eigentliche "In tu it i o n e n", bei. Zu diesen Intuitionen wird Sc h e I er durch die
Fülle seiner Gesichte über hdisches und Ewiges, die oft W esentliches enthalten, sich aber der wissenschaftlichen Philosophie nicht
mehr unbedingt verpflichtet fühlen, besonders befähigt.
Ohne S c h e I e r s Weltaufgeschlossenheit und Phantasie setzt
He i d e g g er die ontologische Phänomenologie fort und verallgemeine~
sie zur Fundamentalontologie, deren auf Reduktionen ver-
117
T
ziehtende hermeneutische Methode sich in WOrtneubildungen ge-
einem synthetischen Merkmal) des Seins überhaupt das W e s e n
fällt, in denen unter Ausnützung des anschaulichen Urgehalts von
bestimmter Dinge.
'Sprachzeichen da; Sein des Seienden "ergriffen" wird. An die
dem reinen Bewußtsein, S c h e I e r Gott, · H e i d e g g e r
Es ist daher kein Zufall, daß H u s s er I
dem
Stelle der subtilen Abstraktionen H u s s e r I s und des mehr oder
Menschen Merkmale entnehmen und sie auf das reine Sein über-
minder geordneten Einfallsreichtums S c h e I e r s ist also bei He i-
tragen, um so von vornherein einen Gehalt ihrer Ontologie zu er-
d e g g e r eine V e r b a I t e c h n i k getreten. Der Überschwang
zwingen. Damit hat die Phänomenologie jedoch nicht die Mög-
des intuitiven philosophischen Erkennens hat in einem aller Er-
lichkeit einer kritischen Ontologie, sondern nur wieder die Unmöglichkeit jeder Ontologie bewiesen.
kenntnis baren Gerede geendet, die Unmöglichkeit der phänomeno-
............,.........
"""""·~
logischen Philosophie beweist sich selbst im Gestammel der Existen-
2. D i e U n m ö g li c h k e i t d e s I n tu i t i o n i s m u s.
tialanalyse..
Die Einführung der Wesensanschauung konnte sich auf zwei
_Die Entwirrung des nur scheinbar so verschlungenen Entwick-
Momente stützen: auf den sinnesanschaulichen Charakter exem-
lungsganges der phänomenologischen Schule ist nicht auf dem Wege
plarischer Ausgangsgegenstände der phänomenologischen Analysen
einer Schlagwortkritik erfolgt. Der Phänomenologie wurde nicht-
und auf den A p o d i k t i z i t ä t s charakter der auf diese bezüg-
irgendeine Etikettierung erteilt, wie Mystizismus, Psychologismus
lichen W esensaussagen. Beide Momente, Anschaulichkeit und Apo-
oder AnthropologismU:s. Sie wurde vielmehr auf das hin geprüft,
diktizität, gehören aber zu einer W esensanschauung, und so erklärt
was sie wirklich tut, und was sie zu tun behauptet. Dabei ergab
es sich, daß die Reflexionsmethodik der Phänomenologen ihnen
sich, daß ihre Methodik der Wesensanschauung auf einfachen logi-
unter dem Zwange ihres intuitionistischen Grunddogmas als ein
schen Fehlern beruht, und daß sie diese Fehler auf Grund vielfäl--
philosophisches Anschauungsverfahren erscheinen konnte.
tiger Selbsttäuschungen für Intuitionen hält. Diese Fehler sind
Tatsächlich führt die phänomenologische Ausgangsfrage, die
typische Fehler und in der Geschi~hte des Intuitionismus von PI a-
Frage nach dem Wesen der Dinge, gehörig verallgemeinert, auf die
t o n bis B er g so n immer wieder nachweisbar. Es sind verhältnis-
Frage nach dem Wesen des Seins überhaupt zurück. Faßt man diese
mäßig leicht nachzuweisende Fehler und dennoch treten sie immer
Frage mit den Mitteln der Abstraktion vom logisch Zufälligen an,
wieder auf. Warum?
so ergibt sich eine I o g i z i s t i s c h e 0 n t o I o g i e , die aus dem
Das Streben nach einer intuitionistischen Philosophie hat ein
Begriff des Seins das Wesen der Welt abzuleiten sucht und sich
;'mächtiges Motiv für sich: den Wunsch, der Pb.Qg!lophie____ ~n~§.elhe
1
dabei in einem unvermeidlichen Zirkel bewegt. Es verhällt sichhiermit umgekehrt, wie- bei· dem ontologischen Gottesbeweis. Während dieser aus dem Begriff des allerrealsten Wesens- auf dessen
Existenz schließt, folgert umgekehrt die logizistische Ontologie
(und auch eine nicht-logizistische) aus dem Begriff (oder auch
ll8
J
J'
.Ev.it!enz und dens_~l,!'~!l",.fuhaltsr_eichtum zu v;;~chaffen, den die
Si:llllesansch_l!yy;ng__!Jesitzt. Das Ideal der exakten Wissenschaft scheint
·-·~··---····-·--·----
------~
..
daher ebenso, wie die Träumerei des Mystikers, in der intuitionistischen Philosophie Erfüllung zu finden.
Diese Befriedigung
. ist dem menschlichen Geist aber unmöglich: Mit· Recht hat K a n t
ll9
von dem "Unding der Möglichkeit einer übersinnlichen Erfah-
Absoluten, auch dessen Qualitäten erfassen. Daraus ergibt sich aber
rung" gesprochen und die Philosophie des Schauens eine ,,Afterphilosophie"68 genannt.
notwendig die Unvereinbarkeit des Intuitionismus mit der Erfah-
Die Unmöglichkeit des philosophischen Intuitionismus, die mit
rimgserkenntnis. Besäßen wir eine Intuition des Absoluten in seinen
Eigenschaften und seiner Wirkungsweise, so wäre darin eme solche
der Kritik der Phänomenologie noch nicht erwiesen ist, ist keine
des Hervorgehe:OS der Erfahrungswirklichkeit aus dem Absoluten
zeitweilige, -dergestalt, daß etwa durch fortschreitende Entwicklung
eingeschlossen, das heißt aber eine widerspruchsvolle Schöpfungs-
des menschlichen Geistes er sich zu einem intuitiven verändern
metaphysik. Es ist daher kein Zufall, daß S c h e 1 er den Gedan-
könne, oder daß es einzelne begnadete intuitionistis.che Seelen gehe.
ken des "Ewigen im Menschen", des Mitvollzuges des göttlichen
Der Intuitionismus ist überhaupt unmöglich, er ist ein in dieser
Welt nicht r~alisierhares Unterfangen.
Schöpfungsaktes durch den Menschen, und daß He i d e g g er eine
Hierfür läßt sich der Beweis einfach führen. Alle Anschauung
mus ist mit der Tatsache des Erfahrungswissens und mit dessen
Schicksalsmetaphysik der Geschichte konzipiert: Der Intuitionis-
ist unmittelbare Erkenntnis, sie verlangt und bedarf keiner weiteren
Selbständigkeit unvereinbar.
Zurückführung, um sich in ihrer Wahrheit auszuweisen. Die Exi-
Er ist aber aus einem noch
all~emeineren
Grunde unmöglich.
' stenz der Anschauung und die Wahrheit ihres Inhalts ist dem Be-
Da nämlich der Anschauungscharakter einer Erkenntnis ihre Wahr-
wußtsein unmittelbar gegenwärtig. Der Gegenstand der Anschauung
heit verbürgt, würde ein intuitiver Geist überhaupt nicht irren
drängt. sich ihr unmittelbar auf, im Gegensatz zur gedachten E~­
können. Er hätte eine u n f e h 1 h a r e Erkenntnis der göttlichen
kenntnis, die ihren Gegenstand erschließend· suchen muß. Gäbe es
Schöpfungsordnung, deren Inhalt mit dem Erfahrungswissen,
eine intuitionistische Philosophie, so müßte also das All der Dinge
-Jr
deren Unfehlbarkeit mit der Natur überhaupt unvereinbar ist. Der
mit derselben Klarheit dem Blick offenliegen, wie das Auge den
Sternenhimmel erblickt. Das. All der Dinge, weil die Philosophie
Satz ,,Irren ist menschlich" ist eine Folgerung aus dem Begriff der
Erkenntnis in der Natur, dergestalt, daß ein Geist, der nicht irren
des Absoluten sich auf dieses All richtet, aber auch deshalb, weil
könnte, in der Natur nicht auftreten kann. Ein solcher Geist würde
die Vernunft, ihrer ursprünglichen Einheit zufolge, wenn einer
ihrer tatsächlich nur gedachten Inhalte intuitiv wäre, es in a 11 e n
das, was in der Natur nur eiU:e Aufga-he ist, mit Naturnotwendig-
ihren Inhalten sein müßte. Wenn sie· es ~her in allen ihren In-
I.' .
keit verwirklichen. Die Naturgesetze seines Erkennens garantierten zugleich die Wahrheit seiner Erkenntnis"hemühungen", derer
halten Ist, so muß sie es auch in ihren auf das Absolute gerichteten
er vielmehr überhohen wäre. Die in der intuitionistischen Philo-
Erkenri.tnissen sein. Eine Intuitionsphilosophie gelangt daher -un-
sophie vollzogene Aufhebung der Selbständigkeit des Erfahrungs-
vermeidlich zu der Annahme, der Mensch erschaue die Herrlichkeit Gottes und seiner Schöpfung. Denn Anschauung richtet sich
auf die Qualitäten der Dinge und müßte also, als Anschauung des
68
120
Werke, Bd. VIII, Ausgabe Cassirer, S. 230.
l\isse_ns führt daher zur Aufhebung der Selbständigkeit des Wissens
/
I.
überhaupt, zum Glauben an die Selbstoffenbarung Gottes im Menschen. Da der unfehlbare Geist kein bloß natürlicher Geist sein
kann~ muß er ein übernatürlich inspiriertes Wesen sein; in ihm
121
fallen ekstatisch Erkenntnis und Gegenstand zusammen. Er · enthält überhaupt keine Erkenntnis mehr, er ist ein Wunder, und
derWund er g I a u h e daher die intuitionistische Endkonsequenz~9.
durch zwei einfache Gedanken charakterisiert. Sie verschmäht das
f und a m e n t I o s e Systemhauen und fordert daher eine Unter-
suchung über die Erkenntnisgründe philosophischer Systeme: Die
Kritik der Vernunft. Die Kritik der Vernunft ist kein Beweis der
3. D i e Auf g a b e d er k r i t i s c h e n Phi I o s o p h i e.
Gültigkeit menschlicher Erkenntnis überhaupt und in diesem Sinne
Man kann den Intuitionismus als idealisierenden Empiris-
keine Erkenntnistheorie. Sie ist vielmehr die Determination der
mus auffassen, indem er wie dieser auf dem Prinzip der An-
zum Aufhau der philosophischen Disziplinen in der menschlichen
schauung beruht, die er nur aus einer sinnlichen. in eine i n t e 1-
Vernunft gegebenen Stücke der Erkenntnis. Sie befriedigt insofern
l e k tu e ll e i:ntuition sublimiert. Die Unmöglichkeit des Empi-
das letzte Begründungsbedürfnis des wissenschaftlichen
Gei~tes.
rismus hat H u s s e r I erneut nachgewiesen, die Unmöglichkeit des,
Die Kritik der Vernunft zwingt die Philosophie zu einer tief-
httuitionismus steht gleichfalls fe~t. Beide Irrwege beruhen auf
gehenden S e I h s t h e s c h r ä n k u n g , und diese Selbstbeschrän-
einem verfehlten m o n i s t i s c h e n Streben:, das immer wieder
kung der philosophischen Erkenntnis ist der zweite Grundgedanke
dazu verleitet, empirische Probleme a priori und Probleme a priori
der kritischen Philosophie. Er schließt jene Metaphysik als un-
a postefiori zu bearbeiten. Diesem eigentlichen Grundmangel läßt
möglich aus, die auf eine Erfassung des Alls der Dinge abzielt.
sich n~ begegnen durch restlose Klarheit über den Beitrag der
Diese Selbstbeschränkung wird in P I a t o n s Höhlengleichnis, in
verschiedenen Erkenntnisquellen zum Ganzen der Erkenntnis über-
K an t s Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich, in
haupt, das heißt aber durch K r i t i k d e r V e r nun f t. Hiermit
F r i e s ' Lehre von· den verschiedenen W eltansichten, die gleich-
sind wir auf die kritische Philosophie geführt, die "von der Unter-
berechtigt und aufeinander unzurückführbar nebeneinander stehen,
suchung der Vermögen der menschlichen Vernunft (in welcher Ab-
ausgesprochen.
sicht es auch sei) Eroberungen zu machen anfängt". Daß dieser
nichtet also nicht die Metaphysik überhaupt, sondern jene Meta-
Weg K a n t s "allein den ewigen Frieden" in der Philosophie "nicht
physik, die mit der Selbständigkeit des Erfahrungswissens unver-
nur bewirken, sondern auch in aller Zukunft sichern" könne, dies
einbar ist, und jene, die das Erfahrungswissen zu einer positivisti-
Der t r a n s z e n d e n t a I e I d e a I i s m u s ver-
nicht nur als begründete Überzeugung zu besitzen, sondern auch zu
schen Metaphysik umdeutet. Er trifft den Relativismus und den
demonstrieren, ist die Aufgabe der auf dem Boden der tiefen Ein-
Mystizismus in der 'Wurzel: in ihrer Unkenntnis der wirklichen
sichten des echten Kriti~ismus weiterarbeitenden Zukunft.
Organisation des menschlichen Geistes.
Die kritische Philosophie ist in ihrem von den Zufälligkeiten bestimmter Systembildungen unabhängigen GrundbeStande
69
Die positive Beurteilung der Phänomenologie durch P r z y w a r a beruht
darauf, daß sie "echte Scholastik im Geiste Thomas v. Aquins" (Stimmen der
Zeit, 58. Jahrg., 10. Heft, 115. Bd., S. 264) ist.
122
Die kritische Philosophie ist die Philosophie des Selbstdenkens, woraus K an t folgerte, daß man nicht Philosophie, sondern nur Philosophieren lehren könne. Dieser tiefe pädagogische
Gedanke gilt auch für die Entwicklungsbedingungen der kritischen
Philosophie selbst. In ihr gibt es kein doktrinäres Festhalten, auch
123
T
1Jl
nicht solcher E;~ehnisse, die in ihrer Schule ausgebildet wurden.
Das Postulat des Selhstdenkens fordert vielmehr eine fortschreitende Vervollkommnung der philosophischen Abstraktionen, die,
ehensowenig wie die mathematischen, auf Grund eines bestimmten
SOZIOLOGISCHE WERKE
AUSDEM
historischen Standes der Wissenschaft kanonisierhar sind. Es ist
daher ein durchaus oher:ßächlicher Ei~wand gegen den Kritizismu~,
VERLAG HANS BUSKE 1 LEIPZIG
wenn man ihn als durch• veränderte Grundlagen der Erfahrungswissenschaften widerlegt und überwunden betrachtet. Abgesehen
davon, daß im allgemein'en diese Neuerungen mit dem historischen Bestand der kritischen Philosophie sich als wohl vereinbar
erweisen, ist selbst in solchen Fällen, wo dies nicht der Fall ist,
nie der Kritizismus, sondern nur ein philosophischer Satz oder ein
System solcher Sätze getroffen. Gerade darin zeigt sich aber der
wissenschaftliche Charakter der kritischen Philosophie, daß sie
keine ein für allemal vollendete Weisheit ist, sondern, wie jede
Wissenschaft, ein in der Zusammenarbeit der Generationen immer
besser zu lösendes Problem bezeichnet.
Diese Aufgabe ist nicht nur ein Anliegen der Wissenschaft, sie
ist ein Anliegen des menschlichen Lehens überhaupt. Die in der
"brennenden Logik der Scheiterhaufen: ,Glaub! oder ich schlag'
dich todt'" 10 gegeneinander wütenden Fanatismen, die heute wieder,
"die Fackel in der Hand, ... mit verbundenen Augen ... durch
Europa streifen"11, köD.Jlen nur von einer geläuterten Philosophie
aus in fernen Zeiten einmal besiegt werden, Und nur dann besteht
eine Hoffnung, von diesem Ziel nicht für ewige Zeiten entfernt
hleihen zu müssen, wenn eine unerschütterliche, über die Generationen hin reichende Phalanx dies in seinem ganzen Ernst erfaßt.
7
° F r i e s ; Die Geschichte
der Philosophie, Halle 1840, Bd. II, S. 142.
Schi 11 er, Philipp II., König von Spanien, S. 199, Werke, Bd. VI,
Meyers K1assikerausgabe.
71
124
ALBERTS-ARNDT, B.: Die englische Gesellschaft im Spiegel der
Romane von George Meredith. Preis RM 4.30.
BOUSQUET, G. H.: Grundriß der Soziologie nach Vilfredo Pareto.
Mit Einleitung von G. Salomon. Preis RM 5.40.
'
ELLWOOD, Ch. A.: Das seelische Leben der menschlichen Gesellschaft. Übersetzung und Vorwort von H. L; S t o 1 t e n b e r g.
Preis brosch. RM 6.-, gbd. RM 7.-.
GEIGER, Th.: Die Gestalten der Gesellung. Preis brosch. RM 4·3o,
gbd. RM 4-75·
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soziologischen Ursprünge und Wirkungen. Preis RM 4.05.
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Webers. Preis RM 2.15.
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Soziologie des Parlamentarismus. Preis .RM 2.70.
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und G. S a I o m o n. Band I-III. Jeder Band gebunden Preis
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